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Am 14.01.025 berichtete der Handelsvertreterblog über die grundsätzliche Bemühenspflicht eines Handelsvertreters bis zum Ende des Vertrages.
Nun urteilte das Landgericht Frankfurt, ob ein Verstoß gegen diese Bemühenspflicht eine Abmahnung rechtfertigen kann und wenig später eine fristlose Kündigung. Das Landgericht meinte, der Grund für die Kündigung sei mit der Abmahnung verbraucht.
Mit Urteil vom 09.07.2024 urteilte das Landgericht Frankfurt, dass eine fristlose Kündigung eines Vermögensberaters durch die DVAG unwirksam sei und dass diese zum Schadensersatz verpflichtet ist.
Nach der Übernahme der DVAG des Außendienstes der Generali schloss der Vermögensberater einen Vertrag mit der DVAG-Allfinanz.
Die DVAG warf dem Vermögensberater vor, er würde zu wenig Neugeschäft schreiben. Tatsächlich lag das Neugeschäft im Verhältnis zur Einstufung über einen Zeitraum von zwölf Monaten darunter. Außerdem soll sich der Bestand reduziert haben.
Deshalb wurde der Vermögensberater abgemahnt und aufgefordert, seine Bemühensverpflichtungen zur Vermittlung von Geschäften wieder nachzukommen.
Außerdem wurde er aufgefordert, über seine letzten Bemühungen Auskunft zu erteilen und für die Zukunft wöchentliche Kundenbesuchsberichte anzufertigen.
Der Vermögensberater kam diesem Verlangen zunächst nach. Er erzielte eine Umsatzsteigerung, berichtete über zurückliegende Vermittlungsbemühungen und reichte Kundenbesuchsberichte ein.
In Hinblick auf den Bericht über die zurückliegenden Vermittlungsbemühungen wurden dann im Laufe eines Monats immer neue Anforderungen gestellt. Während zunächst lediglich nach der Anzahl der zeitlich zurückliegenden Kundenbesuche gefragt wurde, wurde dann im Laufe weniger Wochen nach den konkreten Namen der Kunden gefragt.
Auch in Hinblick auf die aktuellen Kundenbesuchsberichte gab es im Laufe einiger Wochen geänderte Anforderungen an den Inhalt.
Deshalb verlangte der Vermögensberater eine verbindliche Konkretisierung.
Sodann wurde dem Vermögensberater fristlos, hilfsweise fristgemäß, gekündigt.
Das Landgericht meint, die fristlose Kündigung sei unwirksam. Die dem Vermögensberater vorgeworfene fehlende Bemühenspflicht hätte bereits in die Abmahnung gemündet. Die Umstände, die zur Abmahnung führen, können aber nicht zugleich die Kündigung begründen. Der Kündigungsgrund sei durch die Abmahnung insoweit verbraucht.
In Hinblick auf die Berichte meinte das Gericht außerdem, einem Vertrieb stände es nicht zu, einen Bericht über vergangene Dinge zu verlangen. Schließlich könne man an der Vergangenheit nichts mehr ändern.
Die rückwirkenden Angaben wären für den Vertrieb unter keinem Blickwinkel hilfreich gewesen, so das Gericht.
Auch wenn der Vermögensberater nicht alle Kundenbesuchsberichte, wie verlangt, abgegeben hätte, sondern etwas weniger, würde dies eine fristlose Kündigung nicht rechtfertigen.
Gegen diese Entscheidung wurde Berufung eingelegt. Das Urteil ist also noch nicht rechtskräftig.
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11 Jahre liegt es nunmehr zurück, als sich der Vermögensberater entschied, die DVAG zu verlassen.
Der Verfasser dieses Berichtes durfte den Vermögensberater bei seinem Ausstieg begleiten. Kritik wurde von dem damaligen Vermögensberater laut, weil er nicht mehr hinter den Produkten der DVAG stand und weil man als freier Versicherungsmakler mehr Provisionen verdienen können.
Der ehemalige Vermögensberater kündigte den Vermögensberatervertrag fristgemäß und arbeitete bis zum Vertragsende für die DVAG und an seiner Zukunft.
Es folgten zunächst Prozesse mit der Folge, dass ein Provisionsrückstand ausgeglichen werden sollte.
Diese Verfahren waren rasch beendet. Der ehemalige Vermögensberater wurde Versicherungsmakler.
Nunmehr nach 11 Jahren gab es wieder einen Kontakt zwischen dem Aussteiger und seinem damaligen Prozessvertreter. Natürlich wurde der Aussteiger gefragt, ob er den Schritt bereue, die DVAG verlassen zu haben.
Dies wurde ausdrücklich verneint. Stattdessen sagte der Aussteiger, er sei jetzt viel zufriedener, könne die Kunden als seine eigenen betrachten und würde zudem viel mehr Provisionen verdienen. Während er früher nur ein paar hundert Kunden hatte, konnte er diese Zahl mehr als verdreifachen.
Nach 11 Jahren konnte er das Fazit ziehen, dass sich der Ausstieg in jeder Hinsicht gelohnt hat.
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Handelsvertretern, auch denen, die den Versicherungskonzernen großen Umsatz bescheren, erhalten für Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterbereich keinen Rechtsschutz. Egal, ob es um Provisionen, Kündigungen, Abmahnungen oder Ausgleichsansprüche geht, gibt es immer wieder die Ablehnung von Rechtschutzversicherern.
Hoffnung keimte auf, weil es jetzt eine etwa 30 Jahre alte Police bei der Deurag mit dem Zusatz KombiRS für Handelsvertreter gab. Doch auch hier kam eine Ablehnung mit dem Verweis auf die ARB.
Rechtsschutzversicherungen für Handelsvertreter werden allerdings teilweise über Berufsverbände angeboten.
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Der Handelsvertertervertrag wurde gekündigt. Die Motivation des Vermögensberaters soll danach auf Null gesunken sein.
Nun entschied das Oberlandesgericht Köln am 22.09.2023 unter dem Az 19 U 150/22, dass ein Handelsvertreter sich bis zum Ende des Handelsvertretervertrages zu bemühen hat, eben auch in der Kündigungsphase. Bemüht er sich nicht, macht er sich ggf. schadenersatzpflichtig. Dies gilt auch, wenn der Handelsvertreter nur nebenberuflich tätig war.
Das Oberlandesgericht begründete dies in etwa so:
Bemüht sich ein Handelsvertreter nach der Vertragskündigung nur unzureichend um neue Geschäftsabschlüsse, so haftet er wegen Verletzung seiner Pflicht aus § 86 I 1 HGB auf Schadensersatz.
Im zugrundeliegenden Sachverhalt hatte ein im Nebenberuf tätiger Handelsvertreter seinen Vertretervertrag mit seinem Geschäftsherrn, der OVB Vermögensberatung, gekündigt. Bereits unmittelbar nach der Kündigung weigerte er sich aus Sicht der Klägerin, weiterhin zur Absatzförderung der Produkte seines ehemaligen Auftraggebers beizutragen. Dies führte zum Rechtsstreit.
Das klagende Finanzdienstleistungsunternehmen meinte, dass der Umsatz des Handelsvertreters nach seiner Kündigung vom 01.08.2020 erheblich eingebrochen sei, was auf eine unzureichende Ausübung seiner Pflichten zurückzuführen sei.
Das OLG Köln entschied zugunsten des Unternehmens und sprach dem Unternehmen einen Schadensersatzanspruch gegen den ehemaligen Handelsvertreter zu. Dem Handelsvertreter obliege zwar keine Abschlusspflicht, sondern nur eine Bemühenspflicht. Den signifikanten Umsatzeinbruch im Vergleich zu den Vorjahren hatte das Gericht aber als Verletzung dieser Pflichten angesehen.
Der Handelsvertreter hätte demnach im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast konkrete Umstände vorbringen müssen, die den Umsatzrückgang erklären. Ein Verweis auf die Corona-Pandemie würde nicht ausreichen.
Auch die Vermittlung um Schulungen und die Rettung notleidender Verträge wollte das Gericht nicht genügen lassen. Vorgehalten wurde dem Handelsvertreter, dass er nur 13 Kundenbesuche getätigt habe.
Die Bemühenspflicht des Handelsvertreters ende nicht automatisch mit der Kündigung, meint das OLG Köln. Vielmehr gelte die Absatzförderungspflicht auch in der Zeit zwischen Kündigungserklärung und Wirksamwerden der Kündigung, d.h. in der Schwebezeit zwischen erklärter Kündigung und Vertragsende, fort. Das gilt für Handelsvertreter gemäß § 86 I 1 HGB
Die Höhe des Schadensersatzanspruchs konnte jedoch nicht allein auf Grundlage der Umsatzdifferenz zwischen den Vergleichszeiträumen der Vorjahre und der Zeit nach der Kündigung geschätzt werden. Das OLG berücksichtigte eine Schwankungsbreite von 30% bei der Schadensschätzung, da bei Feststellung einer Pflichtverletzung nicht jede Abweichung beim Vermittlungserfolg zwangsläufig einen Schaden des Unternehmens darstelle.
Das Urteil des OLG Köln unterstreicht, dass ein Handelsvertreter „bis zum bitteren Ende“ tätig bleiben muss. Es ist zu empfehlen, die einzelnen Tätigkeiten zu dokumentieren, so dass man belegen kann, dass man sich bemüht hat.
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Der Handelsvertreterblog wünscht allen Lesern ein provisionsreiches 2025 bei bester Zufriedenheit und Gesundheit!