Rechtsprechung zum Ausgleichsanspruch bei Franchising

Die grundsätzlichen Probleme, ob einem Franchisenehmer ein Ausgleichsanspruch gem. § 89 b HGB analog zusteht, wurde bereits im Handelsvertreterblog beschrieben. Hier nun dazu ein paar richtungsweisende Entscheidungen:

Benetton Entscheidung BGH 23.07.1997 VIII ZR 130/96

In dieser Entscheidung wurde der Anspruch eines Händlers aus § 89 b HGB analog gegen den Hersteller von Oberbekleidung für Erwachsene und Kinder abgewiesen. Dieser hatte seine Produkte weltweit über selbstständige Einzelhändler vertrieben. Die Beziehung der beteiligten Parteien wurde als „franchiseähnliche Rahmenvereinbarung“ beschrieben. Zwar wurde vom BGH festgestellt, dass eine Eingliederung in die Absatzorganisation vorliegen müsse. Diese allein sei aber nicht damit zu begründen, wenn lediglich ein Alleinvertriebsrechts mit Gebietsschutz des Absatzmittlers vereinbart sei. Die Frage des Vorliegens der Analogievoraussetzung, ob eine Einbindung des Händlers in die Vertriebsorganisation des Herstellers vergleichbar einem Handelsvertreter, ließ der BGH offen.

Entscheidend war, dass es den Ausführungen des BGH zufolge an einer erforderlichen Verpflichtung zur Übertragung des Kundenstamms für die analoge Anwendung von § 89b HGB mangelte. Dafür sei erforderlich, dass eine Verpflichtung bestehe, die Kundendaten zu übermitteln, sodass der Franchisegeber sich bei Vertragsende die Vorteile des Kundenstamms „sofort und ohne weiteres“ hätte nutzbar machen können.

Joop-Urteil BGH, 29.04.2010 Az I ZR 3/09

Auch hier wurde der Ausgleichsanspruch abglehnt, aber grundsätzlich im Franchising bestätigt. Hier ging es aber nicht um ein Franchiseverhältnis, sondern eine Markenlizenzvereinbarung. Die Lizenzgeberin, die selbst keine Waren herstellte, räumte nach den vertraglichen Vereinbarungen Unternehmern der Bekleidungsbranche Lizenzen an ihrer Marke „JOOP“ gegen Zahlung einer umsatzorientierten Vergütung ein. Die Lizenz zur Nutzung der Marke galt für die Herstellung, den Vertrieb und die Werbung eines einzigen Produkts, nämlich von Herrenstrümpfen, wobei der Lizenznehmer den Absatz der Vertragswaren durch entsprechende Werbe- und Verkaufsförderungsmaßnahmen zu fördern hatte.

Auch bei dieser Entscheidung wurde vom BGH eine Prüfung der Anwendung von § 89b HGB analog vorgenommen. Der Lizentnehmer ging leer aus. Die Zahlung eines Ausgleichsanspruchs verneinte der BGH.

Das Rechtsverhältnis zwischen ihnen und dem Hersteller oder Lieferanten dürfe sich nicht in einer bloßen Käufer-Verkäufer-Beziehung erschöpfen, so der BGH. Der Händler muss in der Weise in die Absatzorganisation des Herstellers oder Lieferanten eingegliedert sein, dass er wirtschaftlich in erheblichem Umfang dem Handelsvertreter vergleichbare Aufgaben zu erfüllen hätte, und der Händler zum anderen verpflichtet sein, dem Hersteller oder Lieferanten seinen Kundenstamm zu übertragen, so dass sich dieser bei Vertragsende die Vorteile des Kundenstamms sofort und ohne weiteres nutzbar machen kann. Das sah der BGH hier nicht als gegeben an.

Kamps-Entscheidung BGH 05.02.2015 Az VII ZR 109/13

Der BGH widerholt seine Auffassung, dass Vorschriften des Rechts der Handelsvertreter auf einen Franchisevertrag analog anwendbar sein können. Dies gilt aber nur, wenn der Grundgedanke der Regelung – die Gleichheit der Interessenslagen – auf das Franchising übertragbar sei.

Der Insolvenzverwalter des ehemaligen Franchisenehmers forderte in der Kamps-Entscheidung vom Franchisegeber einen Ausgleichsanspruch gem. § 89 b HGB analog. Franchisegeber war eine Handwerksbäckerei-Kette. Diese hatte Räumlichkeiten im Rahmen von Pachtverträgen zur Verfügung gestellt und den Franchisenehmer verplichtet, diese Geschäftsräume nach Vertragsbeendigung an den Franchisegeber zurückzugeben.

Nach dem BGH sei ein vom Franchisenehmer geworbener, zumeist anonymer Kundenstamm nach Vertragsbeendigung für den Franchisegeber nicht ohne Weiteres nutzbar. Eine tatsächliche Möglichkeit Zur Nutzung der Kundenkontakte sei eingeschränkt, da der Franchisenehmer an einem unmittelbar benachbarten Standort weiterhin ein vergleichbares Geschäft (hier: Bäckerei) betreiben könne und von dieser Möglichkeit Gebrauch machen könne. Die tatsächliche Möglichkeit, die gepachteten Räume an einen neuen Franchisenehmer zu übergeben oder dort selbst ein entsprechendes Geschäft zu betreiben, ließe eine entsprechende Anwendung von § 89 b HGB nicht zu.

Der Kläger wies darauf hin, dass im Falle eines anonymisierten Massegeschäfts – wie hier – eine vertragliche Verpflichtung zur Übertragung des Kundenstamms nicht gäbe, weil keine Kundendaten vorliegen. Der BGH entgegnet diesem argument im Urteil damit, dass bei einer bloß faktischen Kontinuität des Kundenstamms keine hinreichende Ähnlichkeit der Interessenlage mit derjenigen des Handelsvertreters bestehen würde. Also wurde der Ausgleichsanspruch verneint.

Ohne Kundendaten-Urteil BGH 05.02.2015 Az VII ZR 315/13

Der BGH verneinte einen Ausgleichsanspruch für Kundendaten bei einem Vertragshändler. In dieser speziellen Entscheidung begründete der BGH seine Auffassung damit, dass der Hersteller oder Lieferant nach den vertraglichen Vereinbarungen verpflichtet war, die ihm vom Vertragshändler überlassenen Kundendaten bei Beendigung des Vertrags zu sperren, und ihre Nutzung einzustellen und auf Verlangen des Vertragshändlers zu löschen, nicht jedoch herauszugeben.

SonderpostenUrteil BGH 21.07.2016 Az I ZR 229/15

Hier hatte der BGH grundsätzlich einen Ausgleichsanspruch analog für möglich gehalten.

Es ging es um einen Kommissionsagenten (Sonderpostenmarkt). Ähnlich wie ein Handelsvertreter war er in die Absatzorganisation eingebunden. Es gab allerdings keine Pflicht zur Überlassung des Kundenstamms.

Der BGH meinte, dass im anonymisierten Massengeschäft in einem stationären Sonderpostenmarkt für eine Übernahme des Kundenstamms nicht in gleicher Weise wie beim Verkauf hochwertiger Wirtschaftsgüter der Zugang zu vollständigen Kundendaten den Ausschlag für die Bejahung einer analogen Anwendung von § 89 b HGB geben könne. Wenn der Kommissionsagent vom Kommittenten angemietete Räume ähnlich einem filialähnlich organisierten Markt betreibe und der Kommittent über ein von ihm vorinstalliertes Kassensystem ständigen Zugriff auf Informationen zu allen Verkaufsvorgängen und auf sämtliche von den Kunden im Rahmen des Bezahlvorgangs mitgeteilten personenbezogenen Daten habe, kann von einer faktischen Kontinuität des Kundenstamms auszugehen sein. Dies gilt umso mehr, wenn der Kommittent nach Beendigung des Kommissionsagenturverhältnisses den Markt unter derselben Geschäftsbezeichnung in denselben Geschäftsräumen weiterführen könne. Der Kommissionsagent sei nach Ansicht des BGH gem. § 384 Abs.2 HGB zur Überlassung des Kundenstamms verpflichtet (der Franchisenehmer nicht).

Fazit:

Vieles bleibt unklar, eines steht jedoch nach allen Entscheidungen fest: Ohne Übertragung des Kundenstamms gibt es keinen Ausgleichsanspruch analog zu § 89 b HGB.