Zirkus um die Scheinselbständigkeit

Das Thema Scheinselbständigkeit ist in brav wiederkehrender Regelmäßigkeit in dem Munde mancher Handelsvertreter. Diese haben nämlich, wenn sie Einfirmenvertreter sind, die kompletten Nachteile zu erleiden.

Einerseits dürfen sie nur für „die eine“ Firma tätig sein, sind also bei weitem nicht so selbständig, wie man sich einen Selbständigen eigentlich vorstellt.

Andererseits sind sie auch keine Arbeitnehmer. Sie haben keinen Kündigungsschutz, keinen Urlaubsanspruch, keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall u.s.w..

Ein Zirkusmitarbeiter hat jetzt gerade die „Höhen und Tiefen“ der freien Mitarbeiterschaft kennengelernt. Er fiel bei der Premiere vom sog. Todesrad, wurde stark verletzt und klagte Entgeltfortzahlung ein.

In seinem Vertrag stand aber „freier Mitarbeiter“. Dieser sah für die Tätigkeit „Hochseil“ und „Todesradnummer“ ein Tageshonorar in Höhe von. 550,00 Euro vor. Der Vertrag konnte unter Einhaltung einer Frist von 14 Tagen gekündigt werden.

Als seine Artistenkollegen erfuhren, dass sie alle nicht zur Krankenversicherung angemeldet hatte, weigerten sie sich danach aufzutreten. Die Beklagte nahm dies zum Anlass, das Rechtsverhältnis fristlos und hilfsweise fristgerecht zu kündigen.

Dagegen legte der Artist Kündigungsschutzklage ein. Voraussetzung dieser Klage ist, dass ein Arbeitsverhältnis vorliegt.

Während das Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage mit der Begründung abwies, es liege kein Arbeitsverhältnis vor, gab das Landesarbeitsgericht der Klage statt. Es ging davon aus, die Beklagte habe die Kläger als Arbeitnehmer beschäftigt und sei deshalb verpflichtet gewesen, sie zur Krankenversicherung anzumelden.

Dem widersprach jedoch das Bundesarbeitsgerichts. Anders als das Landesarbeitsgericht sah das BAG die Artisten nicht als Arbeitnehmer. Vielmehr erbrachten sie ihre Artistenleistung nach Ansicht des BAG als freie Dienstnehmer.

 Der „Vertrag über freie Mitarbeit“ sehe ein für Arbeitsverhältnisse charakteristisches Weisungsrecht nicht vor.

Ein Arbeitsverhältnis unterscheidet sich von dem Rechtsverhältnis eines freien Dienstnehmers durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet. Arbeitnehmer ist deshalb nur derjenige, der aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist.

Die Beantwortung der Frage, welche Art von Rechtsverhältnis vorliegt, erfordert eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls. In diesem Fall vermochten die Richter eine solche Weisungsabhängigkeit nicht zu erkennen.

Es liege daher liegt in der Regel kein Arbeitsverhältnis vor, wenn eine Artistengruppe mit einem Zirkusunternehmen vereinbart, im Rahmen einer Zirkusaufführung eine in einem Video dokumentierte Artistennummer darzubieten.

Urteil BAG vom 11. August 2015 – 9 AZR 98/14 –