§ 89 b HGH

Ausgleichsanspruch: Atypisches Jahr wird nicht mit gerechnet

Nach der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juni 1996 – VIII ZR 141/95 – „Volvo“; BGH, Urteil vom 5. Juni 1996 – VIII ZR 7/95 – „Fiat/Lancia“; BGH, Urteil vom 26. Februar 1997 – VIII ZR 272/95 „Renault II“) ist bei der analog § 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB anzustellenden Prognose, in welchem Umfang Nachbestellungen zu erwarten sind, auf einen „Stammkunden- bzw. Mehrfachkundenumsatz“ abzustellen, der vom Vertragshändler vorzutragen ist. Ausgangspunkt sind dabei die Mehrfachkundenprovisionen des letzten Vertragsjahres, sofern dieses keinen atypischen Verlauf genommen hat. Für den Fall, dass das letzte Vertragsjahr als zu berücksichtigendes Basisjahr einen atypischen Verlauf genommen hat, kann ein Durchschnittswert unter Heranziehung eines längeren Zeitraums gebildet werden. Im Regelfall ist der Ausgleichsberechnung insofern der einer Handelsvertreterprovision vergleichbare Teil des Händlerrabatts zu Grunde zu legen, der auf der Grundlage der Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreisen um händlertypische Bestandteile zu bereinigen ist (vgl. nur statt vieler BGH, Urteil vom 5. Juni 1996 -VIII ZR 141/95 ; Oberlandesgericht Frankfurt, Urteil vom 23. Mai 2006 -5U94/05-, juris).

Zitat aus Urteil des Oberlandesgerichtes Düsseldorf Urteil vom 29.03.2012 – I-16 U 199/10

Anspruch auf Ausgleich gem. §89 b HGB

Das Landgericht Gießen hat am 21.06.2007 einen Strukturvertrieb zur Zahlung eines Ausgleichsanspruchs gemäß § 89 b HGB von 57.309,63 € verurteilt.

Maßgebend für den Ausgleichsanspruchs des Versicherungsvertreters sind die Vorteile, die dem Unternehmer durch die Vermittlung neuer Versicherungsverträge durch den Versicherungsvertreter nach Beendigung des Vertragsverhältnisses verbleiben und die Verluste, die der Versicherungsvertreter dadurch erleidet, das ihm noch nicht ausgezahlte Provisionen aus bereits vermittelten Verträgen entgehe; dies sind in der Regel die durch die Vermittlung bereits verdienten, aber erst nach Vertragsbeendigung fällig werdenden Abschlussfolgeprovisionen. Das Landgericht hat die von der Versicherungswirtschaft erarbeiteten Grundsätze zur Berechnung des Ausgleichsanspruches herangezogen. Diese Grundsätze trennen nach Sachversicherungen, dynamischen Lebensversicherungen und privaten Krankenversicherungen sowie dem Bausparbereich.

Die Berechnung bei der privaten Krankenversicherung erfolgt nach so genannten Aufstockungsfällen. Ein Aufstockungsfall ist die unter Einschaltung eines Vermittlers erfolgende Erhöhung des für eine Person u nd das gleiche Risiko bestehenden Versicherungsschutzes, die über die Wiederherstellung des bisherigen Verhältnisses zwischen den gestiegenen Heilbehandlungskosten und den Versicherungsleistungen bzw. den durchschnittlichen Entgelt und dem Krankentagegeld hinausgeht.

Grundlage der Berechnung der Ausgleichszahlung ist die selbst vermittelte Gesamtjahresproduktion in Monatsbeiträgen, wobei die letzten 5 Jahre zugrunde gelegt werden. Dieser ermittelte Betrag wird dann anschließend noch mit mehreren Faktoren multipliziert (z.B. dem vereinbarten Provisionssatz und der Mitursächlichkeit der Tätigkeit des ausgeschiedenen Vertreters für eine spätere Ausstattung sowie der Höhe und der Dauer der Tätigkeit des Vertreters).

Für den Bereich der Sachversicherungen errechnet sich der Ausgleichswert nach dem Durchschnitt den letzten 5 Jahren der Tätigkeit des Vertreters gezahlten Provisionen, wobei nicht zu berücksichtigen sind Abschlussprovisionen für Versicherungen mit gleich bleibenden laufenden Provisionen, Provisionen für Versicherungsverträge mit unterjähriger Laufzeit sowie für einjährige Versicherungsverträge ohne Verlängerungsklausel, es sei denn, dass Letztere mindestens dreimal hintereinander verlängert worden sind. An Untervertreter abzugebende Provisionen sind regelmäßig nicht zu berücksichtigen.

Das Landgericht Gießen hatte übrigens in diese Rechnungen auch Provisionen einbezogen, die innerhalb einer Struktur verdient wurden.

Dem Landgericht Gießen war es auch gleichgültig, ob möglicherweise der ein oder andere Kunde bereits zu dem ausgeschiedenen Versicherungsvertreter abgewandert ist. Ein Abwandern von Kunden beeinträchtigt den Ausgleichsanspruch nicht. Etwas anderes hätte sich vielleicht daraus ergeben, wenn gezielt die Kunden ausgespannt worden wären.

Der Kläger machte in diesem Fall auch noch Ausgleichsansprüche wegen der Lebensversicherungsverträge geltend. Diese vermittelte er direkt mit der Lebensversicherungsgesellschaft und war nach Auffassung des Gerichts so mithin ein so genannter unechter Untervertreter. In diesem Fall stand ihm wegen der Lebensversicherung kein Ausgleichsanspruch zu.

Wir finden, dass dies eine Entscheidung ist, die Mut macht.