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2025Die Vergreisung der Grundsätze
Am 01.11.1976, also vor 48 Jahren war es soweit. Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft e.V., der Bundesverband der Geschäftsstellenleiter der Assekuranz e.V. und der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute e.V. (BVK) haben die Grundsätze zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs gem § 89 b HGB ins Leben gerufen.
Die Ausgleichsansprüche feiern damit bald 50 jähriges Jubiläum. Helmut Schmidt wurde damals wiedergewählt und Wolf Biermann ausgebürgert. Viele Zeitgenossen von damals leben schon nicht mehr. Die Väter der Grundsätze werden sich auch nicht mehr erinnern, wie man auf die Recheninhalte gekommen ist. Eine gewisse Vergreisung ist den Grundsätzen vorzuhalten.
Je nach Versicherungssparte werden danach für die privaten Krankenversicherungen, für dynamische Lebensversicherungen und für Sachversicherungen getrennte Berechnungen zur Ermittlung des Ausgleichsanspruchs herangezogen.
Beispielhaft wird bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs bei den dynamischen Lebensversicherungen von den jeweiligen Versicherungssummen ausgegangen.
Die älteren Vertreter der Zunft werden sich noch erinnern können. Die Versicherungssummen waren tatsächlich einmal vorrangig Bestandteil der Provisionsabrechnungen. Dies ist lange her. Der Begriff der Versicherungssumme dürfte allenfalls noch historische Bedeutung haben. Heutzutage weiß kaum jemand wie dieser Begriff zu definieren ist. Vielerorts wird heutzutage nach Wertungssummen abgerechnet, die zwar grundsätzlich auch von der Summe der einzuzahlenden Prämien in die Lebensversicherung abhängig ist, jedoch beschränkt es nach Einzahlungsdauer und weiteren Faktoren.
Wenn man diese erste Stufe erklommen hat und irgendeine Summe ermittelt hat, soll diese nach den Grundsätzen im Jahre 1975 mit 0.11, im Jahre 1976 mit 0.10 usw. berechnet werden. In den Jahren 1980ff. beträgt dieser Wert 0,08. Ganz offenkundig hat man die Lebensdauer der Grundsätze weit über das Jahr 1980 nicht in Betracht gezogen.
Die Frage nach dem WARUM? drängt sich zwangsläufig auf, wenn man sich den Multiplikator 0,08 ansieht.
Bildet man beispielsweise eine Versicherungssumme von 100.000 €, käme man zu einem Zwischenstand von 8.000 €. Anschließend gibt es noch einen Bonus für die Dauer der hauptberuflichen Tätigkeit. Zu Beginn beträgt dieser 1, ab dem zehnten Jahr 1,25 und ab dem zwanzigsten Jahr 1,5.
Wenn ein Vertreter bei diesem Beispiel 9 Jahre dabei war, würde er in diesem Fall 8.000 € erhalten.
Entsprechend der geschichtlichen Einordnung erfolgt die Auszahlung nach den Grundsätzen in D-Mark.
Sind die Grundsätze noch zeitgemäß und gerecht? Gemäß § 89b kann der Handelsvertreter einen Ausgleich verlangen, wenn und soweit der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat und die Zahlung der Billigkeit entspricht.
Die Vorteile des Unternehmens bestehen in erster Linie darin, dass das Unternehmen dem Handelsvertreter keine Provisionen mehr zahlen muss (vgl. Bundesgerichtshof Urteil vom 23.11.2011 Az.: VIII ZR 203/10). Tenor dieser Entscheidung ist auch, dass der BGH die Grundsätze Ausgang einer Schätzung zulässt.
Die Höchstgrenze des Ausgleichsanspruchs des Versicherungsvertreters- oder maklers beträgt nach § 89b Abs. 5 HGB maximal 3 Jahresprovisionen. Warum sollte dies dann nicht als zeitlicher Maßstab für den Provisionsverlust dienen?
Würde ein Vermittler beispielsweise 15 Promille für einen Bestand von 100.000 € erhalten, so wären dies 15.000 €. Multipliziert mit 3 Jahren würde dann der Ausgleich in Höhe von 45.000 € bestehen. Gemessen daran, dass Lebensversicherungsverträge einer 5-jährigen Haftungszeit unterliegen, könnte gar eine 5-jährige Betrachtung herangezogen werden. Dann würde der Ausgleich bei 75.000 € liegen.
8.000 € oder 75.000 € ?
Selbstverständlich unterliegen die Verträge einer bestimmten Abwanderungsquote (Stornoquote), die zum Abzug führen muss, so dass nicht exakt 75.000 € zu zahlen wären. Liegt diese bei 5 % pro Jahr wüden im ersten Jahr 3250 € usw abgezogen werden müssen, so dass dann etwa 65.000 € im Ergebnis zur Auszahlung verbleiben.
In Anbetracht der eklatanten Abweichungen zu den gesetzlichen Grundlagen bedürfen die Grundsätze einer Nachverhandlung.