Nicht verzargen, Herr Rechtsanwalt

Vor Gericht ist es nicht wie auf hoher See, pflege ich immer zu sagen. Ich mag es nicht, den Ausgang eines Verfahrens in die Hände des Schicksals zu legen.

Wir Anwälte, die sich dem Handelsvertreter- oder dem Vertriebsrecht widmen, müssen nur mit wenigen Paragraphen auskommen (§§ 84 bis 92 c HGB). Das scheint übersichtlich, könnte man denken.

Doch wenn es weniger Paragraphen gibt, gewinnen Grundsatzurteile an Bedeutung. Dann muss man wissen, wer was und wann entschieden hat.

Und so erlebt man die eine oder andere „Anekdote“, die es zu erzählen gibt. Das Landgericht Koblenz erzählt eine davon. Während es zunächst einen Hinweis erteilt hatte, dass die Übergabe von Anlagen keinen Schriftsatz ersetzt, wollte es davon in dieser Woche nichts mehr wissen. Die Gegenseite hatte einen weiteren knappen Vortrag geliefert und „sage und schreibe“ zwei DIN-A4 Ordner Anlagen überreicht. Jetzt meinte das Gericht plötzlich, dass das ausreichend wäre. Die Masse machts.

In einem Rechtsstreit vor einem Amtsgericht, in dem es um die Rückforderung fester Vorschüsse ging, sagte die Richterin, es käme darauf an, wie hoch die Vorschüsse seien. Wenn sie niedrig sind, würde eine Kündigungserschwernis nicht zu sehen sein. Und dann müsse der Handelsvertreter auch alles wieder zurück zahlen. Und so schick wie die Abrechnungen aussahen, würden sie schon stimmen.

In einer ähnlichen Sache ging es schon vor einiger Zeit vor dem Landgericht Münster. Auch hier wollte ein großer Vertrieb seine festen Vorschüsse zurück. Für den Vertriebler ging es um die Existenz. Ich schrieb und schrieb und fuhr das gesamte Bollwerk von Urteilen auf, die einen solchen Anspruch abgelehnt hatten.

Dann fragte die Richterin kurz und trocken, warum ich denn so viel schreiben würde. Schließlich wäre es doch ganz klar, dass hier die Forderung des Vertriebs nicht besteht.

Worte, die man gern hört, sich aber nicht merken sollte. Denn morgen ist wieder alles anders.