BGH: Freistellung ist „letztlich nichts anderes“ als ein vorgezogenes Wettbewerbsverbot

Der BGH spricht von enger Verwandtschaft, wenn er von der Freistellung und dem Wettbewerbsverbot spricht. Die Freistellung ist “ nichts anderes als ein vorgezogenes Wettbewerbsverbot“. Sowohl bei der Freistellung (während der Vertragslaufzeit) und bei dem Wettbewerbsverbot (nach Vertragsende) sollte der Handelsvertreter gut überlegen, ob er sich darauf einlassen kann.

Das Wettbewerbsverbot ist in § 90 a HGB geregelt. Es darf längstens zwei Jahre dauern. Der BGH hatte gegen eine zweijährige Freistellung nichts auszusetzen. Über das Verwandtschaftsverhältnis machte sich der BGH am 29.03.1995 unter dem Az VIII 102/94 folgende Gedanken:

„Die der Beklagten in Absatz 1 der Klausel 802 eingeräumte Befugnis, einen Vertreter für die Dauer der Kündigungsfrist von der Führung der Geschäfte seiner Vertretung zu entbinden, soll im Interesse der Beklagten verhindern, daß der gekündigte Vertreter bei Vertragsende den von ihm geworbenen und betreuten Kundenstamm „mitnimmt“ und einem Konkurrenzunternehmen zuführt. Dieses Interesse der Beklagten ist legitim und steht im Einklang mit der Wertung des Gesetzgebers, wie sie vor allem in § 90 a HGB für einen Regelungsbereich zutage tritt, der dem hier zu entscheidenden Interessenkonflikt eng verwandt ist: Die Bestimmung schränkt zwar die Möglichkeit der Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots zum Schutz des Handelsvertreters ein und sichert seinen Lebensunterhalt für die Dauer der Karenz. Den grundsätzlichen Interessenkonflikt zwischen Prinzipal und Vertreter um das Recht zur nachvertraglichen Nutzung des von dem Vertreter geworbenen Kundenstamms löst das Gesetz aber zugunsten des Unternehmers, indem es ihm überhaupt die Möglichkeit eröffnet, dem Vertreter auch noch für die Zeit nach Vertragsbeendigung ein Wettbewerbsverbot aufzuerlegen. Der Interessenwiderstreit, den die Klausel 802 zugunsten der Beklagten löst, ist gleichfalls nach dieser Wertentscheidung zu beurteilen, denn die Entbindung des Vertreters für die Dauer der Kündigungsfrist ist – im Zusammenwirken mit dem bis zum Vertragsende fortgeltenden Konkurrenzverbot nach Nr. 4 AVB – letztlich nichts anderes als ein vorgezogenes Wettbewerbsverbot im Sinne des § 90 a HGB. Während dem Vertreter dort für die Zeit nach Ablauf des Vertretervertrages Beschränkungen auferlegt werden können, die ihn daran hindern sollen, aus der Beziehung zu den von ihm geworbenen und betreuten Kunden zum Nachteil des Unternehmers Nutzen zu ziehen, wird im Streitfall dieselbe Wirkung zeitlich vorverlagert dadurch erzielt, daß der Vertreter für die Dauer der Kündigungsfrist von der Führung der Geschäfte seiner Vertretung entbunden werden kann….“