Handelsvertreter

OLG Celle: Arbeitsgericht bei vollberuflichem Handelsvertreter zuständig

Unter bestimmten Umständen werden Streitigkeiten mit Handelsvertretern vor dem Arbeitsgericht ausgetragen. Dies richtet sich nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 in Verbindung mit § 5 Abs. 3 S. 1 ArbGG.

Handelsvertreter gemäß § 84 Abs. 1 HGB gelten nach § 5 Abs. 3 S. 1 ArbGG nur dann als Arbeitnehmer, wenn sie zu dem Personenkreis gehören, für den nach § 92a HGB die untere Grenze der vertraglichen Leistungen des Unternehmers festgesetzt werden kann, und wenn sie während der letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses im Durchschnitt monatlich nicht mehr als 1000 € an Vergütung einschließlich Provisionen bezogen haben (BGH Beschluss vom 16.10.2014, Az: VII ZB 16/14).

Zu diesem Personenkreis gehören Handelsvertreter, die vertraglich nicht für weitere Unternehmer tätig werden dürfen (§ 92a Abs. 1 S. 1 Alt. 1 HGB; sogenannte Einfirmenvertreter kraft Vertrages), und Handelsvertreter, denen dies nach Art und Umfang der verlangten Tätigkeit nicht möglich ist ( § 92a Abs. 1 S. 1 Alt. 2 HGB, sogenannte Einfirmenvertreter kraft Weisung).

Einfirmenvertreter kraft Vertrages ist ein Handelsvertreter, wenn ihm vertraglich untersagt ist, für weitere Unternehmer tätig zu werden. Wird einem Handelsvertreter auferlegt, hauptberuflich für den Unternehmer tätig zu werden, mit dem er den Handelsvertretervertrag geschlossen hat, so ist er als Einfirmenvertreter kraft Vertrages einzustufen. Die hauptberufliche Tätigkeit genügt also bereits zur Einstufung.

Dabei kommt es dann nicht mehr darauf an, ob ihm eine nebenberufliche Tätigkeit gestattet ist. Nach der sogenannten typisierenden Betrachtung ist ein Handelsvertreter einem Angestellten ähnlich angenähert, der hauptberuflich tätig ist, auch wenn ihm eine nebenberufliche Tätigkeit gestattet ist. Schließlich ist er verpflichtet, wie ein hauptberuflich Angestellter, hauptberuflich für den Unternehmer tätig zu werden.

Das Oberlandesgericht Celle hatte am 26.06.2020 unter dem Aktenzeichen 11 W 20/20 dazu eine interessante und richtungsweisende Entscheidung getroffen (hier geht es zum bisher unveröffentlichtem Beschluss des OLG Celle vom 26.6.2020 unter dem Az. 11 W 20/20).

Auch hier ging es um einen Vertriebspartnervertrag, in dem der Handelsvertreter im Hauptberuf gemäß § 84 HGB tätig ist und im Bereich der Versicherungsvermittlung exklusiv für die Gesellschaft tätig wird. Die Ausübung einer anderweitigen Nebentätigkeit wäre nach diesem Vertragsverhältnis ausdrücklich gestattet.

Das Oberlandesgericht hielt dies aber für unerheblich. Das Oberlandesgericht meinte zwar, dass nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein bloßes vereinbartes Konkurrenzverbot für die Annahme eines vertraglichen Tätigkeitsverbotes nicht ausreichen würde. Dafür kommt es jedoch auf die Formulierung „im Hauptberuf“ an.

Weitere Voraussetzung ist, dass der Handelsvertreter während der letzten Monate des Vertragsverhältnisses im Durchschnitt monatlich nicht mehr als 1000 € bezogen hat. Das Landgericht hat in der Vorinstanz dazu keine Feststellungen getroffen. Dies war dem OLG auch egal, da das OLG allein auf die Behauptung der Beklagten (der Handelsvertreterin) abgestellt hatte, wonach diese behauptet hatte, in den letzten sechs Monaten weniger als 1000 € monatlich verdient zu haben.

Bisher unveröffentlichter Beschluss OLG Celle  11 W 20/20

 11 W 20/20

7 O 40/20 Landgericht Verden

B e s c h l u s s

In der Beschwerdesache

F. AG …,

Klägerin und Beschwerdeführerin,

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte …,

gegen

L. E., …,

Beklagte und Beschwerdegegnerin,

Prozessbevollmächtigter:

Rechtsanwalt …,

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Richter am Ober-landesgericht … als Einzelrichter am 26. Juni 2020 beschlossen:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss der 7. Zivil-kammer – Einzelrichterin – des Landgerichts Verden vom 9. Juni 2020 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 6.434,31 € festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen. 

Gründe:

Die nach §§ 17 a Abs. 4 Satz 2 GVG, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde hat im Ergebnis keinen Erfolg. Für den vorliegenden Rechtsstreit ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet.

I.

Soweit die Klägerin mit ihrer sofortigen Beschwerde die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt, kann dahinstehen, ob dem Landgericht ein derartiger Vorwurf zu machen ist. Ein (etwaiger) Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs hat in zivilrechtlichen (Hauptsache)Verfahren lediglich zur Rechts-folge, dass die hiervon betroffene Partei im Berufungsverfahren neuen tatsächlichen Vortrag halten darf (§ 531 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO). Nicht aber hat – wie es offenbar die Vorstellung der Klägerin ist – ein (etwaiger) Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs per se zur Rechtsfolge, dass die angefochtene Entscheidung allein deshalb aufzuheben ist. Demgemäß entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass ein Rechtsmittelführer, der die Verletzung einer gerichtlichen Hinweispflicht gemäß § 139 ZPO geltend macht, darlegen muss, wie er auf einen entsprechenden Hinweis reagiert, insbesondere was er hierauf im Einzelnen vorgetragen hätte und wie er weiter vorgegangen wäre (vgl. z. B. BGH, Urteil vom 15. Februar 2018 – I ZR 243/16, juris Rn. 13). Diese Problematik stellt sich in – wie vorliegend – Beschwerdeverfahren allerdings von vornherein nicht, da die Beschwerde gem. § 571 Abs. 2 ZPO auf neue Angriffs- und Verteidigungsmittel gestützt werden kann.

II.

Vorliegend ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG eröffnet.

1. Nach § 13 GVG gehören vor die ordentlichen Gerichte alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, für die nicht entweder die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten begründet ist oder aufgrund von Vorschriften des Bundesrechts besondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG sind die Arbeitsgerichte ausschließlich zuständig für näher bezeichnete bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeit-gebern. Handelsvertreter i. S. d. § 84 Abs. 1 HGB gelten nach § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG nur dann als Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes, wenn sie zu dem Personenkreis gehören, für den nach § 92 a HGB die untere Grenze der vertraglichen Leistungen des Unternehmers festgesetzt werden kann, und wenn sie während der letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses, bei kürzerer Vertragsdauer während dieser, im Durchschnitt monatlich nicht mehr als 1.000 € aufgrund des Vertragsverhältnisses an Vergütung einschließlich Provision und Ersatz für im regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstandenen Aufwendungen bezogen haben (BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2014 – VII ZB 16/14, juris Rn. 15). Zu dem genannten Personenkreis gehören Handelsvertreter, die vertraglich nicht für weitere Unternehmer tätig werden dürfen (§ 92 a Abs. 1 Satz 1 1. Alt. HGB; sogenannte Einfirmenvertreter kraft Vertrags), und Handelsvertreter, denen dies nach Art und Umfang der verlangten Tätigkeit nicht möglich ist (§ 92 a Abs. 1 Satz 1 2. Alt. HGB; sogenannte Einfirmenvertreter kraft Weisung). Als Einfirmenvertreter kraft Vertrags ist ein Handelsvertreter insbesondere dann einzustufen, wenn ihm vertraglich untersagt ist, für weitere Unternehmer tätig zu werden (BGH, a. a. O., Rn. 16). Wird einem Handelsvertreter auferlegt, hauptberuflich für den Unternehmer tätig zu werden, mit dem er den Handelsvertretervertrag geschlossen hat, so ist er nach Sinn und Zweck des § 92 a Abs. 1 Satz 1 HGB als Einfirmenvertreter kraft Vertrags einzustufen. Ein solcher Handelsvertreter ist zwar nicht völlig von diesem Unternehmer abhängig, wenn ihm eine nebenberufliche Tätigkeit gestattet ist. Bei der gebotenen typisierenden Betrachtung ist ein solcher Handelsvertreter jedoch einem Angestellten ähnlich angenähert wie ein Handels-vertreter, dem vertraglich vollständig untersagt ist, für weitere Unternehmer tätig zu werden. Denn er ist – ähnlich wie ein hauptberuflich Angestellter – verpflichtet, hauptberuflich für den Unternehmer tätig zu werden, mit dem er den Handelsvertretervertrag geschlossen hat. Er kann die sich aus einer etwaigen nebenberuflichen Tätigkeit ergebenden Chancen nicht in gleicher Weise nutzen, wie ein nicht in den Anwendungsbereich des § 92 a Abs. 1 Satz 1 HGB fallender Mehrfirmen-vertreter (BGH, a. a. O., Rn. 18).

2. Gemessen hieran gilt Folgendes:

a) In § 3 Nr. 1 erster Absatz des Vertriebspartnervertrages vom

19./21. Oktober 2016 ist vereinbart, dass der Vertriebspartner, mithin die Beklagte, selbständiger Handelsvertreter im Hauptberuf gem. §§ 84 ff. des HGB ist und im Bereich der Versicherungsvermittlung exklusiv für die Gesellschaft tätig wird (Hervorhebung durch den Senat). Der Umstand, dass der Beklagten in § 11 Nr. 1 zweiter Absatz des Vertrages die Ausübung einer anderweitigen Nebentätigkeit gestattet worden ist, ist nach Maßgabe der vorstehend dargestellten höchstrichterlichen Grundsätze unerheblich. Ebenso fehl geht die Argumentation der Klägerin mit den Regelungen in § 11 Nr. 1 erster Absatz des Vertrages. Zwar ist es als solches natürlich richtig, dass nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein bloßes vereinbartes Konkurrenzverbot für die Annahme eines vertraglichen Tätigkeitsverbotes i. S. d. § 92 a Abs. 1 Satz 1 1. Alt. HGB gerade nicht ausreicht (vgl. z. B. BGH, Beschluss vom 18. Juli 2013 – VII ZB 45/12, juris Rn. 21; BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2009 – VIII ZB 45/08, juris Rn. 23). Insoweit kann dahinstehen, ob die Regelungen in § 11 Nr. 1 erster Absatz des Vertrages bei isolierter Betrachtung ein (bloßes) Konkurrenzverbot in dem vorgenannten Sinn darstellen würden. Denn jedenfalls verbietet sich eine rein isolierte Betrachtung von § 11 Nr. 1 erster Absatz des Vertrages. Vielmehr muss dieser im Zusammenhang mit § 3 Nr. 1 erster Absatz des Vertrages gelesen werden. In jener Regelung ist aber nun einmal – wie ausgeführt – hinsichtlich des Bereiches, der in § 11 Nr. 1 erster Absatz genannt wird, ausdrücklich ausgeführt, dass die Be-klagte insoweit „im Hauptberuf“ tätig wird.

b) Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung allerdings keine Feststellung dazu getroffen, ob die Beklagte während der letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses im Durschnitt monatlich nicht mehr als 1.000,00 € aufgrund des Vertragsverhältnisses an Vergütung einschließlich Provisionen und Ersatz für im regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstandene Aufwendungen bezogen hat (§ 5 Abs. 5 Satz 1 ArbGG). Einer Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückweisung der Sache im Hinblick darauf bedurfte allerdings nicht. Denn anders als dem Bundesgerichtshof als Rechtsbeschwerdeinstanz ist dem Senat als Beschwerdeinstanz eine Feststellung von Tatsachen möglich. Hiernach ist festzustellen, dass die Beklagte auf Seite 2 ihres Schriftsatzes vom 03. April 2020 (Bl. 81 d. A.) vorgetragen hat, dass sie in den letzten sechs Monaten des Vertragsverhältnisses im Schnitt weniger als 1.000,00 € monatlich verdient habe. Dieses tatsächliche Vorbringen der Beklagten ist unstreitig geblieben (vgl. Seite 2, unteres Drittel des Schriftsatzes der Klägerin vom 7. Mai 2020, Bl. 104 d. A.)

III.

  1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
  • Dem Beschwerdewert hat der Senat den vollen Hauptsachewert zugrunde gelegt (vgl. dazu Kurpat in Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 14. Aufl., Rn. 4781).
  •  Anlass für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde i. S. v. § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO besteht nicht.

Direktionsleiter der DVAG kein Arbeitnehmer

Ein früherer Direktionsleiter der Deutschen Vermögensberatung klagt vor dem Arbeitsgericht und erfuhr nunmehr, dass dieses gar nicht nicht zuständig sei.

Über diesen Vorfall berichtet Fondsprofessionell.de am 18.04.2024.

Ein langjähriger Vermittler der Deutschen Vermögensberatung schaffte es dort bis zur höchsten Stufe und wurde Direktionsleiter. Beschäftigt ist er im Rahmen des Vermögensberatervertrages als Handelsvertreter.

Dennoch meinte er, das Arbeitsgericht sei zuständig, weil es sich hier um einen Fall der Scheinselbstständigkeit handeln würde.

Indiz dafür soll gewesen sein, dass die DVAG ihre Vermögensberaterverhör als Mitarbeiter bezeichnet hatte und heutzutage nicht mehr. Außerdem soll ein Vermögensberater nicht frei in der Wahl der Produkte gewesen sein und auch nicht hätte für andere Auftraggeber tätig werden dürfen.

Eine Klage vor dem Arbeitsgericht ist für eine klagende Partei insofern eine prozessuale Erleichterung, als sie hier – im Gegensatz zu einer Klage vor dem Amts- oder Landgericht – keinen Gerichtskostenvorschuss leisten muss. Im Falle einer Einigung würden gar keine Gerichtskosten entstehen. Außerdem müsste man im Fall einer Niederlage vor dem Arbeitsgericht nicht die gegnerischen Rechtsanwaltskosten erstatten.

Außerdem hätte es von tragender Bedeutung sein können, wenn ein Vermögensberater als Arbeitnehmer eingestuft worden wäre.

Der ehemalige Direktionsleiter müsste allerdings bereits über das Arbeitsgericht Frankfurt erfahren, dass sich dies nicht für zuständig hielt. Gegen einen entsprechenden Beschluss legte er Beschwerde ein. Sodann kam es vor dem Landesarbeitsgericht Frankfurt am 17.04.2024 zu einer mündlichen Verhandlung darüber, ob das Arbeitsgericht zuständig sei.

Das Landesarbeitsgericht soll wohl in dieser Verhandlung seine Prüfung darauf fokussiert haben, ob eine Zuständigkeit gemäß § 5 Abs. 3 ArbGG vorliegt. Darauf, ob der Direktionsleiter scheinselbstständig oder gar Arbeitnehmer gewesen sein soll, hatte das Landesarbeitsgericht in der mündlichen Verhandlung nicht mehr abgestellt.

Für das Landesarbeitsgericht Frankfurt ging es darum, ob gemäß Vermögensberatervertrag die Tätigkeit für ein anderes Unternehmen vollständig ausgeschlossen war.

Dabei schloss sich das Landesarbeitsgericht wohl einer Auffassung des BGH an. Der BGH entschied am 18.07.2013 unter dem Aktenzeichen VII ZB 27/12 das Streitigkeiten zwischen Vermögensberater und DVAG zu ordentlichen Gerichten gehören. Ein Vermögensberater, der eine anderweitige Tätigkeit anstrebe, müsse spätestens 21 Tage zuvor dies der DVAG anzeigen und entsprechende Unterlagen über diese Tätigkeit vornehmen. Eine konkrete Regelung ergibt sich aus dem Vermögensberatervertrag.

Der Handelsvertreterblog hatte darüber ausführlich berichtet.

Eine schriftliche Entscheidung soll noch nicht vorliegen. Das Landesarbeitsgericht Frankfurt hatte jedoch schon eine Tendenz angedeutet.

Arbeitnehmer ging leer aus

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hatte am 27.06.2023 unter dem Aktenzeichen 6 Sa 237/22 über unklare Provisionsregelungen zu entscheiden.

Ein Arbeitnehmer, der weitgehend von Provisionen lebt, machte vor Gericht klageweise Provisionen geltend.

Die Auftragsvergabe durch Kunden die der Arbeitnehmer aquirierte, erfolgte dergestalt, dass nach einem Erstkontakt ein erster Termin stattfindet. Anschließend wird eine Maschine nach Kundenwunsch konfiguriert und ein Richtpreis festgesetzt, ein Angebot für den Kunden gestellt, der Auftrag nach Prüfung freigegeben. Ganz zum Schluss erfolgt die Einbuchung per Knopfdruck in das interne Bestellsystem.

Der Kläger war erkrankt. Vor der Erkrankung habe er viele Vorarbeiten geleistet. Er habe Maschinen angeboten. Den letztendlichen Knopfdruck konnte er jedoch nicht tätigen, weil er erkrankt war.

Der Arbeitnehmer machte dann einen Teil seiner Provisionen geltend. Er verlangte die Provision nicht zu 100 %, sondern lediglich zu einem Teil.

Doch damit scheiterte er sowohl in der ersten als auch in der zweiten Instanz.

Das Landesarbeitsgericht begründete dies damit, dass die Einbuchung der finalisierten Maschinenaufträge für die Entstehung des Provisionsanspruchs Voraussetzung sei. Dies ergebe sich aus der Auslegung der entsprechenden Vertragsklausel.

Nach der Vertragsklausel soll der Arbeitnehmer eine Provisionszahlung in Höhe von 3 % des Nettowarenwertes aller von ihm eingebuchten Maschinenaufträge erhalten. Dieser Wortlaut würde dafürsprechen, dass es ausschließlich auf die Einbuchung per Knopfdruck ankommt.

Der Kläger wünschte entsprechend des § 87 Abs. 1 HGB behandelt zu werden. Danach hat ein Handelsvertreter Anspruch auf Provisionen für alle während des Vertragsverhältnisses abgeschlossenen Geschäfte, die auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind. Nach § 87 HGB kommt sogar eine Teilung der Provisionen durch verschiedene Handelsvertreter in Betracht, wenn der Handelsvertretervertrag beendet ist.

Das Landesarbeitsgericht unterzog die vertragliche Regelung, wonach der Arbeitnehmer keine Provisionen bekommen sollte, einer Prüfung im Sinne des § 307 BGB, weil es sich bei dem Vertrag um allgemeine Geschäftsbedingungen handeln würde.

Dabei meinte das Gericht jedoch, dass die Klauseln nicht intransparent seien. Schließlich würde sich darauf klar entnehmen lassen, dass nur durch die Einbuchung Provisionen verdient werden.

Der Kläger würde auch nicht unangemessen benachteiligt werden gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

Der Kläger könne sich jedoch nicht auf § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB berufen. Schließlich sei eine vertragliche Abweichung von dieser Norm möglich. § 87 sei „dispositiv“ (BAG 22.01.2015 – VII ZR 87/14). Danach würde die vertragliche Regelung den Vorzug finden.

Außerdem regele § 87 HGB nicht die Verteilung der Provisionen, wenn mehrere Handelsvertreter an einem während des Bestehens ihres Vertragsverhältnisses abgeschlossenen Geschäftes mitgewirkt hätten. Gemäß Abs. 3 ist von einer Teilung die Rede, wenn ein Geschäft nach Beendigung des Vertragsverhältnisses abgeschlossen ist.

Der Arbeitnehmer hatte dann noch eine Klage auf Rechnungslegung und Auskunft im Wege einer sogenannten Stufenklage eingereicht. Grundsätzlich darf das Gericht eine solche Klage nicht schon vollständig auf der ersten Stufe abweisen. Ausnahmsweise kommt aber eine einheitliche Entscheidung über die mehreren in einer Stufenklage verbundenen Klageanträge in Betracht, wenn schon die Prüfung des Auskunftsanspruchs ergibt, dass dem Hauptanspruch die materiell-rechtliche Grundlage fehlt (BAG 09.11.2021 – 1 AZR 206/20; BGH 16.06.2010 Az.: VIII ZR 62/09).

Der Arbeitnehmer ging danach insgesamt leer aus.

Handelsvertreter hat Anspruch auf Bucheinsicht

Verweigert ein Vertrieb den Buchauszug, steht dem Handelsvertreter gemäß § 87 c Abs. 4 HGB sogar ein Recht auf Einsicht in die Geschäftsbücher, Vertragsunterlagen, den einschlägigen Schriftwechseln und sonstigen Unterlagen zu, in denen die Geschäftsabschlüsse des Vertriebes mit den Versicherungsnehmern niedergelegt sind und die zur Feststellung der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des vorgelegten Buchauszuges notwendig sind. Die Einsichtnahme (Bucheinsicht) erfolgt durch einen zur Verschwiegenheit verpflichteten Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer. Die Wahl hat der Handelsvertreter (Landgericht Düsseldorf vom 21. 7. 2005 – 32 O 141/03).

BGH stärkt Kündigungsfreiheit der Handelsvertreter

Am 19.01.2023 entschied der Bundesgerichtshof unter dem Aktenzeichen VII ZR 787/21, dass die Kündigungsfreiheit eines Handelsvertreters auch mittelbar beschränkt werden kann.

Außerdem entschied der Bundesgerichtshof, dass dann eine vereinbarte Vorschusszahlung auf zu erwartende Provisionen nicht zurückgefordert werden können.

In diesem Fall war der Handelsvertreter im Vertrieb eines Möbelherstellers tätig. Der Handelsvertreter erhielt wie üblich Provisionsvorschüsse.

Irgendwann ergab sich ein Saldo zu Lasten des Handelsvertreters in Höhe von mehr als 8.000€.

Über diesen Betrag schlossen die Parteien dann ein Darlehen, sodass das Provisionskonto mit dem jeweiligen Minusin Form eines Darlehens wieder ausgeglichen wurde.

In dem Darlehensvertrag wurde vereinbart, das im Falle der Beendigung des Handelsvertretervertrages die Restschuld des Darlehens in einer Summe sofort fällig wird.

Anschließend wurden weiterhin Provisionsvorauszahlungen geleistet. Das Provisionskonto rutschte dann mit mehr als 54.000 € ins Minus.

Das Handelsvertreterverhältnis soll dann einvernehmlich aufgelöst worden sein.

Die Vereinbarung, dass das Darlehen zurückgezahlt werden muss, verstößt nach Auffassung des Bundesgerichtshofs gegen § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB und ist deshalb gemäß § 134 BGB unwirksam. Es stellt eine unwirksame mittelbare Kündigungserschwernis dar.

Nach § 89a Abs. 1 Satz 1 HGB ist ein Handelsvertretervertrag von jedem Teil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündbar. Dieses Recht darf gemäß § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB weder ausgeschlossen noch beschränkt werden. Diese zwingende gesetzliche Regelung stellt eine Schutzvorschrift zu Gunsten des im allgemeinen wirtschaftlich schwächeren Handelsvertreters dar, die verhindern soll, dass der schwächere Vertragsteil einseitig in seiner Entscheidungsfreiheit zur Vertragsbeendigung beschnitten wird. Eine Beschränkung der Kündigungsfreiheit kann dabei nicht nur unmittelbar erfolgen, sondern auch bei mittelbaren Erschwernissen in Form von finanziellen oder sonstigen Nachteilen vorliegen. Eine solche Erschwernis ist anzunehmen, wenn an die Kündigung des Handelsvertretervertrages wesentlich die Vertragsbeendigung erschwerenden Nachteile geknüpft werden, wie etwa die Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe. Gleiches gilt für Vertragsklauseln, die eine sofortige Rückzahlung langfristiger Vorschusszahlungen bei einer Kündigung des Handelsvertreters vorsehen.

Unter welchen Voraussetzungen die an die Vertragsbedingung vertraglich geknüpften Nachteile von solchem Gewicht sind, dass eine unzulässige, mittelbare Beschränkung des Kündigungsrechts des Handelsvertreters vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalles (BGH-Urteil vom 05.11.2015 – Az.: VII ZR59/14).

Ihre Beantwortung hängt insbesondere von der Höhe der gegebenenfalls zurückzuerstattenden Zahlungen und dem Zeitraum, für den sie zu erstatten sind, ab.

Nach Ansicht des BGH können auch mittelbare Folgen einer Kündigung oder Vertragsbeendigung vom Verbot des § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB erfasst werden. Eine solche mittelbare Kündigungserschwernis kann auch vorliegen, wenn aufgrund der Gestaltung des Vertrages die Vertragsbeendigung für den Handelsvertreter mit erheblichen Nachteilen verknüpft ist, dieser in der Entscheidungsfreiheit hinsichtlich der Frage, ob er das Vertragsverhältnis auflöst, einschränken können. Solche mittelbaren Auswirkungen der Vertragsgestaltung sind stets am Maßstab des § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB zu prüfen und könne nicht unter Hinweis darauf, es handele sich um einen bloßen Reflex, von vornerein von dieser Prüfung ausgenommen werden.

Die Aufstockung des Darlehens um die Provisionsvorschüsse stellt sich mittelbare Kündigungserschwernis dar.

Die durch § 134 BGB angeordnete Nichtigkeit des gegen ein gesetzliches Verbot verstoßendes Rechtsgeschäft betrifft im vorliegenden Fall nur die Vereinbarung, dass erstinstanzlich Beendigung des Handelsvertretervertrages ein Unterverdienst vom Handelsvertreter auszugleichen ist. Der Vertrag im Übrigen bleibt dagegen wirksam und bildet den Rechtsgrund für die erfolgten monatlichen Zahlungen, die den Beklagten verbleiben.

Buchauszug bricht Datenschutz

Jeder Handelsvertreter hat einen Anspruch auf einen Buchauszug. Unternehmen und Vertriebe versuchen oft diesen zu untergraben. Teilweise wird dies damit begründet, dass Provisionsabrechnungen den Buchauszug ersetzen sollen, teilweise wird der Buchauszug nur unvollständig übersandt. Ganz neu ist die Idee, dass die Übersendung eines Buchauszuges mit dem Datenschutz nicht in Einklang stehe.

Der Datenschutz kann den Anspruch auf den Buchauszug nicht untergraben dürfe (OLG München vom 31.7.2019, Az.: 7 U 4012/17). 

Das OLG hat folgende Kernpunkte entschieden:

  • Das Interesse des Unternehmers an der Wahrung von Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnissen ist im Rahmen des § 87c Abs. 2 HGB irrelevant, da deren Schutz durch § 90 HGB geregelt ist. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz) 
  • Die DSGVO ist grundsätzlich auf alle erteilten Buchauszüge und auch auf alle nach § 87c Abs. 2 HGB zukünftig noch vorzunehmenden Datenverarbeitungen anwendbar, jedoch ist die mit der Erteilung eines Buchauszuges verbundene Datenübermittlung nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 DSGVO erlaubt.

Handelsvertreter von Deutscher Bank als Arbeitnehmer eingestuft

Mit Urteil vom 8. März 2021 unter dem Aktenzeichen S 18 BA 93/17 hatte das Sozialgericht Frankfurt einen Handelsvertreter der Deutschen Bank als Arbeitnehmer eingestuft.

Die Deutsche Bank beschäftigt Finanzberater, die laut Vertrag als Handelsvertreter gemäß § 84 HGB tätig sind. Sie leben ausschließlich von Provisionen.

Das Sozialgericht Frankfurt hatte darüber zu entscheiden, ob Kriterien erfüllt sind, diesen einen Mitarbeiter, um den es in diesem Verfahren ging, als Arbeitnehmer einzustufen.

Entscheidend war, inwieweit dieser Mitarbeiter in der Struktur der Deutschen Bank eingebunden war, unter dem Regionalleiter, einem Gebietsleiter den Leitern der Finanzagenturen bis hin zu dem selbstständigen Finanzberater. Das Gericht meinte, dass innerhalb dieser Hierarchie eine Weisungsgebundenheit gegeben sei, die die Arbeitnehmereigenschaft begründe.

Das Gericht stellte dazu fest, dass sich die Finanzberater einen eigenen Standort außerhalb der Finanzagentur hätten genehmigen lassen müssen, inklusive der Ausstattung und der Ausgestaltung der Räumlichkeiten. Mit einer solchen Vorgabe seien Mitarbeiter weisungsgebunden und Arbeitnehmer. „Vorgaben des Regionalleiters werden sodann durch den jeweiligen Gebietsleiter an seine Agenturleiter weitergegeben, die dies dann wiederum in ihren Agenturen an die dort angesiedelten Vermittler wie den Beigeladenen zu 1) weitergeben“, heißt es in der Entscheidung.

Sollte sich diese Entscheidung bestätigen, wäre die Deutsche Bank für diesen Mitarbeiter zur Zahlung von Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherungen beitragspflichtig.

Die Deutsche Bank hatte damals gegen dieses Urteil Berufung angekündigt, die offensichtlich vor dem Landessozialgericht Hessen dem Aktenzeichen L 8 BA 36/21 läuft und wohl bisher noch nicht entschieden wurde.

BGH: Provisionsvorschüsse müssen unter Umständen nicht zurückgezahlt werden

Wenn eine Rückzahlungsklausel, die die Kündigung erschwert, unwirksam ist, muss ein Handelsvertreter Provisionsvorschüsse nicht zurückzahlen. Dies entschied der Bundesgerichtshof in einem aktuellen Urteil vom 19. Januar 2023 unter dem Aktenzeichen VII ZR 787/21.

Gemäß § 89 a Abs. 1 Satz 2 HGB ist eine Kündigungserschwernis verboten. Dies gilt auch für sogenannte mittelbare Erschwernisse.

In dem Fall, über den der BGH zu entscheiden hatte, ging es um einen Handelsvertreter, der für ein Möbelunternehmen tätig war. Dieser erhielt pauschale Provisionsvorschüsse. Vertragliches Ziel war es, dass der Handelsvertreter diese Vorschüsse mit verdienten Provisionen ausgleichen sollte. Bei Beendigung des Vertrages betrug der negative Saldo fast 55.000 €.

Während der Vertragslaufzeit wurde zudem vereinbart, dass ein auflaufender Saldo als Darlehen gewährt werden soll und mit 3,5 % pro Jahr zu verzinsen ist.

Dort heißt es:

„Im Falle der Beendigung des Handelsvertretervertrages vom
26. Juli 2013 sind die Restschuld des Darlehens und die zum Stich-
tag der Vertragsbeendigung aufgelaufenen Zinsen in einer Summe
sofort fällig. Hierbei ist es unerheblich, durch wen und aus welchem
Grund der Vertrag beendet wurde.“

Der Handelsvertreter aus der Möbelbranche wurde dann wegen der Zahlung verklagt. Das Landgericht Mönchengladbach wies die Klage ab, das Oberlandesgericht Düsseldorf erkannte den Anspruch des Unternehmens an, jedoch mit der Maßgabe, dass dem Unternehmer der Anspruch nur Zug um Zug gegen Erteilung eines Buchauszuges zustehen würde. Interessant ist, dass auch das Oberlandesgericht Düsseldorf die Vereinbarung für unwirksam betrachtet hatte, jedoch trotzdem meinte, dass der Handelsvertreter sich dann rechtsgrundlos bereichert hätte und ein Anspruch des Unternehmens aus § 812 BGB bestehen würde.

Der BGH zog hier einen Schlussstrich zugunsten des Handelsvertreters.

Der BGH gab dem Handelsvertreter Recht und meinte, dass jede Partei das Recht zu einer fristlosen Kündigung habe und dieses Recht auch nicht mittelbar eingeschränkt werden dürfe. In § 89 a Abs. 1 Satz 2 HGB sieht der BGH eine Schutzvorschrift des im Allgemeinen wirtschaftlich schwächeren Handelsvertreters.

In einem solchen Fall muss nach der Auffassung des BGH der Handelsvertreter den Betrag nicht zurückzahlen. Eine gegen die gesetzliche Regelung verstoßende Vereinbarung ist unwirksam (§134 BGB).

Wenn, so der BGH, eine Rückzahlungsklauseln unwirksam ist, dient dies dem Schutz des Handelsvertreters, sodass dieser nicht aus anderen Gründen zur Rückzahlung verpflichtet sein kann (der BGH verwies auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichtes München mit Urteil vom 9. März 2017 (Aktenzeichen 23 U 2601/16).

Der BGH verwies die Angelegenheit zurück Oberlandesgericht Düsseldorf, dass nunmehr die Rechtsauffassung des BGH zu berücksichtigen hat.

Ausstieg aus der Ausschließlichkeit: Dürfen die Kunden angeschrieben werden?

Jeder Versicherungsvermittler, der sich mit Wechselabsichten beschäftigt, steht vor der Frage, ob und wie er den Kunden gegenüber seinen Abschied mitteilen darf. Wie verlasse ich die Ausschließlichkeit, ohne rechtliche Probeme zu bekommen.

Darf man den Kunden bereits während des laufenden Handelsvertretervertrages darüber informieren, dass man aufhört und wohin man wechselt?

Mit einer solchen Frage hatte sich das Oberlandesgericht Düsseldorf unter dem Aktenzeichen I-16 U 64/03 beschäftigt.

Dort hatte ein Versicherungsvertreter, der für eine Versicherungsgesellschaft tätig war, bereits während des laufenden Handelsvertretervertrages alle Kunden in einem Rundschreiben angeschrieben wie folgt:

„Sie sind bisher von mir beraten und betreut worden, wenn es um Ihre Sicherheit und Vorsorge ging. Waren Sie damit zufrieden?

Aus verschiedenen Gründen habe ich mich entschlossen meine Tätigkeit ab dem 1. April 2002 mit einem Versicherungsunternehmen fortzusetzen. Ich mache weiter und vertrete dann die M… V….

Mit diesem Brief bedanke ich mich heute bei Ihnen dafür, dass Sie mir in den Fragen Ihrer persönlichen Absicherung Ihr Vertrauen geschenkt haben.

Natürlich möchte ich Ihnen ab dem 1. April 2002 auch weiter mit Rat und Tat zur Seite stehen. Sollten Sie also neuen Absicherungsbedarf haben, werde ich Sie auf Wunsch ab dem 1. April 2002 gerne über die Angebote und Leistungen meines neuen Partners informieren.

Für Ihre Zukunft wünsche ich Ihnen alles Gute.“

Dieses Schreiben nahm die Versicherungsgesellschaft zum Anlass, den Handelsvertretervertrag fristlos zu kündigen. In dem Gerichtsverfahren verlangte der Versicherungsvertreter Provisionen. Das Gericht musste darüber entscheiden, ob der Anspruch auf die Provisionen auch nach Ausspruch der fristlosen Kündigung berechtigt war, der Anspruch setzte voraus, dass die fristlose Kündigung unwirksam ist.

Die Versicherungsgesellschaft warf dem Vertreter vor, er habe gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen. Deshalb sei die fristlose Kündigung berechtigt.

Zunächst stellte das Oberlandesgericht klar, dass es kein Wettbewerbsverstoß sei, wenn ein Handelsvertreter noch während des Bestehens des Handelsvertretervertrages einen neuen Vertrag abschließt, und zwar für die Zeit nach Ende des Handelsvertretervertrages.

„Der Handelsvertreter darf sich bereits während des bestehenden Vertragsverhältnisses um andere Auftraggeber oder sonstige Konkurrenztätigkeiten für die Zeit nach Beendigung des bestehenden Handelsvertretervertrages bemühen und entsprechende Verträge, besonders Handelsvertreterverträge, abschließen (vgl. Ebenroth/Boujong/Joost, a. a. 0., § 86 Rdnr. 20).“

Das Oberlandesgericht führte weiter aus, dass kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart war und deshalb der Handelsvertreter auch nicht daran gehindert war, mit den Vorbereitungen für einen geplanten nachvertraglichen Wettbewerb schon während des Handelsvertretervertragsverhältnisses zu beginnen. Auch darin sah das Oberlandesgericht keinen Verstoß.

Etwas anderes würde nur dann gelten, so das OLG, wenn sich die Ankündigung und Werbung des Handelsvertreters nicht auf diese Vorbereitungshandlung beschränkt, sondern zum Beispiel bereits mit einer Hilfeleistung oder Unterstützung des Konkurrenten oder seines Produkts oder seiner Leistung verbunden ist. Dies wäre dann ein Wettbewerbsverstoß. Doch auch dies sah das OLG in diesem Fall nicht als Verstoß an. Schließlich hatte, so das OLG, der Versicherungsvertreter nicht bereits Leistungen eines anderen Versicherers angeboten oder vorgestellt. Er hatte auch nicht die Leistungen eines Konkurrenten gelobt oder mit denjenigen des Versicherungsunternehmens verglichen.

Das Rundschreiben wurde jeder Hinsicht vom OLG für rechtmäßig bzw. zulässig erklärt.

Oberlandesgericht Düsseldorf vom 26.3.2004 Aktenzeichen I-16 U 64/03

Es wird jedoch dringend geraten, sich anwaltlichen Rat einzuholen, bevor ein solches o. ä. Rundschreiben verfasst und versendet wird.

Handelsvertreter wurde per Urteil zum Arbeitnehmer

Das Sozialgericht Frankfurt am Main hatte mit Urteil vom 08.03.2021 – S 18 BA 93/18 darüber zu entscheiden, ob es sich bei einem als „selbstständig“ beschäftigten Vertriebler einer Bank nicht tatsächlich um einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer handelt.

Geklagt hatte die Deutsche Bank gegen einen Bescheid der Sozialversicherung, die einen Handelsvertreter zum Arbeitnehmer qualifizierte. Die Deutsche Bank hatte einen Finanzberater im Vertrieb beschäftigt, über dessen Status es Streit gab.

Inhaltlich befasst sich die Klage mit der Feststellung einer möglichen Versicherungspflicht des Beigeladenen in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie dem Recht der Arbeitsförderung.

In einem Verfahren vor dem Sozialgericht ist der Beigeladene ein Dritter, eine Person die weder Kläger noch Beklagter ist und nach § 75 SGG im Gerichtsverfahren beteiligt wird.

Klägerin ist eine Bank, für die der Beigeladene als Vertriebler von 2013 bis 2016 tätig war. Diese beantragt mittels Klage gegen das Finanzamt (vorliegend die Beklagte) eine Sozialversicherungspflicht für den Beigeladenen als „Handelsvertreter“ ablehnend festzustellen.

Grundsätzlich trifft die Versicherungspflicht jeden gegen Arbeitsentgelt Beschäftigten. Eine solche Beschäftigung verlangt nach persönlicher Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber, die sich durch betriebliche Eingliederung sowie durch zumeist starre Vorgaben bezüglich Zeit, Dauer, Ort, Art und Ausführung der Arbeit auszeichnet.

Hiervon ist ein „Handelsvertreter“ nach § 84 Abs. 1 HGB abzugrenzen. Nach dieser Norm handelt es sich bei einem Handelsvertreter um einen selbstständigen Gewerbetreibenden, dessen Selbstständigkeit sich in der freien Ausgestaltung seiner Tätigkeit und Arbeitszeit charakterisiert. Ein Handelsvertreter nach § 84 Abs. 1 HGB ist grundsätzlich nicht versicherungspflichtig.

Das Sozialgericht Frankfurt am Main hatte nun zu entscheiden, ob es sich bei dem Vertriebler der Bank um einen selbstständigen Handelsvertreter gemäß § 84 Abs. 1 HGB handelt oder lediglich eine „Scheinselbständigkeit“ des Beigeladenen vorliegt, dieser tatsächlich aber als abhängig Beschäftigter der Versicherungspflicht unterliegt.

Der Beigeladene hat 2013 einen „Handelsvertretervertrag“ unterschrieben, nach dem er sich als Handelsvertreter i.S.d. § 84 Abs. 1 HGB verpflichtete, Finanzprodukte ausschließlich an und über die Bank zu vermitteln. Für seine Tätigkeit wurde der Beigeladene in die Organisation der Klägerin als einzige Auftraggeberin über einen mehrjährigen Zeitraum eingebunden. 

Der Vertriebler übernahm hierfür eine festgelegte Räumlichkeit und hatte sich in den Kundengesprächen an die Weisungen der Bank zu halten. Dem Beigeladenen wurden sämtliche notwendige Betriebsmittel von der Klägerin zur Verfügung gestellt und er hatte sich an die Öffnungszeiten der Bank zu halten. Der Vertriebler arbeitete auf Provisionsbasis eng mit festangestellten Arbeitnehmern der Bank zusammen und musste auf die Anstellung von eigenen Erfüllungsgehilfen verzichten. Es bestanden Berichtspflichten gegenüber dem Regionalleiter bezüglich der geschäftlichen Entwicklung. Des Weiteren wurde es ihm angeraten, Fort- und Weiterbildungen für die Angestellten der Bank zu besuchen, auch wenn ihm laut Aussage der Bank bei einem Nichtbesuch keine negativen Folgen gedroht hätten.

Das Sozialgericht wies die Klage der Bank als unbegründet ab.

Der Beigeladene verübte seine Tätigkeit lediglich scheinbar selbstständig, ist aber tatsächlich in Abhängigkeit zu der Klägerin und somit ein versicherungspflichtiger Beschäftigter gewesen. 

Für diese „Scheinselbständigkeit“ als Handelsvertreter der Bank sprechen sowohl die starke Einbindung des Beigeladenen in die hierarchischen Strukturen der Bank, das Auftreten im Außenverhältnis als Teil der Klägerin durch die Verwendung von bankeigener Soft- und Hardware, als auch die Weisungsgebundenheit und die Einbindung in die Organisation der Bank im Innenverhältnis. Die wörtliche Bezeichnung des Beigeladenen als  Handelsvertreter i.S.d. § 84 Abs. 1 HGB in dem von ihm unterschriebenen Handelsvertretervertrag kann aufgrund der tatsächlichen Gesamtbetrachtung der Tätigkeit dahinstehen: durch die stark begrenzende Ausgestaltung der Arbeitsanweisungen und dem daraus resultierenden Fehlen an Gestaltungsmöglichkeiten seiner eigenen Tätigkeit sowie mangelndem unternehmerischem Risiko, hat die Beschäftigung des Beigeladenen keinen selbstständigen, sondern einen von der Klägerin abhängigen Charakter.

Bei dem Beigeladenen, dem Vertriebler, handelt es sich um einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer der Bank.

Ob das Urteil rechtskräftig ist, ist nicht bekannt.