Provisionsvorschüsse

BGH: Provisionsvorschüsse müssen unter Umständen nicht zurückgezahlt werden

Wenn eine Rückzahlungsklausel, die die Kündigung erschwert, unwirksam ist, muss ein Handelsvertreter Provisionsvorschüsse nicht zurückzahlen. Dies entschied der Bundesgerichtshof in einem aktuellen Urteil vom 19. Januar 2023 unter dem Aktenzeichen VII ZR 787/21.

Gemäß § 89 a Abs. 1 Satz 2 HGB ist eine Kündigungserschwernis verboten. Dies gilt auch für sogenannte mittelbare Erschwernisse.

In dem Fall, über den der BGH zu entscheiden hatte, ging es um einen Handelsvertreter, der für ein Möbelunternehmen tätig war. Dieser erhielt pauschale Provisionsvorschüsse. Vertragliches Ziel war es, dass der Handelsvertreter diese Vorschüsse mit verdienten Provisionen ausgleichen sollte. Bei Beendigung des Vertrages betrug der negative Saldo fast 55.000 €.

Während der Vertragslaufzeit wurde zudem vereinbart, dass ein auflaufender Saldo als Darlehen gewährt werden soll und mit 3,5 % pro Jahr zu verzinsen ist.

Dort heißt es:

„Im Falle der Beendigung des Handelsvertretervertrages vom
26. Juli 2013 sind die Restschuld des Darlehens und die zum Stich-
tag der Vertragsbeendigung aufgelaufenen Zinsen in einer Summe
sofort fällig. Hierbei ist es unerheblich, durch wen und aus welchem
Grund der Vertrag beendet wurde.“

Der Handelsvertreter aus der Möbelbranche wurde dann wegen der Zahlung verklagt. Das Landgericht Mönchengladbach wies die Klage ab, das Oberlandesgericht Düsseldorf erkannte den Anspruch des Unternehmens an, jedoch mit der Maßgabe, dass dem Unternehmer der Anspruch nur Zug um Zug gegen Erteilung eines Buchauszuges zustehen würde. Interessant ist, dass auch das Oberlandesgericht Düsseldorf die Vereinbarung für unwirksam betrachtet hatte, jedoch trotzdem meinte, dass der Handelsvertreter sich dann rechtsgrundlos bereichert hätte und ein Anspruch des Unternehmens aus § 812 BGB bestehen würde.

Der BGH zog hier einen Schlussstrich zugunsten des Handelsvertreters.

Der BGH gab dem Handelsvertreter Recht und meinte, dass jede Partei das Recht zu einer fristlosen Kündigung habe und dieses Recht auch nicht mittelbar eingeschränkt werden dürfe. In § 89 a Abs. 1 Satz 2 HGB sieht der BGH eine Schutzvorschrift des im Allgemeinen wirtschaftlich schwächeren Handelsvertreters.

In einem solchen Fall muss nach der Auffassung des BGH der Handelsvertreter den Betrag nicht zurückzahlen. Eine gegen die gesetzliche Regelung verstoßende Vereinbarung ist unwirksam (§134 BGB).

Wenn, so der BGH, eine Rückzahlungsklauseln unwirksam ist, dient dies dem Schutz des Handelsvertreters, sodass dieser nicht aus anderen Gründen zur Rückzahlung verpflichtet sein kann (der BGH verwies auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichtes München mit Urteil vom 9. März 2017 (Aktenzeichen 23 U 2601/16).

Der BGH verwies die Angelegenheit zurück Oberlandesgericht Düsseldorf, dass nunmehr die Rechtsauffassung des BGH zu berücksichtigen hat.

Nachbearbeitung ungenügend

Das Oberlandesgericht München wies am 27.3.2019 eine Klage auf Rückzahlung von Provisionsvorschüssen ab. Ein Versicherer verlangte Geld zurück, weil Verträge ins Storno gegangen sind.

Nach § 92 Abs. 2, § 87 a Abs. 3 Satz 2 HGB entfällt der Anspruch des Versicherungsvertreters auf Provision im Falle der Nichtausführung des Geschäfts durch den Unternehmer, wenn und soweit die Nichtausführung auf Umständen beruht, die vom Unternehmer nicht zu vertreten sind. Die Nichtausführung des Vertrags ist schon dann von dem Versicherungsunternehmen nicht zu vertreten, wenn es notleidende Verträge in gebotenem Umfang nachbearbeitet hat. Art und Umfang der dem Versicherungsunternehmen obliegenden Nachbearbeitung notleidender Versicherungsverträge bestimmen sich nach den Umständen des Einzelfalls. Das Versicherungsunternehmen kann grundsätzlich entweder eigene Maßnahmen zur Stornoabwehr ergreifen, die dann freilich nach Art und Umfang ausreichend sein müssen, oder sich darauf beschränken, dem Versicherungsvertreter durch eine Stornogefahrmitteilung Gelegenheit geben, den notleidend gewordenen Vertrag selbst nachzubearbeiten.

Diese Einleitung liest man in den Urteilen immer wieder. Die konkreten Folgen sind jedoch umstritten.

Das Oberlandesgericht München hatte zu berücksichtigen, dass der Versicherungsvertreter zwischenzeitlich aus der Vertriebsorganisation ausgeschieden ist. Im übrigen wurde der Kunde schriftlich über die Nachteile informiert und ein Besuchsauftrag an den Bestandsnachfolger gesandt.

Dies reichte dem OLG München nicht.

Es urteilte wie folgt: „Im Falle des zwischenzeitlichen Ausscheidens des Versicherungsvertreters aus der Vertriebsorganisation des Versicherers kann dieser zwar grundsätzlich auch den Nachfolger des ausgeschiedenen Versicherungsvertreters mit der Nachbearbeitung beauftragen. In diesem Fall reicht aber die Versendung einer Stornogefahrmitteilung an den Bestandsnachfolger für eine hinreichende Nachbearbeitung i.S.d. § 87 Abs. 3 S. 2 HGB nicht aus, da letzterer den Schwerpunkt seiner Tätigkeit aus Gründen des eigenen Provisionsinteresses darauf setzen wird, Neuverträge abzuschließen und nicht dem Provisionsinteresse seines Vorgängers dienen wollen. Daher muss der Versicherer weiteren Vortrag zur konkreten Nacharbeit durch den Nachfolger des ausgeschiedenen Versicherungsvertreters oder zur Aussichtslosigkeit der Nacharbeit halten.“

OLG Frankfurt: Ehemaliger Vermögensberater muss Provisionen nicht zurückzahlen

Mit Beschluss vom 17.08.2017 beabsichtigte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main, eine Berufung der DVAG abzuweisen.

Die DVAG hat einen Betrag in Höhe von fast 30.000,00 € eingeklagt. Der Beklagte war als Vermögensberater etwa 35 Jahre für die DVAG tätig. Nachher geriet das Abrechnungssaldo ins Minus. Der ehemalige Vermögensberater sollte geleistete Provisionsvorschüsse zurückzahlen.

Klagegrund war die Provisionsabrechnung.

Bereits in der ersten Instanz vor dem Landgericht Frankfurt am Main hatte die DVAG verloren. Dagegen hatte sie Berufung eingelegt. Das Landgericht Frankfurt am Main kündigte an, die Berufung abweisen zu wollen.

Es führte aus, dass der Versicherungsvertreter Provisionsvorschüsse zurückzahlen müsse, wenn feststeht, dass der Kunde nicht leistet und dies vom Unternehmer nicht zu vertreten ist.

Die Klägerin vermochte es jedoch nicht, die Berechnung der Klageforderung lückenlos darzulegen. Wenn eine Versicherungsgesellschaft von ihrem Handelsvertreter gezahlte Provisionen zurückverlangt, weil Versicherungsverträge storniert worden sind, hat sie den sich aus jedem Stornierungsfall ergebenen Rückforderungsbetrag substantiiert und nachvollziehbar darzulegen. Dazu gehören auch die konkrete Darlegung des jeweils gezahlten Vorschusses und die Darlegung des jeweiligen Rückforderungstatbestandes. Nicht genügend ist, die Forderung lediglich der Höhe nach zu beziffern und jeweils einem vom Beklagten vermittelten Vertrag zuzuordnen. Dies ist in der Provisionsabrechnung geschehen.

Stattdessen ist Voraussetzung für die Rückforderung, die vorzeitige und wirksame Beendigung des Versicherungsvertrages. Außerdem setzt die Rückforderung von Vorschüssen voraus, dass der Versicherer der Pflicht genügt hat, alles zur Erhaltung des Vertrages mögliche zu tun. Dies ist darzulegen. Die Höhe jeder Stornoforderung ist nachvollziehbar vorzurechnen. Insofern nimmt das Oberlandesgericht Frankfurt am Main Bezug auf eine Entscheidung des bekannten handelsvertreterfreundlichen Senates des Oberlandesgerichtes Hamm, dort mit Beschluss vom 12.03.2004, Aktenzeichen 35 W 2/04.

Aufhebungsvertrag nicht widerruflich

Der Handelsvertreter ist endlich raus. Nach vielem Ärger bekam er endlich den Aufhebungsvertrag. In der Hoffnung, endlich Ruhe zu haben, wurde der Vertrag kurzerhand unterschrieben und zurückgeschickt.

Gelesen wurde der Vertrag nur oberflächlich. Der erste Ärger kam schnell, als ein Kollege sagte, der Aufhebungsvertrag sei einseitig. Er habe jetzt ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, eine Vertragsstrafe im Falle des Verstoßes, Geld bekomme er für die Zukunft keines mehr, aber dafür dürfe er noch lange haften, für Provisionsvorschüsse und Beratungsfehler. Außerdem habe er ja auf Ansprüche aus einem Versorgungswerk verzichtet. Schnell wird er Beratungstermin mit dem Anwalt gemacht, in dem bestätigt wird, dass der Vertrag – außer das schnelle Ende – nur Nachteile für den Handelsvertreter enthalte. Und ein Ausgleichsanspruch sei aufhebungsvertraglich auch noch ausgeschlossen.

Aber anfechten wolle er dann, woraufhin der Anwalt entgegenete, das ginge nur bei Irrtum, Drohung oder Täuschung und all das lege nicht vor. Aber er habe sich doch geirrt, meinte der Handelsvertreter, weil er die Rechtsfolgen nicht überblicken konnte. Der Irrtum über die Rechtsfolgen sei schon seit einer Rechsgerichtsentscheidung als Motivirrtum zu werten, so der Anwalt, der normalerweise unbeachtlich ist und keinen Raum für eine Anfechtung gibt.

Dann jedoch könne er widerrufen, glaubte bis dato der Handelsvertreter. Seit das Haustürwiderrufgesetz gegolten hat und nunmehr die Regelungen in §§ 312 ff BGB zu finden sind, gibt es die Möglichkeit des Widerrufs.

Jedoch auch hier geht der Handelsvertreter wohl rechtlos aus. Das Bundesarbeitsgericht entschied am 7.2.2019 unter dem Az 6 AZR 75/18, dass ein Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag nicht widerrufen könne.
Das „Haustürwiderrufsrecht“ nach den §§ 312 ff. BGB a.F. stelle vertragstypenbezogenes Verbraucherschutzrecht dar und würde nur auf „besondere Vertriebsformen“ Anwendung finden, nicht jedoch auf Verträge, die wie der Arbeitsvertrag und der arbeitsrechtliche Aufhebungsvertrag keine Vertriebsgeschäfte sind. Daran soll sich auch durch den neu gefassten § 312 g BGB nichts ändern, wonach Verbrauchern nunmehr „bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen“ ein Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB zustehe. Die vom BAG zur bisherigen Rechtslage aufgestellten Grundsätze sind nach Auffassung des BAG auch auf Aufhebungsverträge und den neuen § 312 g BGB übertragbar. Ein Arbeitsnehmer könne danach nicht widerrufen.

Wenn schon bereits Arbeitnehmer nicht widerrufen können, steht den Handelsvertretern wohl erst recht keine Widerrufsrecht zu. Schließlich ist der Handelsvertreter selbständig und vom Gesetz weniger geschützt.

Dennoch gibt es nach der Entscheidung des BAG zumindest für Arbeitnehmer eine zarte Hoffnung. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen müsse noch prüfen, ob das Gebot des fairen Verhandelns beachtet worden sei. Dieses Gebot stelle eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht dar. Wenn z.B. der Arbeitgeber eine psychische Drucksituation schafft, die eine freie und überlegte Entscheidung des Arbeitnehmers über den Abschluss des Aufhebungsvertrages erheblich erschwert, würde er dagegen verstoßen. Das könnte dann der Fall sein, wenn jemand krankheitsbedingt den Aufhebungsvertrag, wie in dem Fall des BAG, unterschreibt.

Der Arbeitgeber müsse für den Fall des Verstoßes Schadensersatz leisten und den Arbeitnehmer so stellen, als wäre der Aufhebungsvertrag nie unterschrieben worden.

Dieser Grundsatz des Gebotes des fairen Verhandelns hat in dieser Form im Handelsvertreterrecht bisher keine Berücksichtigung gefunden. Da jedoch der BGH in neueren Entscheidungen eine gewisse Schutzbedürftigkeit für abhängige Handelsvertreter betont hat, und zumindest bei der Frage von Kündigungsfristen die Abhängigkeit eines Handelsvertreters mit dem eines Arbeitnehmers verglichen hat, könnte auch dieser Grundsatz hier bald mal eine Rolle spielen.

OLG München weist Provisionsrückzahlungsklage ab

Am 07.06.2017 fällte das Oberlandesgericht München unter dem Aktenzeichen 7 U 1889/16 eine bemerkenswerte Grundsatzentscheidung.

Eine Klage auf Rückzahlung von Provisionsvorschüssen wurde vom Oberlandesgericht abgewiesen. Das Landgericht München I hatte den Handelsvertreter noch zur Rückzahlung verurteilt. Das Oberlandesgericht München begründete die Zurückweisung der Provisionsrückforderungsansprüche damit, dass das Landgericht die Darlegungs- und Beweislast in solchen Fällen falsch erkannt hat.

Dazu das Oberlandesgericht:

Die Klägerin macht nämlich einen Rückforderungsanspruch geltend und muss deshalb darlegen und im Bestreitensfall nachweisen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des Rückforderungsanspruches vorliegen. Allgemeine Meinung, statt aller zuletzt Oberlandesgericht Düsseldorf (Urteil vom 13.01.2017, Aktenzeichen 16 U 32/16)

 Die Klägerin hatte zunächst nur die stornierten und beitragsfrei gestellten Verträge beschrieben. Es ist jedoch nach Auffassung des Oberlandesgerichtes auch Angaben der Klägerin zu den Stornierungsgründen und – Zeitpunkt, zum Provisionssatz, zur Höhe der bereits an die Beklagten ausgezahlten Provisionen, zur Restlaufzeit des Versicherungsvertrages und zudem von der Klägerin unternommenen Nachbearbeitungsmaßnahmen erforderlich.

Die Klägerin muss nämlich bei der geltend gemachten Saldoforderung so vortragen, dass das Gericht diese rechnerisch nachvollziehen und überprüfen kann. (Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.05.1991, Aktenzeichen IX ZR 214/90).

Erst nach einem Hinweis des Oberlandesgerichtes München hatte die Klägerin dann eine Berechnungsformel übermittelt. Dies genügte dem Gericht jedoch insofern, weil die Klägerin dann anschließend auch den Grund für die Nichtzahlung der Versicherungsprämie angab durch Kürzel wie Rückkauf, Beitragsfreistellung, Storno oder technische Änderung.

Die Klägerin tat jedoch nicht genügend, um die Verträge zu retten. Gemäß §§ 87 a Abs. 3 Satz 2, 92 HGB entfällt der Provisionsanspruch des Handelsvertreters im Fall der Nichtausführung des Geschäftes nur, wenn und soweit die Nichterfüllung auf Umständen beruht, die vom Unternehmer nicht zu vertreten sind. Notleidende Verträge müssen also nachgearbeitet werden (Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.06.2012 Aktenzeichen VIII ZR 130/11). Die Nachbearbeitung kann erfolgen durch Versendung von Stornogefahrmitteilungen an den Handelsvertreter oder auch durch eigene Nachbearbeitung.

Mit einer Stornogefahrmitteilung an den Versicherungsvertreter genügt der Prinzipal seiner Bearbeitungspflicht jedoch nur, soweit der Vertreter noch in der Lage ist, Maßnahmen zum Erhalt des notleidenden Versicherungsvertrages zu treffen. Er darf also seine Handelsvertretertätigkeit noch nicht eingestellt haben und nicht zu einer anderen Versicherungsgesellschaft gewechselt sein (dies sind insofern neue Grundsätze durch das Oberlandesgericht München, weil viele Vertriebe auch noch ausgeschiedenen Handelsvertretern Stornogefahrmitteilungen zukommen lassen, obgleich diese bereits teilweise für eine andere Versicherungsgesellschaft tätig sind, z.B. bei der OVB ; die DVAG übersendet dagegen beispielsweise die Besuchsaufträge an den Bestandsnachfolger).

Wenn der Prinzipal selbst nachbearbeitet, sind die erforderlichen Maßnahmen eine Frage des Einzelfalles (Bundesgerichtshof Urteil vom 01.12.2010 Aktenzeichen VIII ZR 310/09). Ein bloßes Mahnschreiben des Versicherungsunternehmens an den Versicherungsnehmer genügt grundsätzlich nicht als ausreichende Nachbearbeitung, selbst wenn das Mahnschreiben einen Hinweis auf die Vorteile der Versicherung enthält. Stattdessen ist ein aktives Tätigwerden des Prinzipals erforderlich und ein ernsthaftes und nachdrückliches Anhalten des Versicherungsnehmers zur Erfüllung seiner Vertragspflicht (Bundesgerichtshof wie oben).

Es ist nach den Gründen für die Nichtzahlung zu forschen und nach einer gemeinsamen Lösung mit dem Versicherungsnehmer zu suchen und ob dafür eine persönliche Rücksprache mit dem Schuldner erforderlich ist

(Oberlandesgericht Brandenburg, Urteil vom 07.10.2010, Aktenzeichen 12 U 96/09,

Oberlandesgericht Schleswig, Urteil vom 04.03.2011, Aktenzeichen 14 U 86/10,

Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 13.01.2017, Aktenzeichen 16 U 32/16)

Der Bundesgerichtshof hatte diese Frage in seiner Entscheidung aus dem Jahre 2010 offen gelassen.

Allerdings dann, wenn der Versicherer darlegen und beweisen kann, dass eine Nachbearbeitung von vorn herein aussichtlos ist, ist er auch nicht zur Nachbearbeitung verpflichtet (allgemeine Meinung, so auch Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 13.01.2017, Aktenzeichen 16 U 32/16)

Davon wollte das Gericht jedoch keinen Gebrauch machen, weil es in diesem Rechtsstreit vorliegend um stornierte betriebliche Altersversorgungen handelte und das Gericht hier eine Nachbearbeitungspflicht deshalb sah, weil der Arbeitgeber unter Umständen zur Erhaltung seines Personalstandes bereit war, während der Fehlzeit der versicherten Person die Beiträge aus eigener Tasche zu bezahlen. Im Weiteren hatte sich das Gericht dann mit den einzelnen Fällen auseinandergesetzt und differenziert entschieden. In Ausnahmefällen hatte das Oberlandesgericht einen Rückforderungsanspruch zuerkannt.

Jedenfalls hat das Oberlandesgericht schriftliche Mahnungen nicht genügen lassen.

Jedenfalls hat das Oberlandesgericht abschließend bewertet, dass auch kein Rückforderungsanspruch aus einem behaupteten Saldo aus der Provisionsabrechnung bestehe. Schließlich könne sich das  Unternehmen nicht auf die Grundsätze des Kontokorrents im Sinne § 355 HGB berufen, da eine solche Abrede zwischen den Parteien gar nicht getroffen wurde. Es fehlen nämlich an einer Vereinbarung über die Inrechnungstellung, Verrechnung und Saldofeststellung. Eine Verrechnung der beiderseitigen Ansprüche von Zeit zu Zeit genüge nicht. Man muss sich auf konkrete Kontokorrentperioden, das heißt, regelmäßige Zeitabstände zur Saldierung der aufgenommenen Posten, geeinigt haben (Vergleiche Hopt, in Baumbach/Hopt, HGB, 37. Auflage, München 2016 RdNr. 5) Eine solche Vereinbarung liegt hier nicht vor.

Stattdessen gibt es einen Anspruch des Handelsvertreters gegen das Unternehmen, weil sich aus einer älteren Abrechnung eine Habenposition aus der Provisionsabrechnung ergibt. Mit dieser Habenposition wurde die Aufrechnung erklärt. Die Forderung der Klägerin war damit erloschen. Eine Provisionsabrechnung stellt ein abstraktes Schuldanerkenntnis dar.

OLG Karlsruhe: DVAG muss Guthaben aus Rückstellungskonto auszahlen

Am 13.09.2017 entschied das Oberlandesgericht Karlsruhe unter dem Aktenzeichen 15 U 7/17, dass eine Provisionsabrechnung ein abstraktes Schuldanerkenntnis darstelle und dass den Unternehmer besondere Darlegungspflichten treffen, wenn er die Stornoreserve verrechnet. Die DVAG hatte nach Ende des Vermögensberatervertrages Provisionsansprüche gegeneine Vermögensberaterin geltend gemacht. Diese hatte mit der Klage die Auszahlung der Stornoreserve verlangt.

Gegenstand war ein Vermögensberatervertrag aus dem Jahr 2007. Die Provisionsabrechnung aus dem Jahr 2011 wies ein Guthaben von fast 12.000,00 € auf dem Provisionsrückstellungskonto auf. Der Vermögensberatervertrag ging zum 31.12.2012 zu Ende.

 

Vorverfahren

Am 18.05.2012 hatte das Provisionsrückstellungkonto ein Saldo von knapp 5.000,00 € und ein leichtes Guthaben auf dem Diskontkonto. Der Differenzbetrag wurde schon früher von der DVAG eingeklagt. Es gab also bereits ein abgeschlossenes Vorverfahren. Dieses endete in einem Berufungsurteil. Das Landgericht Mosbach hatte bereits mit Urteil vom 04.11.2015 unter dem Aktenzeichen 5 S 9/15 in der Berufung den Anspruch der DVAG rechtskräftig abgewiesen.

Das Verfahren ging weiter.

 

Klage der DVAG

Am 18.05.2016 betrug das Sollsaldo der Provisionsabrechnung 11.420,20 €. Nachdem der vor dem Landgericht Mosbach abgewiesene Betrag in Abzug gebracht wurde, wurde der Differenzbetrag abermals eingeklagt. Die ehemalige Vermögensberaterin verlangte im Rahmen der Widerklage den Guthabenbetrag gem. Abrechnung vom 20.09.2011 in Höhe von knapp 12.000,00 €.

Die DVAG wies darauf hin, sie habe in allen Fällen Stornogefahrenabwehrmaßnahmen ergriffen, durch Erinnerungs-, Mahn- und Kündigungsverfahren. Auch seien eigene Nachbearbeitungsverfahren durchgeführt worden. Die DVAG stellte sich auf den Standpunkt, die Ex-Vermögensberaterin sei nicht berechtigt, isoliert aus der Provisionsabrechnung einen Guthabenbetrag zu verlangen, da dieser in der Folgezeit durch Verrechnungen abgeschmolzen sei.

Vor dem Landgericht Mosbach hatte in dem jüngsten Verfahren sowohl die Klage als auch die Widerklage keinen Erfolg. Beide Seiten legten Berufung ein.

Das Oberlandesgericht kam zu dem Ergebnis, dass zu Recht die Klage auf Rückzahlung der Provisionsvorschüsse abgewiesen wurde. Fordert der Unternehmer die Rückzahlung vermeintlich unberechtigter geleisteter Provisionen oder Vorschüsse, trägt dieser die Beweislast, muss also für jeden einzelnen Rückforderungsanspruch dessen konkrete Gründe darlegen und ggf. beweisen (BAG, Urteil vom 21.01.2015, X AZR 84/14 und Urteil des Bundesgerichtshof vom 28.06.2012,  Aktenzeichen VII ZR 130/11).

Dazu könne das Versicherungsunternehmen entweder eigene Maßnahmen zur Stornoabwehr ergreifen oder dem Versicherungsvertreter durch eine Stornogefahrmitteilung Gelegenheit dazu geben.

Das Oberlandesgericht wies darauf hin, dass der Unternehmer für jeden Einzelfall die Gründe der Vertragsbeendigung, Zeitpunkt und Art der Mahnung sowie der Unterrichtung des Versicherungsvertreters über die Stornogefahr darzulegen habe und die Höhe der rückzuzahlenden Abschlussprovisionen zu errechnen habe. Die Beweislastverteilung zu Ungunsten der DVAG ergäbe sich daraus, dass bei wirtschaftlicher Sicht der Unternehmer der Fordernde ist.

Obgleich die DVAG darauf hinwies, dass sie sämtliche Abrechnungen vorgelegt habe, wurde ihr Anspruch zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht meint, dass die DVAG ihrer Darlegungslast damit nicht genüge. Regelmäßig gehöre dazu auch die „konkrete Darlegung und Beweisführung, dass und mit welchem Inhalt eine ausreichende Nachbearbeitung durchgeführt worden ist, jedoch erfolglos geblieben ist, oder eine Nachbearbeitung ausnahmsweise entbehrlich gewesen ist, und zwar für jeden einzelnen rückabzuwickelnden Versicherungsvertrag (vgl. Bundesgerichtshof Urteil vom 28.06.2012)“.

Die DVAG habe nur allgemein ihre Vorgehensweise dargestellt, jedoch nichts dazu vorgetragen, was in jedem Fall der Rückforderung von ihr an Nachbearbeitungsmaßnahmen durchgeführt wurde bzw. aus welchen Gründen solche unterblieben sind.

Der allgemeine Hinweis auf eine Stornogefahrmitteilung reiche nicht aus. Auch die bloße Versendung einer Stornogefahrmitteilung an den Nachfolger des ausgeschiedenen Versicherungsvertreters für die Darlegung einer ausreichenden Maßnahme reiche ebenfalls nicht aus (Bundesgerichtshof mit Urteil vom 28.06.2012, Oberlandesgericht Zweibrücken, Urteil vom 11.06.2015, Aktenzeichen 4 U 15/13).

Schließlich habe der Bestandsnachfolger ein eigenes Provisionsinteresse, nicht gerichtet auf die Erhaltung der Verträge seines Vorgängers.

Da die DVAG dieser Darlegungspflicht nicht nachgekommen ist, wurde ihre Klage abgewiesen.

 

Widerklage der Vermögensberaterin

Das Oberlandesgericht Karlsruhe verurteilte die DVAG zur Zahlung der knapp 12.000,00 €.

Es hatte darauf hingewiesen, dass es unstreitig sei, dass der maximale Haftungszeitraum von 60 Monaten gelte und abgelaufen sei.

Zwar handelt es sich bei der Klage auf Auszahlung des Stornoreserveguthabens ebenfalls um eine Provisionsklage, für die dieselben Darlegungs- und Beweislastgrundsätze gelten. Auch hier müsste für jeden vermittelten Vertrag vorgetragen und bewiesen werden, dass der Anspruch besteht. Es stehe jedoch auf Grund der Provisionsabrechnung vom 20.09.2011 fest, dass das Provisionsrückstellungskonto ein Guthaben ausweise. Insofern hat die Provisionsabrechnung den Charakter eines abstrakten Schuldanerkenntnisses, bezogen auf den jeweiligen Abrechnungszeitraum (Bundesgerichtshof Urteil vom 07.02.1990, Aktenzeichen IV ZR 314/88).

Die Ex-Vermögensberaterin muss sich nicht darauf vertrösten lassen, dass dieses Guthaben in einem Kontokorrent wieder verrechnet wurde.

Die DVAG könne sich nämlich nicht auf die Grundsätze des Kontokorrents im Sinne des § 355 HGB berufen, da eine solche Abrede zwischen den Parteien gar nicht getroffen wurde. Ein handelsrechtliches Kontokorrent setzt nämlich eine Vereinbarung der Parteien über die Inrechnungstellung, Verrechnung und Saldofeststellung voraus, wobei eine tatsächliche Verrechnung der beiderseitigen Ansprüche von Zeit zu Zeit nicht genüge. Außerdem müssten sich die Parteien auf Kontokorrentperioden, d.h. regelmäßige Zeitabschnitte zur Saldierung der aufgenommenen Posten, geeinigt haben. Beides liegt nicht vor.

In dem Vermögensberatervertrag der Parteien fehlt es an derartigen Vereinbarungen zur Saldofeststellung und zu Kontokorrentperioden (vgl. Oberlandesgericht München, Urteil vom 07.06.2017, Aktenzeichen 7 U 1889/16).

Selbst wenn jedoch das Provisionsrückstellungskonto als Kontokorrentkonto geführt worden wäre, wäre im Zweifel mit der Kündigung des Vermögensberatervertrages auch das Kontokorrentverhältnis gekündigt worden. Davon ist das Gericht ausgegangen, weil unstreitig die DVAG die damalige Vermögensberaterin sofort nach der Kündigung von ihrem Onlinesystem getrennt und Auszahlungen unterbunden hat.

 

Schlussbetrachtung

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat das Recht nicht neu erfunden, sondern bekannte Rechtsgrundsätze konsequent angewandt. Dies sind in erster Linie die Rechtsprechung zur Darlegung- und Beweislast des BGH, wenn Provisionsvorschüsse zurückverlangt werden.

Nicht neu, aber bemerkenswert, ist die Entscheidung, dass eine Provsionsabrechnung ein Anerkenntnis darstelle. Dies hatte das Landgericht Frankfurt u.a. am 13.06.2006 entschieden.

Dass eine Abrechnungen durch neue Abrechnungen ersetzt werden kann und damit die ursprüngliche Abrechnung seine Anerkenntnisfunktion verlieren kann, ist jedoch ebenso zu bedenken.

In einem Verfahren vor dem Oberlandesgericht Frankfurt war genau dies der Grund für die Abweisung einer Klage einer Vermögensberaterin, die ebenso ein altes Saldo geltend machte.

Das OLG Karlsruhe hatte jedoch einen Rechtsgedanken, der dieser Entscheidung seine pikante Note verliehen hat. Es hat entschieden, dass mit Ende des Handelsvertretervertrages die Abrede über das Kontokorrent zu Ende wäre und man eine Provisionsabrechnung eben nicht mehr so leicht durch neue ersetzen könne.

Insofern könnte diese Entscheidung Auswirkung auf viele Handelsvertreterverhältnisse haben, sodass auch andere Vertriebe wie OVB, Swiss Life Select, MLP u.s.s davon betroffen sein dürften.

OLG Brandenburg zur Frage, wer in einem Struktursystem die Besuchsaufträge zu erhalten hat

In einem Verfahren vor dem Brandenburgischen Oberlandesgericht stritt ein sogenannter Untervertreter gegen ein Unternehmen, welches Hauptvertreterin war. Das OLG Brandenburg entschied mit Urteil vom 10.1.2013,

Zum Sachverhalt:

Das Unternehmen war seinerseits vertraglich mit verschiedenen Versicherungsgesellschaften verbunden und beschäftigte zur Vertragsvermittlung eben diese Untervermittler.

Zwischen den Parteien bestand ein gängiger Vermittlungsvertrag, welcher unter anderem beinhaltete,

dass die Provision erst dann verdient werde, wenn der Endkunde die Prämien vollständig geleistet hat und die Hauptvertreterin ihrerseits von der Versicherungsgesellschaft die Provision erhalten habe,

dass die Hauptvertreterin ein Konto für den Untervertreter führt,

dass sie dem Untervertreter Abrechnungen zusendet, welche dieser prüfen und bei Fehlern auf solche hinweisen muss (mit Frist zum 31. März des Folgejahres) und,

dass der Untervertreter innerhalb einer Frist von 14 Tagen einen Vertrag nachbearbeiten muss, der in Stornogefahr gerät, sobald er von der Hauptvertreterin darüber in Kenntnis gesetzt wird. Geschieht eine solche Nachbearbeitung nicht innerhalb der Frist, so entfällt die Provision.

Zudem wurde dem Untervertreter angeboten, einen Zugang zu einem firmeninternen Online-System zu kaufen. Davon hat er jedoch keinen Gebrauch gemacht. Mitteilungen, die ihn betrafen, wurden an seine „Führungskraft“, also die ihm übergeordnete Person gesandt.

Die Parteien hatten einen Zusatzvertrag über „Internetleads“ abgeschlossen. Diese wurden von der Hauptvertreterin angeboten. Es handelte sich um Datensätze von potentiellen Kunden, welche die Hauptvertreterin ihrerseits ebenfalls erworben hatte.

Die Hauptvertreterin hatte mit der Klage Provisionsvorschüsse von Verträgen, die storniert worden waren, zurückgefordert.

Der Untervertreter hatte dem gegenüber gestellt, dass die Ansprüche nicht entstanden seien, da er keinen Buchauszug gem. §87c Abs. 2 HGB erhalten habe.

Er hatte überdies die Rückzahlung der Kosten für die „Internetleads“ verlangt, da diese mangelhaft gewesen seien und der Vertrag über diese Daten gegen §86a Abs. 1 HGB verstoße.

Außerdem behauptete er Schadensersatzansprüche in Höhe der Provisionsvorschüsse, da ihm keine Stornogefahrmitteilungen zugegangen seien.

Die Entscheidung:

Bezüglich der „Internetleads“ lehnte das Oberlandesgericht den Rückzahlungsanspruch ab.

Die Hauptvertreterin sei keinesfalls verpflichtet, dem Untervertreter potentielle Kunden zu benennen, sodass ein Ausschluss gem. §86a Abs. 1 HGB schon nicht in Frage komme.

Auch von einem Mangel der „Internetleads“ könne nicht ausgegangen werden. Der Untervertreter hatte hier behauptet, die Kunden seien entweder nicht erreichbar gewesen. Dies könne jedoch keinen Mangel begründen. Der Vortrag war dem Gericht zu unsubstantiiert. Demnach hätte der Untervermittler genau vortragen müssen, wann er versucht habe die Kunden zu erreichen.

Die Tatsache, dass die Kunden nicht interessiert waren, wurde vom Gericht ebenfalls nicht als Mangel gesehen. Durch die Daten werde dem Untervermittler nur „die Chance einer Vertragsanbahnung eingeräumt“, nicht jedoch der sichere Abschluss.

Dazu komme, dass der Untervermittler wohl von der etwaigen Mangelhaftigkeit gewusst haben müsse. Er hatte nämlich zuvor schon einmal solche Daten von der Hauptvertreterin bezogen, die sich als unbrauchbar erwiesen hatten. Er hätte daher mit einem Mangel rechnen müssen.

Zu dem Buchauszug führte das Oberlandesgericht wie folgt aus:

Der Buchauszug müsse ein Spiegelbild der provisionsrelevanten Daten des Unternehmers sein. Der Unternehmer, hier die Hauptvertreterin, müsse dem Untervermittler in einem Buchauszug alle Daten mitteilen, die für die Berechnung der Provision von Bedeutung sein könnten.

Der Anspruch gem. §87c HGB kann jedoch bei einem ausdrücklichen Verzicht entfallen, beispielsweise bei einem Saldoanerkenntnis. Dieses stelle „einen Verzicht auf dem Handelsvertreter bekannte Einwendungen aus der früheren Zeit dar“.

Ein solches habe der Untervertreter hier abgegeben, als er die Abrechnungen bestätigte. Hätte er diese für nicht nachvollziehbar oder fehlerhaft erachtet, so hätte er dies zum jeweiligen Zeitpunkt rügen müssen.

Auf den Vortrag, er sei zu etwaigen Unterschriften gezwungen worden, ging das Gericht nur am Rande ein. Dann jedenfalls hätte er seine Erklärungen gem. §123 BGB anfechten müssen.

Insofern habe er keinen Anspruch mehr auf einen Buchauszug, der den Rückzahlungsansprüchen entgegenstehen könne.

Bei den Rückzahlungsansprüchen für die Provisionsvorschüsse differenzierte das Gericht für die einzelnen Verträge und die jeweiligen Nachbearbeitungsmaßnahmen.

Generell entfalle der Anspruch auf die Provision, wenn die Nichtausführung auf Umständen beruht, die der Unternehmer nicht zu vertreten hat. Dies sei auch so auf das Verhältnis zwischen Hauptvertreter und Untervertreter zu übertragen.

Wenn also die Hauptvertreterin beweisen könne, dass sie in dem gebotenen Umfang nachgearbeitet hat, entfiele der Provisionsanspruch. Die Beweislast dafür läge jedoch bei ihr selbst.

Vorliegend hätte also die Hauptvertreterin selbst Nachbearbeitungsmaßnahmen ergreifen müssen oder dem Untervertreter die Gelegenheit zur rechtzeitigen Nachbearbeitung geben müssen.

Es war vereinbart, dass der Untervermittler selbst die Nachbearbeitung übernehmen soll.

Aufgabe der Hauptvertreterin sei es deshalb gewesen Stornogefahrmitteilungen zu übersenden. Diese müsse so rechtzeitig versendet worden sein, dass bei normalem Verlauf mit dem rechtzeitigen Eingang zu rechnen sei.

In einigen Fällen konnte die Hauptvertreterin hier durch einen Zeugen beweisen, dass Stornogefahrmitteilungen per Post an die Privatadresse des Untervermittlers gesendet wurden. Der Zeuge war zwar nicht selbst mit der Bearbeitung der Post beauftragt, konnte jedoch die übliche Vorgehensweise nach der Kündigung eines Vertrages so schildern, dass der Senat überzeugt war.

In diesen Fällen stellte das Gericht also fest, dass die Verträge aufgrund von Umständen nicht ausgeführt worden waren, die die Hauptvertreterin nicht zu vertreten hatte und der Provisionsanspruch demnach entfallen war. Hier bestand also ein Rückzahlungsanspruch der Hauptvertreterin.

In anderen Fällen, in denen die Stornogefahrmitteilungen elektronisch und automatisch in dem Online-System an die oben genannte Führungskraft des Untervermittlers gesandt worden waren, bewertete das Gericht die Situation anders.

Der Untervermittler sei nicht verpflichtet gewesen sich selbst einen Zugang zu dem Online-System zu verschaffen.

Die Übersendung an die Führungskraft reiche auch nicht aus. Auch wenn die Hauptvertreterin darlegte, dass diese angehalten war, die Handelsvertreter zur Nachbearbeitung anzuhalten, „befreite sie dies nicht von dem Nachweis, dass … die Führungskraft den Untervermittler über die einzelnen Stornogefahrmitteilungen informierte“.

In diesen Fällen bestand daher kein Rückzahlungsanspruch. Diese Verträge seien aufgrund von Umständen storniert worden, die die Hauptvertreterin zu vertreten hatte.

Bezüglich der Fälle, in denen die Hauptvertreterin vortrug selbst Nachbearbeitungsmaßnahmen ergriffen zu haben, entschied das Gericht, dass in der Versendung von Mahnschreiben nach Einstellung von Prämienzahlungen unter Hinweis auf die Rechtsfolgen oder in einem schriftlichen Gesprächsangebot und der schriftlichen Bekundung der Bereitschaft zum Entgegenkommen eine ausreichende Nachbearbeitung gesehen werden könne.

Auch hier wären die Verträge demnach nicht aufgrund von Umständen nicht ausgeführt worden, die die Hauptvertreterin zu vertreten hätte, sodass ein Rückzahlungsanspruch bestehe.

OLG Düsseldorf mit Grundsätzen zur Nachbearbeitung

In einem Rechtsstreit zwischen einem Vertrieb und einem ehemaligen Vermögensberater hat das Oberlandesgericht Düsseldorf am 13.01.2017 einige Maßstäbe für die erforderliche Nachbearbeitung festgesetzt.

Die D… hatte hier Provisionen zurückgefordert, zu welchen die Verträge innerhalb der Haftungszeit storniert worden waren. Diese wurden teilweise zugesprochen, teilweise nicht.

Zunächst führte der Senat aus, dass §92 Abs. 4 HGB festlegt, dass der Versicherungsvertreter die Provision verdient, sobald der Versicherungsnehmer die volle Versicherungsprämie gezahlt hat.

Geschieht dies nicht, tritt die aufschiebende Bedingung für die Entstehung des Provisionsanspruchs nicht ein. Abweichend hiervon regelt §87a HGB, dass den Unternehmer eine Nachbearbeitungspflicht trifft. Führt er diese nicht ordnungsgemäß aus, muss er sich so behandeln lassen, als hätte der Versicherungsnehmer die Prämie vollständig gezahlt. Der Unternehmer hat dann nämlich das Geschäft nicht vertragsgemäß ausgeführt.

Die Darlegungs- und Beweislast liegt hier beim Unternehmer, wenn er die Provisionsvorschüsse zurückfordert. Er muss für jeden in Rede stehenden Vertrag ausführen, wie die Nachbearbeitung stattgefunden hat.

Der Unternehmer hat die Nichtausführung des Geschäfts (Kündigung oder Beitragsfreistellung) gem. §87a Abs. 3 S. 2 HGB nicht zu vertreten, wenn er sich ausreichend „um die Rettung stornogefährdeter Verträge bemüht hat“.

Hier hat er, so das Oberlandesgericht, die Wahl, die Nachbearbeitung selbst zu übernehmen oder sie dem Handelsvertreter zu überlassen. Unterlässt er beide Varianten, so ist der Provisionsanspruch des Handelsvertreters endgültig entstanden.

Entscheidet er sich dafür, die Nachbearbeitung dem Handelsvertreter zu überlassen, so ist er verpflichtet diesem (und allen anderen mit ihm vertraglich verbundenen Vertretern, denen er die Gesamtprovision oder einen Teil hiervon auszahlen müsste) Stornogefahrmitteilungen zukommen zu lassen.

Diese müssen in der Form zugehen, dass der Handelsvertreter rechtzeitig von der Nichtzahlung und etwaigen bekannten Gründen erfährt, sodass er sich noch erfolgsversprechend um eine Vertragsrettung kümmern kann. Für die rechtzeitige Absendung sei der Unternehmer selbst verantwortlich. Erst mit dem Zugang der rechtzeitigen Stornogefahrmitteilung, hat der Unternehmer seine Pflicht gem. §87a Abs. 3 S. 2 HGB erfüllt und hat sich in diesem Sinne ausreichend bemüht.

Hierzu entschied der Senat außerdem, dass es ausreiche, die Stornogefahrmitteilungen über das firmeninterne EDV-System zu versenden, sofern sichergestellt sei, dass der Handelsvertreter hierauf Zugriff habe.

Übernehme der Unternehmer selbst die Nachbearbeitung, so müsse er „alles ihm Zumutbare und objektiv Erforderliche unternehmen“, um den Versicherungsnehmer zur Zahlung zu bewegen.

Die erforderlichen Maßnahmen seien einzelfallabhängig.

Jedoch legte das Oberlandesgericht einige Maßstäbe fest. Grundsätzlich sei der Unternehmer in jedem Fall gehalten, die Gründe für eine Nichtzahlung herauszufinden. Danach müsse er gemeinsam mit dem Versicherungsnehmer nach einer Lösung für die Fortführung des Vertrages suchen.

Dafür wäre in der Regel eine persönliche Rücksprache erforderlich.

Beispielhaft wurde an einem hier in Rede stehenden Vertrag deutlich gemacht, dass es nicht als persönliche Rücksprache zur Vertragsrettung ausreiche, wenn die persönliche Rücksprache zwei Jahre vor der Kündigung stattgefunden habe.

Außerdem sei eine nachdrückliche Zahlungsaufforderung erforderlich. Eine einfache Mahnung wäre jedoch nicht ausreichend.

Auch dies wurde beispielhaft an einem in Rede stehenden Vertrag erläutert, bei dem nur eine einfache Mahnung von der D… versendet wurde (bzw. nur diese bewiesen werden konnte).

Hier wurde eine ausreichende Nachbearbeitung, und somit die Exkulpierung gem. §87a Abs. 3 S. 2 HGB verneint.

Die Nachbearbeitung könne entfallen, wenn „endgültig und unabänderlich feststeht, dass der Schuldner nicht zahlen wird“. Von einer Nachbearbeitung könne ausnahmsweise abgesehen werden, wenn Versuche zur Vertragsrettung von vornherein aussichtslos erschienen.

Für diesen Tatbestand gab es im Verfahren ebenfalls einige Positiv- und Negativbeispiele:

– Ein unbekannter Aufenthaltsort des Versicherungsnehmers, welcher mit zumutbaren Mitteln nicht

ausfindig gemacht werden könnte, wäre ein Fall in dem die Versuche von vornherein aussichtslos

erschienen.

– Ebenfalls wurde dies für den Fall einer feststehenden Zahlungsunfähigkeit des Kunden

angenommen.

– Beim Ausspruch einer Kündigung durch den Versicherungsnehmer könne jedoch nicht von

vornherein sicher sein, dass die Vertragsrettung aussichtslos ist. Das Erfordernis der

Nachbearbeitung entfällt in solchen Fällen nicht. Vielmehr muss zunächst der Kündigungsgrund

untersucht werden.

Wenn jedoch ein wichtiger Kündigungs- oder Anfechtungsgrund tatsächlich und unumstritten

vorliegt, müsse einer ausgesprochenen Kündigung nicht entgegengewirkt werden.

– Ein weiteres Beispiel wurde an einem in Rede stehenden Vertrag aufgezeigt, bei welchem ein

zweiter Vertrag zur betrieblichen Altersvorsorge abgeschlossen wurde. In einem solchen Fall, könne

das angestrebte Ziel des Kunden der betrieblichen Altersvorsorge mit der Möglichkeit der

steuerlichen Geltendmachung nicht mehr erreicht werden, sodass sich der Vertrag für den Kunden

als wirtschaftlich überwiegende nachteilig darstellt. Eine Nachbearbeitung sei daher „erkennbar

zwecklos“.

– Anders beurteilte der Senat die Situation des Beitragsrückstandes. In einem solchen Fall könne nicht

per sé von einer Entbehrlichkeit der Nachbearbeitung ausgegangen werden. Vielmehr seien grade

diese Fälle die, in denen ein Bemühen stattzufinden hat und die Möglichkeit besteht, gemeinsam

mit dem Kunden eine Lösung zur Vertragsrettung zu finden.

 

Auch bei sogenannten „Kleinstorni“ ergebe sich in Hinblick auf die oben erwähnte Darlegungs- und Beweislast beim Unternehmer nichts anderes.

Der Senat bezog sich hier auf ältere BGH-Rechtsprechung. Insofern würde die Ansicht des Bundesgerichtshofes geteilt, dass in Fällen kleinerer Zahlungsansprüche eine Nachbearbeitung nur dann geboten sei, wenn sie wirtschaftlich sinnvoll ist.

In der Regel sei dies nicht der Fall.

Im vorliegenden Verfahren gab es jedoch die Besonderheit, dass einige Kunden mehrere Verträge abgeschlossen hatten. Hinsichtlich der „Kleinstorni“ von solchen Mehrfachkunden beurteilte das Oberlandesgericht die Situation etwas anders. Es könne in solchen Fällen durchaus wirtschaftlich sinnvoll sein, auch bei Kleinstbeträgen nachzubearbeiten. Für die „Pflege der Kundenbeziehung“ könnte dies von Bedeutung sein. Daher entschied das Oberlandesgericht hier, dass die schlichte Äußerung der D… in Bezug auf viele Fälle, diese seien Kleinstorni, nicht ausreichen könne.

Es hätte der D… hier ebenfalls obliegen, vorzutragen, dass sie auch in den Fällen besonderer „Kleinstorni“ ordnungsgemäß nachgearbeitet hat.

EuGH stellt neue Regeln zur Stornorückzahlung auf

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich aktuell mit der Frage beschäftigt, ob Provisionsvorschüsse im Fall einer Stornierung zurückzuzahlen sind. Dabei hat das Gericht neue Grundsätze geregelt.

Die ERGO hat von einer slowakischen Handelsvertreterin etwa 11.000,00 € an Provisionen zurückgefordert und eingeklagt. Die Vertreterin meinte, sie sei nicht zur Rückzahlung verpflichtet. Schließlich sei der Versicherer selbst für die Einstellung der Beitragszahlungen verantwortlich gewesen. Mit Urteil vom 17.05.2017 unter dem Aktenzeichen Rs. C 48/16, Abruf-Nr.: 194994, entschied der EuGH, dass ein Versicherer jegliches Verhalten zu vertreten habe, welches zur Vertragskündigung (Stornierung) führen kann. In diesem Fall soll die Versicherung den Kunden durch diverse Nachfragen „genervt“ und damit faktisch zur Einstellung der Beitragszahlung veranlasst haben. So jedenfalls behauptet es die Klägerin.

Der EuGH beschäftigte sich mit dem Begriff des „Vertretenmüssens“. Insgesamt ging es beim EuGH um die Frage, ob ein Unternehmen nur rechtlich relevantes Verhalten zur vertrete hat, wie z.B. das Unterlassen einer rechtzeitigen Stornogefahrmitteilung, oder wenn z.B. die Versicherung selbst kündigt.  Es ging jedoch auch und vor allem um die Frage, ob darüber hinaus ein sonstiges Verhalten dazu führen kann, dass der Provisionsanspruch bestehen bleibt.

In der europäischen Handelsvertreterrichtlinie heißt es, dass ein Rückforderungsanspruch bestehe, soweit das Geschäft nicht ausgeführt werde.

Die europäische Handelsvertreterrichtlinie gilt eigentlich nur für Warenvertreter, kam jedoch in diesem Fall zur Anwendung. In Art. 11 der Richtlinie 86/653 heißt es:

Der Anspruch auf Provision erlischt nur, wenn und soweit

–        fest steht, dass der Vertrag zwischen dem Dritten und dem Unternehmer nicht ausgeführt wird, und

–        die Nichtausführung nicht auf Umständen beruht, die vom Unternehmer zu vertreten sind.

 

Vom Handelsvertreter bereits empfangene Provisionen sind zurückzuzahlen, falls der Anspruch darauf erloschen ist.

Zunächst stellte der EuGH klar, dass die Regelung grundsätzlich auch gelte im Fall der teilweisen Nichtausführung. Die Regelung gelte eben nicht nur dann, wenn ein Vertrag komplett storniert wird.

Allerdings sagt das Gericht auch, dass im Falle einer Teilstornierung nicht die gesamte Provision zurückgeführt werden müsse. Die Verpflichtung zur Rückzahlung der Provision muss strikt im Verhältnis zum Ausmaß der Nichtausführung des Vertrages stehen. Eine über das Ausmaß dieser Nichtausführung hinausgehende Verpflichtung zur anteiligen Rückzahlung der Provision wäre in der Tat eine durch Art. 11 Abs. 3 der Richtlinie 86/653 untersagte Abweichung zum Nachteil des Vertreters.

Im Übrigen will der EuGH den Begriff „Umstände, die vom Unternehmer zu vertreten sind“ weit auslegen. Hier müssen alle Umstände des Falls berücksichtigt werden, um festzustellen, ob die Nichtausführung der Versicherungsverträge nicht von dieser Gesellschaft zu vertreten ist.

Das erstinstanzliche Gericht hat also deshalb alle rechtlichen und tatsächlichen Umstände zu würdigen, um festzustellen, ob die Stornierung eines Vertrages nicht auf Umständen beruht, die vom Unternehmer zu vertreten sind.

Die ERGO-Mitarbeiterin, Frau Barlikova, rügte erstinstanzlich, einige Kunden haben deshalb nicht mehr gezahlt, weil sie das ursprünglich in diese Gesellschaft gesetzte Vertrauen verloren hätten, nachdem sie von ihr unangemessen behandelt worden seien.

Nach der Rechtsprechung des EuGH kommt es jetzt darauf an, ob die Vorwürfe zutreffend sind.

Urteile aus der Pistole heraus

Gerichtliche Entscheidungen und ihre Verfahrenswege sind oftmals nicht nachvollziehbar. Schnelle Urteile werden deshalb oft als nicht gereucht empfunden, weil zumindest eine Partei den Eindruck hat, nicht genügend beachtet worden zu sein.

Deshalb schreibt § 139 ZPO vor, dass das Gericht „nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen“ hat. „Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen.“

Überraschend traf es deshalb z.B. die OVB in einem Verfahren vor dem Landgericht Köln. Dort wurde kurzerhand die Klage der OVB auf Rückzahlung von Provisionsvorschüssen abgewiesen. Um § 139 ZPO gerecht zu werden, hätte es eines richterlichen Hinweises bedurft, um weitere Klärung zu erhalten.

Das Gericht ist nämlich verpflichtet, bei Unklarheiten oder eventuell nicht schlüssigem Vortrag richterliche Hinweise zu erteilen. Dies werden meist in der ersten mündlichen Verhandlung erteilt. Überraschend – und oft prozessual falsch – ist es denn, wenn das Gericht „wie aus der Pistole geschossen“ gleich ein Urteil fällt.

Ein um Augenmaß bemühter Richter des Landgerichtes Frankfurt am Main sagte in einer mündlichen Verhandlung bereits vor Jahren, dass nach seiner Ansicht sogar zweimal hingewiesen werden müssen, wenn etwas fehle, bevor ein Urteil gefällt werden darf. Bei diesem Richter drohte kein Schuss aus der Pistole.

Das Landgericht Köln wies ohne entsprechende Hinweise die Klage der OVB ab. Dagegen wehrte sich die OVB durch Einlegung einer Berufung unter Hinweis u.a. auf die fehlenden Hinweise.

Wer jedoch glaubte, das Oberlandesgericht wolle es nun prozessual besser machen, sah sich eines besseren belehrt. Das Oberlandesgericht neigte zunächst zu einer exakt umgekehrten Vorgehensweise. Es befand die Klage für schlüssig und wollte den Berater sofort zur Zahlung verurteilen. Glücklicherweise konnte das Oberlandesgericht dazu bewegt werden, entsprechend der Hinweisverpflichtung noch eine weitere Stellungnahme des Beklagten zuzulassen. Eine Entscheidung erging noch nicht.

Eine 2. Entscheidung „aus der Pistole heraus“ konnte damit vermieden werden. Die Erfüllung von richterlichen Hinweispflichten hat leider naturgemäß eine etwas längere Prozessdauer zur Folge.

Ein Richter des Landgerichtes Ellwangen kam kürzlich auf eine ganz andere Idee. Statt auf kurzem Weg zu entscheiden, unterbreitete er den Parteien einen Vergleichsvorschlag und „drohte“ damit, wenn der Rechtstreit ausgeurteilt werden müsse, noch viele Gerichtstermine anzuberaumen. Auch hier ging es um Rückforderungen von Provisionsvorschüssen, diesmal allerdings nicht der OVB, sondern der DVAG. Ellwangen liegt – grob gesehen – zwischen Nürnberg, München und Stuttgart. Eine direkte Zugverbindung aus dem Norden nach Ellwangen gibt es nicht.

In Anbetracht vieler zu erwartender Gerichtstermine besteht hier zumindest keine Gefahr, das möglicherweise ein voreiliges Urteil aus der Pistole gefällt wird.

Unchlüssig ist, wenn der Richter mit dem Taschenrechner und den vier Grundrechenarten die Klagehöhe nicht nachrechnen kann

Ein Urteil des Amtsgerichts Hanau mit Klartext: Es geht wieder einmal um die Rückforderung von Provisionsvorschüssen, dem Streitthema Nr. 1 in der Welt der Handelsvertreter. Und es geht um die Verständlichkeit von Provisionsabrechnungen.

Viele Vertriebe haben da ein erhebliches Manko. Viele Abrechnungen stellen sich eher als ein zufälliges Aneinanderreihen von Zahlen dar. Etwas unsachlich beschrieb das Amtsgericht Warendorf eine DVAG-Abrechnung als Abrechnungskauderwelsch (obgleich die DVAG-Abrechnungen diese Bezeichnung sicher nicht verdient haben, weil man doch einige Dinge nachvollziehbar berechnen kann). Provisionsabrechnungen von Swiss Life Select und OVB sind dagegen in sich nicht schlüssig. Ein Mitarbeiter aus der OVB-Verwaltung sagte kürzlich als Zeuge aus. Auch er konnte anhand der Abrechnung nicht einen einzigen Vorgang erklären.

Bereits am 18.2.2011 hatte ein Richter des Amtsgerichts Hanau die Sache auf den Punkt gebracht. Er wies eine Klage einer Bank auf Erstattung von Provisionen unter dem Az   33 C 453/10 (13) kurzerhand ab. Dazu führte er zutreffend aus:

„Der Klägerin steht ein Anspruch auf Rückzahlung auf der Rechtsgrundlage des § 87 a Abs. 3 HGB nicht zu, da die Klägerin die Höhe des Rückforderungsanspruches nicht in nachvollziehbarer und verständlicher Form vorgenommen hat. Im Falle der Geltendmachung eines Rückforderungsanspruchs nach § 87 a Abs. 3 HGB gegenüber dem Handelsvertreter ist es erforderlich jede einzelne Position verständlich und nachvollziehbar darzustellen. Dieser Anforderung ist die Klägerin nicht gerecht geworden.

Dabei war keine am Verfahren beteiligte Person dazu in der Lage, die von der Klägerin jetzt geltend gemachten Beträge hinsichtlich der einzelnen Berechnungsschritte nachzuvollziehen. Solange für eine Person, die die vier Grundrechenarten beherrscht und einen Taschenrechner sachgerecht bedienen kann, eine rechnerische Nachvollziehbarkeit der Beträge von 1.267,97 EUR und von 300,19 € nicht gegeben ist, kann der Klägerin der jetzt noch geltend gemachte Betrag von 1.567,97 € nicht zugesprochen werden.“