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Wie viele Kunden darf ein Handelsvertreter eigentlich mitnehmen, wenn der Vertrag mit seinem Unternehmen beendet ist? Sind es wirklich nur viele Kunden, wie das Gedächtnis reicht?
Am 14.01.1999 urteilte der Bundesgerichtshof unter dem Aktenzeichen I ZR 2-97, dass ein Handelsvertreter nach Vertragsende insoweit über Kundendaten verfügen kann, als dass der diese in seinem Gedächtnis hat.
Kurzerhand wird dann auch von einer Gedächtnisrechtsprechung gesprochen.
Diese Rechtsprechung hatte ihren Ursprung in einem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 28.01.1993 unter dem Aktenzeichen I ZR 294/90. Schon dann prüfte der BGH, ob der Wettbewerb um die Kundschaft nach Ende eines Handelsvertretervertrages eventuell unlauter sein kann. Der BGH meinte damals, dass ein Vertrags- oder wettbewerbswidriges Verhalten dann nicht vorliegt, wenn ein ausgeschiedener Vertreter Kundenadressen verwertet, die in seinem Gedächtnis geblieben sind, oder sich solche Anschriften von Kunden nutzbar macht, die keinen dauerhaften geschäftlichen Kontakt zu dem bisher vertretenden Unternehmen aufgenommen haben. Der BGH schlug 1999 in dieselbe Kerbe und hat im Grundsatz das Urteil von 1993 bestätigt. Dort ging es um die Frage, ob der Vertreter, der Einladungsschreiben an Kunden versendet hatte, diese aus anvertrauten Kundenkarteien gefertigt hatte.
Grundsätzlich meint der Bundesgerichtshof immer wieder, dass der Handelsvertreter nach Vertragsende selbstverständlich in Konkurrenz zu dem alten Unternehmen treten darf und dass das alte Unternehmen keinen Anspruch auf Erhaltung des Kundenkreises hat.
Interessant ist, dass der BGH in den Entscheidungen immer noch von Kundenkarteien spricht.
Diese hatte in Zeiten, als Nokia mit dem GSM-Mobiltelefon 1011 sein neuestes Handy präsentierte, oft nur Karteikastencharakter.
Viele Kunden befinden sich heute, unabhängig davon, ob dies das Unternehmen veranlasst hat, als Telefonnummern auf dem eigenen Handy. Es ist jedoch dringend zu empfehlen, an dieser Stelle kein Risiko einzugehen. Immerhin hat der BGH mit seinen Gedächtnisurteilen Spielraum gegeben. Den Umfang des Gedächtnisses hatte der BGH nicht angegeben.
Als Faustformel sollte man sich merken, dass man zwar alte Daten besitzen kann (Provisionsabrechnungen, Buchauszug zum Beispiel), diese jedoch nicht für seine neue Tätigkeit einsetzen sollte.
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Der Wert der Bucheinsicht
Rechtsanwälte und Gericht werden nach dem Streitwert gezahlt.
Streitet man sich um die Zahlung von z.B. 5.000,00 €, beträgt der Streitwert 5.000,00 €. Bei einer Auskunft oder einem Buchauszug, oder hier einer Bucheinsicht, ist das schwieriger. Kommt es hier auf den Betrag an, der Folge der Auswertung der Auskunft oder des Buchauszuges ist oder ist hier der Aufwand maßgeblich, der erforderlich ist, den Buchauszug zu erstellen? Letzteres hat der BGH als Maßstab angesehen.
Über den Wert einer Bucheinsicht in einem Beschwerdeverfahren hatte jetzt der BGH zu urteilen. Er führte aus:
Die Bemessung der mit der Berufung geltend gemachten Beschwer des in erster Instanz zur Gewährung von Bucheinsicht Verurteilten richtet sich nach dem Aufwand hinsichtlich Zeit und Kosten, der für ihn zur Erfüllung des Anspruchs auf Bucheinsicht anfällt (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Mai 2019 II ZB 17/18 Rn. 8, juris; vgl. ebenso zur Erteilung eines Buchauszugs BGH, Beschluss vom 21. August 2014 – VII ZR 145/13 Rn. 5, juris; Beschluss vom Dezember 2011 – VII ZR 97/11 Rn. 3, IHR 2012, 128, jeweils m.w.N.).
Die Bucheinsicht ist in sämtliche Buchführungsunterlagen in Papierform oder in elektronischer Form zu gewähren, die zur Überprüfung und Kontrolle der erteilten Buchauszüge erforderlich sind.
Der Unternehmer muss neben dem Zugang zu den Unterlagen und zur EDV auch einen Ansprechpartner für die Dauer der Bucheinsicht zur Verfügung stellen (vgl. OLG Hamm, Urteil vom November 2022 – 18 U 138/18, MDR 2023, 507, juris Rn. 106; OLG München, Urteil vom 10. März 2021 – 7 U 1711/19, juris Rn. 22; OLG Stuttgart, Beschluss vom 31. Juli 2019 – 5 W 23/19, ZVertriebsR 2020, 51, juris Rn. 39 f., 54;
OLG Frankfurt, Urteil vom 25. September 2014 – 16 U 124/13, IHR 2015, 215, juris Rn. 56 f.; Hopt/Hopt, HGB, 42. Aufl., § 87c Rn. 25, 27; MünchKommHGB/Ströbl, Aufl., § 87c Rn. 81 f.; EBJS/Löwisch, HGB, 4. Aufl., § 87c Rn. 100; Oetker/Busche, HGB, 7. Aufl., § 87c Rn. 30 f.; Fröhlich in Flohr/Wauschkuhn, Vertriebs-
recht, 3. Aufl., § 87c HGB Rn. 90 f.).
In vorheriger Instanz wurde ein Rechtsmittel als „nicht statthaft“ abgelehnt, weil der dafür erforderliche Wert von 600 € nicht erreicht sein. Dies hat der BGH nun anders bewertet.
Bei 6615 Verträgen und einem Prüfungsaufwand von 15 Minuten pro Vorgang und 21 € pro Stunde komme man bereits auf 34.650,00 €.
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Der BGH entschied am 19. Januar 2023 mit dem Aktenzeichen VII ZR 787/21, dass eine vereinbarte Vorschusszahlung auf zu erwartende Provisionseinnahmen als unzulässige Kündigungsbeschränkung nach § 89a Absatz 1 Satz 2 HGB gesehen werden kann. Auch in dem Fall kann der Unternehmer die gewährte Vorauszahlungen nicht nach Bereicherungsrecht gemäß § 812 Absatz 1 BGB zurückfordern. Gegenstand dieses Urteils war eine Klägerin, die Möbel vertreibt und produziert. Der Beklagte dort war selbstständiger Handelsvertreter, erhielt Provisionen, die monatlich abgerechnet wurden.
Irgendwann bestand zu Lasten des Handelsvertreters ein Saldo in Höhe von über 8.000 Euro. Danach schlossen die Parteien eine Darlehensvereinbarung in Höhe dieses Saldos, die mit Provisionsforderungen des Handelsvertreters verrechnet werden sollten. Der Handelsvertreter erhielt weitere fest vereinbarte monatliche Vorauszahlungen, die gemäß der Darlehensvereinbarung als Darlehen gewährt werden sollten. Zudem wurde vereinbart, dass im Kündigungsfall das noch offene Darlehen und die Zinsen in einer Summe sofort fällig wären.
Der rechnerische Saldo zu Lasten des Beklagten auf dem Provisionskonto ergab später noch einen Betrag von etwa 55.000 Euro. Der Handelsvertretervertrag wurde beendet und der Betrag von dem Vertrieb geltend gemacht.
Der Vertrieb klagte etwa 55.000 € ein. Dieser Saldo wurde gemäß Vereinbarung als Darlehen gewährt.
Der BGH begründete die Unwirksamkeit der klägerischen Forderung wie folgt:
Gemäß § 134 BGB sind Vereinbarungen unwirksam, die gegen ein Gesetz verstoßen. Gemäß § 89 a Absatz 1 Satz 2 HGB darf das Recht zur außerordentlichen Kündigung des Vertragsverhältnisses nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden. Es handelt sich dabei um eine Schutzvorschrift zugunsten des im Allgemeinen wirtschaftlich schwächeren Handelsvertreters. Sie soll verhindern, dass dieser in seiner Entscheidungsfreiheit eingeschränkt werde.
Eine Beschränkung der Kündigungsfreiheit kann dabei nicht nur unmittelbar erfolgen, sondern auch bei mittelbaren Erschwernissen in Form von finanziellen oder sonstigen Nachteilen vorliegen. Eine solche Erschwernis ist anzunehmen, wenn an die Kündigung des Handelsvertretervertrages wesentliche, die Vertragsbeendigung erschwerende Nachteil geknüpft werden, wie etwa die Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe. Gleiches gilt für Vertragsklauseln, die eine sofortige Rückzahlung langfristiger Vorschusszahlungen bei einer Kündigung des Handelsvertreters vorsehen.
Danach können auch mittelbare Folgen einer Kündigung oder Vertragsbeendigung vom Verbot des § 89a Absatz 1 Satz 2 HGB erfasst werden.
Eine Unwirksamkeit der vertraglichen Vereinbarung beschränkt sich nicht auf die vertragliche Vereinbarung zur Fälligkeit des Darlehensanspruchs, sondern umfasst den Rückzahlungs-anspruch insgesamt. Deshalb kommt es nicht darauf an, dass die Parteien vereinbart hatten, dass das Darlehen erst nach Ablauf einer 3-monatigen Kündigungsfrist zur Rückzahlung fällig sei. Der BGH stellte darauf ab, dass die Vereinbarung eines Darlehens sich im vorliegenden Fall als Umgehungsgeschäft darstelle, durch das die Anwendbarkeit von § 89 a Absatz 1 Satz 2 HGB nicht ausgeschlossen wird.
In dem vom BGH zu beurteilenden Fall ist das Geschäft unwirksam. Die Gewährung eines variablen Darlehens an den Beklagten, welches monatlich mit Provisionsforderungen verrechnet werden sollte, ist, sofern dieses nicht zur Deckung eines besonderen Kreditbedarfs des Handelsvertreters dient, die Gewährung eines monatlichen Provisionsvorschusses mit entsprechender Verrechnungsabrede gleichzustellen. Etwas Anderes sieht der BGH darin, wenn ein Darlehen zur Finanzierung eines bestimmten Bedarfs erteilt wird. Dann würde sich die Unwirksamkeit der Abrede nur auf die vereinbarte Fälligkeit, nicht jedoch auf den auf Rückzahlung der Darlehensvaluta gerichteten Anspruch beziehen.
Etwas Anderes wäre nur dann, wenn das Darlehen zweckgebunden ist. In diesem Fall wird jedoch kein besonderer Kreditbedarf des Handelsvertreters gedeckt.
Hier handelt es sich bei der Darlehensgewährung um eine Vorauszahlung auf eine zu erwartende Vergütung, sowie es bei Provisionsvorschusszahlungen üblich ist.
Dies ist gemäß § 134 BGB unwirksam und damit nichtig. Die Rückzahlungsverpflichtung besteht nicht. Der Vertrag bleibt im Übrigen dagegen wirksam.
02
Der Wert der Bucheinsicht
Es war lange Zeit umstritten, wie der Wert einer Bucheinsicht zu bemessen ist.
Der Wert eines Buchauszuges bzw. einer Bucheinsicht interessiert nicht nur den Juristen, sondern auch die Partei in einem Zivilverfahren, in dem um den Buchauszug gestritten wird.
Gemäß § 87 c Abs. 2 HGB hat ein Handelsvertreter Anspruch auf einen Buchauszug. Liegen bestimmte Voraussetzungen vor, hat er sogar gemäß Abs. 4 einen Anspruch auf Einsicht in die Geschäftsbücher oder sonstigen Urkunden (Bucheinsicht).
Gemäß § 511 ZPO ist eine Berufung gegen ein erstinstanzliches Urteil nur möglich, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 € übersteigt. Mit diesem Argument wurde teilweise eine Berufung nicht einmal zugelassen, wenn ein erstinstanzliches Gericht über den Buchauszug ein Urteil gefällt hat.
Es lässt sich leicht damit argumentieren, dass der Aufwand für die Erstellung eines Buchauszuges bzw. einer Bucheinsicht gering ist. Auf Knopfdruck lässt sich der Buchauszug per EDV schnell erstellen, sodass die Kosten für die Erstellung eines Buchauszuges unter 600 € liegen dürfte.
Andere Gerichte stellten auf den wirtschaftlichen Wert ab, den ein Buchauszug bzw. die Bucheinsicht verkörpert. Erhofft sich beispielsweise die klagende Partei, die einen Buchauszug begehrt, davon Provisionen in Höhe von 5000 €, so wäre der Wert auch daran zu bemessen.
Selbst das Oberlandesgericht in Frankfurt war sich nicht einig, welche Rechtsauffassung (Aufwand oder wirtschaftlicher Wert) man denn folgen wollte.
Der Bundesgerichtshof fällte mit Beschluss vom 20. November 2023 unter dem Aktenzeichen VII ZR 6/23 eine Grundsatzentscheidung, die die bisherigen Entscheidungen des BGH bestätigt.
Danach richtet sich der Wert der Bucheinsicht nach dem Aufwand hinsichtlich Zeit und Kosten, der für ihn zur Erfüllung des Anspruchs auf Bucheinsicht anfällt.
Dieser Aufwand, um eine Bucheinsicht zu ermöglichen, ist in der Regel größer als die bloße Erteilung des Buchauszuges.
Der BGH stellte darauf ab, dass der Unternehmer neben dem Zugang zu den Unterlagen und zur EDV auch einen Ansprechpartner für die Dauer der Bucheinsicht zur Verfügung stellen muss. Nach diesen Maßstäben würde der Aufwand für die Gewährung der Bucheinsicht kostenmäßig einen Betrag von 600 € übersteigen.
Das Verfahren musste deshalb zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
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Am 19.01.2023 entschied der Bundesgerichtshof unter dem Aktenzeichen VII ZR 787/21, dass die Kündigungsfreiheit eines Handelsvertreters auch mittelbar beschränkt werden kann.
Außerdem entschied der Bundesgerichtshof, dass dann eine vereinbarte Vorschusszahlung auf zu erwartende Provisionen nicht zurückgefordert werden können.
In diesem Fall war der Handelsvertreter im Vertrieb eines Möbelherstellers tätig. Der Handelsvertreter erhielt wie üblich Provisionsvorschüsse.
Irgendwann ergab sich ein Saldo zu Lasten des Handelsvertreters in Höhe von mehr als 8.000€.
Über diesen Betrag schlossen die Parteien dann ein Darlehen, sodass das Provisionskonto mit dem jeweiligen Minusin Form eines Darlehens wieder ausgeglichen wurde.
In dem Darlehensvertrag wurde vereinbart, das im Falle der Beendigung des Handelsvertretervertrages die Restschuld des Darlehens in einer Summe sofort fällig wird.
Anschließend wurden weiterhin Provisionsvorauszahlungen geleistet. Das Provisionskonto rutschte dann mit mehr als 54.000 € ins Minus.
Das Handelsvertreterverhältnis soll dann einvernehmlich aufgelöst worden sein.
Die Vereinbarung, dass das Darlehen zurückgezahlt werden muss, verstößt nach Auffassung des Bundesgerichtshofs gegen § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB und ist deshalb gemäß § 134 BGB unwirksam. Es stellt eine unwirksame mittelbare Kündigungserschwernis dar.
Nach § 89a Abs. 1 Satz 1 HGB ist ein Handelsvertretervertrag von jedem Teil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündbar. Dieses Recht darf gemäß § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB weder ausgeschlossen noch beschränkt werden. Diese zwingende gesetzliche Regelung stellt eine Schutzvorschrift zu Gunsten des im allgemeinen wirtschaftlich schwächeren Handelsvertreters dar, die verhindern soll, dass der schwächere Vertragsteil einseitig in seiner Entscheidungsfreiheit zur Vertragsbeendigung beschnitten wird. Eine Beschränkung der Kündigungsfreiheit kann dabei nicht nur unmittelbar erfolgen, sondern auch bei mittelbaren Erschwernissen in Form von finanziellen oder sonstigen Nachteilen vorliegen. Eine solche Erschwernis ist anzunehmen, wenn an die Kündigung des Handelsvertretervertrages wesentlich die Vertragsbeendigung erschwerenden Nachteile geknüpft werden, wie etwa die Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe. Gleiches gilt für Vertragsklauseln, die eine sofortige Rückzahlung langfristiger Vorschusszahlungen bei einer Kündigung des Handelsvertreters vorsehen.
Unter welchen Voraussetzungen die an die Vertragsbedingung vertraglich geknüpften Nachteile von solchem Gewicht sind, dass eine unzulässige, mittelbare Beschränkung des Kündigungsrechts des Handelsvertreters vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalles (BGH-Urteil vom 05.11.2015 – Az.: VII ZR59/14).
Ihre Beantwortung hängt insbesondere von der Höhe der gegebenenfalls zurückzuerstattenden Zahlungen und dem Zeitraum, für den sie zu erstatten sind, ab.
Nach Ansicht des BGH können auch mittelbare Folgen einer Kündigung oder Vertragsbeendigung vom Verbot des § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB erfasst werden. Eine solche mittelbare Kündigungserschwernis kann auch vorliegen, wenn aufgrund der Gestaltung des Vertrages die Vertragsbeendigung für den Handelsvertreter mit erheblichen Nachteilen verknüpft ist, dieser in der Entscheidungsfreiheit hinsichtlich der Frage, ob er das Vertragsverhältnis auflöst, einschränken können. Solche mittelbaren Auswirkungen der Vertragsgestaltung sind stets am Maßstab des § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB zu prüfen und könne nicht unter Hinweis darauf, es handele sich um einen bloßen Reflex, von vornerein von dieser Prüfung ausgenommen werden.
Die Aufstockung des Darlehens um die Provisionsvorschüsse stellt sich mittelbare Kündigungserschwernis dar.
Die durch § 134 BGB angeordnete Nichtigkeit des gegen ein gesetzliches Verbot verstoßendes Rechtsgeschäft betrifft im vorliegenden Fall nur die Vereinbarung, dass erstinstanzlich Beendigung des Handelsvertretervertrages ein Unterverdienst vom Handelsvertreter auszugleichen ist. Der Vertrag im Übrigen bleibt dagegen wirksam und bildet den Rechtsgrund für die erfolgten monatlichen Zahlungen, die den Beklagten verbleiben.
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Ausgleichsanspruch auch für die Struktur
Auch wer im Strukturvertrieb überwiegend betreuende Tätigkeiten ausgeführt hat, kann einen Anspruch auf den Ausgleich gem. § 89 b HGB haben. Der Ausgleichsanspruch ist u.U. auch für die auf- und ausgebaute Struktur zu zahlen.
Ein Handelsvertreter kann zur Erledigung seiner Vermittlungsaufgaben Untervertreter beauftragen. Im Sprachgebrauch gibt es echte Untervertreter, die mit dem Handelsvertreter in einem direkten Vertragsverhältnis stehen und unechte Untervertreter, die nur in einem Vertragsverhältnis mit dem Unternehmer stehen. Im typischen Strukturvertrieb, z.B. bei der DVAG, handelt es sich um unechte Untervertreter. Mitarbeiter in der Struktur binden sich vertraglich, ebenso wie der Handelsvertreter mit der Leitungsfunktion, mit dem Unternehmen.
Der Bundesgerichtshof urteilte in einem Urteil am 23.11.2011 unter dem Aktenzeichen VIII ZR 203/10, dass einem ehemaligen Vermögensberater der DVAG grundsätzlich ein Ausgleich auch für den Aufbau seiner Struktur zustehen kann.
Auf Seite 13 der Entscheidung heißt es:
Die soeben aufgezeigte Problematik der Aufteilung in vermittelnde unter verwaltende Vergütungsanteile stellt sich auch im Bereich der sogenannten Superprovisionen, durch die der Aufbau einer Vertriebsorganisation durch beispielsweise Einstellung, Einarbeitung und Betreuung von Untervertretung honoriert wird. Auch diese Superprovisionen können ausgleichspflichtig sein, soweit die Tätigkeit des Generalvertreters, Bezirksstellenleiters oder -wie hier- Generaldirektionsleiters Voraussetzung für das Arbeiten der ihm unterstellten Vertreter und daher mit ursächlich für die von diesen vermittelten Ausschlüssen ist …
Eine solche Mitursächlichkeit setzt -entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts- nicht zwingend voraus, dass der Generalvertreter die ihm unterstellten Vertreter auch tatsächlich betreut. Vielmehr kann je nach den Umständen des Einzelfalles schon die Mitursächlichkeit der Einstellung und Einarbeitung der Untervertreter ausreichen.
Etwas differenzierter sah es einmal eine Entscheidung des Oberlandesgericht München mit Urteil vom 10.07.2009 unter dem Aktenzeichen 7 U 4522/08. Wenn man nach den sogenannten Grundsätzen Leben abrechnet, soll es nach dieser Entscheidung keinen Ausgleichsanspruch für von unechten Untervertretern vermittelten Lebensversicherungsverträge geben. Gegenstand dieser Entscheidung war ein Auskunftsanspruch, um den Ausgleichsanspruch zu berechnen. Das Oberlandesgericht München argumentierte, dass sich diese Einschränkung nur aus den sogenannten Grundsätzen ergibt. Bei einer anderen Berechnung würde es danach aber wohl keine Einschränkung geben.
Viele Vertriebe wenden ein, dass eine Provision nicht ausgleichsfähig wäre, weil diese als Entgelt für eine Leistung, nämlich der Verwaltung von Verträgen, gezahlt würde. In der Entscheidung des Oberlandesgericht München wurde auch darüber diskutiert, wann es sich um sogenannten Verwaltungsprovisionen handeln könnte. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in seinem Urteil vom 01.06.2005 (VIII ZR 335/04, RN 31), trifft die Darlegungs- und Beweislast dann den Unternehmer für eine Verwaltungsprovision, wenn nach der vertraglichen Provisionsregelung die Zweckbestimmung der zu zahlenden Provision nicht zweifelsfrei festzustellen ist.
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Die Sittenwidrigkeit mancher Klauseln zum Ausgleichsanspruch
Der Handelsvertreter hat eventuell einen Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB.
Dies gilt unter Umständen auch dann, wenn der Handelsvertreter einen Kundenbestand übernommen hat. Nicht unüblich ist, dass einige Vertriebler erst einmal den Kundenstamm kaufen soll, bevor man beginnen kann. Dieser Kaufpreis wird dann teilweise gestundet und soll am Ende mit dem Ausgleichsanspruch verrechnet werden. Diese Praxis stößt auf Bedenken.
Das Oberlandesgericht Celle hat sich mit Urteil vom 31.12.2001 – 11 U 90/21 über die Voraussetzungen und Folgen Gedanken gemacht. Das OLG hatte eine Einstandszahlung in Höhe von DM 200.000,– netto, die bis zur Beendigung gestundet worden ist, als sittenwidrig im Sinne des § 89b Abs. 4 HGB angesehen, weil der Höchstbetrag, die durchschnittliche Jahresprovision, in Höhe von DM 212.000,–, nur gering über der Einstandssumme lag (OLG Celle, Urteil vom 13.12.2001 – 11 U 90/01).
Die Höhe des Ausgleichsanspruchs ist in seiner Höhe durch die Regelung in § 89 b Abs. 2 HGB beschränkt. Er kann nicht im Voraus ausgeschlossen werden, §89 b Abs. 4 Satz 1 HGB. Die Regelung soll den Handelsvertreter vor der Gefahr schützen, sich aufgrund seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit von dem Unternehmen auf ihn benachteiligende Abreden einzulassen. Die Verhandlungsposition des Handelsvertreters unterliegt gegenüber der des Unternehmens in der Regel.
Auch eine Vereinbarung über die Zahlung einer Einstandssumme stellt einen solchen im Voraus vereinbarten Ausschluss dar, da dieser den Anspruch des Klägers erheblich vermindert. Aufgrund dessen ist eine Vereinbarung darüber zudem unzulässig.
Der Anspruch kann auch nicht mit dem Argument abgegolten werden, der Handelsvertreter übernehme einen Altkundenstamm und erzielt damit direkte erhebliche Umsätze. Denn auch für den Unternehmer ist es von Vorteil, wenn dieser seine Verträge weiter erfüllen kann.
Das OLG Celle hatte dieses mit Urteil von 31.12.2001 ausdrücklich bestätigt. Hier ging es um eine Einstandszahlung in Höhe von 200.000 DM, die der Handelsvertreter zahlen sollte.
Der BGH hatte Jahre zuvor noch entschieden, dass vereinbarte Einstandszahlungen generell zulässig sein können (BGH, Urteil vom 24.02.1983 – I ZR 14/81 – HVR Nr. 574).
Dabei käme es jedoch darauf an, ob die angemessene Gegenleistung angemessen ist.
08
BGH: Provisionsvorschüsse müssen unter Umständen nicht zurückgezahlt werden
Wenn eine Rückzahlungsklausel, die die Kündigung erschwert, unwirksam ist, muss ein Handelsvertreter Provisionsvorschüsse nicht zurückzahlen. Dies entschied der Bundesgerichtshof in einem aktuellen Urteil vom 19. Januar 2023 unter dem Aktenzeichen VII ZR 787/21.
Gemäß § 89 a Abs. 1 Satz 2 HGB ist eine Kündigungserschwernis verboten. Dies gilt auch für sogenannte mittelbare Erschwernisse.
In dem Fall, über den der BGH zu entscheiden hatte, ging es um einen Handelsvertreter, der für ein Möbelunternehmen tätig war. Dieser erhielt pauschale Provisionsvorschüsse. Vertragliches Ziel war es, dass der Handelsvertreter diese Vorschüsse mit verdienten Provisionen ausgleichen sollte. Bei Beendigung des Vertrages betrug der negative Saldo fast 55.000 €.
Während der Vertragslaufzeit wurde zudem vereinbart, dass ein auflaufender Saldo als Darlehen gewährt werden soll und mit 3,5 % pro Jahr zu verzinsen ist.
Dort heißt es:
„Im Falle der Beendigung des Handelsvertretervertrages vom
26. Juli 2013 sind die Restschuld des Darlehens und die zum Stich-
tag der Vertragsbeendigung aufgelaufenen Zinsen in einer Summe
sofort fällig. Hierbei ist es unerheblich, durch wen und aus welchem
Grund der Vertrag beendet wurde.“
Der Handelsvertreter aus der Möbelbranche wurde dann wegen der Zahlung verklagt. Das Landgericht Mönchengladbach wies die Klage ab, das Oberlandesgericht Düsseldorf erkannte den Anspruch des Unternehmens an, jedoch mit der Maßgabe, dass dem Unternehmer der Anspruch nur Zug um Zug gegen Erteilung eines Buchauszuges zustehen würde. Interessant ist, dass auch das Oberlandesgericht Düsseldorf die Vereinbarung für unwirksam betrachtet hatte, jedoch trotzdem meinte, dass der Handelsvertreter sich dann rechtsgrundlos bereichert hätte und ein Anspruch des Unternehmens aus § 812 BGB bestehen würde.
Der BGH zog hier einen Schlussstrich zugunsten des Handelsvertreters.
Der BGH gab dem Handelsvertreter Recht und meinte, dass jede Partei das Recht zu einer fristlosen Kündigung habe und dieses Recht auch nicht mittelbar eingeschränkt werden dürfe. In § 89 a Abs. 1 Satz 2 HGB sieht der BGH eine Schutzvorschrift des im Allgemeinen wirtschaftlich schwächeren Handelsvertreters.
In einem solchen Fall muss nach der Auffassung des BGH der Handelsvertreter den Betrag nicht zurückzahlen. Eine gegen die gesetzliche Regelung verstoßende Vereinbarung ist unwirksam (§134 BGB).
Wenn, so der BGH, eine Rückzahlungsklauseln unwirksam ist, dient dies dem Schutz des Handelsvertreters, sodass dieser nicht aus anderen Gründen zur Rückzahlung verpflichtet sein kann (der BGH verwies auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichtes München mit Urteil vom 9. März 2017 (Aktenzeichen 23 U 2601/16).
Der BGH verwies die Angelegenheit zurück Oberlandesgericht Düsseldorf, dass nunmehr die Rechtsauffassung des BGH zu berücksichtigen hat.
18
Der BGH entschied mit Urteil vom 8. Juli 2021 – I ZR 248/19 zugunsten eines Versicherungsmaklers.
Dieser klagte in Hamburg gegen einen Maklerpool und warf diesem vor, zu spät über drohende Stornierungen informiert worden zu sein. Stornogefahrmitteilungen erfolgten erst mit mehrmonatiger Verspätung. Der Name des Maklerpools wurde natürlich in der Entscheidung nicht genannt.
Nun musste der BGH entscheiden, ob dem Makler grundsätzlich ein Anspruch auf Übersendung von Stornogefahrmitteilungen zusteht.
Im Ergebnis sprach der BGH auch dem Versicherungsmakler den Anspruch zu, über drohende Stornierungen rechtzeitig informiert zu werden. Dabei gibt es eine Ausnahme, und zwar dann, wenn ein Versicherungsvertrag von dem Versicherungsnehmer widersprochen wird und der Versicherungsvertrag deshalb von Anfang an nicht besteht.
Hier nun ein paar grundlegende Zitate der Entscheidung des BGH:
„Die Beurteilung des Berufungsgerichts hat weiter Bestand, soweit es angenommen hat, der Kläger sei nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) ebenso schutzbedürftig wie ein Versicherungsvertreter, so dass der Provisionsanspruch des Klägers nach dem Rechtsgedanken des § 87a Abs. 3 Satz 2 HGB nur entfalle, wenn die Nichtausführung der vermittelten Geschäfte auf Umständen beruhe, die von der Beklagten nicht zu vertreten seien.
…
Nach § 87a Abs. 3 Satz 1 HGB hat der Handelsvertreter auch dann
einen Anspruch auf Provision, wenn feststeht, dass der Unternehmer das Geschäft ganz oder teilweise nicht oder nicht so ausführt, wie es abgeschlossen worden ist. § 87a Abs. 3 Satz 2 HGB bestimmt, dass der Anspruch im Falle der Nichtausführung entfällt, wenn und soweit diese auf Umständen beruht, die vom Unternehmer nicht zu vertreten sind. Ein Versicherungsunternehmen hat die Nichtausführung (Stornierung) eines Versicherungsvertrags nicht zu vertreten, wenn es notleidende Verträge in gebotenem Umfang nachbearbeitet hat. Art und Umfang der dem Versicherungsunternehmen obliegenden Nachbearbeitung notleidender Versicherungsverträge bestimmen sich nach den Umständen des Einzelfalls. Das Versicherungsunternehmen kann entweder eigene Maßnahmen zur Stornoabwehr ergreifen, die dann freilich nach Art und Umfang ausreichend sein müssen, oder sich darauf beschränken, dem Versicherungsvertreter durch eine Stornogefahrmitteilung Gelegenheit zu geben, den notleidend gewordenen Vertrag selbst nachzubearbeiten (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2012
– VII ZR 130/11, NJW 2012, 3305 Rn. 15 mwN; MünchKomm.HGB/Ströbl, 5. Aufl., § 92 Rn. 30 bis 33; Staub/Emde, HGB, 5. Aufl., § 87a Rn. 78 und § 92 Rn. 12; Löwisch in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl., § 92 Rn. 22).
Gesichtspunkte, die aufgrund einer starken Annäherung an die Stellung eines Versicherungsvertreters nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) für die Annahme der besonderen Schutzbedürftigkeit des Versicherungsmaklers sprechen können, sind etwa die Zahlung laufender Courtagevorschüsse für vermittelte Versicherungsverträge, die Einbindung in die Organisationsstruktur, die Zahlung von Organisationszuschüssen oder von Bestandspflegegeld und die regelmäßige Versendung von Stornomitteilungen (vgl. BGH, NJW 2011, 1590 Rn. 18).
…
Delegiert das Versicherungsunternehmen die Nachbearbeitung an den Versicherungsvertreter, hat es diesen durch Übersendung von Stornogefahrmitteilungen über die Gefahr zu informieren, dass Versicherungsverträge notleidend werden (vgl. BGH, NJW 2012, 3305 Rn. 18 f. mwN). Hat das Versicherungsunternehmen die Nachbearbeitung an den Hauptvertreter delegiert, obliegt im Verhältnis zwischen Hauptvertreter und Untervertreter dem Hauptvertreter die Pflicht zur Nachbearbeitung
(vgl. Löwisch in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn aaO § 92 Rn. 21; Staub/Emde aaO § 92 Rn. 12; Sperling in Flohr/Wauschkuhn, Vertriebsrecht, 2. Aufl., § 92 Rn. 42). Hat der Hauptvertreter die Nichtausführung des Geschäfts zu vertreten, weil er die ihm gegenüber dem Untervertreter obliegende Pflicht zur Nachbear-
beitung verletzt hat, findet § 87a Abs. 3 Satz 2 HGB deshalb mit der Folge entsprechende Anwendung, dass der Provisionsanspruch des Untervertreters erhalten bleibt (vgl. OLG Köln, VersR 2006, 71 [juris Rn. 7]; Staub/Emde aaO § 87aRn. 82; MünchKomm.HGB/Ströbl aaO § 87a Rn. 57; Emde, EwiR 2008, 559,
560). Diese Grundsätze gelten entsprechend in der vorliegenden Fallkonstellation.“
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Es kann gar nicht oft genug darauf hingeweisen werden und deshalb noch mal zum Nachlesen:
Die bloße Versendung einer Stornogefahrmitteilung an den Nachfolger des ausgeschiedenen Versicherungsvertreters ist keine ausreichende Maßnahme der Stornogefahrabwehr.
So entschied der BGH mit Urteil vom 28. Juni 2012 – VII ZR 130/11.
Der BGH in dieser Entscheidung:
„Den Versicherer trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er eine ordnungsgemäße Nachbearbeitung des notleidenden Versicherungsvertrags vorgenommen hat (BGH, Urteile vom 1. Dezember 2010 – VIII ZR 310/09, aaO Rn. 23; vom 25. Mai 2005 – VIII ZR 279/04, aaO; und VIII ZR 237/04, aaO Rn. 14; vom 12. November 1987 – I ZR 3/86, aaO unter II 1; vom 19. November 1982 – I ZR 125/80, aaO unter I 2 b; Thume in: Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Vertriebsrechts, Bd. 1, 4. Aufl., 2012, Kap. V Rn. 532).
Allerdings weist die Revisionserwiderung zu Recht darauf hin, dass die bloße Versendung einer Stornogefahrmitteilung an den Bestandsnachfolger keine ausreichende Maßnahme ist. Ein auch darauf gerichtetes Wahlrecht des Versicherers gibt es – anders als die Revision meint – nicht und ist in der Rechtsprechung auch nicht gebilligt worden. Denn der Bestandsnachfolger wird den Schwerpunkt seiner
Tätigkeit aus Gründen des eigenen Provisionsinteresses darauf setzen, Neuverträge abzuschließen und nicht dem Provisionsinteresse seines Vorgängers dienen wollen (vgl. Mecklenbrauck, aaO). Daher muss der Versicherer weiteren Vortrag zur konkreten Nacharbeit durch den Nachfolger des ausgeschiedenen
Versicherungsvertreters oder zur Aussichtslosigkeit der Nacharbeit halten.“