Europäische Gerichtshof

EuGH stellt neue Regeln zur Stornorückzahlung auf

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich aktuell mit der Frage beschäftigt, ob Provisionsvorschüsse im Fall einer Stornierung zurückzuzahlen sind. Dabei hat das Gericht neue Grundsätze geregelt.

Die ERGO hat von einer slowakischen Handelsvertreterin etwa 11.000,00 € an Provisionen zurückgefordert und eingeklagt. Die Vertreterin meinte, sie sei nicht zur Rückzahlung verpflichtet. Schließlich sei der Versicherer selbst für die Einstellung der Beitragszahlungen verantwortlich gewesen. Mit Urteil vom 17.05.2017 unter dem Aktenzeichen Rs. C 48/16, Abruf-Nr.: 194994, entschied der EuGH, dass ein Versicherer jegliches Verhalten zu vertreten habe, welches zur Vertragskündigung (Stornierung) führen kann. In diesem Fall soll die Versicherung den Kunden durch diverse Nachfragen „genervt“ und damit faktisch zur Einstellung der Beitragszahlung veranlasst haben. So jedenfalls behauptet es die Klägerin.

Der EuGH beschäftigte sich mit dem Begriff des „Vertretenmüssens“. Insgesamt ging es beim EuGH um die Frage, ob ein Unternehmen nur rechtlich relevantes Verhalten zur vertrete hat, wie z.B. das Unterlassen einer rechtzeitigen Stornogefahrmitteilung, oder wenn z.B. die Versicherung selbst kündigt.  Es ging jedoch auch und vor allem um die Frage, ob darüber hinaus ein sonstiges Verhalten dazu führen kann, dass der Provisionsanspruch bestehen bleibt.

In der europäischen Handelsvertreterrichtlinie heißt es, dass ein Rückforderungsanspruch bestehe, soweit das Geschäft nicht ausgeführt werde.

Die europäische Handelsvertreterrichtlinie gilt eigentlich nur für Warenvertreter, kam jedoch in diesem Fall zur Anwendung. In Art. 11 der Richtlinie 86/653 heißt es:

Der Anspruch auf Provision erlischt nur, wenn und soweit

–        fest steht, dass der Vertrag zwischen dem Dritten und dem Unternehmer nicht ausgeführt wird, und

–        die Nichtausführung nicht auf Umständen beruht, die vom Unternehmer zu vertreten sind.

 

Vom Handelsvertreter bereits empfangene Provisionen sind zurückzuzahlen, falls der Anspruch darauf erloschen ist.

Zunächst stellte der EuGH klar, dass die Regelung grundsätzlich auch gelte im Fall der teilweisen Nichtausführung. Die Regelung gelte eben nicht nur dann, wenn ein Vertrag komplett storniert wird.

Allerdings sagt das Gericht auch, dass im Falle einer Teilstornierung nicht die gesamte Provision zurückgeführt werden müsse. Die Verpflichtung zur Rückzahlung der Provision muss strikt im Verhältnis zum Ausmaß der Nichtausführung des Vertrages stehen. Eine über das Ausmaß dieser Nichtausführung hinausgehende Verpflichtung zur anteiligen Rückzahlung der Provision wäre in der Tat eine durch Art. 11 Abs. 3 der Richtlinie 86/653 untersagte Abweichung zum Nachteil des Vertreters.

Im Übrigen will der EuGH den Begriff „Umstände, die vom Unternehmer zu vertreten sind“ weit auslegen. Hier müssen alle Umstände des Falls berücksichtigt werden, um festzustellen, ob die Nichtausführung der Versicherungsverträge nicht von dieser Gesellschaft zu vertreten ist.

Das erstinstanzliche Gericht hat also deshalb alle rechtlichen und tatsächlichen Umstände zu würdigen, um festzustellen, ob die Stornierung eines Vertrages nicht auf Umständen beruht, die vom Unternehmer zu vertreten sind.

Die ERGO-Mitarbeiterin, Frau Barlikova, rügte erstinstanzlich, einige Kunden haben deshalb nicht mehr gezahlt, weil sie das ursprünglich in diese Gesellschaft gesetzte Vertrauen verloren hätten, nachdem sie von ihr unangemessen behandelt worden seien.

Nach der Rechtsprechung des EuGH kommt es jetzt darauf an, ob die Vorwürfe zutreffend sind.

EuGH zum Widerrufsrecht

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte dem Aktenzeichen C-209/12 Ende des letzten Jahres eine interessante Entscheidung gefällt.

Er hatte Lebens- und Rentenversicherungsverträge, die in den Jahren von 1994-2007 abgeschlossen wurden, in Hinblick auf das Kleingedruckte überprüft.

Das Widerrufsgesetz ist im Versicherungsvertragsgesetz verankert. Es stammt ursprünglich vom 30.05.1908. Eine Reform ist am 01.01.2008 in Kraft getreten. Die alte Rechtslage bis 31.12.2007 gilt teilweise noch für Altverträge.

Verbraucher können ohne Angabe von Gründen widerrufen: Bei Lebensversicherungen gilt dies bis 30 Tage nach Abschluss (§ 152 VVG) bei allen anderen Versicherungsverträgen mit einer Frist von 14 Tagen (§ 8 VVG). Die Widerrufsfrist beginnt zu dem Zeitpunkt, zu dem der Versicherungsschein und eine deutlich gestaltete Belehrung über das Widerrufsrecht dem Versicherungsnehmer in Textform zugegangen sind.

Im Kleingedruckten vieler Versicherungen, auch der Allianz, war früher geregelt, dass das Rücktrittsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlöschen würde.

Der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes lag folgender Fall zu Grunde:

Ein Versicherungsnehmer – namens Endress – schloss bei der Allianz eine Rentenversicherung mit Vertragsbeginn zum 01.12.1998. Die allgemeinen Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation erhielt er mit dem Versicherungsschein.

Nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofes wurde er nicht hinreichend über seine Rechte gemäß § 5 a VVG alter Fassung belehrt.

Ab Dezember 1998 war für fünf Jahre jährlich eine Versicherungsprämie zu zahlen. Rentenbeginn sollte der 01.12.2011 sein.

Zum 01.09.2007 wurde der Vertrag gekündigt und der knapp über dem Nominalwert der eingezahlten Prämien liegende Rückkaufswert ausgezahlt.

Am 31.03.2008 übte der Versicherungsnehmer das Widerrufsrecht gemäß § 5 a VVG aus. Er forderte die Rückzahlung der Prämien nebst Zinsen unter Verrechnung des Rückkaufswertes und verwies dabei auf eine Entscheidung des Landgerichts Stuttgart vom 13.07.2010 unter dem Aktenzeichen 22 O 587/09. Nach seiner Berechnung waren dies 22.272,56 €.

Das Landgericht Stuttgart und auch das Oberlandesgericht Stuttgart wiesen seine Klage jedoch ab. Sie verwiesen auf das erloschene Rücktrittsrecht.

Gemäß der allgemeinen Versicherungsbedingungen sollte nämlich der Rücktritt allenfalls bis ein Jahr nach Zahlung der Erstprämie möglich sein.

Der Bundesgerichtshof setzte mit Beschluss vom 28.03.2012 das Verfahren aus und legte dem Europäischen Gerichtshof die Frage vor, ob § 5 a VVG alter Fassung gegen Europarecht verstoße.

Das Berufungsgericht (OLG Stuttgart) hatte zuvor festgestellt, dass die Versicherung den Versicherungsnehmer nicht in drucktechnisch deutlicher Form über sein Widerspruchsrecht belehrt hatte.

Der Europäischen Gerichtshof hat nunmehr die Frage bejaht, dass § 5 a VVG alter Fassung gegen Europarecht verstoße. Das Verfahren wurde nunmehr an den Bundesgerichtshof zurückgegeben. In diesem Jahr ist zu erwarten, dass der Bundesgerichtshof über die Rechtsfolgen entscheide.

Übrigens: Mit Urteil vom 16.10.2013 hatte der Bundesgerichtshof unter dem Aktenzeichen IV. ZR 52/12 entschieden, dass zwar ein Widerruf auch dann noch möglich sei, wenn der Vertrag bereits gekündigt wurde, jedoch dann nicht mehr, wenn beiderseitig vollständige Leistungserbringung erbracht worden wäre.