BGH

Ausgleichsanspruch auch für die Struktur

Auch wer im Strukturvertrieb überwiegend betreuende Tätigkeiten ausgeführt hat, kann einen Anspruch auf den Ausgleich gem. § 89 b HGB haben. Der Ausgleichsanspruch ist u.U. auch für die auf- und ausgebaute Struktur zu zahlen.

Ein Handelsvertreter kann zur Erledigung seiner Vermittlungsaufgaben Untervertreter beauftragen. Im Sprachgebrauch gibt es echte Untervertreter, die mit dem Handelsvertreter in einem direkten Vertragsverhältnis stehen und unechte Untervertreter, die nur in einem Vertragsverhältnis mit dem Unternehmer stehen. Im typischen Strukturvertrieb, z.B. bei der DVAG, handelt es sich um unechte Untervertreter. Mitarbeiter in der Struktur binden sich vertraglich, ebenso wie der Handelsvertreter mit der Leitungsfunktion, mit dem Unternehmen.

Der Bundesgerichtshof urteilte in einem Urteil am 23.11.2011 unter dem Aktenzeichen VIII ZR 203/10, dass einem ehemaligen Vermögensberater der DVAG grundsätzlich ein Ausgleich auch für den Aufbau seiner Struktur zustehen kann.

Auf Seite 13 der Entscheidung heißt es:

Die soeben aufgezeigte Problematik der Aufteilung in vermittelnde unter verwaltende Vergütungsanteile stellt sich auch im Bereich der sogenannten Superprovisionen, durch die der Aufbau einer Vertriebsorganisation durch beispielsweise Einstellung, Einarbeitung und Betreuung von Untervertretung honoriert wird. Auch diese Superprovisionen können ausgleichspflichtig sein, soweit die Tätigkeit des Generalvertreters, Bezirksstellenleiters oder -wie hier- Generaldirektionsleiters Voraussetzung für das Arbeiten der ihm unterstellten Vertreter und daher mit ursächlich für die von diesen vermittelten Ausschlüssen ist …

Eine solche Mitursächlichkeit setzt -entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts- nicht zwingend voraus, dass der Generalvertreter die ihm unterstellten Vertreter auch tatsächlich betreut. Vielmehr kann je nach den Umständen des Einzelfalles schon die Mitursächlichkeit der Einstellung und Einarbeitung der Untervertreter ausreichen.

Etwas differenzierter sah es einmal eine Entscheidung des Oberlandesgericht München mit Urteil vom 10.07.2009 unter dem Aktenzeichen 7 U 4522/08. Wenn man nach den sogenannten Grundsätzen Leben abrechnet, soll es nach dieser Entscheidung keinen Ausgleichsanspruch für von unechten Untervertretern vermittelten Lebensversicherungsverträge geben. Gegenstand dieser Entscheidung war ein Auskunftsanspruch, um den Ausgleichsanspruch zu berechnen. Das Oberlandesgericht München argumentierte, dass sich diese Einschränkung nur aus den sogenannten Grundsätzen ergibt. Bei einer anderen Berechnung würde es danach aber wohl keine Einschränkung geben.

Viele Vertriebe wenden ein, dass eine Provision nicht ausgleichsfähig wäre, weil diese als Entgelt für eine Leistung, nämlich der Verwaltung von Verträgen, gezahlt würde. In der Entscheidung des Oberlandesgericht München wurde auch darüber diskutiert, wann es sich um sogenannten Verwaltungsprovisionen handeln könnte. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in seinem Urteil vom 01.06.2005 (VIII ZR 335/04, RN 31), trifft die Darlegungs- und Beweislast dann den Unternehmer für eine Verwaltungsprovision, wenn nach der vertraglichen Provisionsregelung die Zweckbestimmung der zu zahlenden Provision nicht zweifelsfrei festzustellen ist.

Die Sittenwidrigkeit mancher Klauseln zum Ausgleichsanspruch

Der Handelsvertreter hat eventuell einen Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB.

Dies gilt unter Umständen auch dann, wenn der Handelsvertreter einen Kundenbestand übernommen hat.  Nicht unüblich ist, dass einige Vertriebler erst einmal den Kundenstamm kaufen soll, bevor man beginnen kann. Dieser Kaufpreis wird dann teilweise gestundet und soll am Ende mit dem Ausgleichsanspruch verrechnet werden. Diese Praxis stößt auf Bedenken.

Das Oberlandesgericht Celle hat sich mit Urteil vom 31.12.2001 – 11 U 90/21 über die Voraussetzungen und Folgen Gedanken gemacht. Das OLG hatte eine Einstandszahlung in Höhe von DM 200.000,– netto, die bis zur Beendigung gestundet worden ist, als sittenwidrig im Sinne des § 89b Abs. 4 HGB angesehen, weil der Höchstbetrag, die durchschnittliche Jahresprovision, in Höhe von DM 212.000,–, nur gering über der Einstandssumme lag (OLG Celle, Urteil vom 13.12.2001 – 11 U 90/01).

Die Höhe des Ausgleichsanspruchs ist in seiner Höhe durch die Regelung in § 89 b Abs. 2 HGB beschränkt. Er kann nicht im Voraus ausgeschlossen werden, §89 b Abs. 4 Satz 1 HGB. Die Regelung soll den Handelsvertreter vor der Gefahr schützen, sich aufgrund seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit von dem Unternehmen auf ihn benachteiligende Abreden einzulassen. Die Verhandlungsposition des Handelsvertreters unterliegt gegenüber der des Unternehmens in der Regel.

Auch eine Vereinbarung über die Zahlung einer Einstandssumme stellt einen solchen im Voraus vereinbarten Ausschluss dar, da dieser den Anspruch des Klägers erheblich vermindert. Aufgrund dessen ist eine Vereinbarung darüber zudem unzulässig.

Der Anspruch kann auch nicht mit dem Argument abgegolten werden, der Handelsvertreter übernehme einen Altkundenstamm und erzielt damit direkte erhebliche Umsätze. Denn auch für den Unternehmer ist es von Vorteil, wenn dieser seine Verträge weiter erfüllen kann.

Das OLG Celle hatte dieses mit Urteil von 31.12.2001 ausdrücklich bestätigt. Hier ging es um eine Einstandszahlung in Höhe von 200.000 DM, die der Handelsvertreter zahlen sollte.

Der BGH hatte Jahre zuvor noch entschieden, dass vereinbarte Einstandszahlungen generell zulässig sein können (BGH, Urteil vom 24.02.1983 – I ZR 14/81 – HVR Nr. 574).

Dabei käme es jedoch darauf an, ob die angemessene Gegenleistung angemessen ist.

BGH: Provisionsvorschüsse müssen unter Umständen nicht zurückgezahlt werden

Wenn eine Rückzahlungsklausel, die die Kündigung erschwert, unwirksam ist, muss ein Handelsvertreter Provisionsvorschüsse nicht zurückzahlen. Dies entschied der Bundesgerichtshof in einem aktuellen Urteil vom 19. Januar 2023 unter dem Aktenzeichen VII ZR 787/21.

Gemäß § 89 a Abs. 1 Satz 2 HGB ist eine Kündigungserschwernis verboten. Dies gilt auch für sogenannte mittelbare Erschwernisse.

In dem Fall, über den der BGH zu entscheiden hatte, ging es um einen Handelsvertreter, der für ein Möbelunternehmen tätig war. Dieser erhielt pauschale Provisionsvorschüsse. Vertragliches Ziel war es, dass der Handelsvertreter diese Vorschüsse mit verdienten Provisionen ausgleichen sollte. Bei Beendigung des Vertrages betrug der negative Saldo fast 55.000 €.

Während der Vertragslaufzeit wurde zudem vereinbart, dass ein auflaufender Saldo als Darlehen gewährt werden soll und mit 3,5 % pro Jahr zu verzinsen ist.

Dort heißt es:

„Im Falle der Beendigung des Handelsvertretervertrages vom
26. Juli 2013 sind die Restschuld des Darlehens und die zum Stich-
tag der Vertragsbeendigung aufgelaufenen Zinsen in einer Summe
sofort fällig. Hierbei ist es unerheblich, durch wen und aus welchem
Grund der Vertrag beendet wurde.“

Der Handelsvertreter aus der Möbelbranche wurde dann wegen der Zahlung verklagt. Das Landgericht Mönchengladbach wies die Klage ab, das Oberlandesgericht Düsseldorf erkannte den Anspruch des Unternehmens an, jedoch mit der Maßgabe, dass dem Unternehmer der Anspruch nur Zug um Zug gegen Erteilung eines Buchauszuges zustehen würde. Interessant ist, dass auch das Oberlandesgericht Düsseldorf die Vereinbarung für unwirksam betrachtet hatte, jedoch trotzdem meinte, dass der Handelsvertreter sich dann rechtsgrundlos bereichert hätte und ein Anspruch des Unternehmens aus § 812 BGB bestehen würde.

Der BGH zog hier einen Schlussstrich zugunsten des Handelsvertreters.

Der BGH gab dem Handelsvertreter Recht und meinte, dass jede Partei das Recht zu einer fristlosen Kündigung habe und dieses Recht auch nicht mittelbar eingeschränkt werden dürfe. In § 89 a Abs. 1 Satz 2 HGB sieht der BGH eine Schutzvorschrift des im Allgemeinen wirtschaftlich schwächeren Handelsvertreters.

In einem solchen Fall muss nach der Auffassung des BGH der Handelsvertreter den Betrag nicht zurückzahlen. Eine gegen die gesetzliche Regelung verstoßende Vereinbarung ist unwirksam (§134 BGB).

Wenn, so der BGH, eine Rückzahlungsklauseln unwirksam ist, dient dies dem Schutz des Handelsvertreters, sodass dieser nicht aus anderen Gründen zur Rückzahlung verpflichtet sein kann (der BGH verwies auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichtes München mit Urteil vom 9. März 2017 (Aktenzeichen 23 U 2601/16).

Der BGH verwies die Angelegenheit zurück Oberlandesgericht Düsseldorf, dass nunmehr die Rechtsauffassung des BGH zu berücksichtigen hat.

BGH: Makler haben Anspruch auf Nachbearbeitung

Der BGH entschied mit Urteil vom 8. Juli 2021 – I ZR 248/19 zugunsten eines Versicherungsmaklers.

Dieser klagte in Hamburg gegen einen Maklerpool und warf diesem vor, zu spät über drohende Stornierungen informiert worden zu sein. Stornogefahrmitteilungen erfolgten erst mit mehrmonatiger Verspätung. Der Name des Maklerpools wurde natürlich in der Entscheidung nicht genannt.

Nun musste der BGH entscheiden, ob dem Makler grundsätzlich ein Anspruch auf Übersendung von Stornogefahrmitteilungen zusteht.

Im Ergebnis sprach der BGH auch dem Versicherungsmakler den Anspruch zu, über drohende Stornierungen rechtzeitig informiert zu werden. Dabei gibt es eine Ausnahme, und zwar dann, wenn ein Versicherungsvertrag von dem Versicherungsnehmer widersprochen wird und der Versicherungsvertrag deshalb von Anfang an nicht besteht.

Hier nun ein paar grundlegende Zitate der Entscheidung des BGH:

„Die Beurteilung des Berufungsgerichts hat weiter Bestand, soweit es angenommen hat, der Kläger sei nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) ebenso schutzbedürftig wie ein Versicherungsvertreter, so dass der Provisionsanspruch des Klägers nach dem Rechtsgedanken des § 87a Abs. 3 Satz 2 HGB nur entfalle, wenn die Nichtausführung der vermittelten Geschäfte auf Umständen beruhe, die von der Beklagten nicht zu vertreten seien.

Nach § 87a Abs. 3 Satz 1 HGB hat der Handelsvertreter auch dann
einen Anspruch auf Provision, wenn feststeht, dass der Unternehmer das Geschäft ganz oder teilweise nicht oder nicht so ausführt, wie es abgeschlossen worden ist. § 87a Abs. 3 Satz 2 HGB bestimmt, dass der Anspruch im Falle der Nichtausführung entfällt, wenn und soweit diese auf Umständen beruht, die vom Unternehmer nicht zu vertreten sind. Ein Versicherungsunternehmen hat die Nichtausführung (Stornierung) eines Versicherungsvertrags nicht zu vertreten, wenn es notleidende Verträge in gebotenem Umfang nachbearbeitet hat. Art und Umfang der dem Versicherungsunternehmen obliegenden Nachbearbeitung notleidender Versicherungsverträge bestimmen sich nach den Umständen des Einzelfalls. Das Versicherungsunternehmen kann entweder eigene Maßnahmen zur Stornoabwehr ergreifen, die dann freilich nach Art und Umfang ausreichend sein müssen, oder sich darauf beschränken, dem Versicherungsvertreter durch eine Stornogefahrmitteilung Gelegenheit zu geben, den notleidend gewordenen Vertrag selbst nachzubearbeiten (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2012
– VII ZR 130/11, NJW 2012, 3305 Rn. 15 mwN; MünchKomm.HGB/Ströbl, 5. Aufl., § 92 Rn. 30 bis 33; Staub/Emde, HGB, 5. Aufl., § 87a Rn. 78 und § 92 Rn. 12; Löwisch in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl., § 92 Rn. 22).

Gesichtspunkte, die aufgrund einer starken Annäherung an die Stellung eines Versicherungsvertreters nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) für die Annahme der besonderen Schutzbedürftigkeit des Versicherungsmaklers sprechen können, sind etwa die Zahlung laufender Courtagevorschüsse für vermittelte Versicherungsverträge, die Einbindung in die Organisationsstruktur, die Zahlung von Organisationszuschüssen oder von Bestandspflegegeld und die regelmäßige Versendung von Stornomitteilungen (vgl. BGH, NJW 2011, 1590 Rn. 18).

Delegiert das Versicherungsunternehmen die Nachbearbeitung an den Versicherungsvertreter, hat es diesen durch Übersendung von Stornogefahrmitteilungen über die Gefahr zu informieren, dass Versicherungsverträge notleidend werden (vgl. BGH, NJW 2012, 3305 Rn. 18 f. mwN). Hat das Versicherungsunternehmen die Nachbearbeitung an den Hauptvertreter delegiert, obliegt im Verhältnis zwischen Hauptvertreter und Untervertreter dem Hauptvertreter die Pflicht zur Nachbearbeitung
(vgl. Löwisch in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn aaO § 92 Rn. 21; Staub/Emde aaO § 92 Rn. 12; Sperling in Flohr/Wauschkuhn, Vertriebsrecht, 2. Aufl., § 92 Rn. 42). Hat der Hauptvertreter die Nichtausführung des Geschäfts zu vertreten, weil er die ihm gegenüber dem Untervertreter obliegende Pflicht zur Nachbear-
beitung verletzt hat, findet § 87a Abs. 3 Satz 2 HGB deshalb mit der Folge entsprechende Anwendung, dass der Provisionsanspruch des Untervertreters erhalten bleibt (vgl. OLG Köln, VersR 2006, 71 [juris Rn. 7]; Staub/Emde aaO § 87aRn. 82; MünchKomm.HGB/Ströbl aaO § 87a Rn. 57; Emde, EwiR 2008, 559,
560). Diese Grundsätze gelten entsprechend in der vorliegenden Fallkonstellation.“

Besuchsauftrag an Bestandsnachfolger ist keine genügende Stornobekämpfung

Es kann gar nicht oft genug darauf hingeweisen werden und deshalb noch mal zum Nachlesen:

Die bloße Versendung einer Stornogefahrmitteilung an den Nachfolger des ausgeschiedenen Versicherungsvertreters ist keine ausreichende Maßnahme der Stornogefahrabwehr.

So entschied der BGH mit Urteil vom 28. Juni 2012 – VII ZR 130/11.

Der BGH in dieser Entscheidung:

„Den Versicherer trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er eine ordnungsgemäße Nachbearbeitung des notleidenden Versicherungsvertrags vorgenommen hat (BGH, Urteile vom 1. Dezember 2010 – VIII ZR 310/09, aaO Rn. 23; vom 25. Mai 2005 – VIII ZR 279/04, aaO; und VIII ZR 237/04, aaO Rn. 14; vom 12. November 1987 – I ZR 3/86, aaO unter II 1; vom 19. November 1982 – I ZR 125/80, aaO unter I 2 b; Thume in: Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Vertriebsrechts, Bd. 1, 4. Aufl., 2012, Kap. V Rn. 532).

Allerdings weist die Revisionserwiderung zu Recht darauf hin, dass die bloße Versendung einer Stornogefahrmitteilung an den Bestandsnachfolger keine ausreichende Maßnahme ist. Ein auch darauf gerichtetes Wahlrecht des Versicherers gibt es – anders als die Revision meint – nicht und ist in der Rechtsprechung auch nicht gebilligt worden. Denn der Bestandsnachfolger wird den Schwerpunkt seiner
Tätigkeit aus Gründen des eigenen Provisionsinteresses darauf setzen, Neuverträge abzuschließen und nicht dem Provisionsinteresse seines Vorgängers dienen wollen (vgl. Mecklenbrauck, aaO). Daher muss der Versicherer weiteren Vortrag zur konkreten Nacharbeit durch den Nachfolger des ausgeschiedenen
Versicherungsvertreters oder zur Aussichtslosigkeit der Nacharbeit halten.“

Und immer der Streit um die Dynamik

Nun streitet sich ein Vertrieb vor dem Frankfurter Gericht mit einem ehemalgen Mitarbeiter darum , ob dieser noch Dynamikprovisionen zu bekommen habe. Dazu ein paar Eckpunkte der Entscheidung des Amtsgerichts in seiner relativ aktuellen Entscheidung:

Der Kläger kann danach als Versicherungsvertreter (i.S.d § 92 HGB) von der Beklagten nach §§ 92 Abs. 2,3, 87c Abs.1 HGB die Abrechnung der Dynamikprovisionen verlangen, die auf nach Beendigung des Beratervertrages aufgrund der Dynamik eingetretenen Lebensversicherungsverträgen beruht.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Auszahlung dieser Dynamikprovisionen aus §§ 92 Abs. 2, 3; 87 Abs.1 S.1 HGB i.V.m dem Beratervertrag.

Die Höhe der Provision hängt von der sogenannten Bewertungssumme ab. Diese ist die Summer der Beiträge, die der Versicherungsnehmer zu zahlen hat. Infolge der unstreitig vereinbarten Dynamikklauseln erhöhen sich die Beiträge für diese Lebensversicherung automatisch regelmäßig um einen bestimmten Prozentsatz. Diese dynamische Erhöhung führt auch zu einer Erhöhung der für die Provision maßgeblichen Bewertungssumme.

Diese Erhöhung der Beiträge aufgrund der Dynamikklauseln gehen auch auf die Vermittlungstätigkeit des Klägers bei Abschluss der streitgegenständlichen Lebenversicherungsverträge zurück. Demnach sind dieser grundsätzlich auch gem. §§ 92 Abs. 2,3 S.1, 87 Abs. 1 S.1 HGB provisionspflichtig.

Dynamische Lebensversicherungen verpflichten den Versicherer selbst zur Vornahme der Erhöhung. Nur dem Versicherungsnehmer steht hinsichtlich der Erhöhung ein Widerspruchsrecht zu. Der Widerspruch ist eine auflösende Bedingung, bei deren Eintritt die von Anfang an vertraglich vorgesehene Erhöhung wieder entfällt.

Die Dynamikprovision ist somit eine verzögerte ausgezahlte Abschlussprovision, die – wenn auch widerruflich- schon in dem Erstabschluss ihren Grund findet und als vereinbart anzusehen ist (Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 16.03.2018 – 16 U 109/17, Rn. 33, BGH, Urteil vom 20.12.2018 – VII ZR 69/18, Rn. 15ff).

Dem Kläger wurden während der Laufzeit des zwischen den Parteien geschlossenen Beratervertrages unstreitig Dynamikprovisionen von der Beklagten gezahlt.

Dem Anspruch des Klägers auf Zahlung der streitgegenständlichen Dynamikprovisionen steht auch nicht entgegen, dass eine nachhaltige Kundenbetreuung durch den Kläger nach der Beendigung des Beratervertrages nicht mehr erfolgt ist.

Man habe keine wirksame Vereinbarung dahingehend getroffen, dass ein Anspruch des Klägers auf Zahlung von Dynamikprovisionen nur besteht, wenn zum jeweiligen Zeitpunkt der Erhöhung noch eine nachhaltige Kundenbetreuung durch den Kläger folgt.

Bei den Dynamikprovisionen handelt es sich um Abschlussprovisionen i.S.d Beratervertrages. Danach wird für jeden vermittelten Vertrag als Gegenleistung dieser Vermittlungstätigkeit eine einmalige Abschlussprovision gewährt. Bei weiteren aus diesem Abschluss folgenden Provisionen wird eine nachhaltige Kundenbetreuung vorausgesetzt.

Es kann der Begründung nicht gefolgt werden, dass Dynamikprovisonen Folgeprovisionen seien und lediglich einmalig gezahlt werden müssten.

Die Erhöhung der Beiträge gehen auf die Vermittlungstätigkeit des Klägers bei Abschluss der streitgegenständlichen Lebensversicherungsverträge zurück.

Die Erhöhung der Versicherungssumme und damit auch die Dynamikklauseln setzen keine nachhaltige Kundenbetreuung voraus, da sie gem. den Vereinbarungen aus den Versicherungsverträgen eintreten und somit keiner neuen Verhandlung bedürfen.

Die Angelegenheit ist nicht rechtskräftig ausgeurteilt, da sie sich noch im Beriufungsverfahren befindet.

Provisionsabrechnung als Anerkenntnis

Dass das Schweigen eines Handelsvertreters, nachdem er eine Provisionsabrechnung bekommen hat, nicht als Zustimmung zu werten ist, hatte bereits der BGH mehrmals entschieden. Von dieser Rechtsprechnung ist er bis heute nicht abgewichen.

Das gilt auch, wenn die Fiktion der Zustimmung im Fall des Schweigens im Handelsvertretervertrag geregelt ist. Abweichend davon hatte das Landgericht Braunschweig im Jahre 2016 entschieden, dass zwar kein Anerkenntnis vorliege, aber die Berufung eines Handelsvertreters darauf, dass die vertragliche Regelung unwirksam wäre, treuwidrig sei. Dieses Urteil von 2016 wurde – in Einklang mit der BGH-Rechtsprechung – vom Oberlandesgericht Brainschweig am 6.7.2020 wieder aufgehoben (nähere Beschreibung des Urteils folgt). Auch in Braunschweig hat der Handelsvertreter also keine Nachteile, wenn er nach Erhalt der Provisionsabrechnung schweigt.

Leider kommt es vor, dass ein Unternehmen Provisionen abrechnet, diese aber nicht auszahlt. Die Provisionsabrechnung muss sich das Unternehmen jedoch als eigenes Anerkenntnis gegen sich gelten lassen. Der Handelsvertreter muss dann im Einzelfall nicht beweisen, dass er Verträge vermittelt hat und kann sich auf die Abrechnug berufen.

Dabei kann er auf die Rechtsprechung des BGH mit Urteil vom 07.02.1990 unter dem Az IV ZR 314/88 setzen, welches ein Anerkenntnis erkannt hat: „Die Provisionsabrechnung enthält die Mitteilung des Unternehmers, in welcher Höhe einem Handelsvertreter nach der Auffassung seines Prinzipals ein Provisionsanspruch zusteht und wie sich dieser Provisionsanspruch zusammensetzt und errechnet; sie hat den Charakter eines abstrakten Schuldanerkenntnisses (Baumbach/Duden/Hopt, HGB 28. Aufl. § 87c Anm. 1 A).“

So entschied am 13.06.2006 entschied auch das Landgericht Frankfurt am Main unter dem Az 3-5 O 17/06, und am 13.09.2017 auch das Oberlandesgericht Karlsruhe unter dem Aktenzeichen 15 U 7/17 .

Die Kündigungsfristen beim nebenberuflichen Handelsvertreter

Ist das Vertragsverhältnis mit dem nebenberuflichen Handelsvertreter auf unbestimmte Zeit eingegangen, so kann es gemäß § 92 b Abs. 1 Satz 2 HGB mit einer Frist von einem Monat für den Schluss eines Kalendermonats gekündigt werden.

Wenn im Handelsvertretervertrag andere Fristen vereinbart werden, könnten diese unwirksam sein. Der BGH prüfte im Urteil v. 21.03.2013, VII ZR 224/12 folgende Klausel: „Nach einer Vertragslaufzeit von drei Jahren ist die Kündigung nur noch unter Einhaltung einer Frist von zwölf Monaten auf das Ende des Kalenderjahres zulässig.“

Der BGH kam zu dem Ergebnis, diese Klausel sei unwirksam.

Diese Kündigungsklausel sei eine unangemessene Benachteiligung des nebenberuflichen Handelsvertreters (§ 307 Abs. 1 BGB). Zur Begründung führte er an, dass die 6 Monate über die gesetzlichen Kündigungsregelungen deutlich hinausgehen. Derat lange Kündigungsfristen würden für den hauptberuflichen Handelsvertreter gemäß § 89 HGB gelten.

Die Insolvenz und der Handelsvertreter

Corona löst mitunter Insolvenzen aus. Schon zuvor angeschlagene Unternehmen können jetzt endgültig Schiffbruch erleiden.

Was ist aber, wenn das Unternehmen, das Handelsvertreter beschäftigt, in die Insolvenz geht? Was ist mit dem Vertrag, den Provisionen und dem Ausgleichsanspruch?

Dazu erst mal etwas Ernüchterndes: Forderungen, die vor der Insolvenz entstanden sind, können im Insolvenzverfahren zur Tabelle angemeldet werden. Dazu gehören grundsätzlich auch mögliche Provions- und Ausgleichsansprüche. Ob und in welcher die angemeldten Forderungen Erfolg bringen, prüft letztendlich der Insolvenzverwalter.

Wird ein Anspruch, z.B. nach § 89 b HGB, bereits vor der Insolvenzeröffnung geltend gemacht, stellt auch er eine Insolvenzforderung dar (§ 38 InsO). Damit darf der Anspruch nach § 89 b HGB nur nach Maßgabe der InsO erfüllt werden (§ 87 InsO). Auch dann gibt es üblicherweise eine „quotale Befriedigung im Wege der Schlussverteilung“.

Einige Verträge enden automatisch mit Eröffnung der Insolvenz. Dazu gehören auch Geschäftsbesorgungsverträge gem. §§ 115 Abs. 1, 116 Satz 1 InsO . Weil ein Handelsvertretervertrag ein Geschäftsbesorgungsvertrag ist, könnte er dann auch automatisch zu Ende sein.

Insolvenz des Unternehmers

Jedenfalls gilt: Wenn das Unternehmen in die Insolvenz gerät, geht auch der Handelsvertretervertrag zu Ende.

Insolvenz des Handelsvertreters

Wenn jedoch der Handelsvertreter in die Insolvenz geht, greift §§ 115, 116 InsO nicht. So sagt es das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Urteil vom 18.12.2009 unter dem Az I-16 U 160/09.

Der Erlöschungstatbestand des § 115 Abs. 1 InsO sei nach Ansicht des OLG nicht einschlägig. Hiernach erlöschen durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur vom Schuldner erteilte Aufträge, die sich auf das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen beziehen und eine unentgeltliche Geschäftsbesorgung zum Gegenstand haben. Der Handelsverteter als Insolvenzschuldner erteilt keine Aufträge.

Auch erlösche der Handelsvertretervertrag nicht gemäß § 116 Satz 1 InsO, so das Gericht. Zwar wird dabei auch auf Dienst- und Werkverträge abgestellt, die eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand haben. Anwendbar ist § 116 InsO seinem Wortlaut nach aber nur im Falle der Insolvenz des Geschäftsherrn/Unternehmers. Die Insolvenz des zur Geschäftsbesorgung Verpflichteten führt jedoch nicht zur Auflösung des Vertragsverhältnisses nach dieser Vorschrift.

Fristlose Kündigung

Ob die Insolvenz des Handelsvertreters zur fristlosen Kündigung berechtgt, ist umstritten. Zu dem Thema allgemein wurde hier im Blog schon öfter geschrieben, z.B. über eine Entscheidung des Landgerichts Potsdam und des Landgerichts Frankfurt.

Ausgleichsanspruch

Die Insolvenz des Unternehmers führt übrigens nicht dazu, dass plötzlich der Ausgleichsanspruch erlischt. Der BGH entschied am 06.10.2010 unter dem Az. VIII ZR 209/07 ,dass es bei dem Ausgleichsanspruch nicht auf die Gründe der Vertragsbeendigung ankommt. Egal ist es auch, ob ein Handelsvertreter bei Fortsetzung des Vertragsverhältnisses überhaupt in der Lage gewesen wäre, Geschäfte zu vermitteln. Es ist also – rechtlich – auch egal, ob der Geschäftsbetrieb wegen Insolvenz eingestellt wird.

Wieviel man im Insolvenzverfahren letztendlich erhält, steht auf einem anderen Stern.

Dem Handelsvertreter ist zu empfehlen, umgehend den Ausgleichsanspruch geltend zu machen und auch als Insolvenzforderung anzumelden. In der Praxis geschieht es oft, dass der Handelsvertreter trotz der Eröffnung der Insolvenz seiner Tätigkeit weiter nachgeht und der Insolvenzverwalter damit einverstanden ist. Hierbei handelt es sich um ein neues Vertragsverhältnis, weil das alte Vertragsverhältnis mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beendet worden ist.

BGH wertet Privatgutachten auf

Der BGH entschied am 26.2.2020, dass ein privates Gutachten in einem Streit um eine Berufsunfähigkeit im Gerichtsverfahren verwertet werden muss.

Dies gilt vor allem dann, wenn das Gutachten, weches im Gerichtsverfahren eingeholt wurde, Lücken aufweist. Im Gegensatz zu dem vom Kläger eingeholten Privatgutachten hatte es sich nicht differenziert mit den klägerischen Tätigkeiten auseinandergesetzt.

Die Parteien stritten bis zum BGH darüber, ob bei dem Kläger bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit noch besteht oder schon wieder entfallen ist. Geklagt hatte ein ehemals selbstständiger Marktleiter einer Supermarktfiliale, der seit Oktober 2010 wegen psychischer Erkrankungen berufsunfähig sei. Die Versicherung hatte zunächst geleistet, aber dann die Zahlung eingestellt. Die Versicherung berief auf ein von ihr eingeholtes Sachverständigengutachten, wonach der Kläger nicht mehr berufsunfähig sei.

Dies stand im Gegensatz zu dem Privatgutachten des Klägers.

Der BGH verwies deshalb den Rechtsstreit zurück an das Oberlandesgericht.

Umwirksame Verjährungsklauseln

Im Rahmen einer erfolgreichen Schlichtung stand vor wenigen Tagen in einem Handelsvertretervertrag eine Verjährungsregelung auf dem Prüfstand.

Es ging um eine Regelung, in der die Verjährung jeglicher vertraglicher Ansprüche nach einem Jahr geregelt war, abhängig von der Kenntnis dieser Ansprüche. Der Schlichter orientierte sich dazu an mehreren Entscheidungen, um die Wirksamkeit der Verjährungsregelung zu prüfen.

Zunächst erwähnte er eine Entscheidung des BGH vom 03.12.2015 zu dem AZ VII ZR 100/15. In dieser Entscheidung hatte der BGH unter anderem entschieden, dass Vertragsklauseln einer AGB- Kontrolle unterliegen können. Sie wären dann z.B. an § 307 Abs. 1 und 2 BGB zu messen und es wäre zu hinterfragen, ob es sich dabei um eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners handelt. In dem Fall des BGH von 2015 ging es jedoch nicht um eine Verjährungsregelung, sondern um eine Wettbewerbsklausel in einem älteren Vermögensberatervertrag der DVAG.

In diesem Zusammenhang hinterfragte der Schlichter, ob es sich hier denn überhaupt um eine Klausel handelt, die vom Unternehmer zur Verfügung gestellt wurde. Zu seiner Überraschung musste er in diesem Fall feststellen, dass dieser Handelsvertretervertrag von dem Handelsvertreter selbst gestellt wurde und nicht von dem Unternehmen. Der Schlichter meinte, dass dann keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorliegen würden. Insofern hatte dann diese BGH- Entscheidung keine Bedeutung.

Der Schlichter verwies dann auf eine weitere BGH- Entscheidung mit Urteil vom 12.02.2003 unter dem AZ VII ZR 284/01. In dieser Entscheidung urteilte der BGH über folgende Klausel.

Alle Ansprüche des Handelsvertreters aus dem Vertragsverhältnis verjähren zwölf Monate nach Fälligkeit.

Die Ansprüche der Gesellschaft auf Rückzahlung von Provisionen und Provisionsvorschüssen verjähren in zwölf Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Gesellschaft von den die Rückzahlung rechtfertigenden Umständen Kenntnis erlangt hat.

Damals gab es noch einen § 88 HGB, wonach Ansprüche aus dem Handelsvertreterverhältnis nach vier Jahren verjähren. Dem BGH war es egal, ob es sich bei der eben genannten Verjährungsklausel um AGB handelt oder nicht. Jedenfalls erkannte es einen Verstoß gegen § 88 HGB a.F. und erklärte die Verjährungsregelung kurzerhand für unwirksam.

Da es keinen § 88 HGB mehr gibt, war auch diese Entscheidung nicht hilfreich.

Ähnlich wie der BGH urteilte übrigens auch das Landgericht Frankfurt am Main in einem Urteil aus dem Jahr 2016. Das LG Frankfurt schrieb dazu in etwa: § 88 HGB wurde im Jahre 1953 eingeführt, um die Stellung der Handelsvertreters zu stärken, da zuvor für den Handelsvertreter und den Unternehmer unterschiedliche Verjährungsvorschriften galten.

Im Jahre 2004 wurde dann das Verjährungsanpassungsgesetz eingeführt und § 88 HGB wird gestrichen. Von nun an wurde auch die allgemeine Verjährungsfrist von dreißig Jahren auf drei Jahre verkürzt. Damit war auch der Schutz des Handelsvertreters gewährleistet. Das Landgericht Frankfurt meinte, dass auch nach Wegfall des § 88 HGB jedenfalls und für alle die dreijährige Verjährungsfrist gelten muss, egal, ob der Handelsvertretervertrag eine verkürzte Verjährungsfrist im Rahmen einer AGB- Klausel oder Individualvereinbahrung zur Verjährung enthalte.

Der Schlichter verwies darauf hin, dass es aktuell zu diesem Thema wenig höchstrichterliche Rechtsprechungen, von Oberlandesgerichten z.B., gäbe.

Das Oberlandesgericht Hamm hatte mit Urteil vom 17.08.2015 unter dem AZ 18 U 182/18 über eine Klausel in allgmeinen Geschäftsbedingungen zu entscheiden, die eine verkürzte Verjährungsfrist für Ansprüche vorsieht und deren Beginn die Kenntnis von der Entstehung der Ansprüche verknüpft. Diese sei nach Ansicht des OLG Hamm unwirksam.

Eine Klausel, die von gesetzlichen Regelung des §199 Abs. 1 BGB von drei Jahren abweicht, ist unwirksam. Das OLG Hamm führte aus, die Klausel sei wegen Verstoßes gegen § 202 Abs.1 BGB unwirksam. § 202 BGB trat übrigens am 01.01.2002 in Kraft. § 202 Abs. 1 BGB verbiete eine verkürzte Verjährung gegen Vorsatzes. Wenn eine Klausel nicht differenziert, würde sie auch dafür gelten, dass etwas vorsätzlich begangen wird. Damit würde die Klausel unwirksam sein.

In die gleiche Kerbe stieß eine weitere Entscheidung des OLG Hamm vom 14.05.2018 unter dem AZ 18 U 85/17. Auch hier wurde die vereinbarte Verjährungsfrist – unabhängig davon, ob es sich um eine Klausel oder eine individuelle Vereinbahrung handelt – wegen Verstoßes gegen §202 BGB für unwirksam erklärt.

Vor diesem Hintergrund ist damit zu rechnen, dass auch in Zukunft von anderen Gerichten vertragliche Klauseln, die ohne Berücksichtigung des § 202 BGB allesamt unwirksam sind.