Ausstieg aus der Ausschließlichkeit: Dürfen die Kunden angeschrieben werden?

Jeder Versicherungsvermittler, der sich mit Wechselabsichten beschäftigt, steht vor der Frage, ob und wie er den Kunden gegenüber seinen Abschied mitteilen darf. Wie verlasse ich die Ausschließlichkeit, ohne rechtliche Probeme zu bekommen.

Darf man den Kunden bereits während des laufenden Handelsvertretervertrages darüber informieren, dass man aufhört und wohin man wechselt?

Mit einer solchen Frage hatte sich das Oberlandesgericht Düsseldorf unter dem Aktenzeichen I-16 U 64/03 beschäftigt.

Dort hatte ein Versicherungsvertreter, der für eine Versicherungsgesellschaft tätig war, bereits während des laufenden Handelsvertretervertrages alle Kunden in einem Rundschreiben angeschrieben wie folgt:

„Sie sind bisher von mir beraten und betreut worden, wenn es um Ihre Sicherheit und Vorsorge ging. Waren Sie damit zufrieden?

Aus verschiedenen Gründen habe ich mich entschlossen meine Tätigkeit ab dem 1. April 2002 mit einem Versicherungsunternehmen fortzusetzen. Ich mache weiter und vertrete dann die M… V….

Mit diesem Brief bedanke ich mich heute bei Ihnen dafür, dass Sie mir in den Fragen Ihrer persönlichen Absicherung Ihr Vertrauen geschenkt haben.

Natürlich möchte ich Ihnen ab dem 1. April 2002 auch weiter mit Rat und Tat zur Seite stehen. Sollten Sie also neuen Absicherungsbedarf haben, werde ich Sie auf Wunsch ab dem 1. April 2002 gerne über die Angebote und Leistungen meines neuen Partners informieren.

Für Ihre Zukunft wünsche ich Ihnen alles Gute.“

Dieses Schreiben nahm die Versicherungsgesellschaft zum Anlass, den Handelsvertretervertrag fristlos zu kündigen. In dem Gerichtsverfahren verlangte der Versicherungsvertreter Provisionen. Das Gericht musste darüber entscheiden, ob der Anspruch auf die Provisionen auch nach Ausspruch der fristlosen Kündigung berechtigt war, der Anspruch setzte voraus, dass die fristlose Kündigung unwirksam ist.

Die Versicherungsgesellschaft warf dem Vertreter vor, er habe gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen. Deshalb sei die fristlose Kündigung berechtigt.

Zunächst stellte das Oberlandesgericht klar, dass es kein Wettbewerbsverstoß sei, wenn ein Handelsvertreter noch während des Bestehens des Handelsvertretervertrages einen neuen Vertrag abschließt, und zwar für die Zeit nach Ende des Handelsvertretervertrages.

„Der Handelsvertreter darf sich bereits während des bestehenden Vertragsverhältnisses um andere Auftraggeber oder sonstige Konkurrenztätigkeiten für die Zeit nach Beendigung des bestehenden Handelsvertretervertrages bemühen und entsprechende Verträge, besonders Handelsvertreterverträge, abschließen (vgl. Ebenroth/Boujong/Joost, a. a. 0., § 86 Rdnr. 20).“

Das Oberlandesgericht führte weiter aus, dass kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart war und deshalb der Handelsvertreter auch nicht daran gehindert war, mit den Vorbereitungen für einen geplanten nachvertraglichen Wettbewerb schon während des Handelsvertretervertragsverhältnisses zu beginnen. Auch darin sah das Oberlandesgericht keinen Verstoß.

Etwas anderes würde nur dann gelten, so das OLG, wenn sich die Ankündigung und Werbung des Handelsvertreters nicht auf diese Vorbereitungshandlung beschränkt, sondern zum Beispiel bereits mit einer Hilfeleistung oder Unterstützung des Konkurrenten oder seines Produkts oder seiner Leistung verbunden ist. Dies wäre dann ein Wettbewerbsverstoß. Doch auch dies sah das OLG in diesem Fall nicht als Verstoß an. Schließlich hatte, so das OLG, der Versicherungsvertreter nicht bereits Leistungen eines anderen Versicherers angeboten oder vorgestellt. Er hatte auch nicht die Leistungen eines Konkurrenten gelobt oder mit denjenigen des Versicherungsunternehmens verglichen.

Das Rundschreiben wurde jeder Hinsicht vom OLG für rechtmäßig bzw. zulässig erklärt.

Oberlandesgericht Düsseldorf vom 26.3.2004 Aktenzeichen I-16 U 64/03

Es wird jedoch dringend geraten, sich anwaltlichen Rat einzuholen, bevor ein solches o. ä. Rundschreiben verfasst und versendet wird.