Der Doktorvater der DVAG ist tot – Mein ganz persönlicher Nachruf

Der Doktor ist tot. Ich habe ihn nie persönlich kennengelernt.

Pohl- der Jurist

Voller Ehrfurcht wurde er von seinen Anhängern einfach nur Doktor genannt. Für mich war er einfach nur promovierter Jurist, ein Berufskollege fast, der sich nach der Promotion für einen anderen als den herkömmlichen Lebensweg entschied. Für andere war er der Gottvater des Finanzvertriebes  DVAG.

Pohl – der Doktor

Etwa 700 Vermögensberater habe ich im Laufe der Zeit vertreten und begleitet. Sie haben in mir einen an Widersprüchen kaum zu überbietenden Bild entstehen lassen. Viele sprachen voller Respekt, aber von voller gefühlter Menschlichkeit, wenn sie von ihrem Doktor erzählten. Viele waren stolz, ihn persönlich kennengelernt zu haben. Und sie kannten noch genau die Worte, die Ihnen der Doktor zusagte. So oft hörte ich die Worte: „Wenn es mal ein Problem gibt, können Sie sich gern an mich wenden“.

Und man war begeistert von der Art des Doktors, wie er sich für die Person seines Gesprächsteilnehmers interessierte. Auch wenn er dem einen oder anderen lange Zeit nicht begegnet ist, wusste er dessen Namen und konnte sich noch an Einzelheiten des Vorgespräches erinnern. In Anbetracht von 37000 Mitarbeitern war dies eine für mich kaum nachvollziehbare  Leistung.

Pohl – der Gottvater der Vermögensberater

Dennoch war auch die Wirkung für mich nicht mehr verständlich. Es war mehr als nur Respekt, die man dem Dok entgegenbrachte. Es war in meinen Augen für viele Vermögensberater etwas zwischen Vaterfigur und Pathos.

Ein Vermögensberater berichtete mir einmal nach einer Portugal-Incentive-Reise, dass auch der Dok dort in dem Villa Vita Hotel gerade übernachtet hatte und das Schlafzimmer, in dem er geschlafen haben soll, halb geöffnet blieb und manch ein Vermögensberater fast andächtig in dieses Zimmer hineinblickte. Ich empfand diese Schilderung als so besonders, dass ich sie jahrelang nicht vergessen hatte.

Pohl war für viele mehr als nur Chef. Vielleicht wünschte man sich ihn gar nicht als Vorgesetzten, sondern eher als „Ansprechpartner für alle Fälle“. Viele Vermögensberater, die bei mir anriefen, fühlten sich zu Unrecht behandelt.  Dies liegt natürlich ein Stück weit in der Natur meines Berufes. Viele hatten massive Existenzängste, einige waren bereits gescheitert. In dieser Phase klagten einige darüber, von der DVAG allein gelassen zu werden. Viele sagten mir, dass sie sicher wären, wenn der Dok dies wüsste, würde ihnen geholfen werden. Diesen Glauben hatten einige sehr lange Zeit.

Für mich war dies nichts weiter als ein großes Stückchen Realitätsverlust. Was hatte man sich vorgestellt in der Finanzdienstleistung? Selbstverständlich geht es bei der DVAG, wie bei anderen Vertrieben und Unternehmen der Branche auch, um Geschäfte – private Probleme der Mitarbeiter sind da nachrangig. Viele Vermögensberater taten sich schwer damit, dies für den Dok nachzuvollziehen. Viele brauchten einige Zeit, um dies wahrzuhaben.

Pohl verfügte offensichtlich über eine gewisse Aura – man kann es auch Magie nennen – andere in seinen Bann zu ziehen. Diese Fähigkeit war für den Ausbau der DVAG sicher von großem Nutzen. Er konnte seine Mitarbeiter nicht nur motivieren, sondern auch verführen.

Pohl – der Fuchs

Schlau und listig ist das Fabeltier Fuchs. Der Dok verstand es, andere für sich einzunehmen. Seine Idee, den Vermögensberater und die Allfinanz ins Leben zu rufen, hat er erfolgreich umgesetzt. Er schuf ein Vermögen von 2,85 Milliarden Euro an. So stehts in Wikipedia.

Die Idee Allfinanz ist im Vermögensberatervertrag verankert. Diesen ließ der Dok juristisch brillant umsetzen. Er beschreibt zwei Aufgaben des Vermögensberaters: Er soll Finanzdienstleistungsverträge vermitteln und er soll Vermögensberater anwerben. Für beides bekommt er Provisionen. Wenn ein angeworbener Vermögensberater seinerseits Mitarbeiter akquiriert, steigt der „alte“ in der Struktur auf. Er profitiert von der gesamten Struktur, die sich unter ihm aufgebaut hat.

Diese Struktur-Idee hat einige Fallstricke: Sie schafft ein künstlich geschaffenes Gefüge der Vermögensberater untereinander. Der in der Struktur aufgestiegene Vermögensberater wird gar teilweise von den Erfolgen seiner unteren abhängig. Rechtlich verbunden ist er mit diesen jedoch nicht. So „fühlt“ manch ein Vermögensberater seinen Betreuer als Vorgesetzten, der es aber rechtlich gar nicht ist.

Es gibt Strukturen, deren Mitarbeiter sich gegenseitig unterstützen. So ist es vorgesehen. Ärger entsteht dann, wenn Neid und Missgunst in der Struktur entstehen. Da die Erfolge der Vermögensberater bis vor Kurzem für die Berufskollegen transparent war, war Ärger mitunter vorprogrammiert. Der Ärger in der so geschaffenen Struktur wird, da die Vermögensberater oft eng zusammenarbeiten und sich gut kennen, eben manchmal auch persönlich ausgetragen.

Wer geht, macht sich unbeliebt. Wegen dieser persönlichen Ebene werden aus Freunden schnell Feinde. Kommt jemand dann auf die Idee, aufzuhören, wirkt sich dies zu allem Überfluss  unmittelbar auf das Einkommen des Betreuers aus. Aus privaten Feinden werden dann berufliche Gegner, wenn man sich noch um die Kunden streitet.

Der Vermögensberatervertrag beinhaltet Kündigungsfristen bis zu 4 Jahren. Wer sich mit der DVAG binden will, sollte nicht nur die Kündigungsfristen genau beachten. Spontane Berufswechsel sind, wenn die DVAG sich auf den Bestand des Vertrages beruft, dann nicht möglich. Zugleich sollte der abwanderungswillige Vermögensberater den Vermögensberatervertrag prüfen. Dann wird er darauf stoßen, dass Provisionen zunächst vorschüssig ausgezahlt werden. Und diese Vorschusszahlung entfällt, so steht es im Vertrag, spätestens mit Ende des Vertrages. Mitunter kommt man auf die Idee, dass es schon mit Ausspruch der Kündigung keine Vorschüsse mehr gibt.

Im Klartext heißt dies: Der Vermögensberater darf mitunter noch lange arbeiten, und muss befürchten, dass sein Einkommen in dieser Zeit drastisch, wenn nicht sogar auf null, reduziert wird.

Ein Ausstieg ist dann nur erschwert möglich. Ein Institut, das sich mit der DVAG befasst hatte, sprach sogar vor Jahren von einem Berufsverbot.

Vermögensberater, die aussteigen wollen, wird es immer geben. Vor allem in Zeiten, in denen sich Finanzdienstleistungen konjunkturbedingt nicht gut verkaufen lassen. Auch spielt es eine Rolle, wenn ein Allfinanzangebot nur eine beschränkte Anbieterauswahl zulässt und  diese Auswahl teilweise bei den Kunden auf Kritik stößt. So beichtete mir manch ein Vermögensberater, dass er Krankenversicherungen zurzeit schon gar nicht anbieten würde und er bei Kunden in der Kritik stehe, weil er über die Gefahr einer zwangsweise Schließung eines Fonds nicht informiert habe.

Und will man gehen und sich deshalb beruflich anderweitig orientieren, bleibt da noch die Angst vor den oben beschriebenen Folgen. Diese Umstände trieben den einen oder anderen in die Verzweiflung und manch einen haben die existenziellen Ängste krank gemacht.