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Finanzparasiten.de konnte diese Woche einen ungewöhnlichen Anstieg der Zugriffszahlen verzeichnen. Grund düfte die aktuelle Medienpräsenz des Finanzvertriebs AWD sein. Wie von uns berichtet hatte „Plusminus“ die Beratungsqualität der Hannoveraner „Finanzexperten“ thematisiert.
Hoch her geht es derzeit in der AWD-Kolonie Österreich zu, wo die Politik den AWD als Thema entdeckt hat. So will der Grüne Peter Pilz dem Pyramidensystem den Boden entziehen und fordert gar ein Verbot. Von „Fußtruppen“ und „AWD-Keilern“ ist in der Alpenrepublik die Rede. Der AWD wehrt sich natürlich gegen diesen „Populismus“ und preist seine angeblichen Beratungsstandards. Wie bekannt wurde, ist Pilz selbst ein AWD-Beratungsopfer.
Wir meinen: Eigentlich könnten die Vermögensberater gar nicht oft genug Politiker beraten … 😛
Passend zum Thema hat ein Österreicher Gericht gerade einen Haftungsfall zulasten des AWD entschieden.
AWD-Eminenz Carsten Maschmeyer scheint dies nicht aus der Ruhe zu bringen: Gerade ließ er sich als edler Spender feiern, indem er aus seiner Privatschatulle eine Million für die BILD-Aktion „Ein Herz für Kinder“ springen (und die Stars für sich tanzen) ließ. Ob die AWD-Strukkis, von denen viele branchentypisch selbst finanziell schlecht aufgestellt sind, davon auch so begeistert sind?
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Wir hatten bereits ausführlich über die Frage der Zuständigkeit der Arbeitsgerichte bei Rechtsstreitigkeiten mit Handelsvertretern berichtet. Das Arbeitsgericht ist zuständig, wenn der Handelsvertreter in den letzten sechs Monaten weniger als 1.000€ monatlich im Schnitt verdient hat und er ein Einfirmenvertreter ist.
Wann aber hat jemand etwas verdient? Sind das nur Zahlungen, die man auch bekommen hat oder sind das auch Zahlungen, die man „verdient“ hat, die aber mit Gegenforderungen verrechnet wurden.
Mit dieser Frage, die bisher in der Rechtsprechung völlig unterschiedlich beurteilt wurde, hatte sich der BGH auseinanderzusetzen.
Der Bundesgerichtshof entschied am 12.02.2008, dass für die Ermittlung der während der letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses im Durchschnitt monatlich bezogenen Vergütung alle unbedingt entstandenen Vergütungsansprüche des Handelsvertreters zu berücksichtigen sind, unabhängig davon, ob, auf welche Art und Weise und in welchem Umfang sie erfüllt sind.
Streitig war ein Fall, in dem der Handelsvertreter mehr als 1.000,00 € verdient hat, jedoch weniger als 1.000,00 € ausgezahlt bekommen hat, weil andere Positionen wie Telefonkosten, Büromiete usw. durch Verrechnung in Abzug gebracht wurden.
Die Gerichte haben sich lange darüber gestritten, ob nur darauf abgestellt werden soll, was ausgezahlt wurde, oder auch darauf, was zwar verdient, aber im Wege einer Verrechnung weggefallen ist.
Der BGH hat hier nun eine Klärung geschaffen und gesagt, dass es nicht auf die Auszahlung ankommt, sondern auch auf das, was möglicherweise verdient wurde, aber im Wege einer Verrechnung weggefallen ist.
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Heute habe ich in einem Blog dieses neckische Statement gelesen:
Kleine Episode aus eigener Erfahrung mit beiden Unternehmen:
AWD wird – wenn man als Kunde nicht unterschreibt und abschließt – schon mal ziemlich unangenehm. Da wird psychologischer Druck aufgebaut und die Freundlichkeit verschwindet. Sowas habe ich bei MLP noch nicht erlebt!
Der Autor zieht dann die bemerkenswerte Schlussfolgerung, dass MLP der bessere Laden sei.
Richtig an dieser Beobachtung ist, dass zumindest früher bei MLP gewisse Voraussetzungen an das Personal gestellt wurden, während beim AWD praktisch jeder eine Karriere als Finanzberater beginnen kann. Da gibt es Karrieren von hinter der Wursttheke zum Business-Woman – und retour. Bei den badischen Klinkenputzern bevorzugte man zwecks Identifikation mit der Zielgruppe Hochschulabsolventen, gerne mit Doktortitel.
Rührend aber wird es, wenn dieser Autor dann vom persönlichen Verhalten seines Provisionsvermittlers auf dessen Qualität schließt und sich bei MLP gut zu fühlen scheint. Über all zuviel Lebenserfahrung scheint der Autor nicht gerade zu verfügen. Ein Freund von mir, der russische Geschäftspartner berät, sagt diesen immer: „Wenn die Deutschen freundlich sind, dann wollen Sie Dich reinlegen!“ (Wobei ich natürlich nicht den Eindruck erwecken möchte, dass MLP-„Berater“ lügen ,auch wenn man gelegentlich in Wiesloch zur Wahrheit gelegentlich ein sehr taktisches Verhältnis pflegt.) Wenn der Geschäftspartner jedoch pampig wird, dann weiß man wenigstens, woran man ist.
Kommen wir auf die eingangs diskutierte Frage zurück: Ist AWD oder MLP der bessere Laden? Nun ja, falls Sie einen nennenswerten Unterschied in der Beratungsleistung beider Provisionsjäger-Organisationen kennen, lassen Sie es uns bitte wissen …
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Der AWD ist bislang in unserem Blog reichlich kurz gekommen. Gleiches Recht für alle!
„Dem AWD laufen die Kunden und Vermittler weg“ titelt heute das Versicherungsjournal:
Die Anzahl der beratenen Kunden war im Vergleich zum Vorjahresquartal um mehr als 20.000 oder knapp 14 Prozent auf 130.800 gesunken, während die Vermittlerzahl in den ersten drei Monaten von 6.493 um 320 auf 6.173 zurückgegangen war.
Und weiter:
Der Umsatz zwischen April und Juni ging im Vergleich zum zweiten Quartal 2007 vergleichsweise moderat um knapp 16 Prozent auf 159 Millionen Euro zurück.
In einem weiteren Artikel vom gleichen Tage heißt es „Es geht auch ohne bestandene Sachkundeprüfung“
Sonderfall Schweiz
Da die Schweiz weder der EU noch dem EWR angehört, mussten Vermittler aus der Schweiz bislang eine deutsche Erlaubnis beantragen. Ab sofort ist diese Pflicht für Schweizer Vermittler entfallen. Das vom deutschen Bundeskabinett beschlossene 3. Mittelstandsentlastungs-Gesetz und ein neues bilaterales Abkommen zwischen der Schweiz und Deutschland beseitigen diese Hürde.
Schweizer Vermittler oder für Schweizer Firmen tätige Vermittler benötigen keine gesonderte Erlaubnis oder Registrierung in Deutschland mehr. Auch in den § 34 d Abs. 5 der deutschen Gewerbeordnung soll die Schweiz neu aufgenommen werden.
Das passt den neuen Schweizer Eigentümern des AWD natürlich ganz praktisch ins Konzept:
Ob die Registrierung in der Schweiz die Registrierung in Deutschland in Form von internationalen Vermittlern unterläuft gilt es, abzuwarten. Auffällig ist zum Beispiel, dass sehr viele AWD-Vermittler in der Schweiz registriert sind.
Da wurde wohl mal wieder nichts ausgelassen, um den Verbraucherschutz zu umgehen. Pflichtlektüre ist in diesem Zusammenhang der Artikel „Eine Lachnummer“ von Lutz Reiche im manager magazin.
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Die Wieslocher MLP AG galt bis 2002 als der Edelste unter den Finanzvertrieben. Man stellte als Vertriebspersonal möglichst ausschließlich Akademiker ein, die mit der bevorzugten akademischen Klientel auf einer Wellenlinie lagen. Um sich von den klassischen Versicherungsvertretern abzugrenzen, aber auch um Akademiker bereits auf der Uni abzufischen und den Studierenden die Identifikation zu erleichtern, verzichtete man auf Krawatte und ähnliche Anachronismen. Stattdessen herrschte bei MLP eine „Jeans-Philosophie“. Mehr noch: Alle MLPler hatten sich zu Duzen, inklusive Vorgesetzte und so weiter.
MLP-Gründer Manfred Lautenschläger ließ es sich nicht nehmen, die Welt mit einer nicht anders als peinlich zu bezeichnenden Biographie mit dem „bescheidenen“ Titel „Mythos MLP“ zu beglücken. In seinem Buch wettterte Lautenschläger nach Kräften gegen seine Konkurrenten, die Strukturvertriebe. Namentlich nannte er Carsten Maschmeyers AWD und die DVAG, an der er kein gutes Haar ließ. Vom Mythos blieb nach dem MLP-Skandal von 2002 nur der auf 10% zusammengesackte Börsenwert übrig.
Bereits damals ließ MLP die Öffentlichkeit wissen, hinter der schlechten Presse stecke eine Intrige einer englischen Investmentbank, die eine feindliche Übernahme einstiele. Die Geschichte, die von vielen Fachleuten als durchsichtige Abwehr-PR gedeutet wird, bleibt bis heute rätselhaft. So soll eine englische Bankerin einen verheirateten MLP-Vorstand verführt und dann erpresst haben. Im Büro des damaligen MLP-Chefs will man eine Wanze gefunden haben, was den Verdacht auf Insidergeschäfte hätte entkräften können – trotzdem gab es keine Freisprüche.
Letztes Jahr führten MLP und AWD ausgedehnte Verhandlungen über eine Fusion. Eine zwielichtige Rolle spielte dabei MLP-Finanzvorstand Nils Frowein, der zuvor für den AWD gearbeitet hatte. Nach den gescheiterten Übernahmeverhandlungen beendete er unter geheimnisvollen Umständen seine Vorstandstätigkeit abrupt. Schon kurze Zeit später ward er wieder in den Diensten des AWD gesehen. Nicht wenige halten Frowein daher für ein „U-Boot“.
Nun griff Maschmeyer erneut nach MLP. Durch den Verkauf seiner AWD-Aktien an den Versicherer Swiss Life war Maschmeyer liquide genug, über Nacht ca. 27% der MLP-Aktien zu erwerben. Dies fiel nicht auf, da zur Tarnung unter anderem eine Bank dazwischengeschaltet war, und weil Maschmeyer als gewiefter Geschäftsmann die Kunst des Schweigens beherrscht: Es hat den Anschein, dass Maschmeyer den Deal nicht mit Swiss Life abgestimmt und diese ihn heute leicht zurückgepfiffen hat. Jedenfalls die Börse hielt nichts von dem MLP-Abenteuer und reduzierte den Aktienkurs von Swiss Life um 10%. Angesichts der schwachen Zahlen, die MLP gegenwärtig vermeldet, darf man Zweifel anmelden, ob der Kaufentscheidung rationale Argumente zugrunde lagen.
Maschmeyer begründet seinen Deal mit seiner Vision, die Nummer 1 der Finanzvertriebe werden zu wollen – weltweit. Die Nummer 2 in Deutschland ist bereits sein AWD, dem er noch immer vorsitzt. Personell ungleich größer ist nach wie vor die DVAG. Die interessanteste Klientel bedient aber nun einmal MLP, da Akademiker typischerweise die höheren Einkommen haben. Allerdings sind bei MLP die guten Zeiten unübersehbar vorbei, die Stimmung tendiert in Richtung Nullpunkt, die besten Leute wandern seit langem ab.
Für kündigende MLPler, die an den Flair ihres „elitären“ Unternehmens geglaubt haben, bricht in dem Moment eine kleine Welt zusammen, in dem sie erstmals ein Anschreiben erhalten, in dem sie gesietzt werden: Sie gehören nicht mehr zur Familie, sind Abtrünnige. Für Aussteiger zeigt man in Wiesloch wenig Verständnis. Im Umgang mit Ehemaligen nehmen sich die ganzen Finanzvertriebe wenig. Zu verschenken hat man nichts, weder in Wiesloch, Hannover oder Frankfurt. Handelsvertreter, die glauben, sie hätten Ansprüche auf ausstehende Provisionen, mögen Recht behalten – aber nicht ohne weiteres bekommen.
Siehe auch: Die MLP AG und die Meinungsfreiheit