Widerrufsrecht

Folgen des nachträglichen Widerrufs, wenn die Widerrufsbelehrung unwirksam war

Die Ausübung des Widerrufsrechts ist bei einem noch andauernden Kreditverhältnis in der Regel nur zweckmäßig, wenn der Verbraucher in der Lage ist, das Darlehen innerhalb von ein paar Tagen nach Widerruf vollständig an die darlehensgewährende Bank zurück zu zahlen, weil dieser Zeitraum die gesetzliche Vorgabe darstellt.

Der Widerruf hat folgende Rechtsfolgen:

1) Der Vertragszins muss nicht gezahlt werden, soweit er über den Nutzungsersatz hinausgeht. Man hat einen entsprechenden Erstattungsanspruch für die zu viel gezahlten Zinsen.

2) Für die Zeit ab Widerruf kann man ein Darlehen in Anspruch nehmen, dass er zu derzeit günstigeren Zinskonditionen in Anspruch nehmen kann.

3) Eine Vorfälligkeitsentschädigung wird nicht geschuldet, weil der Widerruf zu einer Aufhebung des geschlossenen Darlehensvertrags führt.

4) Bei einem finanzierten (d. h. verbundenen) Geschäft führt der Widerruf zu der Folge, dass dem darlehensgewährenden Kreditinstitut nicht das Darlehen sondern das aus der Finanzierung Erlangte (z. B. eine Fondsbeteiligung) zu übertragen ist und der Verbraucher von seinen Zahlungspflichten aus dem Darlehen befreit ist.

 

Fehlerhafte Widerrufsbelehrungen in Verbraucherdarlehen und ihre Folgen

Der Gesetzgeber verlangt für sog. Verbraucherkreditverträge die Formulierung einer den gesetzlichen Vorgaben entsprechenden Widerrufsbelehrung durch das darlehensgebende Kreditinstitut.

Der Verbraucher soll auf diese Weise vor den Folgen von Vertragsabschlüssen, die er nicht zutreffend überblickt, geschützt werden und hat bei ordnungsgemäßer Belehrung 14 Tage Zeit für die Erklärung seines Widerrufs.

Bei einer nicht ordnungsgemäßen Aufklärung beginnt der Lauf dieser Frist nicht und das Widerrufsrecht bleibt dem Verbraucher erhalten, selbst wenn das Darlehen bereits zurückgeführt worden ist.

Viele Bankinstitute verwenden von ihnen selbst formulierte und von dem durch den Gesetzgeber zur Verfügung gestellten Muster abweichende Formulierungen. Diese bieten wegen der textlichen Variationen vielfach Anlass zur Kritik und genügen nicht mehr den gesetzlich definierten Anforderungen.

Dies gilt ausschließlich für Verbraucherdarlehen, dabei aber für Darlehen jeder Art, z.B.

-Anschaffungsdarlehen (z. B. KFZ, Wohnungseinrichtung)

-Existenzgründungsdarlehen

-Immobilienfinanzierungen (z. B. Eigenheim)

-Finanzierung von Beteiligungen (z. B. Fondsbeteiligungen).

Die Pflicht zu einer derartigen Belehrung wurde bereits durch das Verbraucherkreditgesetz aus dem Jahre 1991 begründet und ist seit dem 01.01.2002 im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert, nämlich in § 355 BGB.

In § 360 BGB sind die inhaltlichen Anforderungen an diese Belehrung geregelt. Dabei werden die Darlehensgeber darauf hingewiesen, dass eine dem nachstehend eingefügten Muster 1 der BGB-InfoV entsprechende Belehrung zweifelsfrei dem Gesetz genügt:

a) Seit 01.09.2002 bis 30.09.2008

Man kann seine Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an: (Anm. d. Verf.: hier ist die Adresse einzusetzen)

Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und ggf. gezogene Nutzungen (z. B. Zinsen) herauszugeben. Kann man die empfangene Leistung ganz oder teilweise nicht oder nur im verschlechtertem Zustand zurückgewähren, muss ggf. Wertersatz geleistet werden.

b) Seit 01.10.2008 bis 10.06.2010

Hier ist die Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) zu widerrufen. Die Frist beginnt nach Erhalt dieser Belehrung in Textform. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.

Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und ggf. gezogene Nutzungen (z. B. Zinsen) herauszugeben. Kann man die empfangene Leistung ganz oder teilweise nicht oder nur im verschlechtertem Zustand zurückgewähren, muss ggf. Wertersatz geleistet werden. Verpflichtungen zur Erstattung von Zahlungen müssen innerhalb von 30 Tagen erfüllt werden. Die Frist beginnt mit der Absendung Ihrer Widerrufserklärung, ggf. mit deren Empfang.

c) Seit 11.06.2010 bis 13.06.2014

Jetzt kann man seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tage ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt nach Erhalt dieser Belehrung in Textform. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.

Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und ggf. gezogene Nutzungen (z. B. Zinsen) herauszugeben. Können die empfangenen Leistungen ganz oder teilweise nicht oder nur im verschlechtertem Zustand zurückgewähren, muss man ggf. Wertersatz leisten. Verpflichtungen zur Erstattung von Zahlungen müssen innerhalb von 30 Tagen erfüllt werden. Die Frist beginnt mit der Absendung Ihrer Widerrufserklärung, ggf. mit deren Empfang.

Als Folge der jeweils gewürdigten textlichen Abweichungen von dem Mustertext haben viele Gerichte die Unwirksamkeit der Widerrufsbelehrungen bejaht.

Deshalb wurde den Verbrauchern jeweils das Widerrufsrecht zugestanden und selbst noch nach bereits erfolgter Rückführung des Darlehens als wirksam angesehen.

Die Rückabwicklung selbst richtet sich bei Vertragsabschlüssen auf

a) Rückzahlung des Erlangten

b) Ersatz für gezogene Nutzungen

EuGH zum Widerrufsrecht

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte dem Aktenzeichen C-209/12 Ende des letzten Jahres eine interessante Entscheidung gefällt.

Er hatte Lebens- und Rentenversicherungsverträge, die in den Jahren von 1994-2007 abgeschlossen wurden, in Hinblick auf das Kleingedruckte überprüft.

Das Widerrufsgesetz ist im Versicherungsvertragsgesetz verankert. Es stammt ursprünglich vom 30.05.1908. Eine Reform ist am 01.01.2008 in Kraft getreten. Die alte Rechtslage bis 31.12.2007 gilt teilweise noch für Altverträge.

Verbraucher können ohne Angabe von Gründen widerrufen: Bei Lebensversicherungen gilt dies bis 30 Tage nach Abschluss (§ 152 VVG) bei allen anderen Versicherungsverträgen mit einer Frist von 14 Tagen (§ 8 VVG). Die Widerrufsfrist beginnt zu dem Zeitpunkt, zu dem der Versicherungsschein und eine deutlich gestaltete Belehrung über das Widerrufsrecht dem Versicherungsnehmer in Textform zugegangen sind.

Im Kleingedruckten vieler Versicherungen, auch der Allianz, war früher geregelt, dass das Rücktrittsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlöschen würde.

Der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes lag folgender Fall zu Grunde:

Ein Versicherungsnehmer – namens Endress – schloss bei der Allianz eine Rentenversicherung mit Vertragsbeginn zum 01.12.1998. Die allgemeinen Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation erhielt er mit dem Versicherungsschein.

Nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofes wurde er nicht hinreichend über seine Rechte gemäß § 5 a VVG alter Fassung belehrt.

Ab Dezember 1998 war für fünf Jahre jährlich eine Versicherungsprämie zu zahlen. Rentenbeginn sollte der 01.12.2011 sein.

Zum 01.09.2007 wurde der Vertrag gekündigt und der knapp über dem Nominalwert der eingezahlten Prämien liegende Rückkaufswert ausgezahlt.

Am 31.03.2008 übte der Versicherungsnehmer das Widerrufsrecht gemäß § 5 a VVG aus. Er forderte die Rückzahlung der Prämien nebst Zinsen unter Verrechnung des Rückkaufswertes und verwies dabei auf eine Entscheidung des Landgerichts Stuttgart vom 13.07.2010 unter dem Aktenzeichen 22 O 587/09. Nach seiner Berechnung waren dies 22.272,56 €.

Das Landgericht Stuttgart und auch das Oberlandesgericht Stuttgart wiesen seine Klage jedoch ab. Sie verwiesen auf das erloschene Rücktrittsrecht.

Gemäß der allgemeinen Versicherungsbedingungen sollte nämlich der Rücktritt allenfalls bis ein Jahr nach Zahlung der Erstprämie möglich sein.

Der Bundesgerichtshof setzte mit Beschluss vom 28.03.2012 das Verfahren aus und legte dem Europäischen Gerichtshof die Frage vor, ob § 5 a VVG alter Fassung gegen Europarecht verstoße.

Das Berufungsgericht (OLG Stuttgart) hatte zuvor festgestellt, dass die Versicherung den Versicherungsnehmer nicht in drucktechnisch deutlicher Form über sein Widerspruchsrecht belehrt hatte.

Der Europäischen Gerichtshof hat nunmehr die Frage bejaht, dass § 5 a VVG alter Fassung gegen Europarecht verstoße. Das Verfahren wurde nunmehr an den Bundesgerichtshof zurückgegeben. In diesem Jahr ist zu erwarten, dass der Bundesgerichtshof über die Rechtsfolgen entscheide.

Übrigens: Mit Urteil vom 16.10.2013 hatte der Bundesgerichtshof unter dem Aktenzeichen IV. ZR 52/12 entschieden, dass zwar ein Widerruf auch dann noch möglich sei, wenn der Vertrag bereits gekündigt wurde, jedoch dann nicht mehr, wenn beiderseitig vollständige Leistungserbringung erbracht worden wäre.