Sozialversicherungspflicht

Vorsicht bei Scheinselbständigkeit

Die Unterscheidung zwischen einem Selbstständigen und einem Arbeitnehmer geht mit erheblichen Konsequenzen für die Sozialversicherungspflicht des Betroffenen einher. Jedoch ist dieser Abgrenzungsprozess in der Praxis häufig nicht unkompliziert durchführbar. 

Nicht jeder, den ein unterzeichneter Geschäftsbesorgungsvertrag als „selbstständig“ ausweist, wird auch tatsächlich der Status eines Selbstständigen zu Teil.  Laut einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung gibt es in Deutschland ungefähr 235.000 „Scheinselbständigen“. 

Diese sind von den formellen Selbstständigen abzugrenzen. Während sich die Selbstständigkeit durch die freie Arbeitsgestaltung, die selbstbestimmte Auswahl und Gestaltung von Arbeitsort und -zeit auszeichnet und mit einem gewissen Maß an unternehmerischem Risiko behaftet ist, ist bei der „Scheinselbständigkeit“ ein solches Konzept der Selbstständigkeit lediglich vertraglich zwischen den Parteien festgehalten. Objektiv jedoch erfüllt der „Scheinselbständige“ die Merkmale eines Arbeitnehmers. Er steht in persönlicher Abhängigkeit zu seinem Auftraggeber, an dessen Weisungen er gebunden ist. 

Diese Weisungsgebundenheit und eine enge Eingliederung in die Betriebsorganisation des Auftraggebers unterscheiden den objektiv als Arbeitnehmer agierenden „Scheinselbständigen“ von einem unabhängigen selbstbestimmten Selbstständigen. Besonders deutlich wird diese Unterscheidung, wenn der Betroffene lediglich für einen Auftraggeber über einen längeren Zeitraum ohne eigene Angestellte tätig ist oder ihm eine solche Anstellung gar vom Auftraggeber vollends untersagt wird.  

Die Folgen einer solchen „Scheinselbständigkeit“ wirken sich auf den Betroffenen und den Auftraggeber jeweils unterschiedlich aus. 

Der Auftraggeber wird bei einer nachgewiesenen „Scheinselbständigkeit“ in die Sozialversicherungspflicht genommen und kann dazu verpflichtet werden, den Sozialversicherungsbeitrag bis zu vier Jahre rückwirkend zu zahlen. Für den „Scheinselbständigen“ besteht die Möglichkeit seinen Status als „Arbeitnehmer“ einzuklagen, womit dieser einem vertraglich beschäftigten Arbeitnehmer gleichgestellt wird und die rechtlichen Vorteile eines Arbeitnehmerverhältnisses wie Kündigungsschutz, Urlaubsansprüche oder einen Lohnfortzahlungsanspruch erhält. 

Häufig streben Unternehmen die „Scheinselbständigkeit“ ihrer Angestellten bewusst an, um an Sozialversicherungsbeiträgen zu sparen oder die gesetzlichen Vorteile des Arbeitnehmerverhältnisses zu umgehen. Ist dem Betroffenen seine Position als sozialversicherungspflichter Arbeitnehmer jedoch bewusst gewesen oder handelte dieser in seiner Tätigkeit als „Scheinselbständiger“ mit Vorsatz, kann auch er mit einer Bußgeldzahlung in Verpflichtung genommen werden. 

Um die Vermutung einer „Scheinselbständigkeit“ zu umgehen, empfiehlt sich für den Selbstständigen die Gründung einer Kapitalgesellschaft oder seine Tätigkeiten für mehrere Auftraggeber und über einen kürzeren Zeitraum zu verrichten.

Von Vermittlern, Selbständigen, Angestellten und Einfirmenvertretern

Versicherungsvermittler können selbständig tätig sein, aber auch Handelsvertreter oder Arbeitnehmer sein.

Gemäß § 84 HGB ist Handelsvertreter, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln.

Selbständig ist, wer im Wesentlichen frei seine Arbeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.

Wer jedoch weisungsgebunden ist, wer also seine Tätigkeit und seine Arbeitszeit nicht selbst gestalten kann, ist Arbeitnehmer.

Streitigkeiten zwischen Handelsvertretern und dem jeweiligen Unternehmen finden in der Regel vor dem Amts- und Landgerichten statt, bei Versicherungsvermittlern im Arbeitsverhältnis vor den Arbeitsgerichten.

Wenn einem Handelsvertreter auferlegt wird, vertraglich nicht für weitere Unternehmer tätig sein zu dürfen, wird dieser Handelsvertreter zum so genannten Ein-Firmen-Vertreter und es könnte auch dann das Arbeitsgericht für ihn zuständig sein (§ 92 a Abs. 1 Satz 1 HGB). Das Arbeistgericht wäre dann für einen Handelsvertreter zuständig.

Wer Arbeitnehmer ist, fällt unter die Pflichten der Sozialversicherung. Aber auch Selbständige können in die Sozialversicherungspflicht fallen, zumindest was die Rente angeht. Ein selbständig Tätiger ist gemäß § 2 Ziff. 9 SGB VI auch verpflichtet, in die gesetzliche Rentenversicherung zu zahlen, wenn er im Zusammenhang mit der selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen  Arbeitnehmer beschäftigt und auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig ist (Stichwort: Ein-Firmen-Vertreter).

Ein nur geringfügig Beschäftigter Arbeitnehmer ist kein versicherungspflichtiger Arbeitnehmer im Sinne des § 2 SGB VI. Wenn man nur einen geringfügig Beschäftigten Arbeitnehmer hat, wird man also trotzdem rentenversicherungspflichtig bleiben.

Wenn man mehrere geringfügig Beschäftigte hat, werden diese gemäß Urteil des Bundessozialgerichtes vom 23.11.2005 addiert. Dies könnte dann dazu führen, dass man die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht erhält. Grundsätzlich neigt die Deutsche Rentenversicherung dazu, einen Ein-Firmen-Vertreter unter die Rentenversicherungspflicht zu stellen.

Die Gefahr der Rentenversicherungspflicht ist nicht zu unterschätzen. Am 03.06.2016 hatte das Bayrische Landessozialgericht unter dem Aktenzeichen L 1 R 679/14 entschieden, dass ein Makler, der einem Maklerpool angeschlossen ist, rentenversicherungspflichtig ist.

Der dortige Makler hatte keinen Mitarbeiter und hatte bei der 1:1 Assekuranz Service AG aus Augsburg vermittelt. Das heißt, er hatte ausschließlich dort auf einer Plattform Unterlagen eingereicht. Kunden hatte er viele, Auftraggeber war nach der Auffassung des Gerichts nur 1:1.

Die Gerichte meinten, dass der Makler faktisch wirtschaftlich abhängig von der AG sei. Im Übrigen würde er stark entlastet werden, weil die AG „Back-Office-Tätigkeiten“ abnehme.

Im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber ist jemand tätig, wer nur für einen bzw. daneben nur in unbedeutendem Maße für andere Auftraggeber tätig ist. Das ist der Fall, wenn 5/6stel der Einnahmen von einem Auftraggeber stammen. Als Einnahmen gilt das Arbeitseinkommen (Beschwerdegegner, Urteil vom 04.11.2009 W oder B12 R 7/08).