Folge 1: MLP, Richter am LG Wiesbaden W. und die einstweilige Verfügung

Schwups, da kam mir nun von MLP eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Wiesbaden ins Büro geflattert.

Mir wurde untersagt, wörtlich oder sinngemäß gegenüber Dritten zu behaupten, dass MLP eine sektenähnliche Struktur habe und wörtlich oder sinngemäß gegenüber Dritten zu behaupten, MLP wende gegenüber den bei ihr unter Vertrag stehenden Handelsvertretern psychologische Druckmittel an, vergleichbar denen von sektenartigen Vereinigungen. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wurde mir ein Ordnungsgeld in Höhe von € 250.000,– angedroht und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten. Der Streitwert wurde auf € 100.000,– festgesetzt.

Wow, das saß!

Ich wette, als er die einstweilige Verfügung in den Händen hielt, hat sich der MLP-Anwalt,  Herr RA S. von der Kanzlei T. in H. kräftig auf die Schenkel geklopft und gedacht, jetzt habe ich die Jakobs im Sack und dabei auch noch ordentlich Gebühren eingesammelt.

Doch weit gefehlt, war ich doch etwas irritiert, dass nach meinem Dafürhalten das Unterlassungsgebot in rechtlicher Hinsicht nicht haltbar ist. Jetzt bin ich im Medienzivilrecht besonders ausgebildet und habe bei den besten Lehrern der Republik, Prof. Dr. Schiedermair Artikel 5 Grundgesetz rauf unter runter studiert und bei Prof. Dr. Walter Seitz alles gelernt, was man so im Medienzivilrecht wissen muss und Juristen diesbezüglich eben wissen müssten, wenn sie sich im Äußerungsrecht betätigen, nämlich, dass es sich bei den von MLP angegriffenen Äußerungen zum einen um Meinungsäußerungen handelt, diese Äußerungen zum anderen zur Rechtsverteidigung meiner Mandanten aufgestellt wurden. Zudem konnte ich keine Dringlichkeit als rechtliche Voraussetzung für den Erlaß einer einstweiligen Verfügung erkennen, weil MLP meine Schriftsätze schon Monate vorher vorlagen. Also kurzum, jeder der sich im Äußerungsrecht auskennt, hätte wissen müssen, dass das Vorbringen von MLP nicht ausreichend sein konnte um in diesem Fall gegen mich zu obsiegen.

Seltsam mutete auch die Begründung der einstweiligen Verfügung, meine Behauptungen seien leichtfertig aufgestellt worden, deren Unhaltbarkeit offenkundig gewesen sei. Offenkundige Unhaltbarkeit?

Unverschämt war das, hatte ich doch in meinen Schriftsätzen auf über 30 Seiten dargelegt, wie es so ist, wenn man als Consultant bei MLP beschäftigt ist. Und obwohl selbst die Antragsschrift des Herrn RA S. von der Kanzlei T. aus H. meinen Vortrag in den gerichtlichen Schriftsätzen zitierte mit: „Durch ein ständiges Vorführen vor allen Kollegen sind die Consultants einem hohen psychologischen Druck im Hinblick auf die Erzielung der vorgegebenen Umsätze ausgesetzt. Hierbei wendet die Klägerin psychologische Druckmittel, vergleichbar denen von sektenartigen Vereinigungen an“.

Im Übrigen kann ich untertrieben schon ein Paar eidesstattliche Versicherungen von ehemaligen Consultants und Consultinnen vorlegen, die eindrucksvoll darlegen, was passiert, wenn die Zielvorgaben nicht erreicht werden. Das Übliche eben bei Strukturvertrieben.

So,  jetzt waren meine Behauptungen weder leichtfertig aufgestellt noch handelte es sich bei diesen Äußerungen um falsche Tatsachenbehauptungen, sondern vielmehr um Meinungsäußerungen. Die einstweilige Verfügung konnte ich damit so nicht stehen lassen. Und da Anwälte sich nicht selbst vertreten sollten, beauftragte ich einer der besten Medienanwälte Deutschlands, meinen geschätzten Kollegen RA Moser aus Berlin damit, Widerspruch einzulegen. Zwischenzeitlich hatte ich noch die Gerichtskostenrechnung über € 1.284,– und den Kostenfestsetzungsbeschluss bezüglich der seitens des Herrn RA  S. von der Kanzlei T. aus H. angemeldeten Anwaltsgebühren über € 1.818,46 erhalten und bezahlt. 

Mit der Widerspruchbegründung hatten wir uns erlaubt, das erkennende Gericht auf die Rechtslage hinzuweisen. Nämlich dass der Rechtschutzsuchende gegenüber den Organen der Rechtspflege ohne Rechtsnachteile befürchten zu müssen, jene Handlungen vornehmen kann, die nach seiner von gutem Glauben bestimmten Sicht geeignet sind, sich im Prozess zu behaupten (BVerfG, NJW 1991, Seite 2074,2075) und das damit das Grundrecht der Meinungsfreiheit zum Tragen kommt, das Recht auf einen wirkungsvollen Rechtschutz als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips.

Davon wollte jedenfalls Herr Richter am Landgericht Wiesbaden W. nichts wissen und es sollte in der Widerspruchsverhandlung noch schlimmer kommen.

Die Widerspruchsverhandlung

Dass die Widerspruchsverhandlung anders laufen würde als alle mündlichen Verhandlungen vor Gericht in den 15 Jahren zuvor, ahnte ich schon an den bösen Blicken von Herrn Richter W. in meine Richtung, kaum dass wir im engen Gerichtssaal Platz genommen hatten.

Um auszuschließen. dass es sich bei der ganzen Veranstaltung des Kollegen S. von der Kanzlei T. aus H. nicht um dessen privates Vergnügen handelte, sondern er das Verfahren tatsächlich in Vertretung für MLP führte, bestanden wir zunächst einmal darauf, dass der Kollege sich im einstweiligen Verfügungsverfahren mit einer Originalvollmacht legitimiert. Hätte er die Originalvollmacht nicht vorlegen können, wäre das Verfahren nämlich schon an dieser Stelle zu meinen Gunsten beendet gewesen. Ich werde nie die Schweißperlen auf dem Gesicht von Herrn RA S. von der Kanzlei T. aus H. vergessen, die sich auf dessen Stirn sammelten, als es um die Originalvollmacht ging, behauptete er dann, er habe sie bereits mit der Antragsschrift bei Gericht eingereicht.

Nachdem Herr Richter am Landgericht W. in der Gerichtsakte nach einer Originalvollmacht suchte und eine solche nicht finden konnte, nahm Herr RA S. von der Kanzlei T. aus H. schließlich neben Richter W. am Richtertisch Platz.

Jetzt suchten beide gemeinsam nach der Vollmacht, die keiner finden konnte und die Schweißperlen auf der Stirn von Herrn RA S. von der Kanzlei T. in H. waren jetzt schon dicke Schweißtropfen. Ich hörte wie Herr RA S. von der Kanzlei T. in H. und Richter W. sich in einem Flüsterton unterhielten,  wovon ich das meiste bis zu unserem Tisch nicht verstehen konnte. Das aber, was ich verstehen konnte, gab ich dann später zu Protokoll, nämlich die Äußerung von Richter W. gegenüber RA S. von der Kanzlei T. in H. „Ich stehe auf Ihrer Seite“. Und so war es ja auch, beide saßen kameradschaftlich Seite an Seite am Richtertisch. 

Plötzlich zischte es und Richter W. schmiss die Gerichtsakte zum Kollegen Moser auf dessen Tisch mit den Worten „Da!“. Offensichtlich war das als Aufforderung gemeint, selbst in der Gerichtsakte nach der Originalvollmacht von MLP für Herrn RA S. von der Kanzlei T. in H. zu suchen. RA Moser fragte noch nach, was er denn mit der Gerichtsakte solle und suchte und konnte schließlich auch keine Vollmacht finden.

Zwischenzeitlich hatte Richter W. die Sitzung kurz unterberochen und Herr RA S. von der Kanzlei T. aus H. nutzte die Gelegenheit um nach Wiesloch zu telefonieren und dort zu veranlassen, dass eine auf ihn ausgestellte Prozessvollmacht an das Landgericht gefaxt wird. Herr Richter W. war so freundlich, die Vollmacht für Herrn RA S. von der Kanzlei T. aus H. in der Geschäftsstelle des Gerichts abzuholen. Nachdem die Sitzung fortgesetzt wurde, beantragte jetzt Herr RA S. von der Kanzlei T. in H. als vollmachtloser Vertreter zugelassen zu werden und erklärte zu Protokoll, dass er für die Erklärung, die er als vollmachtloser Vertreter abzugeben habe, einstehen werde, ebenso wie die Verfahrenskosten.

Na nu, was war denn das? Der Kollege Moser und ich blickten uns an und konnten uns ein Schmunzeln nicht verkneifen als Herr RA Moser zu Protokoll erklärte, dass wir eine solche Vorgehensweise für nicht statthaft hielten und im übrigen bestritten, dass ein Herr Dr. K. von  der MLP-Zentrale, der die Fax-Vollmacht offensichtlich unterzeichnet hatte, überhaupt vertretungsberechtigt ist. Ein vollmachtloser Vertreter im einstweiligen Verfügungsverfahren? Wir waren der Meinung, dass ist ein rechtliches „no go“ aber Richter W. sah das offensichtlich anders, als er Beschluss verkündete, dass Herr RA. S. von der Kanzlei T. aus H. in diesem Verfahren als vollmachtloser Vertreter mit der Maßgabe zugelassen werde, dass er für den Fall, dass eine Originalvollmacht nicht unverzüglich nachgereicht werde, er für die durch dieses Verfahren entstehenden Kosten persönlich einzustehen hat.

Jetzt war es an der Zeit auch die Äußerung „Ich stehe auf Ihrer Seite“ anzusprechen, denn irgendwie schien mir das Ganze mittlerweile „too much“. Zwar waren die unsichtbaren, zarten Bande im Gerichtssaal schon vorher zu erahnen. Ich wollte dieses Thema an dieser Stelle doch gerne geklärt haben.

Das war jetzt offensichtlich für Richter W.  „too much“, denn er unterbrach erneut die Sitzung und verließ wütend nach Luft schnappend, dabei über Stühle und Tische polternd, den engen Gerichtssaal.

***

Folge 2 „Die Selbstablehnung und wie schnell man zur Straftäterin wird“ können Sie bald hier nachlesen.

Eine Anmerkung erlaube ich mir bereits an dieser Stelle: Ich weiß, dass sowohl MLP als auch die Kollegen von der Kanzlei T. in H. hier fleißig mitlesen. Das freut mich sehr, aber bevor sich bei Herrn RA S. von der Kanzlei T. in H. wieder die Schweißperlen sammeln und noch eine bebende Unterlippe hinzukommt, um im Jargon unseres Verteidigungsministers zu bleiben, beachten Sie, dass Herrn RA Moser zustellungsbevollmächtigt ist.

Yes, we do!