Landgericht Köln: Agenturleiter bekommt Bestandspflegeprovision auch nach Vertragsende

Das Landgericht Köln hat am 30.6.2015 einen Vertrieb zur Zahlung einer Bestandspflegeprovision verurteilt.

Das Besondere an der Entscheidung ist, dass im Handelsvertretervertrag ausgeschlossen wurde, dass nach Vertragsende jeglicher Anspruch auf Provision entfallen würde und der Vertrag bereits beendet war.

Ich fast allen Handelsverträgen ist übrigens der Provisionsanspruch nach Ende des Vertrages ausgeschlossen. Eigentlich ist diese Klausel überflüssig, denn mit  Ende des Vertrages dürften die Leistungsverpflichtungen ohnehin wegfallen.

Der Vertrieb hatte die Provision  selbst abgerechnet und nur teilweise ausgezahlt.

Der Kläger war bis 31.03.2014 rund 11 Jahre als Handelsvertreter und Agenturleiter für die Beklagte tätig.

Ziffer 11 des zwischen den Parteien geschlossenen Vertretervertrags bestimmt:

„Mit Beendigung des Vertragsverhältnisses erlischt jeglicher Anspruch des Vertreters auf irgendwelche Vergütungen oder Provisionen.“

In den zwischen den Parteien vereinbarten Besonderen Bestimmungen – Basis – Bestandspflegeprovision SHUR für Agenturleiter ist in Ziffer 1.5 bestimmt (Anlage 1):

„Der Bestandspflegeprovisionsanspruch entsteht mit der Zahlung des vollen Jahresbeitrags, bei ratierlicher Zahlungsweise pro-rata-temporis. Soweit der Agenturvertreter Bestandsprovisionen erhalten hat, für die entsprechende Beiträge nicht entrichtet wurden, sind die Bestandsprovisionen voll bzw. anteilig zurückzuzahlen.“

Die Provisionsaufstellung der Beklagten vom 29.01.2014 weist einen Anspruch des Klägers in Höhe von 18.893,63 € auf .

Argument des Vertriebs:  Gemäß Ziffer 2.1 der Besonderen Bestimmungen erhalte der Vertreter die Bestandsprovisionen als Gegenleistung für die Pflege und die Betreuung der Kundenbeziehungen sowie für die weiteren dort genannten Tätigkeiten. Solche Leistungen habe der Kläger jedoch nach Beendigung des Vertrags nicht mehr erbringen können.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e (in Auszügen) :

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung von 10.509,95 € gegen die Beklagte zu.

1. Nach Ziffer 1.5 der Besonderen Bestimmungen entsteht der Bestandsprovisionsanspruch mit der Zahlung des vollen Jahresbeitrags, bei ratierlicher Zahlungsweise pro-rata-temporis. Damit steht dem Vertreter ein Anspruch auf die Bestandsprovision zu, sobald der Jahresbeitrag bzw. der entsprechende unterjährige Beitrag, namentlich ein Halb- oder Vierteljahresbeitrag oder der monatliche Beitrag, gezahlt wurde. Ausgehend von dem von der Beklagtenseite erstellten Ausweis der Bestandsprovision für Januar 2014 (Anlage 7, Bl. 17 AH) stand dem Kläger – jedenfalls ursprünglich und ohne Berücksichtigung der Beendigung des Vertragsverhältnisses – ein Anspruch auf Bestandsprovision in Höhe von 18.893,63 € zu. Davon gehen sowohl der Kläger als auch die Beklagte (S. 4 des Schriftsatzes vom 12.03.2015, Bl. 45 d.A.) aus. Abzüglich der von ihr am 18.02.2014 gezahlten 4.723,41 € und am 12.03.2014 gezahlten 3.660,27 €, insgesamt 8.383,68 €, verbleibt eine Differenz in Höhe der Klageforderung von 10.509,95 €.

2. Dem Anspruch des Klägers steht nicht entgegen, dass das Vertragsverhältnis mit der Beklagten zum 31.03.2014 beendet wurde. Dies führt nicht dazu, dass der Bestandsprovisionsanspruch anteilig zu kürzen wäre oder insoweit ein anteiliger Rückforderungsanspruch der Beklagten bestehen würde.

Für die von der Beklagten befürwortete, ergänzende Vertragsauslegung, nach der bei Vertragsbeendigung im laufenden Jahr der Anspruch auf Bestandsprovision zu kürzen wäre oder ein Rückforderungsanspruch bestehen würde, besteht weder Raum noch ein Bedürfnis. Insbesondere ist eine zusätzliche Anspruchsvoraussetzung, dass die Bestandsprovision verdient werden müsste, indem der Vertreter während des gesamten Jahres für die Beklagte tätig bleibt, nicht durch die beiderseitige Interessenlage begründet. Zwar weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass die Provisionszahlung im Austausch für die Pflege und Betreuung der Kundenbeziehungen erfolgt. Indes erbringt der Vertreter im Rahmen der Bestandspflegeprovisionen seine Leistung dadurch, dass die Kunden bestehende Verträge nicht kündigen und die fällige Prämie bezahlen. Damit ist der Erfolg, für den er die Bestandsprovision erhalten soll, eingetreten, insbesondere ist mit der Prämienzahlung auch der wirtschaftliche Vorteil, für den die Provisionszahlung erfolgt, bei der Beklagten angekommen.

Demgegenüber kann die weitere Pflege und Betreuung der Kundenbeziehungen nach diesem Zeitpunkt nur noch den weitergehenden Zweck verfolgen, auch für den darauf folgenden Zeitabschnitt ein Fortbestehen der Verträge und eine Zahlung fälliger Prämien herbeizuführen. Sie kann sich denknotwendigerweise nicht mehr auf die bereits eingetretene Vertragslaufzeit und die erfolgte Prämienzahlung auswirken. Eine zeitliche Verknüpfung der Leistungen des Vertreters kann somit nur den Zeitraum bis zur Verlängerung des Versicherungsvertrags und der Zahlung der Prämie betreffen. Andernfalls würde die Bestandspflegeprovision zu einer „Treueprämie“ umfunktioniert.

Demgemäß besteht kein Grund, die vertraglichen Regelungen über den Bestandsprovisionsanspruch um das ungeschriebene Merkmal des „Verdienens“ zu ergänzen. Selbst wenn dies jedoch bejaht würde, könnte aufgrund der vorstehenden Erwägungen das Ergebnis nur lauten, dass der Vertreter die Bestandspflegeprovision mit eingetretenem Fortbestand des Versicherungsvertrags und Prämienzahlung tatsächlich „verdient“ hat.

Dem Anspruch des Klägers steht der in Ziffer 11 des Vertretervertrags vereinbarte nachvertragliche Provisionsverzicht nicht entgegen. Wie sich aus dessen Satz 2 ergibt, betrifft dieser Verzicht lediglich Provisionen, die erst nach der Beendigung des Vertragsverhältnisses entstanden sind. Ein umfassender Verzicht auf jegliche dem Vertreter zustehende, aber noch nicht beglichene Vergütungsansprüche, kann dieser Bestimmung nicht entnommen werden. Ein dahingehender Inhalt wäre zudem wegen unangemessener Benachteiligung gemäß §§ 305 Abs. 1, 307 Abs. 1, 310 Abs. 1 BGB unwirksam.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.