BGH zur Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes bei Streitigkeiten mit einem Handesvertreter

Das Arbeitsgericht ist bei Streitigkeiten mit Handelsvertretern manchmal zuständig. Dafür darf ein Handelsvertreter in den letzten 6 Monaten des Vertrages nicht mehr als 1000 € Provisionen im Durchschnitt monatlich verdient haben.

Zu diesem Thema wurde hier im Blog ausführlich berichtet.

Wer muss jedoch darlegen und beweisen, dass die Provisionsgrenze nicht überschritten wurde?

Die gezahlten Provsionen sind auch häufig Gegenstand der Klage, so dass man dann von doppelrelevanten Tatsachen spricht.

Der BGH entschied am 27.10. 2009 unter dem Aktenzeichen VIII ZB 42/ 08:

a)

bei der Prüfung der Rechtswegzuständigkeit nach § 17 a GVG dürfen die zuständigkeitsbegründenden Tatsachen dann keines Beweises, wenn sie gleichzeitig notwendige Tatbestandsmerkmale des Anspruchs selbst sind (doppelrelevante Tatsachen). Dann ist für die Zuständigkeitsfrage die Richtigkeit des Klagevortrages zu unterstellen.

b)

handelt es sich nicht um doppelrelevante Tatsachen, so ist er nicht allein der Sachvortrag der klagenden Partei Grundlage der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs. Vielmehr hat der Kläger die für die Begründung der Rechtswegzuständigkeit maßgeblichen Tatsachen zu beweisen, sofern der Beklagte diese bestreitet.

MLP verliert

Das Landgericht Berlin hat kürzlich eine Klage der MLP auf Rückzahlung von Provisionsvorschüssen zurückgewiesen.

Es hatte zu Grunde gelegt, dass MLP als Maklerin tätig war, während der Beklagte Handelsvertreter war.

Ein Saldo nach Vertragsende machte sie mit der Klage geltend.

Das Gericht konnte jedoch die Höhe der Klage nicht nachvollziehen. Es meinte, der Klägerin stände kein vertraglicher oder gesetzlicher Anspruch auf Ausgleich des von ihr errechneten negativen Saldos in Höhe der Klageforderung zu.

Schließlich hätte sie für jeden einzelnen Rückforderungsanspruch dessen konkrete Gründe darlegen, was auch die textliche Erläuterung der Provisionsabrechnungen, soweit deren Inhalt nicht selbsterklärend ist, erfordert. Denn anderenfalls kann die sachliche und rechnerische Richtigkeit der erhobenen Forderung durch das Gericht nicht überprüft werden (vgl. OLG Hamm NJW-RR 2004 1266f.; OLG Brandenburg Beck Rücksprache 2009, 142615 Tz. 28, Landgericht Bonn Beck Rücksprache 2018, 44885 Tz. 34). 

Das Gericht meinte, dass die eingereichten Unterlagen nicht selbsterklärend seien. Insbesondere würden sie nicht erkennen lassen, welcher Provisionsbetrag tatsächlich auf den einzelnen Vertrag an den Beklagten wann ursprünglich werden sein sollte.

Dann setzte sich das Gericht noch mit den Kürzeln auf der Provisionsabrechnung auseinander. Es meinte, dass Provisionszahlungen nur mittelbar hergeleitet werden könnten und dass dies den Anforderungen an einen substantiierten Vortrag nicht genügen würde.

Auch die Nachbearbeitung sei nicht hinreichend vorgetragen. Insofern nahm das Gericht Bezug auf § 87a Abs. 3 S. 2 HGB. MLP sei nach Ansicht des Gerichts in vollem Umfang darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass eine ordnungsgemäße Nachbearbeitung des notleidenden Versicherungsvertrages vorgenommen wurde. Der Vortrag dazu sei jedoch nach Ansicht des Landgerichts zu allgemein geblieben. Die Angabe eines persönlichen Gespräches würde dazu nicht genügen. Es reicht auch nicht aus, das Ergebnis der Nachbearbeitungsbemühungen darzustellen (vgl. Oberlandesgericht Karlsruhe ZVertriebsR 2017, 377, 380f.).

Dem Vortrag der Klägerin sei nicht zu entnehmen, wie der jeweilige Bestandsnachfolger einen jeweiligen Kunden einwirkte.

Vor diesem Hintergrund wurde die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Muster und Antrag für die Bucheinsicht und den Buchauszug

Jeder Handelsvertreter hat gem. § 87 c HGB einen Anspruch auf einen Buchauszug.

Dieser sollte bei einem Warenvertreter folgende Angaben enthalten:

1. Name und Anschrift des Kunden, Kundennummer;
2. Datum der Bestellung, der Auftragserteilung;
3. Umfang der Bestellung, des erteilten Auftrags;
4. Datum der Auftragsbestätigung;
5. Datum der Lieferung, auch Teillieferungen;
6. Umfang der Lieferung, der Teillieferungen;
7. Datum der Rechnungen;
8. Rechnungsbeträge;
9. Daten der Zahlungen der Kunden;
10. Höhe der Zahlungsbeträge;
11.Angabe der Stornierung, Annullierung, Retouren – mit Angabe der konkreten Gründe hierfür.

Für den Fall, dass ein Buchauszug verweigert wird oder unvollständig erteilt wird, hat der Handelsvertreter einen Anspruch auf Bucheinsicht. So sieht der Tenor/ Klagemuster einer typischen Bucheinsicht aus:

Es wird beantragt, die Beklagte zu verurteilen

dem Kläger Einsicht in die Geschäftsbücher, Vertragsunterlagen, den einschlägigen Schriftwechsel und sonstige Unterlagen zu gewähren, in denen die Geschäftsabschlüsse der Beklagten mit den Versicherungsnehmern niedergelegt sind und die zur Feststellung der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des vorgelegten Buchauszuges notwendig sind.

So wurde dies in einer Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf ausgeurteilt.

Die Vergreisung der Grundsätze

Am 01.11.1976, also vor 48 Jahren war es soweit. Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft e.V., der Bundesverband der Geschäftsstellenleiter der Assekuranz e.V. und der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute e.V. (BVK) haben die Grundsätze zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs gem § 89 b HGB ins Leben gerufen.

Die Ausgleichsansprüche feiern damit bald 50 jähriges Jubiläum. Helmut Schmidt wurde damals wiedergewählt und Wolf Biermann ausgebürgert. Viele Zeitgenossen von damals leben schon nicht mehr. Die Väter der Grundsätze werden sich auch nicht mehr erinnern, wie man auf die Recheninhalte gekommen ist. Eine gewisse Vergreisung ist den Grundsätzen vorzuhalten.

Je nach Versicherungssparte werden danach für die privaten Krankenversicherungen, für dynamische Lebensversicherungen und für Sachversicherungen getrennte Berechnungen zur Ermittlung des Ausgleichsanspruchs herangezogen.

Beispielhaft wird bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs bei den dynamischen Lebensversicherungen von den jeweiligen Versicherungssummen ausgegangen.

Die älteren Vertreter der Zunft werden sich noch erinnern können. Die Versicherungssummen waren tatsächlich einmal vorrangig Bestandteil der Provisionsabrechnungen. Dies ist lange her. Der Begriff der Versicherungssumme dürfte allenfalls noch historische Bedeutung haben. Heutzutage weiß kaum jemand wie dieser Begriff zu definieren ist. Vielerorts wird heutzutage nach Wertungssummen abgerechnet, die zwar grundsätzlich auch von der Summe der einzuzahlenden Prämien in die Lebensversicherung abhängig ist, jedoch beschränkt es nach Einzahlungsdauer und weiteren Faktoren.

Wenn man diese erste Stufe erklommen hat und irgendeine Summe ermittelt hat, soll diese nach den Grundsätzen im Jahre 1975 mit 0.11, im Jahre 1976 mit 0.10 usw. berechnet werden. In den Jahren 1980ff. beträgt dieser Wert 0,08. Ganz offenkundig hat man die Lebensdauer der Grundsätze weit über das Jahr 1980 nicht in Betracht gezogen.

Die Frage nach dem WARUM? drängt sich zwangsläufig auf, wenn man sich den Multiplikator 0,08 ansieht.

Bildet man beispielsweise eine Versicherungssumme von 100.000 €, käme man zu einem Zwischenstand von 8.000 €. Anschließend gibt es noch einen Bonus für die Dauer der hauptberuflichen Tätigkeit. Zu Beginn beträgt dieser 1, ab dem zehnten Jahr 1,25 und ab dem zwanzigsten Jahr 1,5.

Wenn ein Vertreter bei diesem Beispiel 9 Jahre dabei war, würde er in diesem Fall 8.000 € erhalten.

Entsprechend der geschichtlichen Einordnung erfolgt die Auszahlung nach den Grundsätzen in D-Mark.

Sind die Grundsätze noch zeitgemäß und gerecht? Gemäß § 89b kann der Handelsvertreter einen Ausgleich verlangen, wenn und soweit der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat und die Zahlung der Billigkeit entspricht.

Die Vorteile des Unternehmens bestehen in erster Linie darin, dass das Unternehmen dem Handelsvertreter keine Provisionen mehr zahlen muss (vgl. Bundesgerichtshof Urteil vom 23.11.2011 Az.: VIII ZR 203/10). Tenor dieser Entscheidung ist auch, dass der BGH die Grundsätze Ausgang einer Schätzung zulässt.

Die Höchstgrenze des Ausgleichsanspruchs des Versicherungsvertreters- oder maklers beträgt nach § 89b Abs. 5 HGB maximal 3 Jahresprovisionen. Warum sollte dies dann nicht als zeitlicher Maßstab für den Provisionsverlust dienen?

Würde ein Vermittler beispielsweise 15 Promille für einen Bestand von 100.000 € erhalten, so wären dies 15.000 €. Multipliziert mit 3 Jahren würde dann der Ausgleich in Höhe von 45.000 € bestehen. Gemessen daran, dass Lebensversicherungsverträge einer 5-jährigen Haftungszeit unterliegen, könnte gar eine 5-jährige Betrachtung herangezogen werden. Dann würde der Ausgleich bei 75.000 € liegen.

8.000 € oder 75.000 € ?

Selbstverständlich unterliegen die Verträge einer bestimmten Abwanderungsquote (Stornoquote), die zum Abzug führen muss, so dass nicht exakt 75.000 € zu zahlen wären. Liegt diese bei 5 % pro Jahr wüden im ersten Jahr 3250 € usw abgezogen werden müssen, so dass dann etwa 65.000 € im Ergebnis zur Auszahlung verbleiben.

In Anbetracht der eklatanten Abweichungen zu den gesetzlichen Grundlagen bedürfen die Grundsätze einer Nachverhandlung.

Versicherungsmakler abhängig?

Versicherungsvertreter arbeiten bekanntlich für eine Versicherung oder für deren Vertrieb. Sie sind also an das Unternehmen gebunden und stehen auf dessen Seite.

Im Gegensatz dazu steht der Versicherungsmakler grundsätzlich auf der Seite des Kunden. Ihm steht gewöhnlich die gesamte Bandbreite aller Versicherungsangebote aller Versicherungsunternehmen zu. Weil er auf der Seite des Kunden steht, ist er verpflichtet, im Sinne der Kunden die geeigneten Produkte anzubieten.

Dieses vorangestellt könnte schnell die Meinung entstehen, dass der Versicherungsmakler frei und unabhängig gegenüber Versicherungsunternehmen arbeitet und lediglich dem Kunden gegenüber verpflichtet ist.

Deshalb haben sich einige Versicherungsmakler die Unabhängigkeit werbend auf die Fahne geschrieben.

Nunmehr ist ein Streit darüber entfacht, ob Versicherungsmakler tatsächlich unabhängig sind und ob sie sich tatsächlich unabhängig nennen dürfen.

Mit Urteil vom 04.12.2024 unter dem Aktenzeichen 05 O 1092/24 hatte das Landgericht Leipzig den Versicherungsmakler als unabhängig angesehen. Klägerin war die Verbraucherzentrale Bundesverband, die meinte, ein Versicherungsmakler sei nicht unabhängig, da er nicht von Versicherungsnehmern vergütet würde, sondern von Versicherern Provisionen erhalten würde. Diese Entscheidung soll wohl nicht rechtskräftig sein.

Diesem Argument wurde entgegengebracht, dass ein Versicherungsmakler auch Nettopolicen vermitteln könne, die unabhängig von Provisionen von Versicherungen sind.

Während sich das Landgericht Leipzig auf die Seite des Versicherungsmakler stellte und diesen als unabhängig ansah, sah dies nunmehr das Landgericht Köln in einer neuen Entscheidung vom 06.03.2025 unter dem Az. 33 O 219/24 anders. Das Landgericht Köln verbot dem Versicherungsmakler, sich weiterhin als „unabhängiger Versicherungsmakler“ zu bezeichnen.

In der Bezeichnung sah das Landgericht Köln einen Verstoß gegen das UWG, insbesondere gegen die dortigen § 8 Abs. 1, 3 Nr. 3, §§ 3, 5 Abs. 1, 2 Nr. 1, 3. Die angegriffene Werbung sei nach Ansicht des Gerichts irreführend. Dabei komme es darauf an, welchen Gesamteindruck eine geschäftliche Handlung bei den maßgeblichen Verkehrskreisen hervorruft. Eine solche Handlung ist irreführend, wenn das Verständnis, dass sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen erweckt, mit den tatsächlichen Verhältnissen übereinstimmt (BGH, Urteil vom 05.02.2015 Aktenzeichen I ZR 136/13).

Dabei kommt es auf das Verständnis eines aufmerksamen, durchschnittlichen informierten und vollständigen Mitglieds des angesprochenen Verkehrskreises an.

Erstaunlicherweise glaubt sowohl das Landgericht Leipzig als auch das Landgericht Köln, was dieser Verkehrskreis denkt und wann er in die Irre geführt wird.

Kernaussage der Kölner Entscheidung ist, dass zu diesen Verkehrskreisen eben auch die Richter der zur Entscheidung berufenen Kammer gehören, sodass die Kammer die Verkehrsauffassung selbst beurteilen kann.

Abgegrenzt wurde dann auch das Berufsbild des Versicherungsmakler von dem des Versicherungsberaters, dessen Tätigkeit nicht auf eine provisionsgestützte Vermittlung oder Beratung gerichtet ist.

Diese dürfte sich nach Auffassung des Landgerichts Köln – im Gegensatz zum Versicherungsmakler – unabhängig nennen.

Ob die Entscheidung bestandskräftig ist, ist hier nicht bekannt.

Das Oberlandesgericht München hatte mit Urteil vom 16.1.2020 unter dem Az 29 U 1834/18 über eine ähnliche Angelegenheit zu entscheiden. Dort ging es um die Tochterfirma einer Versicherung, die als Maklerin arbeitete und sich als unabhängig bezeichnete. Als Maklerin arbeiten durfte sie, sich als unabhängig bezeichnen durfte sie nicht. Konkret ging es wohl um die WWK Versicherungsgruppe und die 1:1 Assekuranzservice AG, wie sich aus teilen des Urteils ergeben könnte.

In der Branche streitet man sich schon lange über den Begriff „unabhängig“. Die DVAG konnte schon 2009 gerichtlich durchsetzen, dass sich der AWD (heute Swiss Life Select) nicht mehr als unabhängig bezeichnen darf.