Treue

Auskunft beim Ausgleichsanspruch

Das Oberlandesgericht Frankfurt hatte sich im März 2019 mit dem Ausgleichsanspruch eines Vertragshändlers beschäftigen müssen.

Verklagt wurde eine Generalimporteurin für Fahrzeuge der Marke1 für Deutschland. Mit der Klägerin schloss sie einen Händlervertrag Pkw sowie einen Servicevertrag über die Marke1. Dieser Vertrag wurde gekündigt.

Der Vertragshändler verlangte die Rücknahme von Ersatzteilen bzw. Zahlung und Auskunft. Da sich der Ausgleichsanspruch nach den Unternehmervorteilen berechne und diese dem Händler unbekannt sind und von dem Importeur errechnet werden könnten, wurde die eingeklagte Auskunft darauf gestützt. Der Deckungsbeitrag (Rohertrag) einer Importeurin ergibt durch Abzug des Einkaufspreises vom Verkaufspreis. In dieser Hinsicht bekam der Händler in beiden Instanzen Recht.

Er verlangte noch Belege. Diese wurden ihm allerdings in beiden Instanzen aberkannt.

Die Importeurin wurde von beiden Instanzen zur Zahlung Zug und Zug gegen Rücknahme der Ersatzteile verurteilt.

Das erstinstantliche Urteil wurde vom OLG also in vollem Umfang bestätigt.

Die Ersatzteile mussten zurückgenommen werden, weil der Importeur nachvertraglich zur Treue verpflichtet sein. Der daraus hergeleitete Rücknahmeanspruch beschränkt sich nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 20.07.2005, VIII ZR 121/04) auf Warenbestände, deren Abnahme und Lagerung durch den Eigenhändler im Interesse ordnungsmäßiger Vertragserfüllung geboten war. Der klagende Händler kann so die Folgen seiner vertraglichen Verpflichtung gegenüber dem Importeur, nicht auch das Risiko darüber hinausgehender eigener unternehmerischer Entscheidungen, auf diesen abwälzen.

Ob der Händler einen Auskunftsanspruch hat und ob ihm überhaupt Ausgleichsansprüche zustehen, war vom Gericht zunächst zu prüfen. Denn Ausgleichsansprüche stehen gem. § 89 b HGB nur Handelsvertretern zu. Ein solcher war der Vertragshändler nicht.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist die auf Handelsvertreter zugeschnittene Bestimmung des § 89b HGB auf einen Vertragshändler entsprechend anzuwenden, wenn sich das Rechtsverhältnis zwischen ihm und dem Hersteller oder Lieferanten nicht in einer bloßen Käufer-Verkäufer-Beziehung erschöpft, sondern der Vertragshändler so in die Absatzorganisation des Herstellers oder Lieferanten eingegliedert ist, dass er wirtschaftlich in erheblichem Umfang dem Handelsvertreter vergleichbare Aufgaben zu erfüllen hatte, und der Händler zum anderen verpflichtet ist, dem Hersteller oder Lieferanten seinen Kundenstamm zu übertragen, so dass sich dieser bei Vertragsende die Vorteile des Kundenstamms sofort und ohne weiteres nutzbar machen kann (BGH, Urteil vom 06.10.2010 – VIII ZR 209/07 zum Kfz-Vertragshändler). Das OLG meinte, dass allein entscheidend sei, ob der Kfz-Vertragshändler wie ein Handelsvertreter in die Absatzorganisation des Herstellers eingegliedert ist und einen von ihm für den Hersteller neu geworbenen sowie an den Hersteller zu überlassenden Mehrfachkundenstamm aufbaue.

Dies sah das OLG als erfüllt an.

Maßstab für § 89b Abs. 1 Nr. 1 HGB sind die Unternehmervorteile. Diese sind nach der Neufassung des § 89b Abs. 1 HGB nicht mehr durch die Höhe der Provisionsverluste des Handelsvertreters beschränkt. Deshalb hat sich der Händler auch nicht damit abzufinden, dass er die Berechnung doch anhand der Verluste vornehmen könne, wie es die Beklagte behauptet hatte. So hatte das OLG Frankfurt auf ein Urteil des OLG Düsseldorf Bezug genommen, das einen Auskunftsanspruch abgelehnt hatte (OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.01.2017 – 16 U 171/15).

Da die Klägerin über eine entsprechende Kenntnis der Unternehmensvorteile nicht verfügt, steht ihr der Auskunftsanspruch zu. Mit dieser profanen Begründung wurde der Auskunftsanspruch durch das OLG Frankfurt bestätigt.

Beim Einsichtnahmerecht in Belege entschied das OLG Frankfurt im Ergebnis anders als das OLG Düsseldorf. Zwar kann nach § 810 BGB und aus § 242 BGB ein Vorlageanspruch von Urkunden bestehen. Unter Abwägung der beiderseitigen schutzwürdigen Belange gebe es in Frankfurt ein berechtigtes Interesse an einer derartigen Urkundeneinsicht nicht. Der Anspruch setze nämlich voraus, dass die Einsicht zur Förderung, Einhaltung und Verteidigung seiner rechtlich geschützten Interessen benötigt wird. Das OLG Düsseldorf hatte das bejaht, weil bereits zuvor erteilte Auskünfte lückenhaft waren. Der Auskunftsverpflichtete war in Düsseldorf trotz entsprechender Hinweise zur Erteilung einer erschöpfenden Auskunft nicht bereit. Dies war allerdings in Frankfurt nicht der Fall, so dass das Einsichtnahmerecht vom OLG Frankfurt abgelehnt wurde.

Urteil des OLG Frankfurt vom 13.03.2019 Az 12 U 37/18

Die Treue gegenüber dem Handelsvertreter

Das Recht der Handelsvertreter ist in § 84 HGB geregelt. Außer der Allgemeinformulierung, dass ein Handelsvertreter ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen, gibt § 84 HGB nicht viel her. Anerkannt ist jedoch, dass sich aus § 84 HGB direkt eine Treueverpflichtung ergibt.

Auch wenn der Begriff der Treue für den Laien eine unterschiedliche Bedeutung haben könnte, heißt es für den Handelsvertreter:

Der Handelsvertreter hat die Interessen des Unternehmens wahrzunehmen (§ 86 Abs. 1 HGB), er muss ggf. die über seine Tätigkeit erforderlichen Berichte abgeben, von jedem vermittelten und abgeschlossenen Geschäft unverzüglich Mitteilung machen und er darf im Rahmen der Treuepflicht grundsätzlich nicht für ein Konkurrenzunternehmen tätig werden.

Aus dem geschlossenen Handelsvertretervertrag ergeben sich aber auch ungeschriebene Pflichten des Unternehmers. Wenn dem Handelsvertreter Treuepflichten treffen, so hat der auch Unternehmer Pflichten zur Unterstützung und Rücksichtnahme gegenüber dem Handelsvertreter einzuhalten.

Im Arbeitsrecht gibt es eine weitreichende Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, im Handelsvertreterrecht nicht. Weitreichende Treuepflichten gibt es auch innerhalb einer Personengesellschaft oder bei den Gesellschaftern in einer GmbH oder AG, die u.a. in Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGHZ, 65,15; 103,184) verankert wurden. Bei Handelsvertretern gibts es diese jedoch nicht. Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 14.09.2012 unter dem Aktenzeichen I-16 U 77/11 ist der Unternehmer zur Treue und Loyalität verpflichtet. Er muss den Handelsvertreter unterstützen und ihm gegenüber Rücksicht nehmen, und zwar im gleichen Umfang, wie er sie umgekehrt von seinem Vertreter erwarten darf.

Dies geht jedoch nicht so weit, als dass der Handelsvertreter verlangen könnte, dass nicht auch andere Personen  mit der Vermittlung und dem Abschluss von Geschäften beauftragt werden. Nur dann, wenn der Handelsvertreter ein sog. Alleinvertreter ist, kann er erwarten und verlangen, dass keine weiteren Handelsvertreter in sein Arbeitsfeld eingreifen (vgl. BGH-Urteil vom 23.07.1997, Aktenzeichen VIII ZR 130/96, OLG München, Urteil vom 29.07.2010, Aktenzeichen 23 U 4893/09).

Grundsätzlich hat der Bundesgerichtshof anerkannt, dass die Treueverpflichtungen, die zwischen einem Unternehmer und einem Vertragshändler bestehen, auch auf das Handelsvertreterrecht anzuwenden sind.

In der Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf führte dies allerdings nicht dazu, dass der eine Handyvertreter von dem Mobilfunkanbieter verlangen kann, dass nicht ein weiterer Handyvertreter in der gleichen Einkaufspassage tätig wird. Grundsätzlich nämlich hat das Unternehmen Dispositionsfreiheit. Das Unternehmen kann seine Produkte z.B. auch über das Internet anbieten, ohne gegen die Treueverpflichtung gegenüber dem Handelsvertreter zu verstoßen. Er darf allerdings nicht an dieselben Kunden herantreten, für die der Handelsvertreter tätig ist und diesen günstigere Preise anbieten. Dies wäre ein eklatanter Verstoß gegen die Treueverpflichtung. Der Unternehmer würde sich damit Schadensersatzpflichtig machen.

Ein Verstoß gegen Treue- und Unterstützungspflichten des Unternehmers könnte sich jedoch daraus ergeben,

  • wenn der Unternehmer kurzfristig den Verkauf der Produktschiene einstellt,
  • wenn der Unternehmer plötzlich qualitativ schlechte Produkte anbietet,
  • wenn der Unternehmer eine schlechte Software anbietet, mit der der Verkauf des Produkts erheblich erschwert wird.