Beweislast bei der Frage der Rechtswegzuständigkeit

Das Arbeitsgericht ist auch bei Handelsvertretern teilweise zuständig. Dafür darf ein Handelsvertreter in den letzten 6 Monaten des Vertrages nicht mehr als 1000 € Provisionen im Durchschnitt monatlich verdient haben. Wie aber sind Provisionsvorschüsse zu bewerten?

Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes mit Beschluss von 21.10.2015 unter dem Aktenzeichen VII ZB 8/15 sind Feststellungen zur während der letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses im Monatsdurchschnitt bezogenen Vergütung zu treffen.

Bei dieser Entscheidung des BGH ging es um eine Versicherungsvertreterin. Der BGH führt dazu aus: „Sollte die Summe der der Versicherungsvertreterin in den letzten sechs Monaten des Vertragsverhältnisses gezahlten Provisionsvorschüsse, die nachträglich durch unbedingt entstandene Provisionsansprüche gedeckt werden, den Betrag von 6.000 € übersteigen, so wird er sich gegebenenfalls mit den nach vorgenommenen Stornierungen zu befassen haben. (…) Sind in den letzten sechs Monaten vor Beendigung des Vertragsverhältnisses entstandene Provisionsansprüche oder in diesem Zeitraum bezahlte Provisionsvorschüsse, die nachträglich durch unbedingt entstandene Provisionsansprüche gedeckt werden, nachträglich wieder entfallen, so können die darauf geleisteten Zahlungen nicht mehr als Vergütung im Sinne des § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG angesehen werden.

Der Kläger hat nach Auffassung des BGH für die Begründung der Rechtswegzuständigkeit maßgebenden Tatsachen zu beweisen, sofern der Beklagte diese bestreitet (BGH Beschluss vom 27.10.2009 – VIII ZB 42/08).

Axa muss Stornorückstellung auszahlen

Das Amtsgericht Elmshorn verurteilte am 30.05.2024 die AXA Krankenversicherung AG zur Auszahlung einer Stornorückstellung. Vorausgegangen war ein Versäumnisurteil gegen die AXA, dass mit diesem Urteil nunmehr bestätigt wurde.

Vertraglich war vereinbart, dass der Handelsvertreter Provisionen zurückzahlen muss, wenn der Kunde Beiträge nicht leistet. Zur entsprechenden Absicherung dieser Rückzahlungsansprüche wurde ein Stornoreservekonto gebildet, auf das 10 % der bevorschussten Provisionszahlungen gutgeschrieben wurden.

Am 18.01.2018 errechnete die AXA hier ein Guthaben.

Diese Abrechnung erweise sich nach der Auffassung des Gerichts als abstraktes Schuldanerkenntnis entsprechend des Urteils des BGH vom 07.02.1990 unter dem Az.: IV ZR 314/88.

Im Zeitpunkt der Abrechnung war der Anspruch noch nicht fällig. Der Sicherungszweck ist jedoch nunmehr weggefallen. Unstreitig hat es ein Diskontrisiko nicht mehr gegeben.

Der Zahlungsanspruch ist auch nicht erloschen. Entsprechendes hat die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte auch nicht ausreichend vorgetragen, so das Gericht.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

Höhe des Ausgleichsanspruchs darf geschätzt werden

Am 25.06.2010 entschied das Oberlandesgericht Düsseldorf, dass die Berechnung des Ausgleichsanspruches gemäß § 89 b HGB grundsätzlich im Wege einer Prognose vorgenommen werden kann. Es sind die Provisionen zu berücksichtigen, die der Handelsvertreter mit den von ihm geworbenen (Stamm-) Kunden im letzten Vertragsjahr erzielt hat, über die zu erwartenden Verlust nach Vertragsende über einen bestimmten Zeitraum vorgenommen werden.

§ 89 b Abs. 1 HGB wurde kürzlich geändert. Der Europäische Gerichtshof verlangte, dass die Begrenzung des Ausgleichsanspruches auf die vertraglichen Provisionsverluste nicht zulässig sei. Dies berücksichtigt der Deutsche Gesetzgeber in der nunmehr geänderten Fassung des § 89 b Abs. 1 HGB, wonach als Voraussetzung für einen Ausgleichsanspruch der nachvertragliche Unternehmensvorteil unverändert bestehen bleibt.

In den Fällen, in denen der Handelsvertreter früher keinen Ausgleich erhielt (z.B. wenn er nur eine Einmal-Provision erhalten hatte) sind nunmehr Ausgleichsansprüche nicht von vornherein ausgeschlossen, wenn der Unternehmer oft über Jahre hinweg von dem Abschluss solcher Verträge erhebliche Vorteile erzielt. Hier besteht Hoffnung, dass solche Ausgleichsansprüche in Zukunft zur Auszahlung kommen.

Zu bedenken ist jedoch, dass der BGH am 29.03.1990 entschieden hatte, dass gemäß § 287 ZPO eine tatrichterliche Schätzung vorgenommen werden darf, als dass die dem Unternehmer nach Beendigung des Vertragsverhältnisses verbleibenden Vorteile aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, der Höhe nach identisch sind mit den Provisionsverlusten, den der Handelsvertreter in Folge der Beendigung des Vertragsverhältnisses erleidet. Sollte der BGH diese Rechtsprechung aufrechterhalten und weiterhin diese Berechnung als Grundlage heranziehen, könnte dies dazu führen, dass trotz der geänderten Gesetzeslage im Ergebnis keine neuen Entscheidungen zu erwarten sind.

Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 25.06.2010 – Aktenzeichen I – 16 U 191/09
BGH-Urteil vom 29.03.1990 – Aktenzeichen I ZR 2/98 – in WM 1990, 1496

Er war nie weg

Göker macht von sich reden, wieder und wie immer. Weg war er nie.

MEG-Göker hier im ZDF.

https://www.zdf.de/dokumentation/die-spur/mehmet-goeker-undercover-krankenversicherung-dubai-100.html

Provisionsverzichtsklausel unwirksam

Die bekannte Klausel in Handelsvertreterverträgen:

„Mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses ist jeder Anspruch des Vertreters gegen die Gesellschaft auf Provisionen und sonstige Vergütungen erloschen. Ausgenommen hiervon seien Ansprüche gemäß § 87 Abs. 3 HGB und § 89b HGB.“ … ist vom Oberlandesgericht Düsseldorf für unwirksam erklärt worden.

Stattdessen gilt die gesetzliche Regelung.

Angefangen hat alles mit einem einfachen Buchauszug, den der Handelsvertreter verlangt. Der Vertrieb wollte sich nicht die Arbeit machen und ließ sich auf Erteilung des Buchauszuges verklagen.

Der Vertrieb wandte ein, der Handelsvertreter (eigentlich war es eine Handelsvertreterin) bräuchte den Buchauszug nicht. Schließlich sei ja gemäß der oben genannten Formulierung ausgeschlossen, dass es noch Provisionen gibt.

Der Anspruch auf einen Buchauszug setzt gemäß § 87c Abs. 2 HGB voraus, dass er nur für die Geschäfte einen Buchauszug verlangen kann, für die ihm Provisionen zu stehen.

Das Landgericht Düsseldorf musste nunmehr in seinem Urteil vom 21.04.2020 unter dem Aktenzeichen 6O 43/18 darüber entscheiden, ob die Provisionsverzichtsklausel überhaupt wirksam ist. Die Provisionsverzichtsklausel soll musterhaft durch den Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK), dem Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) und dem Bundesverband der Assekuranzführungskräfte (VGA) vorgeschlagen worden sein. Das Landgericht Düsseldorf erklärte die Klausel kurzer Hand für unwirksam. Die genannte Klausel stehe im Widerspruch zu § 307 BGB. Danach sind Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine solche ist gemäß § 307 Abs. 2 BGB im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

Das Gericht stellte darauf ab, dass der Handelsvertreter nach der gesetzlichen Rezeption auch für die in der Vertragszeit Vermittelten und für die unter den Voraussetzungen des § 87 Abs. 3 HGB abgeschlossenen Verträge Provisionen auch über das Ende des Vertretervertrages hinaus verlangen kann.  Dem steht die Provisionsverzichtsklausel entgegen.

Wegen fehlendem Provisionsverzichts wurde der Vertrieb zur Erteilung eines Buchauszuges verurteilt.

Dagegen wehrte man sich im Rahmen der Berufung. Auch das Oberlandesgericht Düsseldorf entschied am 07.05.2021 unter dem Aktenzeichen 16U 215/20, dass die Klausel unwirksam ist. Die Berufung wurde zurückgewiesen.

§ 87a Abs. 3 HGB sei zwingend. Dennoch hätten rein klarstellende Klauseln durchaus eventuell Wirksamkeit. Hier handelt es sich jedoch nicht um eine klarstellende Klausel.

Das Oberlandesgericht wies die Berufung ab. Der Vertrieb musste den Buchauszug erteilen.