Ansichten eines Richters zur Spezialisierung von Anwälten

Kürzlich durfte ich an einem sehr interessanten Rechtsgespräch unter sechs Augen teilnehmen. Teilnehmer waren zwei auf das Handelsvertreterrecht spezialisierte Rechtsanwälte und ein Richter, der das Gesellschaftsrecht dem Handelsvertreterrecht vorzieht.

Zunächst wurde über den Umfang und die Rechtmäßigkeit eines Buchauszuges disskutiert. Dieser Buchauszug wurde im Rahmen einer Berufung angegriffen. In dem Buchauszug wurde in den Entscheidungsgründen erwähnt, dass dem Handelsvertreter ein Ausgleichsanspruch zustehe. Der Vertrieb, die DVAG, wehrte sich dagegen im Rahmen der Berufung.

Der Senat in der Gestalt des Einzelrichters machte zunächst umfangreiche Rechtsauführungen zum Wesen des Buchauszuges, zur Verjährung und zum Umfang des Buchauszuges. Er meinte, einen Buchauszug benötige man nicht für den Ausgleichsanspruch. Soweit, so gut.

Im Anschluss daran machte der Richter klar, warum die Angelegenheit in seinem Senat gelandet ist. Er wurde nämlich gefragt, warum es im Hause des Oberlandesgerichtes Frankfurt am Main zum Thema Buchauszug so viele abweichende Entscheidungen, auch in Bezug auf den Streitwert des Buchauszug gäbe. Dieser wird teilweise von dem Aufwand abhängig gemacht, den die Erteilung eines Buchauszuges erfordert, teilweise davon, was sich der Kläger von dem Buchauszug wirtschaftlich verspricht. Letztere Auffassung wurde von diesem Senat vertreten. Eine andere Auffassung wird offensichtlich von anderen Senaten beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main und auch vom Bundesgerichtshof vertreten.

Dannw wurde die Frage erörtert, warum denn nicht auch im Handelsvertreterrecht beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main – zwecks Vereinheitlichung der Rechtsprechung – die Angelegenheiten nicht zu einem Spezialsenat kämen. Dann würden sich zumindest ein paar Richter tief in die Materie einarbeiten können. Der geschöäftsverteilungsplan des OLG schreibe jedoch vor, dass nur die Handelsvertretersachen in den Spezialsenat kämen, die zuvor beim Landgericht bei der Kammer für Handelssachen wären, andere nicht.

Dazu sprach der Richter sein Unbehagen aus, dass er sich den spezialisierten Anwälten unterlegen fühle. Als Beispiel nannte er einen Professor aus Köln, der sich im Besonderen im Gesellschaftsrecht so gut auskennen würde, dass er „mit links“ jeden Richter in die Tasche stecke.

Während die Anwaltschaft sich umfassend spezialisiert hat, wird die Spezialisierung bei den Gerichten nur schleppend umgesetzt. Das richterliche Unbehagen ist etwas verständlich.