Betreuer

Verlust einer Struktur im Strukturvertrieb

Handelsvertreter arbeiten häufig in Unternehmen, deren Vertrieb strukturartig aufgebaut ist. Ganz passend ist die Bezeichnung sicher nicht, da sich gewisse Strukturen in allen Unternehmen befinden.

Im Sprachgebrauch ist mit Strukturvertrieb gemeint, dass der Mitarbeiter in eine Struktur anderer Handelsvertreter oder Geschäftspartner eingeordnet ist. Strukturvertriebe sind ein mehrstufig entwickelbares Netzwerk, über das Produkte und Dienstleistungen vertrieben werden. Der Mitarbeiter hat nicht nur das Recht, die besonderen Dienstleistungen des Unternehmens (z.B. Versicherungen) anzubieten, sondern auch das Recht, neue Geschäftspartner anzuwerben. Diese bekommen abermals beide Rechte, also das Recht auf Vermittlung der Dienstleistung und das des Mitarbeiteraufbaus. Es entstehen in diesem Geflecht meist tiefstufige Vertriebslinien.

Neue Mitarbeiter werden – nach erfolgreicher Anwerbung – vom Anwerber ausgebildet und im täglichen Praxisgeschäft von ihm betreut. Der Betreuer wird an den Umsätzen beteiligt, die seine angeworbenen Partner -unter ihm – generieren. Oft wird dabei auch von Differenzprovisionen gesprochen. Dadurch entsteht immer wieder ein Anreiz, seine Mitarbeiterstruktur zu festigen und ggf. zu vergrößern.

Je nach Anwerbungserfolg erringt der Strukurmitarbeiter eine Stufe. Ganz oben angekommen, darf man sich dann Vertriebsdirekor oder Direktionsleiter nennen, je nach Unternehmen.

Innerhalb der Struktur entsteht oft ein eigener Wettbewerb. Erreicht der angeworbene Mitarbeiter die Stufe des Betreuers, bekommt dieser die Differenzprovision oftmals nicht mehr.

Typische Strukturvertriebe sind bekanntlich die großen Finanzvertriebe.

In Handelsvertreterverträgen ist der Kundenschutz oft detailliert geregelt. Der Schutz der Struktur ist vertraglich oft verwaist.

Was ist, wenn der Vertrieb Eingriffe in die Struktur vornimmt?

In einem großen Strukturvertrieb wurde vor Kurzem der Vorwurf laut, jemand habe vermittelte Verträge manipuliert, um aufzusteigen. Weil dies von „höherer Ebene“ akzeptiert worden sein soll, stieg eine Struktur auf und die Differenzprovsionen fielen für die Zukunft weg.

In einem anderen Fall wurde eine Struktur einfach herausgebucht, weil man sich über den Mitarbeiter geärgert hat. Sein Einkommen, das überwiegend von dieser Differenz lebte, war plötzlich auf ein Minimum gesunken.

In einem anderen Fall wurde dem angeworbenen Mitarbeiter, von dem der Betreuer gut gelebt hat, einfach gekündigt. Ihm wurde vorgeworfen, er habe sich Kundendaten zu eigen gemacht und damit Kunden „übertragen“. Der Betreuer geht nun leer aus.

Diese Beispielsfälle dürften sich sicher zumindest teilweise als Vertragsverletzung darstellen.

Muss eine Versicherung die Maklervollmacht akzeptieren?

Es ist oft ein großes Ärgernis für den Makler. Er schickt seine Maklervollmacht zur Versicherung und hofft, künftig die Korrespondenz führen zu können und den Kunden über den aktuellen Stand einer Versicherung informieren zu können.

Und einige Versicherungen ignorieren das. Dies wird teilweise damit begründet, dass der neue Makler ja bereits früher als Vermittler für die Versicherung tätig war und Abwerbung drohe.

Über einen solchen Fall hatte der BGH am 21.4.2016 unter dem Az I ZR 151/15 zu entscheiden.

Das OLG Nürnberg hatte zuvor unter dem Az 3 U 2086/14 der Allfinanz DVAG untersagt, „Es betreut Sie:“ einen Vermögensberater der A. D. V. AG zu benennen, wie geschehen in dem nachfolgend beigefügten, an die Klägerin adressierten Schreiben“. Die Entscheidung wurde aber vom BGH am 21.4.2016 revidiert. Mehr dazu weiter unten.

Das OLG München hatte einen ähnlichen Fall am 3.7.2014. Dort hatte die Versicherung als Betreuer des Kunden nicht den Versicherungsmakler aufgeführt, sondern eine Ausschließlichkeitsagentur des Versicherers. Das OLG München hat mit Urteil vom 03.07.2014 unter dem Az 29 U 5030/13 bestätigt, dass diese Angabe („Es betreut Sie: …“) irreführend im Sinne des § 5 Abs. 1 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) ist.

Ähnlich entschied das Landgericht Wuppertal am 3.3.17 unter dem Az 13 O 53/16.

Die Oberlandesgerichte argumentieren, dass die Angabe geeignet war, beim Versicherungsnehmer eine Täuschung über die Person des Betreuers herbeizuführen, wenn der Kunde ein Schreiben mit einem „falschen“ Vermittler erhalten hat.

Die Argumentation des BGH sollte aber berücksichtigt werden. Er argumentierte: „Gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts spricht weiter der Umstand, dass das beanstandete Schreiben nicht von der Beklagten an den Versicherungsnehmer versandt wurde, sondern entsprechend der den Versicherer treffenden Korrespondenzpflicht (vgl. BGH, Urteil vom 29.Mai 2013 IV ZR 165/12, NJW 2013, 2354 Rn. 10) an die Klägerin adressiert und zur Weitergabe durch diese an den Versicherungsnehmer bestimmt war.“ Entscheidend ist auch, ob der Kunde auf seinen Beratungsanspruch gegenüber der Versicherung verzichtet hat (die Versicherung ist nach § 6 VVG zur Beratung verpflichtet). Es ist daher dem Makler zu empfehlen, dass ein solcher Verzicht von dem Kunden zu erklären ist. Der BGH meinte auch, dass es ja grundsätzlich richtig wäre, wenn der Kunde über die DVAG betreut würde (in dem Fall vor dem BGH war das wohl unstreitig….), dass sie auch einen Mitarbeiter benennt. Andere täten das ja auch, so der BGH.

Und jetzt kommt wohl das Wichtigste: Im Übrigen sei ja auch nicht gegen die Pflicht aus dem Urteil des BGH vom 29.5.2013 verstoßen worden, die Korrespondenz über den Makler zu führen.
Der BGH hat in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2013 allerdings mögliche Einschränkungen der Korrespondenzpflicht genannt: Wenn in der Person des Versicherungsmaklers besondere Gründe bestehen, wenn im Einzelfall ein erheblicher Mehraufwand entstünde oder wenn nur eine begrenzte Vollmacht vorgelegt wird, die für den Versicherer mit der Schwierigkeit verbunden wäre, ist der Versicherer nicht verpflichtet, die Korrespondenz über den Makler zu führen. Wenn der Makler zuvor bei der Versicherung tätig war und nachher Makler wurde, kann dies ein solcher Grund sein, den der BGH meint.