Einmalige Abschlussprovisionen können bei Ausgleichsanspruch berücksichtigt werden

§ 89 b HGB regelt den Ausgleichsanspruch für Handelsvertreter. Früher war dort explizit aufgezählt, dass es einen Ausgleichsanspruch nur gibt, wenn der Handelsvertreter nach Vertragsende Provisionsverluste hat.

Diese Regelung wurde gestrichen, jedoch von einigen Gerichten über das Hintertürchen Billigkeit wider eingeführt. Billig (und gerecht) wäre es nicht, wenn es einen Ausgleich gäbe, wenn der Handelsvertrter nur eine einmalige Provision erhalten hat, die er nach Vertragsende nicht mehr bekommen würde.

Der EuGH hatte sich am 23.3.23 unter dem Az. C- 574/21 mit dieser Frage beschäftigt. Es ging um einen Handyverkäufer von O2, der einen Ausgleich wollte und Einmalprovisionen bezog. Im Ergebnis meinte der EuGH, dass Einmalprovisionen berücksichtigt werden, soweit diese pauschal jeden neuen Vertrag vergüten sollen.

Der EuGH dazu:

Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 86/653 dahin auszulegen ist, dass die Zahlung von Einmalprovisionen dazu führt, dass von der Berechnung des Ausgleichs nach Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 86/653 die Provisionen ausgeschlossen werden, die dem Handelsvertreter aus Geschäften entgehen, die der Unternehmer nach Beendigung des Handelsvertretervertrags mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter vor dieser Beendigung für den Unternehmer geworben hat, oder mit Kunden, mit denen der Handelsvertreter vor dieser Beendigung die Geschäftsverbindungen wesentlich erweitert hat, abschließt.

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In der mündlichen Verhandlung hat O2 Czech Republic jedoch darauf hingewiesen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Einmalprovisionen pauschalen Vergütungen für jeden neuen Vertrag entsprächen, der auf Vermittlung des Klägers des Ausgangsverfahrens mit neuen oder vorhandenen Kunden abgeschlossen worden sei.

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Falls dem so ist – was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist –, könnte durch den vom Kläger des Ausgangsverfahrens gewonnenen oder erweiterten Kundenstock ein Mehrwert in Form von neuen Geschäften entstanden sein, die einen Provisionsanspruch begründet hätten, wenn der Handelsvertretervertrag nicht beendet worden wäre.

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Nach alledem ist ………. dahin auszulegen, dass die Zahlung von Einmalprovisionen nicht dazu führt, dass von der Berechnung des Ausgleichs nach Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 86/653 die Provisionen ausgeschlossen werden, die dem Handelsvertreter aus Geschäften entgehen, die der Unternehmer nach Beendigung des Handelsvertretervertrags mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter vor dieser Beendigung für den Unternehmer geworben hat, oder mit Kunden, mit denen der Handelsvertreter vor dieser Beendigung die Geschäftsverbindungen wesentlich erweitert hat, abschließt, wenn diese Provisionen pauschalen Vergütungen für jeden neuen Vertrag entsprechen, der auf Vermittlung des Handelsvertreters mit diesen neuen Kunden oder mit vorhandenen Kunden des Unternehmers abgeschlossen wird.

Die Sittenwidrigkeit mancher Klauseln zum Ausgleichsanspruch

Der Handelsvertreter hat eventuell einen Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB.

Dies gilt unter Umständen auch dann, wenn der Handelsvertreter einen Kundenbestand übernommen hat.  Nicht unüblich ist, dass einige Vertriebler erst einmal den Kundenstamm kaufen soll, bevor man beginnen kann. Dieser Kaufpreis wird dann teilweise gestundet und soll am Ende mit dem Ausgleichsanspruch verrechnet werden. Diese Praxis stößt auf Bedenken.

Das Oberlandesgericht Celle hat sich mit Urteil vom 31.12.2001 – 11 U 90/21 über die Voraussetzungen und Folgen Gedanken gemacht. Das OLG hatte eine Einstandszahlung in Höhe von DM 200.000,– netto, die bis zur Beendigung gestundet worden ist, als sittenwidrig im Sinne des § 89b Abs. 4 HGB angesehen, weil der Höchstbetrag, die durchschnittliche Jahresprovision, in Höhe von DM 212.000,–, nur gering über der Einstandssumme lag (OLG Celle, Urteil vom 13.12.2001 – 11 U 90/01).

Die Höhe des Ausgleichsanspruchs ist in seiner Höhe durch die Regelung in § 89 b Abs. 2 HGB beschränkt. Er kann nicht im Voraus ausgeschlossen werden, §89 b Abs. 4 Satz 1 HGB. Die Regelung soll den Handelsvertreter vor der Gefahr schützen, sich aufgrund seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit von dem Unternehmen auf ihn benachteiligende Abreden einzulassen. Die Verhandlungsposition des Handelsvertreters unterliegt gegenüber der des Unternehmens in der Regel.

Auch eine Vereinbarung über die Zahlung einer Einstandssumme stellt einen solchen im Voraus vereinbarten Ausschluss dar, da dieser den Anspruch des Klägers erheblich vermindert. Aufgrund dessen ist eine Vereinbarung darüber zudem unzulässig.

Der Anspruch kann auch nicht mit dem Argument abgegolten werden, der Handelsvertreter übernehme einen Altkundenstamm und erzielt damit direkte erhebliche Umsätze. Denn auch für den Unternehmer ist es von Vorteil, wenn dieser seine Verträge weiter erfüllen kann.

Das OLG Celle hatte dieses mit Urteil von 31.12.2001 ausdrücklich bestätigt. Hier ging es um eine Einstandszahlung in Höhe von 200.000 DM, die der Handelsvertreter zahlen sollte.

Der BGH hatte Jahre zuvor noch entschieden, dass vereinbarte Einstandszahlungen generell zulässig sein können (BGH, Urteil vom 24.02.1983 – I ZR 14/81 – HVR Nr. 574).

Dabei käme es jedoch darauf an, ob die angemessene Gegenleistung angemessen ist.

BGH: Provisionsvorschüsse müssen unter Umständen nicht zurückgezahlt werden

Wenn eine Rückzahlungsklausel, die die Kündigung erschwert, unwirksam ist, muss ein Handelsvertreter Provisionsvorschüsse nicht zurückzahlen. Dies entschied der Bundesgerichtshof in einem aktuellen Urteil vom 19. Januar 2023 unter dem Aktenzeichen VII ZR 787/21.

Gemäß § 89 a Abs. 1 Satz 2 HGB ist eine Kündigungserschwernis verboten. Dies gilt auch für sogenannte mittelbare Erschwernisse.

In dem Fall, über den der BGH zu entscheiden hatte, ging es um einen Handelsvertreter, der für ein Möbelunternehmen tätig war. Dieser erhielt pauschale Provisionsvorschüsse. Vertragliches Ziel war es, dass der Handelsvertreter diese Vorschüsse mit verdienten Provisionen ausgleichen sollte. Bei Beendigung des Vertrages betrug der negative Saldo fast 55.000 €.

Während der Vertragslaufzeit wurde zudem vereinbart, dass ein auflaufender Saldo als Darlehen gewährt werden soll und mit 3,5 % pro Jahr zu verzinsen ist.

Dort heißt es:

„Im Falle der Beendigung des Handelsvertretervertrages vom
26. Juli 2013 sind die Restschuld des Darlehens und die zum Stich-
tag der Vertragsbeendigung aufgelaufenen Zinsen in einer Summe
sofort fällig. Hierbei ist es unerheblich, durch wen und aus welchem
Grund der Vertrag beendet wurde.“

Der Handelsvertreter aus der Möbelbranche wurde dann wegen der Zahlung verklagt. Das Landgericht Mönchengladbach wies die Klage ab, das Oberlandesgericht Düsseldorf erkannte den Anspruch des Unternehmens an, jedoch mit der Maßgabe, dass dem Unternehmer der Anspruch nur Zug um Zug gegen Erteilung eines Buchauszuges zustehen würde. Interessant ist, dass auch das Oberlandesgericht Düsseldorf die Vereinbarung für unwirksam betrachtet hatte, jedoch trotzdem meinte, dass der Handelsvertreter sich dann rechtsgrundlos bereichert hätte und ein Anspruch des Unternehmens aus § 812 BGB bestehen würde.

Der BGH zog hier einen Schlussstrich zugunsten des Handelsvertreters.

Der BGH gab dem Handelsvertreter Recht und meinte, dass jede Partei das Recht zu einer fristlosen Kündigung habe und dieses Recht auch nicht mittelbar eingeschränkt werden dürfe. In § 89 a Abs. 1 Satz 2 HGB sieht der BGH eine Schutzvorschrift des im Allgemeinen wirtschaftlich schwächeren Handelsvertreters.

In einem solchen Fall muss nach der Auffassung des BGH der Handelsvertreter den Betrag nicht zurückzahlen. Eine gegen die gesetzliche Regelung verstoßende Vereinbarung ist unwirksam (§134 BGB).

Wenn, so der BGH, eine Rückzahlungsklauseln unwirksam ist, dient dies dem Schutz des Handelsvertreters, sodass dieser nicht aus anderen Gründen zur Rückzahlung verpflichtet sein kann (der BGH verwies auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichtes München mit Urteil vom 9. März 2017 (Aktenzeichen 23 U 2601/16).

Der BGH verwies die Angelegenheit zurück Oberlandesgericht Düsseldorf, dass nunmehr die Rechtsauffassung des BGH zu berücksichtigen hat.

Ausgleichsanspruch, wenn nur einmalige Provisionen gezahlt wurden?

Gibt es einen Ausgleichsanspruch gem § 89 b HGB, wenn der Vertrieb nur einmalige Abschlussprovisionen gezahlt hat? So etwas ist gar nicht unüblich. Z.B. findet man auch im Hause der HUK bei den Handelsvertretern ähnliche vertragliche Regelungen. Dafür wurde dort der Begriff der Stückprovision kreiert.

Früher gab es einen Ausgleich nur, wenn Provisionsverluste nach Vertragsende vereinbart waren. Diese Regelung wurde in § 89 b HGB gestrichen.

Danach war streitig, ob es einen Ausgleichsanspruch gibt, wenn es keine Provisionsverluste geben kam, z.B. dann, wenn ohnehin nur einmalige Provisionen gezahlt werden.

Viele Urteile enthielten sich einer klaren Auffassung (EuGH vom 26.03.2009, BGH vom 13.01.2010 und Beschluss des BGH vom 29.04.2009…).

Das Landgericht München – 10 HK O 3966/10 vom 23. Februar 2011 –  soll einen Ausgleich für Einmalprovisionen verneint haben und begründete dies wie folgt:

„Die Zahlung eines Ausgleichsanspruchs muss insbesondere unter Berücksichtigung der Provisionsverluste der Billigkeit entsprechen. Nach Ansicht des Gerichts ergibt sich aus dem Wortlaut des Gesetzestextes, dass die Zahlung eines Ausgleichsanspruchs im Fall des Ausbleibens von Provisionsverlusten nicht der Regelfall, sondern der Ausnahmefall ist (vgl. Baumbach/Hopt, HGB, 34. Auflage, Rdnr. 24 zu § 89b HGB). Denn der Zweck des Ausgleichsanspruchs ist es die Nachteile auszugleichen, die der Handelsvertreter infolge der Vertragsbeendigung dadurch erleidet, dass er von ihm geschaffene Kundenkontakte nicht mehr nutzen kann, der Unternehmer hingegen aus der Nutzung dieser Kontakte Vorteile zieht, für die er wegen der Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses keine Gegenleistung mehr erbringen muss.

Provisionsverluste erleidet der Kläger vorliegend unstreitig nicht, da die Parteien eine Einmalprovision vereinbart hatten; mit der Vereinbarung von Einmalprovision sollen die mit der Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses üblicherweise verbundenen, zuvor angesprochenen Nachteile des Handelsvertreters grundsätzlich kompensiert sein. Es ist zwar zutreffend, dass Provisionsverluste des Handelsvertreters nicht mehr Anspruchsvoraussetzung sind, jedoch sind Provisionsverluste gewichtiger Umstand im Rahmen der Billigkeitsprüfung. Dieser in die Billigkeitsabwägung zu Gunsten des Klägers einzustellende Umstand entfällt vorliegend. Umstände, welche es vorliegend gleichwohl billig erscheinen lassen, dem Kläger, obwohl er keine Provisionsverluste erleidet, einen Ausgleichsanspruch zuzusprechen, hat der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Kläger nicht vorgetragen.“

Damoklesschwert Provisionsverbot

Das Provisionsverbot ist das Damoklesschwert der Finanzdienstleistung. Wenn es kommt, wird es die gesamte Branche auf den Kopf stellen.

Ob es jedoch kommt ist längst nicht klar. Das Handelsblatt schrieb am 7.3.2023, dass ein Provisionsverbot der Finanzbranche Milliarden kosten würde. Im Mai will die EU-Finanzkommissarin Mairead Mcguiness ihre Kleinanleger Strategie vorlegen und ein Provisionsverbot für Finanzberater in Erwägung ziehen.

In der aus 3 Parteien zusammengewürfelten Bundesregierung herrscht offensichtlich keine klare Linie. In der neuesten Ausgabe von ASS Compact ist zu lesen, dass sich der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute e. V. (BVK) eindeutig gegen das Provisionsverbot positioniert hat. Michael Heinz, der Präsident des BVK, meint, es gebe keine Erkenntnisse dafür, nach denen die Provisionen in Deutschland systematisch zu einer für den Verbraucher unvorteilhafte Beratung führen würden.

Angeblich sollen Deutschland, Österreich, Frankreich und Italien gegen ein Provisionsverbot Widerstand angekündigt haben, sollte die EU ein Provisionsverbot auferlegen wollen.

In Dänemark, Finnland, Norwegen, Niederlande, Großbritannien, Neuseeland und Australien sollen übrigens bereits Provisionsverbote eingeführt worden sein.