Komplexe Entscheidung des OLG Stuttgart

Am 01.04.2014 entschied das Oberlandesgericht Stuttgart, dass eine Berufung eines Vertriebs zurückgewiesen wird. Die Parteien stritten um Auskunftsansprüche im Zusammenhang mit einem Handelsvertretervertrag, um die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung und das Bestehen eines Wettbewerbsverbotes. Gegenstand einer Widerklage waren Provisionsansprüche des Beklagten sowie das Verlangen eines Buchauszuges.

Die Klägerin ist eine Vertriebsorganisation, zu der bundesweit ca. 37.000 haupt- und nebenberufliche Handelsvertreter angehören.

Die Klägerin forderte den Beklagten auf, umfassend über seine Tätigkeit als Handelsvertreter Auskunft zu erteilen. Es bestand der Verdacht, der Beklagte sei für ein Konkurrenzunternehmen tätig, sodann kündigte der Vermögensberater den Vertrag ordentlich. Nach Zugang der Kündigung wurde das Provisionskonto gesperrt, sodass der Beklagte keine Provisionszahlungen mehr erhielt.

Sodann kündigte der Vermögensberater fristlos.

Vorgeworfen wurde dem Berater, er sei an einem Flughafen angetroffen worden und er hätte an einer Incentive-Reise eines Konkurrenzunternehmens, der Firma Finance-Plan+ Finanz-und Versicherungsmakler GmbH teilgenommen.

Sodann beantragte der Vertrieb, zu entscheiden, dass der Beklagte Auskunft geben müsse, die fristlose Kündigung unwirksam sei und er zum Schadensersatz verpflichtet sei.

Der Beklagte beantragte widerklagend den Buchauszug und auf der zweiten Stufe Provisionen. Das Landgericht hatte bereits die Klage abgewiesen und der Widerklage auf Erteilung eines Buchauszuges stattgegeben.

Dem schloss sich das Oberlandesgericht an.

Das Oberlandesgericht meinte zwar, dass eine Nachrichtpflicht des Handelsvertreters grundsätzlich gegeben sei. Es bestehe auch eine Berichtspflicht. In diesem Fall gelte diese jedoch nicht.

Schließlich umfasse diese nicht die erfolglosen Bemühungen des Handelsvertreters. Geht man davon aus, dass der Handelsvertreter jedenfalls bei begründetem Anlass auch Auskunft über den Stand seiner Bemühungen sowie die Aussicht auf Geschäftsabschlüsse zu erteilen hat, so ist der Handelsvertreter doch nicht gehalten, über jeden seiner Schritte und Besuche Bericht zu erstatten (vgl. Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 03.03.1971, 2 U 63/70).

Insofern würden die von der Klägerin geltend gemachten Auskünfte ersichtlich zu weit gehen.

Offen bleiben könne, ob die Auskunftspflicht auf den Vorfall am Flughafen gestützt werden kann. Da der Vorwurf, für ein anderes Unternehmen tätig zu sein, vom Beklagten bereits schriftlich zurückgewiesen wurde, wurde die Frage nach einer aktuell bestehenden Konkurrenztätigkeit hinreichend beantwortet und der Auskunftsanspruch erfüllt.

Nicht beantwortet wurde hingegen die Frage, ob der Beklagte den Wechsel zu einem anderen Unternehmen plane. Eine Mitteilungspflicht des Handelsvertreters bestehe nach Ansicht des Gerichts allerdings nicht, wenn dieser eine erlaubte Konkurrenztätigkeit nach Vertragsende aufnehmen will. Eine solche Frage müsse der Beklagte daher nicht beantworten.

Die weiteren Anträge seien deshalb unbegründet, weil die fristlose Kündigung des Beklagten wirksam war und das Vertragsverhältnis beendet war. Außerdem habe sich der Beklagte vom Wettbewerbsverbot so losgeseilt. Dies ist auch wirksam.

Fristlose Kündigungsgründe lagen vor. Eine solche bestehe darin, dass nach Zugang der ordentlichen Kündigung der Zugang zum EDV Netzwerk und der Mail Account gesperrt wurde. Außerdem gab es eine Provisionssperre, d.h. die vertraglich vorgesehene Vorfinanzierung wurde eingestellt. Dies stelle Vertragsverletzungen dar.

Im Übrigen habe der Vertrieb versprochen, das EDV Netzwerk kostenlos zur Verfügung zu stellen.

Eine Abmahnung war vor Ausspruch der Kündigung ausnahmsweise nicht erforderlich. Insofern komme auf den bestrittenen Zugang der Abmahnung nicht an. Nach einer Gesamtschau aller Umstände war nämlich hier die Abmahnung entbehrlich. Das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien war bereits vor Ausspruch der ordentlichen Kündigung gestört, was sich in dem Auskunftsverlangen ausdrückt. Es war nicht zu erwarten, dass die Abmahnung den Vertrieb zu einem Einlenken bewegt hätte. Deshalb ist die außerordentliche Kündigung des Beklagten wirksam.

Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot wurde insgesamt vom Gericht für unwirksam erklärt. Schließlich handele es sich bei den Klauseln im Vertag um Allgemeine Geschäftsbedingungen gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Ein entschädigungsloses nachvertragliches Wettbewerbsverbot weiche vom  wesentlichen Grundgedanken des § 90 a Abs. 1 Satz 3 HGB ab, der gerade eine Entschädigungspflicht normiert, so das seine unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 HGB anzunehmen ist.

Der Vertrieb wurde jedoch gemäß § 87 c Abs. 2 HGB zur Erteilung des Buchauszuges verurteilt. Ein Saldoanerkenntnis liege im Übrigen auch nicht vor. Im Übrigen wäre ein solches Anerkenntnis wegen Verstoßes gegen § 87 c HGB unwirksam (Bundesgerichtshof Urteil vom 20.09.2006 Aktenzeichen VIII ZR 190/05).

Das Urteil des Oberlandesgerichts hatte einen Umfang von 35 Seiten. Der Rechtsstreit ist nunmehr an das Landgericht zurückgegeben, damit der Berater seine Provisionsansprüche errechnen kann.