Provisionsvorschüsse

Stornobekämpfung zu kriegerisch

Gestern überraschte das Landgericht Frankfurt mit einer sehr friedensstiftenden Haltung. Es ging um Rückforderungen von Provisionsvorschüssen der DVAG. Bekanntlich gibt es diese ja nur dann zurück, wenn zumindest versucht wurde, ein Storno zu verhindern.

Dieser Versuch wird als Stornobekämpfung bezeichnet, was dem Richter aber zu kriegerisch klang. Er bevorzugte deshalb das Wort Nachbearbeitung. Dies klinge sanfter, so der Richter sinngemäß.

Vor dem OLG Frankfurt brüskierte sich ein Richter mal über das Wort Strukturmitarbeiter und meinte, der Berater würde damit herabgewürdigt. Dieses Wort sollte man deshalb meiden.

Gestern lagen plötzlich zwei Vertragsversionen vor und keiner wusste, was vereinbart war. Der Vermögensberater stellte sich nämlich auf den Standpunkt, Ende 2007 habe man höhere Promillesätze vereinbart und diese habe er nicht bekommen. Das Saldo sei somit falsch. Da auch eine Vertragsversion mit kleineren Sätzen vorlag, konnte der Richter nicht zu einer Lösung finden, fand dies aber offensichtlich „unseriös“, ohne zu sagen ,wer denn den „unseriösen“ Vertrag vorgelegt hatte.

Zumindest konnte der Richter nachvollziehen, dass ein geänderter Promillesatz sich auf das Saldo auswirken würde. Der Vertrieb stellte sich auf den Standpunkt,  dass es sich nicht auswirken würde. Schließlich verlange man ja nicht mehr zurück, als man gezahlt habe.

Der Richter, der einräumte, mathematisch nicht so gut aufgestellt zu sein, meinte aber, dass ja das Saldo falsch wäre. Wer es aber richtig zu rechnen hätte, wollte er nicht abschließend sagen. Er drängte noch auf einen Vergleich. Da die Vorstellungen beider Streitparteien zu weit auseinandergingen, konnte ein solcher nicht erzielt werden.

Keine Einheitlichkeit in der Rechtsprechung bei Provisonsklagen

Nach vielen Jahren und vielen Provisionsklagen komme ich zu der Feststellung, dass es eine Einheitlichkeit der Rechtsprechung in Bezug auf Klagen um Provisionen nicht gibt. Vielmehr hagelt es an Fehlurteilen, mal zugunsten des Vertriebes und mal zugunsten des Handelsvertreters.

Den Anfang machte das Landgericht Tübingen. Dort bereits kam es zu mehreren, sich widersprechenden Entscheidungen.

Das Amtsgericht Tübingen wies am 11.04.2015 eine Klage auf Rückzahlung von Provisionsvorschüssen der DVAG ab. Das Landgericht Tübingen urteilt die Provisionen in einem anderen Verfahren aus, während das Landgericht Tübingen aber auch eine Klage der DVAG auf Rückzahlung von Provisionsvorschüssen abwies.

Viel moderater ging damit das Oberlandesgericht Stuttgart um in einem Berufungsverfahren gegen ein Urteil des Landgerichts Tübingen, in dem eine sehr differenzierte Auffassung vertreten wurde. Die Parteien schlossen daraufhin einen angemessenen Vergleich.

Oft sind Gegenstand solcher Provisionsrückzahlungsverfahren mehrere stornierte Versicherungsverträge. Deshalb müsste man sich eigentlich jeden einzelnen stornierten Vertrag ansehen, ob die Stornoberechnung für jeden einzelnen Vertrag richtig und nachvollziehbar ist, und ob bei jedem einzelnen Vertrag auch die Stornobekämpfung ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Möglicherweise wären je nach Vertrag hier sogar unterschiedliche Maßstäbe zum Umfang der Bekämpfungsmaßnahmen anzusetzen.

Zu dieser differenzierten Auffassung gelang das Oberlandesgericht Stuttgart. Dieses richtig angewendet hieße oft auch ein differenziertes Urteil. Das gibt es aber nicht.

Es gibt hier viel Schwarz-Weiß-Malerei. Obgleich es in vielen Fällen falsch ist, was kürzlich auch ein Richter am Landgericht Limburg bestätigt hatte, neigen viele Gerichte dazu, entweder den vollen Rückzahlungsanspruch auszurteilen oder die Klage auf Rückzahlung einer Provision komplett abzuweisen.

Dabei sind die Erfolgsquoten der einzelnen Vertriebe durchaus unterschiedlich. Einige Vertriebe haben eine derart schlechte Buchführung, sodass sie keine Chance haben, einen Rückzahlungsprozess zu gewinnen.

In Sachen Uneinheitlichkeit setzte kürzlich die Hanauer Justiz eine Krone auf und machte der uneinheitlichen Rechtsprechung aus Tübingen Konkurrenz. Am 02.01.2016 wurde nämlich ein Vermögensberater vom Amtsgericht Hanau zur Rückzahlung von Provisionsvorschüssen verurteilt. Dagegen wurde Berufung eingelegt.

Das Amtsgericht Hanau befindet sich unter einem Dach mit dem Landgericht Hanau. Das Landgericht Hanau hatte dagegen kürzlich zwei Provisionsrückzahlungsklagen abgewiesen. Dies geschah am 16.10.2015 in einem Berufungsverfahren und am 24.11.2015 in einem Teilurteil, in dem die DVAG gleichzeitig zur Erteilung eines Buchauszuges verurteilt wurde. Auch gegen diese Entscheidung wurde allerdings ein Rechtsmittel erhoben.

Uneinheitlicher  kann eine Rechtsprechung kaum sein.

Klageforderung so nicht nachvollziehbar

In einem Rechtsstreit eines ehemaligen Handelsvertreters der OVB mit seinem ehemaligen Vertrieb hatte das Landgericht Mainz kürzlich einen interessanten Beschluss erlassen.

Zur Frage der Zuständigkeit sagte das Gericht, dass in diesem Fall – trotz der Entscheidung des BGH vom 21.10.2015 unter dem Aktenzeichen VII ZB 8/15 – das Arbeitsgericht nicht zuständig sein dürfte, weil der Beklagte in diesem Fall gar nicht hauptberuflich für den Unternehmer tätig war.

Dies hieße im Klartext: Der Nebenberufler streitet sich vor dem Landgericht, der Hauptberufler vor dem Arbeitsgericht. Ob dies mal der Gedanke des Gesetzgebers war, soll dahingestellt bleiben.

Der Vertrieb fordert in dem Verfahren vor dem Landgericht Mainz Provisionsvorschüsse zurück.

Dazu das Gericht. „Die Klägerin ist darlegungs- und beweisbelastet für sämtliche Voraussetzungen der Rückzahlungsverpflichtung des Beklagten. Sie muss also für jede einzelne Provisionsrückforderung die Voraussetzungen des § 87a Abs. 3 Satz 2 HGB darlegen und beweisen (vgl. Oberlandesgericht Brandenburg, Urteil vom 20.05.2009 – 3 U 20/08), insbesondere auch, dass, wann und aus welchen von ihr nicht zu vertretenen Gründen die streitgegenständlichen Verträge gekündigt bzw. bereits die Erstprämien nicht gezahlt worden sind. Da es sich hierbei um Umstände außerhalb der eigenen Wahrnehmung des Beklagten handelt, kann dieser sich insofern in zulässiger Weise auf ein Bestreiten mit Nichtwissen beschränken. Die Vorlage in Übersicht gemäß Anlage … ist als Nachweis nicht ausreichend. Außerdem ist diese für das Gericht nicht nachvollziehbar. Insbesondere stimmen die dort genannten Haftungszeiten nicht mit denjenigen überein und es ist auch nicht ersichtlich, wie sich der Betrag der nicht verdienten Provision errechnet.“

Im Ausland wohnen, in Deutschland verklagt

Ein ehemaliger Vermögensberater zog ins Ausland. Die DVAG meint, er müsse Provisionsvorschüsse zurückzahlen und verklagte ihn – in Frankfurt.

Im Vermögenberatervertrag ist nämlich eine Gerichtsstandvereinbarung enthalten, wonach in Frankfurt geklagt werden kann.

Normalerweise wird am Wohnsitz des Beklagten geklagt.

Voraussetzung für eine wirksame Gerichtsstandvereinbarung ist grob, dass beide Vertragspartner im Zeitpunkt der Vereinbarung Kaufleute sind oder einen Geschäftsbetrieb führen wie ein Kaufmann. Indiz dafür ist ein entsprechend großer Umsatz, ein Büro, viele Kunden, Angestellte u.s.w..

In der Gerichtsakte tauchte eine Bestätigung auf, wonach der Vermögensberater bei Abschluss des Vertrages noch bei der Sparkasse war – als Azubi. Ohne dem Gericht vorgreifen zu wollen, dürfte ein Azubi kaum einen kaufmännischen Geschäftsbetrieb unterhalten können…

Nun winkt das Kantonsgericht.

LG Hanau zu Stornobekämpfungsmaßnahmen

Kürzlich hatte ich über ein Urteil des Amtsgerichts Waiblingen geschrieben, wonach ein Vermögensberater Provisionsvorschüsse zurückzuzahlen hätte. Dabei ging das Gericht davon aus, dass Provisionsabrechnungen als anerkannt gelten, wenn man diesen nicht widerspricht. In die gleiche Kerbe hatte auch das Amtsgericht Hanau vor etwa einem Jahr entschieden. Der ehemalige Vermögensberater der DVAG legte gegen dieses Urteil Berufung ein. Kürzlich erging nunnmehr eine Entscheidung in dem Berufungsverfahren des Landgerichts Hanau. Das Landgericht Hanau „drehte den Spieß“ um.

Es meinte jedenfalls, das Amtsgericht habe Unrecht, wenn es darauf abstellt, dass das Schweigen als Anerkenntnis zu werten ist. Das Schweigen des Handelsvertreters nach Erhalt von Provisionsabrechnungen stelle, so das Landgericht, kein Anerkenntnis dar.

Nunmehr komme es darauf an, ob die Stornobekämpfungsmaßnahmen genügend waren. Dazu hatte die Klägerseite bis zu dem Termin einiges geschrieben. Die Stornobekämpfungsmaßnahme erschöpften sich meist in schriftlichen Maßnahmen, z.B. dass der Kunde im Falle der Nichtzahlung angemahnt wurde bzw. an die Zahlung erinnert wurde.  Eine persönliche Kontaktaufnahme mit den „gefährdeten“ Kunden konnte nicht dargelegt werden.

In der mündlichen Verhandlung schien das Gericht zunächst noch unklar darüber zu sein, ob diese Stornobekämpfungsmaßnahmen genügen würden. Im Ergebnis hatte das Landgericht Hanau die Klage des Vertriebes jedoch abgewiesen mit dem Argument, die Stornobekämpfungsmaßnahmen würden hier nicht ausreichen.

Am 24.11.15 gab es einen weiteren Termin – jedoch in anderer Sache – vor dem Landgericht Hanau. Es ging abermals um die Frage, ob Provisionsvorschüsse zurückzuzahlen wären und ob die Stornobekämpfungsmaßnahmen ausreichend sind. Am 24.11. traf man sich jedoch in der I. Instanz. Dem Richter war die oben erwähnte Berufungsentscheidung bekannt. Er tendierte dazu, sich dieser Entscheidung anschließen zu wollen. Der Vermögensberater hatte widerklagend einen Buchauszug geltend gemacht, weil er meinte, dass während der Zeit des Vertragsverhältnisses es so gut wie keine Stornierungen gegeben hatte. Nach Vertragsende hätte sich dann plötzlich ein Guthaben auf dem Provisionskonto in Luft aufgelöst und sein Provisionskonto sich sogar jetzt noch ins Minus entwickelt. Auch darüber wolle er Bescheid wissen, insbesondere darüber, welche Stornobekämpfungsmaßnahmen seinerzeit erfolgt seien. Auch hier tendierte das Gericht dazu, den Buchauszug anzuerkennen. Ein Urteil erging noch nicht. Wenn auch insgesamt vor den deutschen Gerichten die Frage sehr umstritten ist, wie weit die Verpflichtungen zur Stornobekämpfung gehen, scheint sich doch zumindest vor dem Landgericht Hanau eine gewisse Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu ergeben.

Vertrauliche Anwaltsdaten landeten beim Gericht

In der letzten Woche wurde vor dem Amtsgericht Dortmund terminiert. Es ging um die Frage, ob ein Vermögensberater Provisionsvorschüsse erstatten soll. Inhaltlich ging es um die Frage, wer was darzulegen und zu beweisen hat.

In einem Fall wurde vom Strukturvertrieb genau zu den Umständen der Stornierung vorgetragen. Ein Kunde wünschte eine Krankenversicherung. In seinem Antrag tauchten nicht alle Angaben über Vorerkrankungen auf. Die Krankenversicherung trat deshalb von Vertrag zurück. Diese bevorschussten Provisionen wurden zurückverlangt,

Die Kommunikation zwischen Kunde und Versicherung wurde mit einem Schriftsatz an das Gericht gereicht, das dann die Kopien an die Gegenseite weitergab.

Der Name des Kunden war gut lesbar, auch die Vorerkrankungen bis hin zu psychischen Beeinträchtigungen.

Nach dem Termin sagte der Vermittler, er sei sich sicher, dass der Kunde der Krankenversicherung die Datenweitergabe untersagt habe.

Und er sagte auch, dass es sich bei dem Kunden um einen Anwalt handelt, der in unmittelbarer Nähe zum Gericht seine Kanzlei hat.

Der Datenschutz hat hier möglicherweise versagt. Die Daten sind ausgerechnet dort gelandet, wo sie bestimmt nicht hin sollten.

Salomon in Landshut

Ein eher salomonisches Urteil fällte das Landgericht Landshut kürzlich.

Die DVAG verlangte Provisionsvorschüsse zurück. Der ausgeschiedene Vermögensberater wollte widerklagend einen Buchauszug, weil er meinte, noch Ansprüche zu haben.

In der ersten Instanz wurde er zur Zahlung verurteilt. In der zweiten Instanz wurde in der mündlichen Verhandlung erörtert, ob dem Berater noch Dynamikprovisionen zustehen würden.

Das Landgericht kam zu dem Ergebnis, dass der Berater erstmals die Provisionen zurückzahlen soll, aber gleichzeitig die DVAG einen Buchauszug zu erteilen habe.

Der Inhalt des Buchauszuges erstreckt sich auch auf Informationen, die zur Vorbereitung der Berechnung von Dynamikprovisionen dienen. Das Landgericht wollte jedoch noch nicht abschließend entscheiden, ob tatsächlich die Ansprüche auf Dynamikprovisionen bestehen. Dies müsste im Streitfall erst in einem weiteren Verfahren klargestellt werden.

LG Tübingen und die Rechtsprechung zur Stornobekämpfung

Am 11.04.2014 entschied das Amtsgericht Tübingen, dass Provisionsvorschüsse nicht zurückgezahlt werden müssen, wenn die Nachbearbeitung nicht ausreichend ist.

Dem schloss sich nunmehr das Landgericht Tübingen mit Beschluss vom 02.02.2015 an und führte wie folgt aus:

Der Kammer sind von der Klägerin zitierten Urteile des Landgerichts Tübingen bekannt. Sie begründen jedoch weder eine Bindungswirkung noch das Bedürfnis, die Rechtsprechung des Landgerichts Tübingen mit Blick auf die verfahrensgegenständlichen Rechtsfragen zu vereinheitlichen. Gleiches Ergebnis gilt für die von der Klägerin angeführten aktuellen Entscheidungen der Landgerichte München II und Ulm. Die Kammer sieht sich nicht veranlasst, von ihrer ständigen Rechtsprechung hinsichtlich der Nachbearbeitungsbemühungen des Unternehmens abzuweichen. Soweit die Klägerin die Anforderung der Kammer als nicht nachvollziehbar bezeichnet und ihre diesbezüglichen Ausführungen – insbesondere in der Berufungsbegründung vom 17.07.2014 – verweist, geht dies fehl. Die Kammer hat keineswegs gerügt, dass das von der Klägerin entwickelte kombinierte Erinnerungs- Mahn- und Kündigungsverfahren grundsätzlich unzureichend ist. Unzureichend ist vielmehr, dass sich die Klägerin darauf beschränkt, dieses Verfahren im Allgemeinen darzustellen und pauschal zu behaupten, es immer – also auch im Fall der Klageforderung nach sich ziehenden stornierten Verträge – anzuwenden. Daran ändert die der Berufungsbegründung beigefügte tabellarische Übersicht nichts, mit der exemplarisch für die darin benannten Versicherungsnehmer die von der Klägerin zur Stornobekämpfung ergriffenen Maßnahmen aufgezeigt werden sollen. Die Vorlage dieser Übersicht und deren schriftsätzliche Erläuterung setzen jedoch den von der Klägerin zu verlangenden substantiierten Vortrag nicht. Es ist auf dieser Grundlage zwar durchaus selbsterklärend, dass diejenigen Verträge nachbearbeitet worden sein sollen, die in der entsprechenden Spalte der Übersicht die Bemerkung „Herabsetzung“ aufweisen. Dass es dafür zu Gesprächen und einer Verständigung zwischen den jeweiligen Versicherungsnehmer und einen von der Klägerin beauftragen Mitarbeiterin gekommen sein muss, versteht sich von selbst. Zivilprozessualen Anforderungen genügt dies aber nicht. Den Beklagten mögen derartige Übersichten aus seiner Tätigkeit für die Klägerin vertraut sein. Dessen ungeachtet sind die konkreten Nachbearbeitungsbemühungen der Klägerin hieraus gerade nicht ersichtlich, sodass sich der Beklagte hierzu nicht einlassen kann und muss.

Damit habe ich nicht gerechnet

Bei den Rechtsfragen, ob Provisionsvorschüsse zurückzuzahlen sind, erlebt man mitunter die eine oder andere Überraschung. Damit habe ich nicht gerechnet.

Gestern vor dem Landgericht München ging es um die Frage, ob ein Urteil des Amtsgerichtes Weilheim aufgehoben werden soll.

Das Amtsgericht Weilheim hatte einem Berater den Buchauszug verwehrt, zugleich auch die sich aus dem Buchauszug ergebenen Provisionen und darüber hinaus dem Vertrieb abgesprochen, dass ihm noch Rückzahlungsansprüche zustehen.

Das Landgericht München meinte, das sei grundsätzlich alles falsch.

Als die Richterin darauf angesprochen wurde, dass die Abrechnungen arithmetische Fehler enthalten würden, und diese leicht mit einem Dreisatz auszurechnen wären, wollte die Richterin diese Berechnungen nicht „nachvollziehen“. Der Vertrieb argumentierte, dass man ja nicht mehr zurückfordere, als man gezahlt habe. Das ist allerdings eine „Milchmädchenrechnung“, da es sich hier ja um prozentuale Rückforderungen handelt.

Wenn von 1000 Euro Vorschuss die Hälfte zurückzuzahlen sind, weil die andere Hälfte verdient ist, sind das 500 Euro. Wenn jedoch tatsächlich 600 € verlangt würden, wäre das zu viel. Das ist zwar weniger, als gezahlt wurde, aber rechnerisch immer noch zu viel.

Ich beantragte dann, dass – sollte das Gericht dies rechnerisch nicht nachvollziehen können – darüber ein Gutachten eingeholt werden müsse, was aber das Gericht für zu spät erachtete, weil man hier ja schon in der Berufung wäre. Darauf antwortete ich, dass ich bisher auch davon ausging, dass solch leichte Rechenaufgaben eigentlich noch ohne Gutachten zu lösen wären. Dass diese Rechenaufgaben derart Schwierigkeiten bereiten und Sätze wie „wir fordern ja nicht mehr zurück, als wir gezahlt haben“ beim Gericht für Verwirrung sorgen – damit habe ich nicht gerechnet.

LG Tübingen: Wenn keine Stornobekämpfung, dann gibt es auch keine Vorschüsse zurück

Am 24.06.2013 entschied das Landgericht Tübingen darüber, ob einem Vertrieb Ansprüche aus Rückzahlung von Provisionen zustehen.

Das Landgericht musste die Angelegenheit im Rahmen einer Berufung prüfen. Bereits am Amtsgericht Tübingen war der Vertrieb gescheitert.

Dazu das Gericht: Gemäß § 87 a Abs. 1 Satz 1 HGB entsteht der Provisionsanspruch des Handelsvertreters soweit der Unternehmer das vom Vertreter vermittelte oder abgeschlossene Geschäft ausgeführt hat. Es entfällt, wenn feststeht, dass der Dritte nicht leistet, § 87 a Abs. 2 HGB. Sind dem Handelsvertreter in einem solchen Falle bereits Provisionen oder Vorschüsse ausgezahlt worden, sind diese zurückzubezahlen (§ 87 a Abs. 2, 2.Satz HGB). Diese Rechtsfolgen, die sich aus der Nichtleistung des Kunden ergeben, treten allerdings nur dann ein, wenn der Unternehmer seinerseits seinen Verpflichtungen aus dem abgeschlossenen Geschäft im vollem Umfang nachgekommen ist. Der Provisionsanspruch des Versicherungsvertreters entfällt mithin nur für den Fall und damit einhergehend entsteht ein Rückzahlungsanspruch des Unternehmers, der einen Vorschuss gezahlt hat, erst und nur dann, wenn die Vertragsauflösung mit dem Versicherungsnehmer auf Umständen beruht, die der Unternehmer nicht zu vertreten hat, § 87 a Abs. 3 Satz 2 HGB. Dies ist dann der Fall, wenn es zur Auflösung des Vertrages kommt, obgleich sich der Unternehmer / Versicherer ausreichend um dessen Rettung bemüht hat. Ihm obliegt es, dass mögliche Unzumutbare zu unternehmen, um eine Vertragsablösung abzuwenden, wobei Art und Umfang der dem Unternehmer / Versicherer abzuverlangen Bemühungen auch und gerade im Licht der gegenüber dem Versicherungsvertreter bestehenden Treuepflicht und insbesondere der Pflicht, auf dessen Provisionsinteresse Rücksicht zu nehmen, zu bestimmen ist.

Maßstab für das, war dem Unternehmer im Falle eigener Bemühungen gegenüber dem Versicherungsunternehmer abzuverlangen ist, ist dasjenige, was der Vertreter selbst und vernünftigerweise zur Erhaltung seines Provisionsanspruchs getan hätte, wenn Nachbearbeitung überlassen worden wäre.

Im Regelfall ist es erforderlich, dass der Unternehmer / Versicherer, wenn er sich entschließt, eigene Maßnahmen zur Stornoabwehr zu ergreifen, aktiv tätig wird und den Versicherungsnehmer zur Erfüllung seiner Vertragspflicht ernsthaft und nachdrücklich anhält. Die bloße Übersendung eines Mahnschreibens als Maßnahme der Stornoabwehr reicht unter dem Gesichtspunkt der dem Unternehmer gegenüber dem Vertreter obliegenden Pflicht, Rücksicht auf das Provisionsinteresse des Versicherungsvertreters zu nehmen, im Regelfall nicht aus (Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 01.12.2010 –VIII ZR 310/09).

Ist die Nachbearbeitung vom Unternehmer nicht oder nicht hinreichend durchgeführt worden, ist die Vertragsauflösung von ihm zu vertreten. Er muss sich dann grundsätzlich so behandeln lassen, als habe eine erfolgreiche Nachbearbeitung stattgefunden und sei der Provisionsanspruch des Vertreters endgültig entstanden.

Verlangt ein Unternehmer wegen Stornierung von Versicherungsverträgen die Rückzahlung geleisteter Provisionsvorschüsse, so muss er in jedem Einzelfall (auch wenn die Nichtzahlung der Erstprämie in Rede steht; vergleiche etwa Oberlandesgericht Brandenburg Urteil 07.10.2010 Aktenzeichen 12 U 96709, und Oberlandesgericht Düsseldorf, Beschluss vom 21.02.2007 Aktenzeichen I-16 W 70/06) nachvollziehbar darlegen und im Streitfall auch beweisen, seiner Pflicht zur Nachbearbeitung genügt zu haben. Dabei muss er Vortrag erklären lassen, dass der Unternehmer, soweit er dem Versicherungsvertreter keine Stornogefahrmitteilungen hat zukommen lassen, sich gegenüber dem Versicherungsnehmer rechtzeitig und mit dem gebotenen Engagement um einen Vertragserhalt bemüht hat. Er muss also, sofern er auf seine eigenen Bemühungen berufen will, in jedem Fall konkret vortragen, wann er aktiv geworden ist und was er unternommen hat, um den Vertag zu retten.

Gemessen an den vorgenannten Grundsätzen ist der Vortrag der Klägerin nicht geeignet, Rückzahlungsansprüche gegen den Beklagten zu begründen. Er lässt eine genügende Nachbearbeitung der ins Storno gegangenen Verträge nicht erkennen.

Soweit sich die Klägerin in verschiedenen Fällen darauf berufen hat, allein mit einer Kombination aus Erinnerungs-, Mahn- und Kündigungsschreiben ihrer Nachbearbeitungspflicht nachgekommen zu sein, vermag den Angaben von Gründen, warum in den jeweiligen Fällen aufgrund der Umstände des Einzelfalles eine persönliche Kontaktaufnahme nicht erforderlich gewesen ist bzw. nicht erfolgsversprechender gewesen wäre, nicht gefolgt zu werden. Wie oben ausgeführt, muss die Nachbearbeitung notleidender Verträge ausreichend sein und nachdrücklich betrieben werden, wobei im Regelfall die Versendung eines einfachen Mahnschreibens nicht genügt. Entsprechend kann es regelmäßig auch nicht genügen, ein Schreiben, dass der Sache nach nichts anderes als ein einfaches Mahnschreiben darstellt, wiederholt an den Versicherungsnehmer zu übermitteln. Erforderlich ist vielmehr grundsätzlich eine persönliche Rücksprache mit dem Versicherungsnehmer, entweder im Wege eines Besuchs  oder – dies auch bei sogenannten Kleinstornos – auf dem schnellen, Effektivität versprechenden und in der Regel preisgünstigen Wege eines Telefonats, um die Gründe zu erfragen, aus denen der Vertrag notleidend geworden ist und – wenn die Gründe stichhaltig sind – gemeinsame mit dem Versicherungsnehmer nach einer vertragserhaltener Lösung zu suchen oder – wenn die Gründe nicht stichhaltig sind – , diesen sehr ernsthaft und nachdrücklich zu einer Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten anzuhalten.

Nur und erst dann, wenn ein persönlicher Kontakt im Einzelfall nicht hergestellt werden kann, ist es angezeigt, eine schriftliche Kommunikation zu versuchen, und zwar mit einem deutlich über ein bloßes Mahnschreiben hinaus gehenden Inhalt. Selbst wenn man dies aber anders sehen sollte, muss der Inhalt bloßer an dem Versicherungsnehmer gerichtetes Schreiben – um der notwendigen Nachbearbeitung zu genügen – in jedem Falle deutlich über den Inhalt eines Mahnschreibens hinausgehen. Dies lässt sich im konkreten Fall im Vortag der Klägern nicht entnehmen.

Im Ergebnis hat danach das Amtsgericht die Klage zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung der Klägerin zurückzuweisen war.

Ebenso entschied das Landgericht Tübingen in einem weiteren Beschluss vom 22.10.2013.

Klage auf Rückforderung von Provisionsvorschüssen wegen fehlender Nachbearbeitung abgewiesen

Das Amtsgericht Tübingen wies am 11.04.2014 eine Provisionsrückzahlungsklage eines großen Vertriebes ab.

Die Parteien stritten um die Rückzahlung vorfinanzierter Provisionen. Diese hatte der Beklagte als Handelsvertreter erhalten.

Der Vertrieb meinte, die Höhe der Rückzahlungsansprüche resultiere aus der Kontokorrentabrechnung. Im Übrigen sei die Höhe der Rückzahlung hinreichend dargelegt.

Der Beklagte rügte, dass die Höhe des geltend gemachten Anspruches nicht dargelegt sei und im Übrigen Nachbearbeitungspflichten verletzt wurden. Dazu das Gericht:

„Wie vom Beklagten zutreffend gerügt, lässt der klägerseitig geführte Kontokorrent/Saldo nicht erkennen, wie sich dieser Endbetrag hinsichtlich der in ihm verborgenen Einzelforderungen zusammensetzt.

 Bei dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis handelt es sich um ein mehrstufiges Handelsvertreterverhältnis, in welchem der Handelsvertreter als Vertragspartner des vertretenden Unternehmens gleichzeitig Unternehmer im Verhältnis zum Untervertreter ist. Der Provisionsanspruch des Handelsvertreters entsteht sonach gemäß § 87 a Abs. 1 Satz 1 HGB sobald und soweit der Unternehmer (der Auftraggeber des Hauptvertreters) das vom Vertreter vermittelte oder abgeschlossene Geschäft ausgeführt hat.

 Diese Rechtsfolgen, die sich aus der Nichtleistung des Kunden ergeben, treten allerdings nur dann ein, wenn der Unternehmer seinerseits seiner Verpflichtungen aus dem abgeschlossenen Geschäft in vollem Umfang nachgekommen ist. Der Provisionsanspruch des Versicherungsvertreters entfällt mithin nur für den Fall und damit einhergehend entsteht ein Rückzahlungsanspruch des Unternehmers, der einen Vorschuss gezahlt hat, erst und nur dann, wenn die Vertragsauflösung mit dem Versicherungsnehmer auf Umständen beruht, die der Unternehmer nicht zu vertreten hat, § 87 a Abs. 3 Satz 2 HGB. Das ist dann der Fall, wenn es zur Auflösung des Vertrages kommt, obgleich sich der Unternehmer/Versicherer ausreichend um dessen Rettung bemüht hatte. Ihm obliegt es mithin, das Mögliche und Zumutbare zu unternehmen, um eine Vertragsauflösung abzuwenden.

 Ist die so genannten Nachbearbeitung seitens des Unternehmers nicht oder nicht hinreichend durchgeführt worden, ist die Vertragsauflösung von ihm zu vertreten. Er muss sich dann grundsätzlich so behandeln lassen, als habe eine erfolgreiche Nachbearbeitung stattgefunden und als sei der Provisionsanspruch des Vertreters somit endgültig entstanden.

 Der Regelungszusammenhang des § 87 a HGB gilt auch im Verhältnis von Haupt- und Untervertretern, mithin im Verhältnis der Parteien.

 Die Benennung eines entsprechenden Kontokorrentabschlusses genügt der Darlegungslast nicht. Vielmehr muss ein wegen Stornierung geltend gemachter Provisionsrückzahlungsanspruch bezogen auf jeden einzelnen Fall nachvollziehbar dargelegt werden. Dies gilt, wenn der Gesamtanspruch die Summe einer Vielzahl von Einzelrückforderungsbeträgen darstellt, losgelöst von der grundsätzlichen Darlegungslast auch aus allgemeinen zivilprozessualen Gründen: Nur im Falle einer Bestimmung der den Gesamtsaldo bildenden Einzelforderungen kann eine rechtskräftige Entscheidung ergehen.

 Wie ebenfalls beklagtenseits zutreffend gerügt, hat die Klägerin auch nicht hinreichend dargetan, ihre Pflicht/Obliegenheit zur Nachsorge und Nachbearbeitung der stornierten Verträge im mehrstufigen Vertretungsverhältnis genügt zu haben. Im Falle diesbezüglich geltend gemachter eigener Bemühungen obliegt es dem Unternehmer/Hauptvertreter, in jedem Einzelfall konkret vorzutragen, wann er im Zuge der gebotenen Nachbearbeitung aktiv geworden ist und was er unternommen hat, um den jeweiligen Vertrag zu retten.

 Der diesbezügliche Sachvortrag der Klägerin ist nicht geeignet, gemessen an den vorgenannten Darlegungsgrundsätzen, den geltend gemachten Rückzahlungsanspruch gegen den Beklagten zu begründen, da der – pauschale – Vortrag der Klägerin eine Beurteilung, ob eine ordnungsgemäße Nachbearbeitung im jeweiligen Einzelfall erfolgt ist, nicht zulässt.

 Die Klägerin vermag sich schließlich auch nicht darauf zu berufen, der Beklagte habe, da er dem Kontokorrentabschluss nicht widersprochen habe, ein selbständiges Saldoanerkenntnis (§ 781 BGB) abgegeben, welches eine Darstellung der den Saldo zusammensetzenden Forderungen entbehrlich machen würde.

 Auch bei Annahme eines Saldoanerkenntnisses durch widerspruchslose Hinnahme der Abrechnung stünde der Wirksamkeit des Anerkenntnisses § 87 c Abs. 5 HGB entgegen. Danach sind die Informationsrechte des Handelsvertreters unabdingbar. Die Vorschrift erfasst auch Klauseln, welche die Rechte des Handelsvertreters auch nur mittelbar beschränken oder ausschließen, in dem sie ein Anerkenntnis durch widerspruchslose Entgegennahme einer Abrechnung fingieren.

 Ob dem Rechenwerk der Klägerin über dies fehlerhaft Provisionsansätze zugrunde liegen, die zur Unschlüssigkeit und Unbegründetheit des Klagebegehrens führten, kann dahingestellt bleiben.“

 Urteil des Amtsgerichts Tübingen vom 11.04.2014