Urteile vorgestellt von RA Kai Behrens

OLG Celle: Arbeitsgericht bei vollberuflichem Handelsvertreter zuständig

Unter bestimmten Umständen werden Streitigkeiten mit Handelsvertretern vor dem Arbeitsgericht ausgetragen. Dies richtet sich nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 in Verbindung mit § 5 Abs. 3 S. 1 ArbGG.

Handelsvertreter gemäß § 84 Abs. 1 HGB gelten nach § 5 Abs. 3 S. 1 ArbGG nur dann als Arbeitnehmer, wenn sie zu dem Personenkreis gehören, für den nach § 92a HGB die untere Grenze der vertraglichen Leistungen des Unternehmers festgesetzt werden kann, und wenn sie während der letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses im Durchschnitt monatlich nicht mehr als 1000 € an Vergütung einschließlich Provisionen bezogen haben (BGH Beschluss vom 16.10.2014, Az: VII ZB 16/14).

Zu diesem Personenkreis gehören Handelsvertreter, die vertraglich nicht für weitere Unternehmer tätig werden dürfen (§ 92a Abs. 1 S. 1 Alt. 1 HGB; sogenannte Einfirmenvertreter kraft Vertrages), und Handelsvertreter, denen dies nach Art und Umfang der verlangten Tätigkeit nicht möglich ist ( § 92a Abs. 1 S. 1 Alt. 2 HGB, sogenannte Einfirmenvertreter kraft Weisung).

Einfirmenvertreter kraft Vertrages ist ein Handelsvertreter, wenn ihm vertraglich untersagt ist, für weitere Unternehmer tätig zu werden. Wird einem Handelsvertreter auferlegt, hauptberuflich für den Unternehmer tätig zu werden, mit dem er den Handelsvertretervertrag geschlossen hat, so ist er als Einfirmenvertreter kraft Vertrages einzustufen. Die hauptberufliche Tätigkeit genügt also bereits zur Einstufung.

Dabei kommt es dann nicht mehr darauf an, ob ihm eine nebenberufliche Tätigkeit gestattet ist. Nach der sogenannten typisierenden Betrachtung ist ein Handelsvertreter einem Angestellten ähnlich angenähert, der hauptberuflich tätig ist, auch wenn ihm eine nebenberufliche Tätigkeit gestattet ist. Schließlich ist er verpflichtet, wie ein hauptberuflich Angestellter, hauptberuflich für den Unternehmer tätig zu werden.

Das Oberlandesgericht Celle hatte am 26.06.2020 unter dem Aktenzeichen 11 W 20/20 dazu eine interessante und richtungsweisende Entscheidung getroffen (hier geht es zum bisher unveröffentlichtem Beschluss des OLG Celle vom 26.6.2020 unter dem Az. 11 W 20/20).

Auch hier ging es um einen Vertriebspartnervertrag, in dem der Handelsvertreter im Hauptberuf gemäß § 84 HGB tätig ist und im Bereich der Versicherungsvermittlung exklusiv für die Gesellschaft tätig wird. Die Ausübung einer anderweitigen Nebentätigkeit wäre nach diesem Vertragsverhältnis ausdrücklich gestattet.

Das Oberlandesgericht hielt dies aber für unerheblich. Das Oberlandesgericht meinte zwar, dass nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein bloßes vereinbartes Konkurrenzverbot für die Annahme eines vertraglichen Tätigkeitsverbotes nicht ausreichen würde. Dafür kommt es jedoch auf die Formulierung „im Hauptberuf“ an.

Weitere Voraussetzung ist, dass der Handelsvertreter während der letzten Monate des Vertragsverhältnisses im Durchschnitt monatlich nicht mehr als 1000 € bezogen hat. Das Landgericht hat in der Vorinstanz dazu keine Feststellungen getroffen. Dies war dem OLG auch egal, da das OLG allein auf die Behauptung der Beklagten (der Handelsvertreterin) abgestellt hatte, wonach diese behauptet hatte, in den letzten sechs Monaten weniger als 1000 € monatlich verdient zu haben.

Bisher unveröffentlichter Beschluss OLG Celle  11 W 20/20

 11 W 20/20

7 O 40/20 Landgericht Verden

B e s c h l u s s

In der Beschwerdesache

F. AG …,

Klägerin und Beschwerdeführerin,

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte …,

gegen

L. E., …,

Beklagte und Beschwerdegegnerin,

Prozessbevollmächtigter:

Rechtsanwalt …,

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Richter am Ober-landesgericht … als Einzelrichter am 26. Juni 2020 beschlossen:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss der 7. Zivil-kammer – Einzelrichterin – des Landgerichts Verden vom 9. Juni 2020 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 6.434,31 € festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen. 

Gründe:

Die nach §§ 17 a Abs. 4 Satz 2 GVG, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde hat im Ergebnis keinen Erfolg. Für den vorliegenden Rechtsstreit ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet.

I.

Soweit die Klägerin mit ihrer sofortigen Beschwerde die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt, kann dahinstehen, ob dem Landgericht ein derartiger Vorwurf zu machen ist. Ein (etwaiger) Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs hat in zivilrechtlichen (Hauptsache)Verfahren lediglich zur Rechts-folge, dass die hiervon betroffene Partei im Berufungsverfahren neuen tatsächlichen Vortrag halten darf (§ 531 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO). Nicht aber hat – wie es offenbar die Vorstellung der Klägerin ist – ein (etwaiger) Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs per se zur Rechtsfolge, dass die angefochtene Entscheidung allein deshalb aufzuheben ist. Demgemäß entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass ein Rechtsmittelführer, der die Verletzung einer gerichtlichen Hinweispflicht gemäß § 139 ZPO geltend macht, darlegen muss, wie er auf einen entsprechenden Hinweis reagiert, insbesondere was er hierauf im Einzelnen vorgetragen hätte und wie er weiter vorgegangen wäre (vgl. z. B. BGH, Urteil vom 15. Februar 2018 – I ZR 243/16, juris Rn. 13). Diese Problematik stellt sich in – wie vorliegend – Beschwerdeverfahren allerdings von vornherein nicht, da die Beschwerde gem. § 571 Abs. 2 ZPO auf neue Angriffs- und Verteidigungsmittel gestützt werden kann.

II.

Vorliegend ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG eröffnet.

1. Nach § 13 GVG gehören vor die ordentlichen Gerichte alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, für die nicht entweder die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten begründet ist oder aufgrund von Vorschriften des Bundesrechts besondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG sind die Arbeitsgerichte ausschließlich zuständig für näher bezeichnete bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeit-gebern. Handelsvertreter i. S. d. § 84 Abs. 1 HGB gelten nach § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG nur dann als Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes, wenn sie zu dem Personenkreis gehören, für den nach § 92 a HGB die untere Grenze der vertraglichen Leistungen des Unternehmers festgesetzt werden kann, und wenn sie während der letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses, bei kürzerer Vertragsdauer während dieser, im Durchschnitt monatlich nicht mehr als 1.000 € aufgrund des Vertragsverhältnisses an Vergütung einschließlich Provision und Ersatz für im regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstandenen Aufwendungen bezogen haben (BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2014 – VII ZB 16/14, juris Rn. 15). Zu dem genannten Personenkreis gehören Handelsvertreter, die vertraglich nicht für weitere Unternehmer tätig werden dürfen (§ 92 a Abs. 1 Satz 1 1. Alt. HGB; sogenannte Einfirmenvertreter kraft Vertrags), und Handelsvertreter, denen dies nach Art und Umfang der verlangten Tätigkeit nicht möglich ist (§ 92 a Abs. 1 Satz 1 2. Alt. HGB; sogenannte Einfirmenvertreter kraft Weisung). Als Einfirmenvertreter kraft Vertrags ist ein Handelsvertreter insbesondere dann einzustufen, wenn ihm vertraglich untersagt ist, für weitere Unternehmer tätig zu werden (BGH, a. a. O., Rn. 16). Wird einem Handelsvertreter auferlegt, hauptberuflich für den Unternehmer tätig zu werden, mit dem er den Handelsvertretervertrag geschlossen hat, so ist er nach Sinn und Zweck des § 92 a Abs. 1 Satz 1 HGB als Einfirmenvertreter kraft Vertrags einzustufen. Ein solcher Handelsvertreter ist zwar nicht völlig von diesem Unternehmer abhängig, wenn ihm eine nebenberufliche Tätigkeit gestattet ist. Bei der gebotenen typisierenden Betrachtung ist ein solcher Handelsvertreter jedoch einem Angestellten ähnlich angenähert wie ein Handels-vertreter, dem vertraglich vollständig untersagt ist, für weitere Unternehmer tätig zu werden. Denn er ist – ähnlich wie ein hauptberuflich Angestellter – verpflichtet, hauptberuflich für den Unternehmer tätig zu werden, mit dem er den Handelsvertretervertrag geschlossen hat. Er kann die sich aus einer etwaigen nebenberuflichen Tätigkeit ergebenden Chancen nicht in gleicher Weise nutzen, wie ein nicht in den Anwendungsbereich des § 92 a Abs. 1 Satz 1 HGB fallender Mehrfirmen-vertreter (BGH, a. a. O., Rn. 18).

2. Gemessen hieran gilt Folgendes:

a) In § 3 Nr. 1 erster Absatz des Vertriebspartnervertrages vom

19./21. Oktober 2016 ist vereinbart, dass der Vertriebspartner, mithin die Beklagte, selbständiger Handelsvertreter im Hauptberuf gem. §§ 84 ff. des HGB ist und im Bereich der Versicherungsvermittlung exklusiv für die Gesellschaft tätig wird (Hervorhebung durch den Senat). Der Umstand, dass der Beklagten in § 11 Nr. 1 zweiter Absatz des Vertrages die Ausübung einer anderweitigen Nebentätigkeit gestattet worden ist, ist nach Maßgabe der vorstehend dargestellten höchstrichterlichen Grundsätze unerheblich. Ebenso fehl geht die Argumentation der Klägerin mit den Regelungen in § 11 Nr. 1 erster Absatz des Vertrages. Zwar ist es als solches natürlich richtig, dass nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein bloßes vereinbartes Konkurrenzverbot für die Annahme eines vertraglichen Tätigkeitsverbotes i. S. d. § 92 a Abs. 1 Satz 1 1. Alt. HGB gerade nicht ausreicht (vgl. z. B. BGH, Beschluss vom 18. Juli 2013 – VII ZB 45/12, juris Rn. 21; BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2009 – VIII ZB 45/08, juris Rn. 23). Insoweit kann dahinstehen, ob die Regelungen in § 11 Nr. 1 erster Absatz des Vertrages bei isolierter Betrachtung ein (bloßes) Konkurrenzverbot in dem vorgenannten Sinn darstellen würden. Denn jedenfalls verbietet sich eine rein isolierte Betrachtung von § 11 Nr. 1 erster Absatz des Vertrages. Vielmehr muss dieser im Zusammenhang mit § 3 Nr. 1 erster Absatz des Vertrages gelesen werden. In jener Regelung ist aber nun einmal – wie ausgeführt – hinsichtlich des Bereiches, der in § 11 Nr. 1 erster Absatz genannt wird, ausdrücklich ausgeführt, dass die Be-klagte insoweit „im Hauptberuf“ tätig wird.

b) Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung allerdings keine Feststellung dazu getroffen, ob die Beklagte während der letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses im Durschnitt monatlich nicht mehr als 1.000,00 € aufgrund des Vertragsverhältnisses an Vergütung einschließlich Provisionen und Ersatz für im regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstandene Aufwendungen bezogen hat (§ 5 Abs. 5 Satz 1 ArbGG). Einer Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückweisung der Sache im Hinblick darauf bedurfte allerdings nicht. Denn anders als dem Bundesgerichtshof als Rechtsbeschwerdeinstanz ist dem Senat als Beschwerdeinstanz eine Feststellung von Tatsachen möglich. Hiernach ist festzustellen, dass die Beklagte auf Seite 2 ihres Schriftsatzes vom 03. April 2020 (Bl. 81 d. A.) vorgetragen hat, dass sie in den letzten sechs Monaten des Vertragsverhältnisses im Schnitt weniger als 1.000,00 € monatlich verdient habe. Dieses tatsächliche Vorbringen der Beklagten ist unstreitig geblieben (vgl. Seite 2, unteres Drittel des Schriftsatzes der Klägerin vom 7. Mai 2020, Bl. 104 d. A.)

III.

  1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
  • Dem Beschwerdewert hat der Senat den vollen Hauptsachewert zugrunde gelegt (vgl. dazu Kurpat in Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 14. Aufl., Rn. 4781).
  •  Anlass für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde i. S. v. § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO besteht nicht.

Beweislast bei der Frage der Rechtswegzuständigkeit

Das Arbeitsgericht ist auch bei Handelsvertretern teilweise zuständig. Dafür darf ein Handelsvertreter in den letzten 6 Monaten des Vertrages nicht mehr als 1000 € Provisionen im Durchschnitt monatlich verdient haben. Wie aber sind Provisionsvorschüsse zu bewerten?

Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes mit Beschluss von 21.10.2015 unter dem Aktenzeichen VII ZB 8/15 sind Feststellungen zur während der letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses im Monatsdurchschnitt bezogenen Vergütung zu treffen.

Bei dieser Entscheidung des BGH ging es um eine Versicherungsvertreterin. Der BGH führt dazu aus: „Sollte die Summe der der Versicherungsvertreterin in den letzten sechs Monaten des Vertragsverhältnisses gezahlten Provisionsvorschüsse, die nachträglich durch unbedingt entstandene Provisionsansprüche gedeckt werden, den Betrag von 6.000 € übersteigen, so wird er sich gegebenenfalls mit den nach vorgenommenen Stornierungen zu befassen haben. (…) Sind in den letzten sechs Monaten vor Beendigung des Vertragsverhältnisses entstandene Provisionsansprüche oder in diesem Zeitraum bezahlte Provisionsvorschüsse, die nachträglich durch unbedingt entstandene Provisionsansprüche gedeckt werden, nachträglich wieder entfallen, so können die darauf geleisteten Zahlungen nicht mehr als Vergütung im Sinne des § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG angesehen werden.

Der Kläger hat nach Auffassung des BGH für die Begründung der Rechtswegzuständigkeit maßgebenden Tatsachen zu beweisen, sofern der Beklagte diese bestreitet (BGH Beschluss vom 27.10.2009 – VIII ZB 42/08).

Axa muss Stornorückstellung auszahlen

Das Amtsgericht Elmshorn verurteilte am 30.05.2024 die AXA Krankenversicherung AG zur Auszahlung einer Stornorückstellung. Vorausgegangen war ein Versäumnisurteil gegen die AXA, dass mit diesem Urteil nunmehr bestätigt wurde.

Vertraglich war vereinbart, dass der Handelsvertreter Provisionen zurückzahlen muss, wenn der Kunde Beiträge nicht leistet. Zur entsprechenden Absicherung dieser Rückzahlungsansprüche wurde ein Stornoreservekonto gebildet, auf das 10 % der bevorschussten Provisionszahlungen gutgeschrieben wurden.

Am 18.01.2018 errechnete die AXA hier ein Guthaben.

Diese Abrechnung erweise sich nach der Auffassung des Gerichts als abstraktes Schuldanerkenntnis entsprechend des Urteils des BGH vom 07.02.1990 unter dem Az.: IV ZR 314/88.

Im Zeitpunkt der Abrechnung war der Anspruch noch nicht fällig. Der Sicherungszweck ist jedoch nunmehr weggefallen. Unstreitig hat es ein Diskontrisiko nicht mehr gegeben.

Der Zahlungsanspruch ist auch nicht erloschen. Entsprechendes hat die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte auch nicht ausreichend vorgetragen, so das Gericht.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

Höhe des Ausgleichsanspruchs darf geschätzt werden

Am 25.06.2010 entschied das Oberlandesgericht Düsseldorf, dass die Berechnung des Ausgleichsanspruches gemäß § 89 b HGB grundsätzlich im Wege einer Prognose vorgenommen werden kann. Es sind die Provisionen zu berücksichtigen, die der Handelsvertreter mit den von ihm geworbenen (Stamm-) Kunden im letzten Vertragsjahr erzielt hat, über die zu erwartenden Verlust nach Vertragsende über einen bestimmten Zeitraum vorgenommen werden.

§ 89 b Abs. 1 HGB wurde kürzlich geändert. Der Europäische Gerichtshof verlangte, dass die Begrenzung des Ausgleichsanspruches auf die vertraglichen Provisionsverluste nicht zulässig sei. Dies berücksichtigt der Deutsche Gesetzgeber in der nunmehr geänderten Fassung des § 89 b Abs. 1 HGB, wonach als Voraussetzung für einen Ausgleichsanspruch der nachvertragliche Unternehmensvorteil unverändert bestehen bleibt.

In den Fällen, in denen der Handelsvertreter früher keinen Ausgleich erhielt (z.B. wenn er nur eine Einmal-Provision erhalten hatte) sind nunmehr Ausgleichsansprüche nicht von vornherein ausgeschlossen, wenn der Unternehmer oft über Jahre hinweg von dem Abschluss solcher Verträge erhebliche Vorteile erzielt. Hier besteht Hoffnung, dass solche Ausgleichsansprüche in Zukunft zur Auszahlung kommen.

Zu bedenken ist jedoch, dass der BGH am 29.03.1990 entschieden hatte, dass gemäß § 287 ZPO eine tatrichterliche Schätzung vorgenommen werden darf, als dass die dem Unternehmer nach Beendigung des Vertragsverhältnisses verbleibenden Vorteile aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, der Höhe nach identisch sind mit den Provisionsverlusten, den der Handelsvertreter in Folge der Beendigung des Vertragsverhältnisses erleidet. Sollte der BGH diese Rechtsprechung aufrechterhalten und weiterhin diese Berechnung als Grundlage heranziehen, könnte dies dazu führen, dass trotz der geänderten Gesetzeslage im Ergebnis keine neuen Entscheidungen zu erwarten sind.

Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 25.06.2010 – Aktenzeichen I – 16 U 191/09
BGH-Urteil vom 29.03.1990 – Aktenzeichen I ZR 2/98 – in WM 1990, 1496

Provisionsverzichtsklausel unwirksam

Die bekannte Klausel in Handelsvertreterverträgen:

„Mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses ist jeder Anspruch des Vertreters gegen die Gesellschaft auf Provisionen und sonstige Vergütungen erloschen. Ausgenommen hiervon seien Ansprüche gemäß § 87 Abs. 3 HGB und § 89b HGB.“ … ist vom Oberlandesgericht Düsseldorf für unwirksam erklärt worden.

Stattdessen gilt die gesetzliche Regelung.

Angefangen hat alles mit einem einfachen Buchauszug, den der Handelsvertreter verlangt. Der Vertrieb wollte sich nicht die Arbeit machen und ließ sich auf Erteilung des Buchauszuges verklagen.

Der Vertrieb wandte ein, der Handelsvertreter (eigentlich war es eine Handelsvertreterin) bräuchte den Buchauszug nicht. Schließlich sei ja gemäß der oben genannten Formulierung ausgeschlossen, dass es noch Provisionen gibt.

Der Anspruch auf einen Buchauszug setzt gemäß § 87c Abs. 2 HGB voraus, dass er nur für die Geschäfte einen Buchauszug verlangen kann, für die ihm Provisionen zu stehen.

Das Landgericht Düsseldorf musste nunmehr in seinem Urteil vom 21.04.2020 unter dem Aktenzeichen 6O 43/18 darüber entscheiden, ob die Provisionsverzichtsklausel überhaupt wirksam ist. Die Provisionsverzichtsklausel soll musterhaft durch den Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK), dem Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) und dem Bundesverband der Assekuranzführungskräfte (VGA) vorgeschlagen worden sein. Das Landgericht Düsseldorf erklärte die Klausel kurzer Hand für unwirksam. Die genannte Klausel stehe im Widerspruch zu § 307 BGB. Danach sind Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine solche ist gemäß § 307 Abs. 2 BGB im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

Das Gericht stellte darauf ab, dass der Handelsvertreter nach der gesetzlichen Rezeption auch für die in der Vertragszeit Vermittelten und für die unter den Voraussetzungen des § 87 Abs. 3 HGB abgeschlossenen Verträge Provisionen auch über das Ende des Vertretervertrages hinaus verlangen kann.  Dem steht die Provisionsverzichtsklausel entgegen.

Wegen fehlendem Provisionsverzichts wurde der Vertrieb zur Erteilung eines Buchauszuges verurteilt.

Dagegen wehrte man sich im Rahmen der Berufung. Auch das Oberlandesgericht Düsseldorf entschied am 07.05.2021 unter dem Aktenzeichen 16U 215/20, dass die Klausel unwirksam ist. Die Berufung wurde zurückgewiesen.

§ 87a Abs. 3 HGB sei zwingend. Dennoch hätten rein klarstellende Klauseln durchaus eventuell Wirksamkeit. Hier handelt es sich jedoch nicht um eine klarstellende Klausel.

Das Oberlandesgericht wies die Berufung ab. Der Vertrieb musste den Buchauszug erteilen.

Direktionsleiter der DVAG kein Arbeitnehmer

Ein früherer Direktionsleiter der Deutschen Vermögensberatung klagt vor dem Arbeitsgericht und erfuhr nunmehr, dass dieses gar nicht nicht zuständig sei.

Über diesen Vorfall berichtet Fondsprofessionell.de am 18.04.2024.

Ein langjähriger Vermittler der Deutschen Vermögensberatung schaffte es dort bis zur höchsten Stufe und wurde Direktionsleiter. Beschäftigt ist er im Rahmen des Vermögensberatervertrages als Handelsvertreter.

Dennoch meinte er, das Arbeitsgericht sei zuständig, weil es sich hier um einen Fall der Scheinselbstständigkeit handeln würde.

Indiz dafür soll gewesen sein, dass die DVAG ihre Vermögensberaterverhör als Mitarbeiter bezeichnet hatte und heutzutage nicht mehr. Außerdem soll ein Vermögensberater nicht frei in der Wahl der Produkte gewesen sein und auch nicht hätte für andere Auftraggeber tätig werden dürfen.

Eine Klage vor dem Arbeitsgericht ist für eine klagende Partei insofern eine prozessuale Erleichterung, als sie hier – im Gegensatz zu einer Klage vor dem Amts- oder Landgericht – keinen Gerichtskostenvorschuss leisten muss. Im Falle einer Einigung würden gar keine Gerichtskosten entstehen. Außerdem müsste man im Fall einer Niederlage vor dem Arbeitsgericht nicht die gegnerischen Rechtsanwaltskosten erstatten.

Außerdem hätte es von tragender Bedeutung sein können, wenn ein Vermögensberater als Arbeitnehmer eingestuft worden wäre.

Der ehemalige Direktionsleiter müsste allerdings bereits über das Arbeitsgericht Frankfurt erfahren, dass sich dies nicht für zuständig hielt. Gegen einen entsprechenden Beschluss legte er Beschwerde ein. Sodann kam es vor dem Landesarbeitsgericht Frankfurt am 17.04.2024 zu einer mündlichen Verhandlung darüber, ob das Arbeitsgericht zuständig sei.

Das Landesarbeitsgericht soll wohl in dieser Verhandlung seine Prüfung darauf fokussiert haben, ob eine Zuständigkeit gemäß § 5 Abs. 3 ArbGG vorliegt. Darauf, ob der Direktionsleiter scheinselbstständig oder gar Arbeitnehmer gewesen sein soll, hatte das Landesarbeitsgericht in der mündlichen Verhandlung nicht mehr abgestellt.

Für das Landesarbeitsgericht Frankfurt ging es darum, ob gemäß Vermögensberatervertrag die Tätigkeit für ein anderes Unternehmen vollständig ausgeschlossen war.

Dabei schloss sich das Landesarbeitsgericht wohl einer Auffassung des BGH an. Der BGH entschied am 18.07.2013 unter dem Aktenzeichen VII ZB 27/12 das Streitigkeiten zwischen Vermögensberater und DVAG zu ordentlichen Gerichten gehören. Ein Vermögensberater, der eine anderweitige Tätigkeit anstrebe, müsse spätestens 21 Tage zuvor dies der DVAG anzeigen und entsprechende Unterlagen über diese Tätigkeit vornehmen. Eine konkrete Regelung ergibt sich aus dem Vermögensberatervertrag.

Der Handelsvertreterblog hatte darüber ausführlich berichtet.

Eine schriftliche Entscheidung soll noch nicht vorliegen. Das Landesarbeitsgericht Frankfurt hatte jedoch schon eine Tendenz angedeutet.

Wie weit geht die Berichtspflicht?

Immer wieder gibt es Streit um dog. Wochenberichte. Diese könnnen dem Handelsvertreter im Ausnahmefall gem. § 86 HGB auferlegt werden. Wie weit darf der Handelsvertreter durch einen solchen Bericht in Anspruch genommen werden?

Das Oberlandesgericht Köln entschied am 03.03.1971 unter dem Aktenzeichen 2U 36/70, dass es grundsätzlich eine Berichtpflicht geben kann. Der Handelsvertreter ist danach jedoch nicht gehalten, über jeden seiner Schritte und Besuche Bericht zu erstatten.

Es wird noch einmal darauf hingewiesen, dass ein Handelsvertreter selbständig und frei arbeitet und grundsätzlich Weisungen nicht unterzogen ist. 

Nach der Rechtsprechung des BGH mit Urteil vom 24.09.1987 unter dem Aktenzeichen I ZR 243/85 rechtfertigt nicht einmal die Weigerung, einen Wochenbericht anzufertigen, eine entsprechende fristlose Kündigung. Der BGH wies ausdrücklich darauf hin, dass das Vertrauensverhältnis der Parteien nicht dadurch erschüttert wird, weil der Handelsvertreter seine Berichtspflicht nicht so nachkommen würde, wie es der Vertrieb vorgegeben hat. Sinn der Berichtspflicht sei es, dem vertretenen Unternehmer stets die erforderlichen Informationen zukommen zu lassen, um ihm ein möglichst umfassendes Bild über die Marktsituation zu verschaffen und ihm auch einen Überblick über die konkrete Vermittlungstätigkeit des Handelsvertreters zu geben (vgl. dazu Küstner, Handbuch des gesamten Ausdienstrechts, Band I, Randnr. 201). In der dort genannten Entscheidung hatte der Kläger laufend berichtet, nur nicht in der von dem Vertrieb verlangten Form.

Arbeitnehmer ging leer aus

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hatte am 27.06.2023 unter dem Aktenzeichen 6 Sa 237/22 über unklare Provisionsregelungen zu entscheiden.

Ein Arbeitnehmer, der weitgehend von Provisionen lebt, machte vor Gericht klageweise Provisionen geltend.

Die Auftragsvergabe durch Kunden die der Arbeitnehmer aquirierte, erfolgte dergestalt, dass nach einem Erstkontakt ein erster Termin stattfindet. Anschließend wird eine Maschine nach Kundenwunsch konfiguriert und ein Richtpreis festgesetzt, ein Angebot für den Kunden gestellt, der Auftrag nach Prüfung freigegeben. Ganz zum Schluss erfolgt die Einbuchung per Knopfdruck in das interne Bestellsystem.

Der Kläger war erkrankt. Vor der Erkrankung habe er viele Vorarbeiten geleistet. Er habe Maschinen angeboten. Den letztendlichen Knopfdruck konnte er jedoch nicht tätigen, weil er erkrankt war.

Der Arbeitnehmer machte dann einen Teil seiner Provisionen geltend. Er verlangte die Provision nicht zu 100 %, sondern lediglich zu einem Teil.

Doch damit scheiterte er sowohl in der ersten als auch in der zweiten Instanz.

Das Landesarbeitsgericht begründete dies damit, dass die Einbuchung der finalisierten Maschinenaufträge für die Entstehung des Provisionsanspruchs Voraussetzung sei. Dies ergebe sich aus der Auslegung der entsprechenden Vertragsklausel.

Nach der Vertragsklausel soll der Arbeitnehmer eine Provisionszahlung in Höhe von 3 % des Nettowarenwertes aller von ihm eingebuchten Maschinenaufträge erhalten. Dieser Wortlaut würde dafürsprechen, dass es ausschließlich auf die Einbuchung per Knopfdruck ankommt.

Der Kläger wünschte entsprechend des § 87 Abs. 1 HGB behandelt zu werden. Danach hat ein Handelsvertreter Anspruch auf Provisionen für alle während des Vertragsverhältnisses abgeschlossenen Geschäfte, die auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind. Nach § 87 HGB kommt sogar eine Teilung der Provisionen durch verschiedene Handelsvertreter in Betracht, wenn der Handelsvertretervertrag beendet ist.

Das Landesarbeitsgericht unterzog die vertragliche Regelung, wonach der Arbeitnehmer keine Provisionen bekommen sollte, einer Prüfung im Sinne des § 307 BGB, weil es sich bei dem Vertrag um allgemeine Geschäftsbedingungen handeln würde.

Dabei meinte das Gericht jedoch, dass die Klauseln nicht intransparent seien. Schließlich würde sich darauf klar entnehmen lassen, dass nur durch die Einbuchung Provisionen verdient werden.

Der Kläger würde auch nicht unangemessen benachteiligt werden gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

Der Kläger könne sich jedoch nicht auf § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB berufen. Schließlich sei eine vertragliche Abweichung von dieser Norm möglich. § 87 sei „dispositiv“ (BAG 22.01.2015 – VII ZR 87/14). Danach würde die vertragliche Regelung den Vorzug finden.

Außerdem regele § 87 HGB nicht die Verteilung der Provisionen, wenn mehrere Handelsvertreter an einem während des Bestehens ihres Vertragsverhältnisses abgeschlossenen Geschäftes mitgewirkt hätten. Gemäß Abs. 3 ist von einer Teilung die Rede, wenn ein Geschäft nach Beendigung des Vertragsverhältnisses abgeschlossen ist.

Der Arbeitnehmer hatte dann noch eine Klage auf Rechnungslegung und Auskunft im Wege einer sogenannten Stufenklage eingereicht. Grundsätzlich darf das Gericht eine solche Klage nicht schon vollständig auf der ersten Stufe abweisen. Ausnahmsweise kommt aber eine einheitliche Entscheidung über die mehreren in einer Stufenklage verbundenen Klageanträge in Betracht, wenn schon die Prüfung des Auskunftsanspruchs ergibt, dass dem Hauptanspruch die materiell-rechtliche Grundlage fehlt (BAG 09.11.2021 – 1 AZR 206/20; BGH 16.06.2010 Az.: VIII ZR 62/09).

Der Arbeitnehmer ging danach insgesamt leer aus.

Handelsvertreter hat Anspruch auf Bucheinsicht

Verweigert ein Vertrieb den Buchauszug, steht dem Handelsvertreter gemäß § 87 c Abs. 4 HGB sogar ein Recht auf Einsicht in die Geschäftsbücher, Vertragsunterlagen, den einschlägigen Schriftwechseln und sonstigen Unterlagen zu, in denen die Geschäftsabschlüsse des Vertriebes mit den Versicherungsnehmern niedergelegt sind und die zur Feststellung der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des vorgelegten Buchauszuges notwendig sind. Die Einsichtnahme (Bucheinsicht) erfolgt durch einen zur Verschwiegenheit verpflichteten Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer. Die Wahl hat der Handelsvertreter (Landgericht Düsseldorf vom 21. 7. 2005 – 32 O 141/03).

OVB Vertrag mit Verjährungsklauseln

In einem Rechtsstreit mit der OVB hat das Oberlandesgericht Köln kürzlich die im Handelsvertretervertrag vereinbarten Verjährungsregeln restriktiv ausgelegt. Ein ehemaliger Mitarbeiter verlangte einen Buchauszug. Dieser wurde ihm vom Landgericht auch für zurückliegende Jahre gewährt. Dagegen wehrte sich die OVB im Rahmen einer Berufung.

Das Oberlandesgericht meinte, der Anspruch sei verjährt, weil im Finanzdienstleistungsvertrag eine kurze Verjährungsklausel von 13 Monaten „ab dem Schluss des Monats, in dem der Anspruchsberechtigte Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen erlangt hat“ eingetreten ist.

Diese Klausel gelte auch nach Ansicht des Oberlandesgerichtes für den Buchauszug. Die Klausel sei wirksam, da sie nicht zwischen Ansprüchen des Handelsvertreters und des Unternehmers differenziere. Eine Unwirksamkeit gemäß der Regeln über eine unangemessene Benachteiligung gemäß §§ 306 Abs. 2, §§ 307 Abs. 1 komme deshalb nicht in Betracht.

Diese Entscheidung erging im Rahmen einer Kostenentscheidung, da der Rechtsstreit darüber bis dahin erledigt war.