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Es ist nichts Neues, wenn Medien über die großen Vertriebe berichten. Ende letzten Jahres gab es im ZDF zwei Sendungen über die DVAG. Böhmermann lästerte im Magazin Royal, während Frontal sich dem Thema gewohnt nüchterner widmete.
Rechtsanwalt Behrens konnte immerhin etwas Rechtliches zu Kündigungsfristen beitragen und im Hintergrund ein wenig Aufklärung zum Verständnis von Strukturvertrieben sorgen.
Es ist auch heute noch der „übliche“ Zweikampf zwischem dem freien Makler und den Vertrieben, die ausschließlich (oder fast ausschließlich) nur einen Versicherungskonzern vermitteln. Tendenziell zieht es nach wie vor viele Vermittler von der Ausschließlichkeit zur freien Maklerschaft.
Wir hören immer wieder die Begründung, dass der freie Makler über ein viel größeres Potpourri verfügt als der Ausschließlichkeitsvertreter. Der Makler kann in der Regel mehr und oft günstiger anbieten. In diesem Zusammenhang fällt eine alte Geschichte ein, in der ein Vermögensberater mitteilte, er könne keine Spedition mit mehr als 25 LKWs Versichern, weil dies von seiner Versicherung nicht angeboten wurde.
Und als er, wie man es in der Branche nennt, von der Ventillösung Gebrauch machte, bekam er Ärger wegen einer angeblichen Konkurrenztätigkeit. Das wäre dem Versicherungsmakler nicht passiert.
Es gibt noch ein Argument, das für die Maklerschaft spricht. Das ist der Kundenbestand. Jeder Versicherungsvermittler baut seinen Kundenstamm auf. Dem Handelsvertreter gehört der Kundenstamm nicht. Er kann den Kundenstamm also auch nicht verkaufen. Dafür könnte er allerdings einen Ausgleichsanspruch gem § 89 b HGB bekommen, wenn ihm dieser überhaupt zusteht.
Oft wird dieser jedoch von den Vertrieben sehr dürftig gezahlt und teilweise gar nicht. Der Versicherungsmakler, sofern er kein Handelsvertreter ist, könnte seinen Kundenstamm allerdings veräußern und mit ein bisschen Geschick versilbern.
Wie schwer es ist, den Ausgleichsanspruch zu berechnen, werden wir hier im Blog in den nächsten Wochen beleuchten. Und wir werden auch verraten, welcher Vertrieb nach welcher Rechenmethode einen Ausgleichsanspruch ermittelt und ob man mit dem Ergebnis leben kann.
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Am 30.12.2015 fällte das Landgericht Freiburg in einem einstweiligen Verfügungsverfahren eine interessante Entscheidung. Ein Versicherungsvertreter darf nicht heimlich nebenbei im Wege einer Ventillösung makeln, indem er dem Kunden vorgefertigte Maklervollmachten eines anderen Maklers übergibt .
„Ein Versicherungsvertreter, dem eine Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 GewO als Versicherungsvertreter erteilt worden ist und der in zumindest neun Fällen – noch bei einem nicht von ihm vertretenen Versicherern vertraglich gebundene – Versicherungsnehmer aufsucht und ihnen vorausgeführte Vollmachten zu Gunsten eines Versicherungsmaklers vorlegt und nach Unterzeichnung an den Makler weiterleitet, handelt der ihm erteilten Erlaubnis zuwider.“
Eine Versicherungsmaklerin hatte im Wege einer einstweiligen Verfügung beantragt, dass dem Vermittler und Makler untersagt wird, als Versicherungsmakler Maklervollmachten bei Kunden aufzunehmen. Sie bekam am 30.12.2015 Recht.
Der Beklagte war ursprünglich für die Klägerin tätig. Er ist selbständiger Versicherungsvertreter und verfügt über eine Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 GewO.
In § 34d Abs. 1 GewO ist geregelt: Wer gewerbsmäßig als Versicherungsmakler oder als Versicherungsvertreter den Abschluss von Versicherungsverträgen vermitteln will, bedarf der Erlaubnis der zuständigen Industrie- und Handelskammer.
Auch die Klägerin verfügt über diese Erlaubnis.
Der Beklagte soll nun im Rahmen einer sogenannten Ventillösung Maklervollmachten an eine GmbH weitergegeben haben. Er soll Kunden an die GmbH empfohlen haben.
Von dem Beklagten wurde eingeräumt, er habe den Kunden erklärt, dass er diese im Moment nicht selbst übernehmen könne, und darauf hingewiesen, dass es die GmbH gäbe und diese GmbH als Makler eine Betreuung der bestehenden Verträge übernehmen könne. In diesem Verhalten sah das Landgericht, dass er damit gegenüber dem Versicherungsnehmer den Anschein erweckt hat, er sei Versicherungsmakler.
Gemäß § 59 Abs. 3 VVG ist Versicherungsmakler, wer gewerbsmäßig für den Auftraggeber die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen übernimmt, ohne von einem Versicherer oder einem Versicherungsvertreter, damit betraut zu sein. Als Versicherungsmakler gilt auch, wer gegenüber dem Versicherungsnehmer den Anschein erweckt, er erbringe seine Leistungen als Versicherungsmakler. Versicherungsvertreter im Sinne des § 59 Abs. 2 VVG ist demgegenüber derjenige, der von einem Versicherer oder von einem anderen Versicherungsvertreter damit betraut ist, gewerbsmäßig Versicherungsverträge zu vermitteln oder abzuschließen.
Das Landgericht weiter: „Während der Versicherungsvertreter das Interesse des Versicherers wahrzunehmen hat, steht der Versicherungsmakler im Verhältnis zum Versicherer auf der Seite des Kunden als dessen Interessenwahrer und Sachwalter. Auch der Handelsvertreter eines Versicherungsmaklers ist damit Versicherungsmakler im Verhältnis zum Kunden.“
Weil der Beklagte ausgefüllte Maklervollmachten mitbrachte und diese dem Kunden übergab, sei er damit als Handelsvertreter für die Maklergesellschaft tägig geworden. Die Vielzahl der eingeworbenen Maklermandate würden u.a. für eine handelsvertretermäßige Tätigkeit sprechen.
Das Landgericht weiter: „Im Verhältnis zu den Kunden gilt er deshalb als Versicherungsmakler… Eine solche Doppeltätigkeit verstößt gegen die ihm erteilte Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 GewO…. Hierbei handelt es sich um einen wettbewerbsrechtlich verbotenen Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG aF (vgl. Bundesgerichtshof Urteil vom 18.09.2013 – I.ZR 183/12).
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Die DVAG ist ein typischer Finanzdienstleister, ein typischer Strukturvertrieb. Der Verkauf von Versicherungen steht im Vordergrund. Im Angebot waren meist Produkte der AachenMünchener.
So war das Angebot beschränkt, im Gegensatz zur Konkurrenz wie z.B. Swiss Life Select (vormals AWD). AWD hatte sich ursprünglich nicht auf einen Produktgeber reduziert. Man nannte sich – zumindest bis zur Anbindung mit der Swiss Life – unabhängig.
Die DVAG hingegen beschränkte sich zumeist auf das Angebot der AachenMünchener. Was von dort nicht angeboten wurde, gab es nicht.
So kam der einen oder andere Vermögensberater auf die Idee, seine Angebotspalette zu erweitern. Wenn z.B. die AachenMünchener die Versicherung einer größeren Speditionsflotte ablehnte, wurde dies von anderen Versicherern angeboten. Insider sprechen dann von Ventillösung. Nur ausnahmsweise, wenn es nicht anders geht und um den Kunden besser anzubinden, sollte auf eine fremde Versicherung zurückgegriffen werden.
Ansonsten musste der Berater befürchten, den Kunden ganz zu verlieren. Ob dies vertragskonform ist, soll hier nicht beurteilt werden. Jedenfalls hatte eine Gruppe erfolgreicher Vermögensberater von dieser Idee Gebrauch gemacht. Dadurch wurde gerade bei Geschäftskunden eine bessere Anbindung erzielt. Diese hatten, wie in dem Fall des Spediteurs, kein Verständnis dafür, dass gewisse Risiken bzw. die Fahrzeuge nicht versicherbar waren.
Diese Vermögensberater erhielten vor Jahren, nachdem deren Ventillösung dem Vorstandsvorsitzenden der DVAG Prof. Dr. Reinfried Pohl bekannt wurde, von diesem einen persönlichen Brief. Darin teilte er seine Betroffenheit mit. Er erwartete, dass sein System der Allfinanz, so wie er es erfunden hatte, umgesetzt werde und von der Ventillösung Abstand genommen wird.
Durch die Ventillösung schien ein Dogma in Gefahr zu geraten.
Dass jetzt, nach mehr als einem Jahr nach Tod des Gründers, mit dem Inkassoangebot für Gewerbetreibende neue Wege gesucht werden, ist daher bemerkenswert. Zumindest zielt man dabei auf einen Kundenstamm ab, der bereits bei der oben beschriebenen Ventillösung im Fokus stand.