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LG Erfurt: Vertragsstrafe von 25.000€ unwirksam

Foto: Landgericht Erfurt

Am 01.06.2011 entschied das Landgericht Erfurt, dass ein Vermögensberater eine Vertragsstrafe nicht zahlen muss.
Die Parteien hatten um einen Vertragsstrafe in Höhe von 25.000,00 € gestritten. Diese war im Vertrag vereinbart. Der Beklagte Handelsvertreter hatte dem Orgaleitervertrag fristlos gekündigt. Anschließend hatte er für ein Konkurrenzunternehmen ein Info-Seminar durchgeführt.
Das Gericht sah, dass die Vertragsstrafe eine Klausel im Sinne des § 305 Abs. BGB sei und wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 BGB unwirksam ist.
Der Vertragspartner sei entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.
Grundsätzlich sei die Vereinbarung einer Vertragsstrafe zwar zulässig. Auch im kaufmännischen Geschäftsverkehr unterliege die Vertragsstrafenklausel aber der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Eine gegen Treu und Glauben verstoßende Benachteiligung des Vertragspartners kann auch in der unangemessenen Höhe der Vertragsstrafe liegen. Eine zulässige Ausgestaltung einer nach allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarten Vertragsstrafe lässt sich allerdings nicht allgemeingültig bestimmen. Sie ist vielmehr am doppelten Zweck der Vertragsstrafe auszurichten. Diese soll einerseits als Druckmittel den Schuldner anhalten, seiner vertraglichen Verpflichtung ordnungsgemäß nachzukommen, andererseits soll sie den Gläubiger in den Stand versetzen, sich bei Verletzung der sanktionierten Vertragspflichten bis zur Höhe der Vertragsstrafe ohne Einzelnachweis schadlos zu halten. Die Druckfunktion erlaubt zwar eine spürbare Vertragsstrafe; sie muss sich aber an den in Betracht kommenden Auswirkungen orientieren. Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Höhe der Vertragsstrafe ist unter Anlegung eines generellen überindividuellen Maßstabes zu prüfen, ob berechtigte und schützenswerte Interessen des Gläubigers die Festlegung einer Vertragsstrafe in der betroffenen Höhe angemessen erscheinen lassen. Dabei muss die Höhe der Vertragsstrafe in einem angemessenen Verhältnis zum möglichen Schaden stehen (Oberlandesgericht München Urteil vom 29.07.2010 Aktenzeichen 23 U 5643/99, Thüringer Oberlandesgericht Urteil vom 26.11.2008, Aktenzeichen 7 U 329/08).
Einer hier in § 11 Abs. 4 des Vertrages vorgesehenen Vertragsstrafenhöhe von 25.000,00 € für jeden nachgewiesenen Fall einer Verkaufs- und Werbehandlung für ein Konkurrezunternehmen stellt eine ungemessene Benachteiligung des Beklagten im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB dar. Denn in dieser Klausel wird nicht nach der objektiven Schwere der Vertragsverletzung und dem Grad des Verschuldens des Orgaleiters differenziert. Vielmehr ist danach bei jeder Begehungsform und jeder denkbaren Art eines Wettbewerbsverstoßes eine Vertragsstrafe in Höhe von 25.000,00 € verwirkt. Nach dem Wortlaut der Klausel im § 11 Abs. 4 des Vertrages ist eine Vertragsstrafe auch bei einem leichten Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot verwirkt. Eine Klausel, die jede Differenzierung hinsichtlich der Schwere des Verstoßes vermissen läßt und auch bei leichten Verstößen grundsätzlich eine Vertragsstrafe von 25.000,00 € vorsieht, ist gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, da die Vertragsstrafe nicht in einer Relation zu dem erwartenden Schaden steht. Ferner ist in § 11 Abs. 4 des Vertrages keine Obergrenze der Vertragsverhältnis im Falle mehrere Verstöße gegen das Wettbewerbsverbot vorgesehen. Dies kann dazu führen, dass im Fall mehrere Verstöße der Provisionsverdienste der Beklagten für mehrere Jahre in einem seiner existenzvernichtenden Umfang aufgezerrt wird.
Eine geltungserhaltende Reduktion von allgemeinen Geschäftsbedingungen ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshof und der Oberlandesgerichte nicht möglich.
Urteil des Landgerichts Erfurt vom 01.06.2011 Aktenzeichen 10 O 1247/10

Klauseln für unwirksam erklärt

Am 13.02.2007 entschied das Landesarbeitsgericht München, dass eine Vertragsstrafenklausel eine unangemessene Benachteiligung darstellen kann und nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam ist.

Eine – unter Juristen so genannte geltungserhaltende – Reduktion komme nicht in Betracht.

Vorliegend ging es um Klauseln in einem Vermögensberatervertrag aus dem Jahre 2002. Dort war geregelt, dass Vermögensberater die Interessen der Gesellschaft zu wahren, wie es ihm durch § 86 Abs. 1 HGB aufgegeben ist. Deswegen hat er es neben jeder Konkurrenztätigkeit zu unterlassen, Vermögensberater oder andere Mitarbeiter der Gesellschaft abzuwerben oder Kunden der Gesellschaft auszuspannen oder dies alles auch nur zu versuchen (nachvertragliches Wettbewerbsverbot).

Der Vermögensberater verpflichtet sich, es für die Dauer von zwei Jahren nach der Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses zu unterlassen, Vermögensberater oder andere Mitarbeiter der Gesellschaft abzuwerben oder Kunden der Gesellschaft auszuspannen oder dies alles auch nur zu versuchen (nachvertragliches Wettbewerbsverbot).

Verstößt der Vermögensberater gegen die vorstehenden vertraglichen oder nachvertraglichen Wettbewerbsverbote, sollte für jeden Fall der Zuwiderhandlung an die Gesellschaft eine Vertragsstrafe in Höhe von 25.000,00 € je abgeworbener/ausgespannter Person und/oder je Versuchs zu zahlen.

Das Gericht sah diese Klausel als unwirksam an. Die Bestimmung sei nicht klar und verständlich.

Ferner verstoßen die Klauseln gegen das Transparenzgebot. Die einzuhaltenden Pflichten müssen umfassend unter Einschluss des Versuchs formuliert sein. Die Vertragsstrafe muss nicht nur die zu leistende Strafe sondern auch die sie auslösende Pflichtverletzung so klar bezeichnen, dass sich der Versprechende in seinem Verhalten darauf einstellen kann. Globale Strafversprechen sind unwirksam.

Ferner bleibt die Schwere des Verstoßes unberücksichtigt. Damit ist die festgelegte Leistungsbestimmung unbillig und nicht gerechtfertigt. Eine Vertragsstrafe für jeden Einzelfall eines Wettbewerbsverbotes in Höhe von rund 25 Monatsgehältern ist nicht mehr als angemessen anzusehen, sie enthält vielmehr eine unangemessene Übersicherung. Ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers ist ebenso nicht zu sehen.

Landesarbeitsgericht München vom 13.02.2007, Aktenzeichen 6 Sa 527/06

Gegen das Urteil wurde, wie man uns mitteilte, Rechtsmittel eingelegt.

Existenzvernichtende Vertragsstrafen

In den früheren Verträgen zwischen einem Strukturvertrieb und seinen Beratern war pauschal eine Vertragsstrafe vereinbart.

Am 03.11.2006 bestätigte das Landesarbeitsgericht Hamm eine Entscheidung der ersten Instanz, wonach diese Vertragsstrafe aus den Gründen des Übermaßverbotes gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam ist.

Auch wenn ein Berater Kaufmann ist im Sinne des § 13 BGB, so unterliegt die Prüfung des Beratervertrages der AGB-Kontrolle (§ 310 Abs. 1 BGB), so das Gericht. Für die Inhaltskontrolle ist zumindest § 307 BGB maßgebend. An diesen Grundsätzen muss die Vertragsstrafe gemessen werden.

Danach sind Vereinbarungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner gegen Treu und Glauben angemessen benachteiligen.

Soweit das Vertragsstrafeversprechen nicht nach der objektiven Schwere der Vertragspflichtverletzung und nach den Grad des Verschuldens differenziert, so dass selbst leichteste Fahrlässigkeit die Vertragsstrafe in voller Höhe auslöst, so ist dies unbillig, so das Landesarbeitsgericht Hamm.

Um weitere vernichtende Entscheidungen zu verhindern, wurden die Vertragsstraferegelungen im Jahr 2007 bei allen Beratern angepasst.

Die alte, unzulässige Vertragsstrafenregelung kommt jedoch jetzt wieder zur Anwendung, zwar nicht in den Beraterverträgen, sondern in den Aufhebungsverträgen. Dort wird der Vermögensberater verpflichtet, für einen langen Zeitraum keine Tätigkeit im Wettbewerb anzunehmen. Für den Fall eines Verstoßes wird eine Vertragsstrafe in Höhe von 50.000,00 € fällig.

Diese Regelung war kürzlich Gegenstand einer gerichtlichen Überprüfung in einer mündlichen Verhandlung. Das angerufene Gericht, ein Landgericht, wollte sich jedoch einer Prüfung von so genannten allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht annehmen, weil hierfür angeblich kein Platz wäre, zumal nach Ansicht des Gerichts der Vermögensberater Kaufmann wäre. Eine Entscheidung ist hier noch nicht ergangen.

Kann man zu viel gezahlte Provisionen behalten?

Am 03.03.2009 entschied das Landesarbeitsgericht Hamm, dass unter bestimmten Umständen Provisionen, die als Vorschuss geleistet wurden, nicht zurück zu zahlen sind.
In diesem Fall hatte ein Versicherer dem Vermittler zugesichert, er würde für drei Jahre jeden Monat einen pauschalen Vorschuss auf die Provisionen in Höhe von 1.500,00 € zur Verfügung gestellt bekommen.
Dieses Darlehen sollte dann durch verdiente Provisionen zurückgeführt werden. Jedenfalls sollte das Darlehen zu 50 % im Fall des Ausscheidens von dem Vermittler zurückgezahlt werden.
Nun klagte, wie es kommen musste, der Versicherer nach Vertragsende die überzahlten Provisionen ein.
Das Gericht jedoch sieht in dem Verhalten des Versicherers einen Verstoß gegen Treu und Glauben gemäß § 242 BGB. Sie hat den Beklagten nicht hinreichend bei seiner Vermittlungstätigkeit unterstützt und es ihm nicht ermöglicht, in ausreichendem Maße provisionspflichtige Geschäfte zu vermitteln.
Für uns Juristen war interessant, dass das Gericht keinen Verstoß gegen Bestimmungen hinsichtlich der allgemeinen Geschäftsbedingungen gesehen hatte. Schließlich ergebe sich die Rückführung zu viel gezahlter Provisionen aus § 812 BGB, und nicht aus irgendwelchen vertraglichen Klauseln.
Das Gericht ließ den Anspruch an § 242 scheitern mit der Begründung:
„Der Beklagte war im Wesentlichen darauf angewiesen, aus dem Absolventen- Potential Kunden für Finanzdienstleistungen, insbesondere Versicherungsverträge zu akquirieren. Dieses war unter den konkreten Bedingungen … nicht ausreichend, um den Vorschuss, den die Klägerin dem Beklagten gewährte, in Verdienen zu bringen…
Dieses Absolventen-Potential (1.087 potentielle Kunden) hatten sich 12 bis 15 Berater zu teilen… Unter Zugrundelegung der genannten Zahl der Berater, standen demnach 12 Berater, statistisch 544 tatsächlich ansprechbare Kunden, d.h. pro Berater 45 Kunden, gegenüber…. Für den so reduzierten Kreis ist weiter zu berücksichtigen, dass hieraus nicht jeder ein Kunde der Klägerin wird …“
Mit diesen Argumenten wurde die Klage in zweiter Instanz abgewiesen.
Die Klägerin, der Versicherer also, hatte übrigens in der ersten Instanz vor dem Arbeitsgericht gewonnen.

Provisionsregelungen verstoßen gegen AGB?

Gibt es ein neues bahnbrechendes Urteil?

Das Landgericht Oldenburg entschied am 18.09.2008, dass ein Handelsvertreter der Bonn-Finanz den Handelsvertretervertrag wirksam gekündigt hatte.

Dies ist an sich nichts Überraschendes! Die Hintergründe dürften jedoch zum Nachdenken anregen:

Hintergrund ist, dass die Bonn-Finanz nach Ausspruch der Kündigung die Provisionen nicht – wie gewohnt – auszahlte, sondern nur 50 % des Endbetrages der Abrechnung. Der Handelsvertreter forderte die Bonn-Finanz unter Fristsetzung zur Nachzahlung auf.

Gleichzeitig verlangte er die Übersendung eines Buchauszuges.

Er meinte, nur mit dem Buchauszug könne er die Abrechnungen überprüfen.

Nachdem die Fristen abgelaufen waren, kündigte er. Das Gericht sah die komplette Provisionsregelung in dem Vertrag als unwirksam an und als Verstoß gegen die Bestimmungen über die allgemeinen Geschäftsbedingungen. Die Bonn-Finanz berief sich nämlich auf den Vertrag, wonach sie 50% der grundsätzlich an den Berater auszuzahlenden Provision als zusätzliche Provisionsrückstellung einbehalten dürfe. Diese Regelung wurde vom Gericht außer Kraft gesetzt und die Bonnfinanz zu Recht zur Zahlung aufgefordert.

Deshalb sah das Gericht die Kündigung als wirksam an.