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2016Brexit in der Finanzberatung
Großbritannien hat bereits ihren eigenen Brexit in der Finanzberatung vollzogen. Statt in kleinen Schritten eine Reform des verkrusteten Systems durchzuführen, hat man Qualitätsstandards erheblich angehoben und die Zahlung heimlicher Provisionen von den Versicherern untersagt. Viele Versicherungsvermittler warfen daraufhin das Handtuch. Es entstanden Beratungslücken. Tatsächlich gibt es übrigens in England nicht das „Provisionsverbot“, wie es gemeinhin immer wieder behauptet wird. Verboten ist nur, dass Provisionen der Produktanbieter an Finanzberater und Makler gezahlt werden. Es soll also nur noch Nettotarife geben. Die britische Finanzaufsicht Financial Services Authority (FSA) hatte hohe Qualitätsstandards und die vollständige Offenlegung der Kosten eingeführt. Eine „alte-Hasen-Regelung“, wie es sie hier gab, gab es in GBR nicht.
Das Investment.com zitiert Standard-live-Manager Christian Nuschele, der meint, dass wegen des Provisionsverbotes in Großbritannien die Zahl der dortigen Finanzberater von 280.000 auf 35.000 zurückgegangen sei und deshalb nur noch 7 bis 10 % der Haushalte eine Finanzberatung bekommen.
Dr. Helge Lach, Autor des DVAG-Werbeblogs, schließt daraus, dass Provisionsverbote und obligatorische Honorarberatung gerade Menschen mit mittleren und niedrigen Einkommen die Chance auf Beratung nehmen. Er schreibt von fatalen Folgen.
Ist das wirklich so?
Oder wird hier der Bock zum Gärtner gemacht? Reformen waren notwendig. Früher gab es schlechte Beratung. In England gibt es heute teilweise keine. Es darf lange darüber nachgedacht werden, was besser ist.
Wir erinnern uns hier an eine Studie aus dem Jahre 2008 im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, durchgeführt durch Evers und Jung. Dort wurde eine erschreckende Qualität der Beratungsleistung der Finanz- und Versicherungsvermittler festgestellt. 50 bis 80 % aller Langfristanlagen wurden mit Verlust vorzeitig abgebrochen und der gesamte Vermögensschaden aufgrund mangelhafter Finanzberatung auf 20 bis 30 Milliarden Euro geschätzt.
Es ist also eine Milchmädchenrechnung, wenn allein Provisionsverbot dafür verantwortlich gemacht werden sollen, dass es in England keine Beratung mehr gäbe. Die Ursache für Reglementierung ist allein in den Schlechtberatungen zu sehen. Erste zaghafte Anforderungen an eine Mindestqualifikation der Berater gab es hier übrigens erst seit 2007. Davor durfte jeder beraten – auch ohne einen Hauch Vorwissen.
Damit ist klar: Im Bereich der Finanzberatung mussten und müssen wesentliche Änderungen erfolgen. Nur eine gute Schulung und gute Ausbildungsqualitäten und Transparenz bei den Honoraren können eine hohe Qualität bei der Beratung gewährleisten.
Die Entwicklung in England zeigt deutlich: Das bisherige System war diesen schnellen Anforderungen in keiner Weise gewachsen. Eine Anpassung ist sicher erforderlich, ohne sich aber vor Augen zu halten, dass eigentlich der richtige Weg eingeschlagen wurde.