Oberlandesgericht Hamm

OLG Hamm : Versicherungsnehmer darf u.U. falsche Angaben machen

Vorgestellt von RA Kai Behrens

Am 10.12.2010 entschied das Oberlandesgericht Hamm, dass einem Versicherungsnehmer Ansprüche aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung dennoch zustehen, obgleich im schriftlichen Antrag möglicherweise nicht vollständige Angaben gemacht wurden.

Das Oberlandesgericht Hamm dazu:

Es lässt sich nicht feststellen, dass der Kläger diesbezüglich bei Antragstellung falsche Angaben gemacht hat… Der Zeuge Y ist bei der Vermittlung als Agent der Beklagten tätig geworden und hat zudem das Antragsformular ausgefüllt. Deshalb erbringt allein der ausgefüllte Antrag nicht den Beweis für eine Falschbeantwortung der im Antragsformular stehenden Fragen, wenn – wie hier – der Versicherungsnehmer substantiiert behauptet, den Agenten mündlich informiert zu haben oder von ihm mit den einzelnen Fragen gar nicht konfrontiert worden zu sein.

Wenn ein vom Versicherer bei Stellung des Versicherungsvertrages eingeschalteter Versicherungsvertreter ist sein „Auge und Ohr“ (vergleiche BGH VersR 1988, 234). Dies hat zur Folge, dasjenige, was der Versicherungsvertreter im Zusammenhang mit der Aufnahme des Versicherungsantrages erfährt, dem Versicherer zugerechnet wird (BGH VersR 1989, 833, vergleiche nunmehr § 70 VVG neue Fassung). Deshalb muss der Versicherer in einem solchen Fall beweisen, dass alle im schriftlichen Formular dem Antragsteller tatsächlich gestellt und sowie niedergelegt vom Antragsteller beantwortet worden sind (vergleiche BGH VersR 2004, 1297).

Nunmehr darf sich der Versicherungsnehmer über eine Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 900,00 € monatlich freuen.

Oberlandesgericht Hamm vom 10.12.2010 (Aktenzeichen I-20 U 21/09)

Anders: Landgericht Bielefeld in der ersten Instanz

OLG Hamm über Beratungs- und Dokumentationspflichten

Ein Versicherungsvermittler ist bei einer Verletzung der Dokumentationspflichten nur dann schadenersatzpflichtig (§ 63 VVG), wenn dies kausal zu einem Schaden oder einem Beweisnachteil führt.
Oberlandesgericht Hamm in einem Urteil vom 4.12.2009 (Az.: 20 U 131/09) (auf der verlinkten Seite einfach das Aktenzeichen angeben, um zur Originalentscheidung zu gelangen). Bei klar artikulierten, fest abgegrenzten Anfragen eines Verbrauchers nach einem bestimmten Versicherungsschutz treffen den Vermittler auch keine weiteren, anlassbezogenen Fragepflichten (§ 61 VVG).

Ein Ehepaar kaufte ein gebrauchtes Wohnmobil für 22.000 Euro. Das „alte“ wurde in Zahlung gegeben, der Rest über einen Kredit finanziert. Für die Autoversicherung wandte sich das Ehepaar an seine Versicherungsagentur, bei der es schon seit Jahren Kunde war.

Versicherungsbüro und Ehepaar einigten sich darauf, dass das neue Wohnmobil „wie bisher“ versichert werden sollte, also Kfz-Haftpflicht- und Teilkaskoversicherung. Eine Vollkasko gab es nicht.

Es kommt, wie es kommen musste : Das Wohnmobil geriet bei einem Überholvorgang ins Schlingern, verunfallte. Der Schaden betrug etwa 21.000 Euro. Diesen Schaden verlangte man vom Vermittler wegen Verstoßes gegen die Frage- sowie die Beratungs- und Dokumentationspflicht zurück. Es kam zum Rechtsstreit.

Sowohl in der ersten Instanz vor dem Landgericht Dortmund (Urteil vom 22.4.2009, Az.: 22 O 194/07) als auch vor dem Oberlandesgericht Hamm unterlagen die Wohnmobilbesitzer.

Das OLG : Zwar muss ein Versicherungsvertreter bei der Vermittlung von Versicherungsschutz seine Kunden nach deren Wünschen und Bedürfnissen fragen. Dies gilt nach Überzeugung des Gerichts „allerdings nur dann, wenn und soweit nach der Schwierigkeit der angebotenen Versicherung oder nach der Person und der Situation des Kunden hierfür Anlass besteht.

Das Gericht weiter : Der Vertreter sei hier auch nicht weiter nicht zur Befragung verpflichtet. Bei Kfz-Versicherungen handele es sich um ein Massegeschäft

Eine Schadenersatzpflicht konnte auch nicht aus einem möglichen Verstoß gegen die Dokumentationspflicht hergeleitet werden. „.. Die Verletzung der Dokumentationspflicht kann im Regelfall nur dann zu einem Schadersatzanspruch führen, wenn dem Versicherungsnehmer ein Beweisnachteil entsteht. Das ist vorliegend zu verneinen“, so das OLG.