OLG Düsseldorf mit Grundsätzen zur Nachbearbeitung

In einem Rechtsstreit zwischen einem Vertrieb und einem ehemaligen Vermögensberater hat das Oberlandesgericht Düsseldorf am 13.01.2017 einige Maßstäbe für die erforderliche Nachbearbeitung festgesetzt.

Die D… hatte hier Provisionen zurückgefordert, zu welchen die Verträge innerhalb der Haftungszeit storniert worden waren. Diese wurden teilweise zugesprochen, teilweise nicht.

Zunächst führte der Senat aus, dass §92 Abs. 4 HGB festlegt, dass der Versicherungsvertreter die Provision verdient, sobald der Versicherungsnehmer die volle Versicherungsprämie gezahlt hat.

Geschieht dies nicht, tritt die aufschiebende Bedingung für die Entstehung des Provisionsanspruchs nicht ein. Abweichend hiervon regelt §87a HGB, dass den Unternehmer eine Nachbearbeitungspflicht trifft. Führt er diese nicht ordnungsgemäß aus, muss er sich so behandeln lassen, als hätte der Versicherungsnehmer die Prämie vollständig gezahlt. Der Unternehmer hat dann nämlich das Geschäft nicht vertragsgemäß ausgeführt.

Die Darlegungs- und Beweislast liegt hier beim Unternehmer, wenn er die Provisionsvorschüsse zurückfordert. Er muss für jeden in Rede stehenden Vertrag ausführen, wie die Nachbearbeitung stattgefunden hat.

Der Unternehmer hat die Nichtausführung des Geschäfts (Kündigung oder Beitragsfreistellung) gem. §87a Abs. 3 S. 2 HGB nicht zu vertreten, wenn er sich ausreichend „um die Rettung stornogefährdeter Verträge bemüht hat“.

Hier hat er, so das Oberlandesgericht, die Wahl, die Nachbearbeitung selbst zu übernehmen oder sie dem Handelsvertreter zu überlassen. Unterlässt er beide Varianten, so ist der Provisionsanspruch des Handelsvertreters endgültig entstanden.

Entscheidet er sich dafür, die Nachbearbeitung dem Handelsvertreter zu überlassen, so ist er verpflichtet diesem (und allen anderen mit ihm vertraglich verbundenen Vertretern, denen er die Gesamtprovision oder einen Teil hiervon auszahlen müsste) Stornogefahrmitteilungen zukommen zu lassen.

Diese müssen in der Form zugehen, dass der Handelsvertreter rechtzeitig von der Nichtzahlung und etwaigen bekannten Gründen erfährt, sodass er sich noch erfolgsversprechend um eine Vertragsrettung kümmern kann. Für die rechtzeitige Absendung sei der Unternehmer selbst verantwortlich. Erst mit dem Zugang der rechtzeitigen Stornogefahrmitteilung, hat der Unternehmer seine Pflicht gem. §87a Abs. 3 S. 2 HGB erfüllt und hat sich in diesem Sinne ausreichend bemüht.

Hierzu entschied der Senat außerdem, dass es ausreiche, die Stornogefahrmitteilungen über das firmeninterne EDV-System zu versenden, sofern sichergestellt sei, dass der Handelsvertreter hierauf Zugriff habe.

Übernehme der Unternehmer selbst die Nachbearbeitung, so müsse er „alles ihm Zumutbare und objektiv Erforderliche unternehmen“, um den Versicherungsnehmer zur Zahlung zu bewegen.

Die erforderlichen Maßnahmen seien einzelfallabhängig.

Jedoch legte das Oberlandesgericht einige Maßstäbe fest. Grundsätzlich sei der Unternehmer in jedem Fall gehalten, die Gründe für eine Nichtzahlung herauszufinden. Danach müsse er gemeinsam mit dem Versicherungsnehmer nach einer Lösung für die Fortführung des Vertrages suchen.

Dafür wäre in der Regel eine persönliche Rücksprache erforderlich.

Beispielhaft wurde an einem hier in Rede stehenden Vertrag deutlich gemacht, dass es nicht als persönliche Rücksprache zur Vertragsrettung ausreiche, wenn die persönliche Rücksprache zwei Jahre vor der Kündigung stattgefunden habe.

Außerdem sei eine nachdrückliche Zahlungsaufforderung erforderlich. Eine einfache Mahnung wäre jedoch nicht ausreichend.

Auch dies wurde beispielhaft an einem in Rede stehenden Vertrag erläutert, bei dem nur eine einfache Mahnung von der D… versendet wurde (bzw. nur diese bewiesen werden konnte).

Hier wurde eine ausreichende Nachbearbeitung, und somit die Exkulpierung gem. §87a Abs. 3 S. 2 HGB verneint.

Die Nachbearbeitung könne entfallen, wenn „endgültig und unabänderlich feststeht, dass der Schuldner nicht zahlen wird“. Von einer Nachbearbeitung könne ausnahmsweise abgesehen werden, wenn Versuche zur Vertragsrettung von vornherein aussichtslos erschienen.

Für diesen Tatbestand gab es im Verfahren ebenfalls einige Positiv- und Negativbeispiele:

– Ein unbekannter Aufenthaltsort des Versicherungsnehmers, welcher mit zumutbaren Mitteln nicht

ausfindig gemacht werden könnte, wäre ein Fall in dem die Versuche von vornherein aussichtslos

erschienen.

– Ebenfalls wurde dies für den Fall einer feststehenden Zahlungsunfähigkeit des Kunden

angenommen.

– Beim Ausspruch einer Kündigung durch den Versicherungsnehmer könne jedoch nicht von

vornherein sicher sein, dass die Vertragsrettung aussichtslos ist. Das Erfordernis der

Nachbearbeitung entfällt in solchen Fällen nicht. Vielmehr muss zunächst der Kündigungsgrund

untersucht werden.

Wenn jedoch ein wichtiger Kündigungs- oder Anfechtungsgrund tatsächlich und unumstritten

vorliegt, müsse einer ausgesprochenen Kündigung nicht entgegengewirkt werden.

– Ein weiteres Beispiel wurde an einem in Rede stehenden Vertrag aufgezeigt, bei welchem ein

zweiter Vertrag zur betrieblichen Altersvorsorge abgeschlossen wurde. In einem solchen Fall, könne

das angestrebte Ziel des Kunden der betrieblichen Altersvorsorge mit der Möglichkeit der

steuerlichen Geltendmachung nicht mehr erreicht werden, sodass sich der Vertrag für den Kunden

als wirtschaftlich überwiegende nachteilig darstellt. Eine Nachbearbeitung sei daher „erkennbar

zwecklos“.

– Anders beurteilte der Senat die Situation des Beitragsrückstandes. In einem solchen Fall könne nicht

per sé von einer Entbehrlichkeit der Nachbearbeitung ausgegangen werden. Vielmehr seien grade

diese Fälle die, in denen ein Bemühen stattzufinden hat und die Möglichkeit besteht, gemeinsam

mit dem Kunden eine Lösung zur Vertragsrettung zu finden.

 

Auch bei sogenannten „Kleinstorni“ ergebe sich in Hinblick auf die oben erwähnte Darlegungs- und Beweislast beim Unternehmer nichts anderes.

Der Senat bezog sich hier auf ältere BGH-Rechtsprechung. Insofern würde die Ansicht des Bundesgerichtshofes geteilt, dass in Fällen kleinerer Zahlungsansprüche eine Nachbearbeitung nur dann geboten sei, wenn sie wirtschaftlich sinnvoll ist.

In der Regel sei dies nicht der Fall.

Im vorliegenden Verfahren gab es jedoch die Besonderheit, dass einige Kunden mehrere Verträge abgeschlossen hatten. Hinsichtlich der „Kleinstorni“ von solchen Mehrfachkunden beurteilte das Oberlandesgericht die Situation etwas anders. Es könne in solchen Fällen durchaus wirtschaftlich sinnvoll sein, auch bei Kleinstbeträgen nachzubearbeiten. Für die „Pflege der Kundenbeziehung“ könnte dies von Bedeutung sein. Daher entschied das Oberlandesgericht hier, dass die schlichte Äußerung der D… in Bezug auf viele Fälle, diese seien Kleinstorni, nicht ausreichen könne.

Es hätte der D… hier ebenfalls obliegen, vorzutragen, dass sie auch in den Fällen besonderer „Kleinstorni“ ordnungsgemäß nachgearbeitet hat.