Die Vergreisung der Grundsätze

Am 01.11.1976, also vor 48 Jahren war es soweit. Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft e.V., der Bundesverband der Geschäftsstellenleiter der Assekuranz e.V. und der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute e.V. (BVK) haben die Grundsätze zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs gem § 89 b HGB ins Leben gerufen.

Die Ausgleichsansprüche feiern damit bald 50 jähriges Jubiläum. Helmut Schmidt wurde damals wiedergewählt und Wolf Biermann ausgebürgert. Viele Zeitgenossen von damals leben schon nicht mehr. Die Väter der Grundsätze werden sich auch nicht mehr erinnern, wie man auf die Recheninhalte gekommen ist. Eine gewisse Vergreisung ist den Grundsätzen vorzuhalten.

Je nach Versicherungssparte werden danach für die privaten Krankenversicherungen, für dynamische Lebensversicherungen und für Sachversicherungen getrennte Berechnungen zur Ermittlung des Ausgleichsanspruchs herangezogen.

Beispielhaft wird bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs bei den dynamischen Lebensversicherungen von den jeweiligen Versicherungssummen ausgegangen.

Die älteren Vertreter der Zunft werden sich noch erinnern können. Die Versicherungssummen waren tatsächlich einmal vorrangig Bestandteil der Provisionsabrechnungen. Dies ist lange her. Der Begriff der Versicherungssumme dürfte allenfalls noch historische Bedeutung haben. Heutzutage weiß kaum jemand wie dieser Begriff zu definieren ist. Vielerorts wird heutzutage nach Wertungssummen abgerechnet, die zwar grundsätzlich auch von der Summe der einzuzahlenden Prämien in die Lebensversicherung abhängig ist, jedoch beschränkt es nach Einzahlungsdauer und weiteren Faktoren.

Wenn man diese erste Stufe erklommen hat und irgendeine Summe ermittelt hat, soll diese nach den Grundsätzen im Jahre 1975 mit 0.11, im Jahre 1976 mit 0.10 usw. berechnet werden. In den Jahren 1980ff. beträgt dieser Wert 0,08. Ganz offenkundig hat man die Lebensdauer der Grundsätze weit über das Jahr 1980 nicht in Betracht gezogen.

Die Frage nach dem WARUM? drängt sich zwangsläufig auf, wenn man sich den Multiplikator 0,08 ansieht.

Bildet man beispielsweise eine Versicherungssumme von 100.000 €, käme man zu einem Zwischenstand von 8.000 €. Anschließend gibt es noch einen Bonus für die Dauer der hauptberuflichen Tätigkeit. Zu Beginn beträgt dieser 1, ab dem zehnten Jahr 1,25 und ab dem zwanzigsten Jahr 1,5.

Wenn ein Vertreter bei diesem Beispiel 9 Jahre dabei war, würde er in diesem Fall 8.000 € erhalten.

Entsprechend der geschichtlichen Einordnung erfolgt die Auszahlung nach den Grundsätzen in D-Mark.

Sind die Grundsätze noch zeitgemäß und gerecht? Gemäß § 89b kann der Handelsvertreter einen Ausgleich verlangen, wenn und soweit der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat und die Zahlung der Billigkeit entspricht.

Die Vorteile des Unternehmens bestehen in erster Linie darin, dass das Unternehmen dem Handelsvertreter keine Provisionen mehr zahlen muss (vgl. Bundesgerichtshof Urteil vom 23.11.2011 Az.: VIII ZR 203/10). Tenor dieser Entscheidung ist auch, dass der BGH die Grundsätze Ausgang einer Schätzung zulässt.

Die Höchstgrenze des Ausgleichsanspruchs des Versicherungsvertreters- oder maklers beträgt nach § 89b Abs. 5 HGB maximal 3 Jahresprovisionen. Warum sollte dies dann nicht als zeitlicher Maßstab für den Provisionsverlust dienen?

Würde ein Vermittler beispielsweise 15 Promille für einen Bestand von 100.000 € erhalten, so wären dies 15.000 €. Multipliziert mit 3 Jahren würde dann der Ausgleich in Höhe von 45.000 € bestehen. Gemessen daran, dass Lebensversicherungsverträge einer 5-jährigen Haftungszeit unterliegen, könnte gar eine 5-jährige Betrachtung herangezogen werden. Dann würde der Ausgleich bei 75.000 € liegen.

8.000 € oder 75.000 € ?

Selbstverständlich unterliegen die Verträge einer bestimmten Abwanderungsquote (Stornoquote), die zum Abzug führen muss, so dass nicht exakt 75.000 € zu zahlen wären. Liegt diese bei 5 % pro Jahr wüden im ersten Jahr 3250 € usw abgezogen werden müssen, so dass dann etwa 65.000 € im Ergebnis zur Auszahlung verbleiben.

In Anbetracht der eklatanten Abweichungen zu den gesetzlichen Grundlagen bedürfen die Grundsätze einer Nachverhandlung.

Versicherungsmakler abhängig?

Versicherungsvertreter arbeiten bekanntlich für eine Versicherung oder für deren Vertrieb. Sie sind also an das Unternehmen gebunden und stehen auf dessen Seite.

Im Gegensatz dazu steht der Versicherungsmakler grundsätzlich auf der Seite des Kunden. Ihm steht gewöhnlich die gesamte Bandbreite aller Versicherungsangebote aller Versicherungsunternehmen zu. Weil er auf der Seite des Kunden steht, ist er verpflichtet, im Sinne der Kunden die geeigneten Produkte anzubieten.

Dieses vorangestellt könnte schnell die Meinung entstehen, dass der Versicherungsmakler frei und unabhängig gegenüber Versicherungsunternehmen arbeitet und lediglich dem Kunden gegenüber verpflichtet ist.

Deshalb haben sich einige Versicherungsmakler die Unabhängigkeit werbend auf die Fahne geschrieben.

Nunmehr ist ein Streit darüber entfacht, ob Versicherungsmakler tatsächlich unabhängig sind und ob sie sich tatsächlich unabhängig nennen dürfen.

Mit Urteil vom 04.12.2024 unter dem Aktenzeichen 05 O 1092/24 hatte das Landgericht Leipzig den Versicherungsmakler als unabhängig angesehen. Klägerin war die Verbraucherzentrale Bundesverband, die meinte, ein Versicherungsmakler sei nicht unabhängig, da er nicht von Versicherungsnehmern vergütet würde, sondern von Versicherern Provisionen erhalten würde. Diese Entscheidung soll wohl nicht rechtskräftig sein.

Diesem Argument wurde entgegengebracht, dass ein Versicherungsmakler auch Nettopolicen vermitteln könne, die unabhängig von Provisionen von Versicherungen sind.

Während sich das Landgericht Leipzig auf die Seite des Versicherungsmakler stellte und diesen als unabhängig ansah, sah dies nunmehr das Landgericht Köln in einer neuen Entscheidung vom 06.03.2025 unter dem Az. 33 O 219/24 anders. Das Landgericht Köln verbot dem Versicherungsmakler, sich weiterhin als „unabhängiger Versicherungsmakler“ zu bezeichnen.

In der Bezeichnung sah das Landgericht Köln einen Verstoß gegen das UWG, insbesondere gegen die dortigen § 8 Abs. 1, 3 Nr. 3, §§ 3, 5 Abs. 1, 2 Nr. 1, 3. Die angegriffene Werbung sei nach Ansicht des Gerichts irreführend. Dabei komme es darauf an, welchen Gesamteindruck eine geschäftliche Handlung bei den maßgeblichen Verkehrskreisen hervorruft. Eine solche Handlung ist irreführend, wenn das Verständnis, dass sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen erweckt, mit den tatsächlichen Verhältnissen übereinstimmt (BGH, Urteil vom 05.02.2015 Aktenzeichen I ZR 136/13).

Dabei kommt es auf das Verständnis eines aufmerksamen, durchschnittlichen informierten und vollständigen Mitglieds des angesprochenen Verkehrskreises an.

Erstaunlicherweise glaubt sowohl das Landgericht Leipzig als auch das Landgericht Köln, was dieser Verkehrskreis denkt und wann er in die Irre geführt wird.

Kernaussage der Kölner Entscheidung ist, dass zu diesen Verkehrskreisen eben auch die Richter der zur Entscheidung berufenen Kammer gehören, sodass die Kammer die Verkehrsauffassung selbst beurteilen kann.

Abgegrenzt wurde dann auch das Berufsbild des Versicherungsmakler von dem des Versicherungsberaters, dessen Tätigkeit nicht auf eine provisionsgestützte Vermittlung oder Beratung gerichtet ist.

Diese dürfte sich nach Auffassung des Landgerichts Köln – im Gegensatz zum Versicherungsmakler – unabhängig nennen.

Ob die Entscheidung bestandskräftig ist, ist hier nicht bekannt.

Das Oberlandesgericht München hatte mit Urteil vom 16.1.2020 unter dem Az 29 U 1834/18 über eine ähnliche Angelegenheit zu entscheiden. Dort ging es um die Tochterfirma einer Versicherung, die als Maklerin arbeitete und sich als unabhängig bezeichnete. Als Maklerin arbeiten durfte sie, sich als unabhängig bezeichnen durfte sie nicht. Konkret ging es wohl um die WWK Versicherungsgruppe und die 1:1 Assekuranzservice AG, wie sich aus teilen des Urteils ergeben könnte.

In der Branche streitet man sich schon lange über den Begriff „unabhängig“. Die DVAG konnte schon 2009 gerichtlich durchsetzen, dass sich der AWD (heute Swiss Life Select) nicht mehr als unabhängig bezeichnen darf.

Vermittlertag Niedersachsen – eine starke Veranstaltung

Ein großes Lob ist den Veranstaltern des Vermittlertages Niedersachsen zu machen, der am 24.6.25 in Hannover stattfand.

Tolle Leute, tolle Unterhaltung, tolles Essen und eine tolle Location. Alles war perfekt organisiert. In einer Facebookrunde schrieb jemand, dass die Akustik gut war. Tatsächlich hätte es der Tag verdient, dass sich dort so viele Vermittler tummeln, dass man sich gegenseitig nicht mehr versteht.

Vielen Dank an Andreas Lohrenz für die perfekte Organisation und die Einladung.

In „Das Investment“ sind auch viele Bilder der Veranstaltung zu sehen. Einhellig heißt es, man sieht sich nächstes Jahr wieder.

Eintracht Frankfurt und die DVAG

Auch das ist neu: Die DVAG soll laut fondsprofessionell.de einen Werbevertrag mit Eintracht Frankfurt geschlossen haben.

Von 1996 bis 2011 hatte die DVAG noch den 1. FC Kaiserslautern gesponsert und stieg dann dort aus.

Das Wichtigste zum Buchauszug

Der Buchauszug dient dazu, Klarheit über die Provisionsansprüche zu verschaffen und eine Nachprüfung der Provisionsabrechnungen zu ermöglichen (BGH-Urteil vom 21.03.2001 Aktenzeichen: VIII ZR 149/99, Urteil vom 03.08.2017 Aktenzeichen: VII ZR 32/17).

Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Abrechnung sind nicht notwendig für ein Buchauszugsverlangen. Neben dem Buchauszug gibt es den Anspruch auf Bucheinsicht, wenn der Buchauszug nicht erfüllt wird (BGH-Urteil vom 31.03.1979 Aktenzeichen I ZR 8/77, Urteil vom 03.08.2017 Aktenzeichen VII ZR 32/17).

Der Buchauszug muss die im Zeitpunkt seiner Ausstellung für die Berechnung, die Höhe und die Fälligkeit der Provisionen relevanten Geschäftsverhältnisse vollständig widerspiegeln.

Das Datenschutzrecht steht dem Buchauszugsanspruch nicht entgegen (OLG München Urteil vom 31.07.2019 Aktenzeichen 7 U 4012/17).

Der Buchauszug ist keine Vorwegnahme der Entscheidung darüber, ob ein bestimmtes Geschäft provisionspflichtig ist (BGH-Urteil vom 23.02.1989, Aktenzeichen I ZR 203/87).

Wenn ein Provisionsanspruch streitig ist, ist dieses Geschäft im Buchauszug aufzuführen (OLG München, Urteil vom 04.05.2006, Aktenzeichen 23 U 5886/05).

Der Anspruch auf Buchauszug besteht neben dem Anspruch auf Provisionsabrechnung.

Der Buchauszug ist Sache des Vertriebes und von diesem auf eigene Kosten zu überbringen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.05.1996 Aktenzeichen 16 U 172/95).

Eine Online-Anbindung an System und Datenbanken des Vertriebes/Versicherers entbindet diesen nicht von der Erstellung und Überlassung eines Buchauszuges (OLG Köln Urteil vom 19.03.1999 Aktenzeichen 4 U 42/98, OLG München Urteil vom 31.07.2019 Aktenzeichen 7 U 4012/17).

Der Buchauszug kann nicht mit einem Zurückbehaltungsrecht wegen angeblicher Gegenansprüche verweigert werden (OLG München Urteil vom 17.04.2019, Aktenzeichen 7 U 2711/18 und BGH mit Urteil vom 03.08.2017 Aktenzeichen VII ZR 32/17).

Der Buchauszug ist in Form einer geordneten Zusammenstellung der geschuldeten Angaben zu erstellen. Sollte er unvollständig erteilt werden, so hat der Handelsvertreter Anspruch auf Ergänzung bzw. im Fall einer Unbrauchbarkeit des Auszuges Anspruch auf Erteilung eines neuen fehlerhaften Auszuges.

Wendet der Unternehmer ein, entsprechende Informationen für den Buchauszug seien nicht bei ihm, sondern bei einem Dritten, etwa einer Konzerngesellschaft, vorhanden, kann er damit nicht gehört werden. Er muss sich die Informationen von seiner Partnergesellschaft beschaffen (BGH-Urteil vom 18.12.2008).