Verbraucher

Aufhebungsvertrag nicht widerruflich

Der Handelsvertreter ist endlich raus. Nach vielem Ärger bekam er endlich den Aufhebungsvertrag. In der Hoffnung, endlich Ruhe zu haben, wurde der Vertrag kurzerhand unterschrieben und zurückgeschickt.

Gelesen wurde der Vertrag nur oberflächlich. Der erste Ärger kam schnell, als ein Kollege sagte, der Aufhebungsvertrag sei einseitig. Er habe jetzt ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, eine Vertragsstrafe im Falle des Verstoßes, Geld bekomme er für die Zukunft keines mehr, aber dafür dürfe er noch lange haften, für Provisionsvorschüsse und Beratungsfehler. Außerdem habe er ja auf Ansprüche aus einem Versorgungswerk verzichtet. Schnell wird er Beratungstermin mit dem Anwalt gemacht, in dem bestätigt wird, dass der Vertrag – außer das schnelle Ende – nur Nachteile für den Handelsvertreter enthalte. Und ein Ausgleichsanspruch sei aufhebungsvertraglich auch noch ausgeschlossen.

Aber anfechten wolle er dann, woraufhin der Anwalt entgegenete, das ginge nur bei Irrtum, Drohung oder Täuschung und all das lege nicht vor. Aber er habe sich doch geirrt, meinte der Handelsvertreter, weil er die Rechtsfolgen nicht überblicken konnte. Der Irrtum über die Rechtsfolgen sei schon seit einer Rechsgerichtsentscheidung als Motivirrtum zu werten, so der Anwalt, der normalerweise unbeachtlich ist und keinen Raum für eine Anfechtung gibt.

Dann jedoch könne er widerrufen, glaubte bis dato der Handelsvertreter. Seit das Haustürwiderrufgesetz gegolten hat und nunmehr die Regelungen in §§ 312 ff BGB zu finden sind, gibt es die Möglichkeit des Widerrufs.

Jedoch auch hier geht der Handelsvertreter wohl rechtlos aus. Das Bundesarbeitsgericht entschied am 7.2.2019 unter dem Az 6 AZR 75/18, dass ein Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag nicht widerrufen könne.
Das „Haustürwiderrufsrecht“ nach den §§ 312 ff. BGB a.F. stelle vertragstypenbezogenes Verbraucherschutzrecht dar und würde nur auf „besondere Vertriebsformen“ Anwendung finden, nicht jedoch auf Verträge, die wie der Arbeitsvertrag und der arbeitsrechtliche Aufhebungsvertrag keine Vertriebsgeschäfte sind. Daran soll sich auch durch den neu gefassten § 312 g BGB nichts ändern, wonach Verbrauchern nunmehr „bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen“ ein Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB zustehe. Die vom BAG zur bisherigen Rechtslage aufgestellten Grundsätze sind nach Auffassung des BAG auch auf Aufhebungsverträge und den neuen § 312 g BGB übertragbar. Ein Arbeitsnehmer könne danach nicht widerrufen.

Wenn schon bereits Arbeitnehmer nicht widerrufen können, steht den Handelsvertretern wohl erst recht keine Widerrufsrecht zu. Schließlich ist der Handelsvertreter selbständig und vom Gesetz weniger geschützt.

Dennoch gibt es nach der Entscheidung des BAG zumindest für Arbeitnehmer eine zarte Hoffnung. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen müsse noch prüfen, ob das Gebot des fairen Verhandelns beachtet worden sei. Dieses Gebot stelle eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht dar. Wenn z.B. der Arbeitgeber eine psychische Drucksituation schafft, die eine freie und überlegte Entscheidung des Arbeitnehmers über den Abschluss des Aufhebungsvertrages erheblich erschwert, würde er dagegen verstoßen. Das könnte dann der Fall sein, wenn jemand krankheitsbedingt den Aufhebungsvertrag, wie in dem Fall des BAG, unterschreibt.

Der Arbeitgeber müsse für den Fall des Verstoßes Schadensersatz leisten und den Arbeitnehmer so stellen, als wäre der Aufhebungsvertrag nie unterschrieben worden.

Dieser Grundsatz des Gebotes des fairen Verhandelns hat in dieser Form im Handelsvertreterrecht bisher keine Berücksichtigung gefunden. Da jedoch der BGH in neueren Entscheidungen eine gewisse Schutzbedürftigkeit für abhängige Handelsvertreter betont hat, und zumindest bei der Frage von Kündigungsfristen die Abhängigkeit eines Handelsvertreters mit dem eines Arbeitnehmers verglichen hat, könnte auch dieser Grundsatz hier bald mal eine Rolle spielen.

Müssen die Großen jetzt zittern?

Die Musterfeststellungsklage kommt. Es ist das die gesetzliche Verankerung einer Sammelklage.

Müssen jetzt die großen Vertriebe zittern? Viele Vermittler, die statt des in Aussicht gestellten Ferraris das böse Erwachen erfahren haben, wünschen sich ein rigoroses Vorgehen gegen üble vertragliche Strukturen. Lange Kündigungsfristen, fragwürdige Vorschussregelungen mit Tendenzen zur Verschuldung, zweifelhaften Wettbewerbsverbote, sittenwidrige Strukturregeln könnten ja eine Sammelklage veranlassen.

Der Bundestag hat ein entsprechendes Gesetz jedenfalls beschlossen.

Es gibt allerdings zwei Gründe, warum die vertriebliche Tätigkeit davon ausgeschlossen ist.

Zum einen soll es nur Verbrauchern möglich sein, gemeinsam vor Gericht zu ziehen. Handelsvertreter sind dies nicht.

Zum anderen müssen sich mindestens zehn Betroffene zusammenfinden, denen mutmaßlich durch ein Unternehmen der gleiche Schaden entstanden ist. Klageberechtigt sind auch nur bestimmte Verbraucherverbände. Diese Verbände müssen mindestens aus 350 Mitgliedern bestehen oder zehn Mitgliedsverbände unter sich vereinen. Außerdem müssen die Verbände seit mindestens vier Jahren in einer Liste des Bundesamtes für Justiz registriert sein.

Die großen Vertriebe müssen jedenfalls nichts befürchten.

Kann man noch widerrufen?

Kaum haben mehr als 70 % der Generali-Außendienstler ihre unterschriebenen Verträge zur DVAG geschickt, taucht jetzt vereinzelt die Frage auf, ob man „aus dem Angebot“ wieder raus kommt.

Juristisch gesehen liegt ein Vertragsangebot unter Abwesenden vor. Der Vertrag kommt postalisch zustande. Das Angebot ist durch den Berater durch Übersendung seines unterschrieben Vertragsteils abgegeben worden.

§147 Abs.2 BGB:  Der einem Abwesenden gemachte Antrag kann nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf.

Ist die Zeit vorbei, und wird die Annahme des Vertrages zu spät zurückgeschickt, kommt kein Vertrag zustande.

Wann die Zeit vorbei ist, und der Antragsteller nicht mehr an den Antrag gebunden ist, sagt § 147 Abs. 2 BGB nicht genau. Bei gewerblichen Mietverträgen dürften 2-3 Wochen genügen. Wenn dann der unterschriebene Vertrag nicht zurück ist, ist kein Vertrag zustande gekommen.

Wenn der potentielle Berater ein Verbraucher ist, könnte ihm ein Widerrufsrecht gem. §355 BGB zustehen. Nach §312 g Abs.1 BGB gibt es bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht.

In der Regel ist ein Handelsvertreter jedoch nicht als Verbraucher anzusehen, da er gewerblich handelt. Während Arbeitnehmer nach dem Bundesarbeitsgericht als Verbraucher gelten,  wird einem Handelsvertreter kein Widerrufsrecht zustehen.