Rücktritt

Schriftlich oder doch nicht schriftlich – die richtige Belehrung

Verstöße gegen § 8 Abs. 5 VVG alter Fassung könnten bei Verträgen, die in der Zeit zwischen dem 29.07.1994 und dem 31.12.1994 geschlossen wurden, für Versicherte auch noch ein nachträgliches späteres Rücktrittsrecht ermöglichen.

Die Frist für den Rücktritt beginnt erst zu laufen, wenn der Versicherer den Versicherungsnehmer über sein Widerrufsrecht belehrt und der Versicherungsnehmer die Belehrung mit seiner Unterschrift bestätigt hat. Dies gilt für Versicherungen mit einer Laufzeit von mehr als 1 Jahr, mit Ausnahme von Lebensversicherungen. So einfach steht es im Gesetz.

In einem Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht Dresden hatten die Parteien darüber gestritten, ob in der Belehrung darauf hinzuweisen wäre, dass der Rücktritt auschließlich schriftlich zu erfolgen hat.

Denn die hier streitige Belehrung enthielt nicht den Hinweis, dass der Widerruf schriftlich zu erfolgen hat. Das Oberlandesgericht Dresden stellte mit Beschluss vom 16.10.2018 unter dem Aktenzeichen 4 U 943/18 klar, dass eine Widerrufsbelehrung den Hinweis „schriftlich“ nicht enthalten muss. Schließlich genüge, dass darauf hingewiesen wird, dass zur Wahrung der First die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Daraus ergibt sich, dass ein mündlicher Widerruf nicht genügt. Mehr verlange das gesetz im Übrigen nicht.

Auf diesen – wenn man das so liest, scheinbar überflüssigen Rechtsstreit – wies jetzt das Versicherungsjournal hin.

Der Bundesgerichtshof hatte zu dem Problem der Schriftform in seinen Entscheidungen bereits Stellung genommen. So hatte er bereits am 28.01.2004 unter dem Aktenzeichen IV ZR 58/03 entschieden, dass eine wirksame Belehrung des Verbrauchers über sein Widerspruchsrecht nach § 5 a) Abs. 1, Satz 1 VVG voraussetzt, dass auf die vorgeschriebene Form des Widerspruchs (hier Schriftlichkeit) und darauf hingewiesen wird, dass die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs die 14-tätige Frist wahrt.

Der Bundesgerichtshof meinte damals, dass die in § 5 a) Abs. 2, Satz 1 VVG geforderte Belehrung über das Widerspruchsrecht nach dem Sinnzusammenhang eine Belehrung über die zur Wirksamkeit des Widerspruchs erforderliche Schriftform einschließt.

In dieser Entscheidung hatte die dort Beklagte zwar über den Beginn und die Dauer der Widerspruchsfrist belehrt, jedoch nicht darauf hingewiesen, dass die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs genügt (Im Gegensatz zu dem Fall vor dem OLG Dresden). Auch auf die rechtzeitige Absendung muss sich die Belehrung gem. Bundesgerichtshof erstrecken. Insofern könnte die Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden möglicherweise dennoch nicht im Widerspruch zur Bundesgerichtshofs-Rechtsprechung stehen.

Wichtig ist, dass auch der richtige Gesetzestext herangezogen wird. Gerade die Widerrufs- und Rücktrittsbelehrungen haben sich ständig verändert. Im Bundesgesetzblatt aus dem Jahre 2001 heißt es dann:

Änderung des Gesetzes
über den Versicherungsvertrag
In § 5 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1, § 5a Abs. 1 Satz 1, §§37 und 158e Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag
…………..
wird jeweils das Wort „schriftlich“ durch die Wörter „in Textform“ ersetzt.

Der falsch ausgefüllte Versicherungsantrag

Wenn ein Versicherungsantrag falsch ausgefüllt wird, spricht man von der Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht. Dies liegt z.B. vor, wenn man beim Antrag auf Berufsunfähigkeit die ein oder andere Vorerkrankung weglässt. Vorerkrankungen führen mitunter dazu, dass ein Versicherer den Vertragsschluss ablehnt.  Deshalb neigt der eine oder andere dazu, hier mal etwas wegzulassen, obgleich im Versicherungsantrag ausdrücklich danach gefragt wird.

Wenn der Versicherungsfall eintritt, beginnt die Versicherung mit den Ermittlungen. Oft erfährt sie dann, dass bei Antragstellung gempgelt wurde.

Im Falle einer arglistigen Täuschung kann der Versicherer einen zuvor abgeschlossenen Vertrag anfechten. Der Versicherungsnehmer muss dann alle empfangenen Leistungen zurückzahlen, der Versicherer kann die Beiträge aber behalten.

Alternativ kann der Versicherer bei Verletzung der Anzeigepflicht vom Vertrag zurücktreten. Dies hat zur Folge, dass der Vertrag nicht nur beendet ist, sondern der Versicherungsnehmer auch nur die bereits erhaltenen Leistungen behalten darf.

Dass eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nicht immer erlaubt ist, belegt eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10.05.2017 unter dem Aktenzeichen IV ZR 30/16.Alleine aus der unrichtigen oder unvollständigen Beantwortung von Gesundheitsfragen kann jedoch nicht auf das Vorliegen von Arglist geschlossen werden“, sagt der BGH und verlangt, dass noch weitere Vorsatzvorwürfe nachgewiesen werden.

Der Vorwurf der falschen Antragstellung kann aber auch „verjähren“. Der Bundesgerichtshof hatte mit Urteil vom 25. 11.2015 unter dem Aktenzeichen IV ZR 277/14 entschieden, dass falsche Gesundheitsangaben nach 10 Jahren irrelevant sind. Ganz egal, ob falsche Angaben getätigt wurden, darf eine Versicherung nach Ablauf von 10 Jahren wegen arglistiger Täuschung nicht mehr anfechten.

In dem dortigen Fall hatte der Versicherungsnehmer im Jahr 2002 umfassende Fragen zu Vorerkrankungen ausfüllen müssen. Erst nach Ablauf von 10 Jahren, und zwar erst im Juli 2012, erklärte die Versicherung die Anfechtung, weil eine Parkinsonerkrankung verheimlicht wurde.Wer also falsche Angaben gemacht hat und 10 Jahre vorbei sind, könnte Glück haben.

Aber Vorsicht: Am 11.12.2017 entschied das Oberlandesgericht Hamm unter dem Aktenzeichen 6 U 92/17, dass derjenige, der eine Berufsunfähigkeit vor Abschluss des Versicherungsvertrages mitbringen würde, „während der Dauer“ des Vertragsverhältnisses nicht weiter berufsunfähig werden könne. Dafür trage der Versicherungsnehmer die Beweislast. Hier ist also Vorsicht geboten.

Über einen nicht alltäglichen Fall der Verletzung einer Anzeigepflicht berichtet kürzlich ein Anwaltskollege in ProContra Online. Dort hatte der Versicherungsnehmer den schriftlichen Antrag ordnungsgemäß ausgefüllt. Sein Versicherungsmakler hatte bei der Onlineantragstellung die Vorerkrankungen an die Versicherung falsch übertragen. Nach einem Urteil des Oberlandesgericht Dresden vom 03.04.2018 unter dem Aktenzeichen 4 U 698/17 musste sich der Versicherungsnehmer das – arglistige – Verhalten seines Maklers zurechnen lassen, obgleich der Versicherungsnehmer selbst ja redlich gehandelt hatte. Im Gegensatz zum Versicherungsvertreter, der im Auftrag der Versicherung tätig ist, steht der Makler auf der Seite des Versicherungsnehmers. Mithin muss sich ein Kunde dessen Fehler zurechnen lassen. Das tragische daran könnte jedoch sein, dass deshalb die Haftpflichtversicherung des Maklers nicht mehr leistet. Gem. § 81 Abs. 2 Versicherungsvertragsgesetz kann ein Versicherer seine Leistungen in einem der schwere des Verschuldens entsprechenden Verhältnis kürzen, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeiführt.

Der Rücktritt vom Versicherungsvertrag

Im Jahre 2008 gab es im Versicherungsvertragsgesetz einige Änderungen.

Bis dahin gab es § 16 VVG, der den Kunden verpflichtete, zusätzlich zu den gestellten Fragen der Versicherung wichtige Gesundheitsangaben zu machen.

Danach hatte der Versicherungsnehmer bei der Schließung des Vertrages alle Ihm bekannten Umstände, die für die Übernahme der Gefahr erheblich sind, dem Versicherer anzuzeigen.

Erheblich sind die Gefahrumstände, die  geeignet sind, auf den Entschluss des Versicherers, den Vertrag überhaupt oder zu dem vereinbarten Inhalt abzuschließen, einen Einfluss auszuüben. Ein Umstand, nach welchem der Versicherer ausdrücklich und schriftlich gefragt hat, gilt im Zweifel als erheblich.

Dieser Paragraph wurde zum 01.01.2008 geändert.

§ 19 VVG heißt jetzt wie folgt:

Der Versicherungsnehmer hat bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, den Versicherer anzuzeigen.

Es kommt also seit dem 01.01.2008 nur noch darauf an, was der Versicherer abgefragt hat. Wenn jemand bei den Gesundheitsangaben etwas unwahr oder falsch angibt, kann dies zum Ausschluss der Versicherungsleistung führen. Es kommt darauf an, ob dies fahrlässig, grob fahrlässig oder sogar vorsätzlich und arglistig geschehen ist.

Bei einer arglistigen Täuschung kann der Versicherer den Vertrag gemäß § 22 VVG anfechten.

§ 19 Abs. 2 VVG regelt, dass der Versicherer vom Vertrag zurücktreten kann, wenn der Versicherungsnehmer seine Anzeigepflicht verletzt.

Vom Vertrag zurücktreten kann der Versicherer nur dann, wenn der Versicherungsnehmer die Anzeigepflicht vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat.