Urteile vorgestellt von RA Kai Behrens

Widerruf der Datenverarbeitung ist wettbewerbswidrig

Ein Handelsvertreter darf seine Kunden nicht dazu anhalten gegenüber einem Mitbewerber, welcher einen noch bestehenden Vertrag mit dem Kunden hat, eine Einwilligung in die Datenverarbeitung zu widerrufen oder eine Sperrung der die Kunden betreffenden Daten oder Kontaktverbote zu verhängen.

Das OLG Jena hat mit seiner Entscheidung vom 23.07.2019 einen bisher nicht geklärten Fall zumindest teilweise entschieden.

Die Klägerin war eine Versicherungsvertreterin verschiedener Versicherer. Sie selbst setzte wiederum Vermögensberater ein.

Der Beklagte war als solcher als Berater für die Klägerin bis 2015 tätig. Im Februar 2017 kamen Schreiben von insgesamt 4 Kunden der Klägerin bei dieser an, die in Wortlaut und Schriftbild identisch waren und vom Faxgerät des Beklagten kamen. Dabei wurde sowohl die Einwilligung in eine weitere Datenverarbeitung widerrufen und ein Kontaktverbot erteilt.

Die Klägerin, welche in erster Instanz vor dem Landgericht noch erfolglos blieb, rügte, dass es sich dabei um ein wettbewerbswidriges Verhalten des Beklagten handelt.

Die Hilfe, sich von Verträgen durch eine Kündigung zu lösen, sei laut dem OLG Jena grundsätzlich zulässig. Auch das Abwerben von Kunden sei erstmal erlaubt und gehöre zum fairen Wettbewerb. Unzulässig wird dies erst, wenn Unlauterkeitsmomente wie Irreführung, Überrumpelung, Nutzung von Geschäftsgeheimnissen oder Herabsetzung hinzutreten. Ein solcher Unlauterkeitsmoment sei nach Ansicht des OLG jedoch im vorliegenden Fall nicht gegeben. Unzulässig sei aber eine Kündigungshilfe, wenn der Kunde in seiner Entscheidungsfreiheit durch aggressives Verhalten oder irreführend erheblich beeinträchtigt wird.

Hierbei machte das Gericht eine Abwägung und rügte den Inhalt der Kündigungs- bzw. Kontaktabschottungserklärungen.

Dabei geht das ausgesprochene Kontaktverbot, welches vom Beklagten (eines Mitbewerbers) diktiert wurde, dem Gericht zu weit. Dies führe zu einer vollkommenen Abschottung des Kunden, obwohl die Klägerin eigentlich einen berechtigten Grund hätte, Kontakt aufzunehmen. Dies sei bei einem bestehenden Vertrag oder bei einer Stornoabwehrmaßnahme der Fall.

Das Anhalten der Kunden gegenüber einem Mitbewerber zur Erklärung eines vollständig abschottenden Inhaltes ist also wettbewerbswidrig, wenn noch ein Vertrag zwischen dem Kunden und dem Mitbewerber (hier der Klägerin) vorliegt.

Ausgleichsanspruch: Atypisches Jahr wird nicht mit gerechnet

Nach der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juni 1996 – VIII ZR 141/95 – „Volvo“; BGH, Urteil vom 5. Juni 1996 – VIII ZR 7/95 – „Fiat/Lancia“; BGH, Urteil vom 26. Februar 1997 – VIII ZR 272/95 „Renault II“) ist bei der analog § 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB anzustellenden Prognose, in welchem Umfang Nachbestellungen zu erwarten sind, auf einen „Stammkunden- bzw. Mehrfachkundenumsatz“ abzustellen, der vom Vertragshändler vorzutragen ist. Ausgangspunkt sind dabei die Mehrfachkundenprovisionen des letzten Vertragsjahres, sofern dieses keinen atypischen Verlauf genommen hat. Für den Fall, dass das letzte Vertragsjahr als zu berücksichtigendes Basisjahr einen atypischen Verlauf genommen hat, kann ein Durchschnittswert unter Heranziehung eines längeren Zeitraums gebildet werden. Im Regelfall ist der Ausgleichsberechnung insofern der einer Handelsvertreterprovision vergleichbare Teil des Händlerrabatts zu Grunde zu legen, der auf der Grundlage der Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreisen um händlertypische Bestandteile zu bereinigen ist (vgl. nur statt vieler BGH, Urteil vom 5. Juni 1996 -VIII ZR 141/95 ; Oberlandesgericht Frankfurt, Urteil vom 23. Mai 2006 -5U94/05-, juris).

Zitat aus Urteil des Oberlandesgerichtes Düsseldorf Urteil vom 29.03.2012 – I-16 U 199/10

Handelsvertreter wurde per Urteil zum Arbeitnehmer

Das Sozialgericht Frankfurt am Main hatte mit Urteil vom 08.03.2021 – S 18 BA 93/18 darüber zu entscheiden, ob es sich bei einem als „selbstständig“ beschäftigten Vertriebler einer Bank nicht tatsächlich um einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer handelt.

Geklagt hatte die Deutsche Bank gegen einen Bescheid der Sozialversicherung, die einen Handelsvertreter zum Arbeitnehmer qualifizierte. Die Deutsche Bank hatte einen Finanzberater im Vertrieb beschäftigt, über dessen Status es Streit gab.

Inhaltlich befasst sich die Klage mit der Feststellung einer möglichen Versicherungspflicht des Beigeladenen in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie dem Recht der Arbeitsförderung.

In einem Verfahren vor dem Sozialgericht ist der Beigeladene ein Dritter, eine Person die weder Kläger noch Beklagter ist und nach § 75 SGG im Gerichtsverfahren beteiligt wird.

Klägerin ist eine Bank, für die der Beigeladene als Vertriebler von 2013 bis 2016 tätig war. Diese beantragt mittels Klage gegen das Finanzamt (vorliegend die Beklagte) eine Sozialversicherungspflicht für den Beigeladenen als „Handelsvertreter“ ablehnend festzustellen.

Grundsätzlich trifft die Versicherungspflicht jeden gegen Arbeitsentgelt Beschäftigten. Eine solche Beschäftigung verlangt nach persönlicher Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber, die sich durch betriebliche Eingliederung sowie durch zumeist starre Vorgaben bezüglich Zeit, Dauer, Ort, Art und Ausführung der Arbeit auszeichnet.

Hiervon ist ein „Handelsvertreter“ nach § 84 Abs. 1 HGB abzugrenzen. Nach dieser Norm handelt es sich bei einem Handelsvertreter um einen selbstständigen Gewerbetreibenden, dessen Selbstständigkeit sich in der freien Ausgestaltung seiner Tätigkeit und Arbeitszeit charakterisiert. Ein Handelsvertreter nach § 84 Abs. 1 HGB ist grundsätzlich nicht versicherungspflichtig.

Das Sozialgericht Frankfurt am Main hatte nun zu entscheiden, ob es sich bei dem Vertriebler der Bank um einen selbstständigen Handelsvertreter gemäß § 84 Abs. 1 HGB handelt oder lediglich eine „Scheinselbständigkeit“ des Beigeladenen vorliegt, dieser tatsächlich aber als abhängig Beschäftigter der Versicherungspflicht unterliegt.

Der Beigeladene hat 2013 einen „Handelsvertretervertrag“ unterschrieben, nach dem er sich als Handelsvertreter i.S.d. § 84 Abs. 1 HGB verpflichtete, Finanzprodukte ausschließlich an und über die Bank zu vermitteln. Für seine Tätigkeit wurde der Beigeladene in die Organisation der Klägerin als einzige Auftraggeberin über einen mehrjährigen Zeitraum eingebunden. 

Der Vertriebler übernahm hierfür eine festgelegte Räumlichkeit und hatte sich in den Kundengesprächen an die Weisungen der Bank zu halten. Dem Beigeladenen wurden sämtliche notwendige Betriebsmittel von der Klägerin zur Verfügung gestellt und er hatte sich an die Öffnungszeiten der Bank zu halten. Der Vertriebler arbeitete auf Provisionsbasis eng mit festangestellten Arbeitnehmern der Bank zusammen und musste auf die Anstellung von eigenen Erfüllungsgehilfen verzichten. Es bestanden Berichtspflichten gegenüber dem Regionalleiter bezüglich der geschäftlichen Entwicklung. Des Weiteren wurde es ihm angeraten, Fort- und Weiterbildungen für die Angestellten der Bank zu besuchen, auch wenn ihm laut Aussage der Bank bei einem Nichtbesuch keine negativen Folgen gedroht hätten.

Das Sozialgericht wies die Klage der Bank als unbegründet ab.

Der Beigeladene verübte seine Tätigkeit lediglich scheinbar selbstständig, ist aber tatsächlich in Abhängigkeit zu der Klägerin und somit ein versicherungspflichtiger Beschäftigter gewesen. 

Für diese „Scheinselbständigkeit“ als Handelsvertreter der Bank sprechen sowohl die starke Einbindung des Beigeladenen in die hierarchischen Strukturen der Bank, das Auftreten im Außenverhältnis als Teil der Klägerin durch die Verwendung von bankeigener Soft- und Hardware, als auch die Weisungsgebundenheit und die Einbindung in die Organisation der Bank im Innenverhältnis. Die wörtliche Bezeichnung des Beigeladenen als  Handelsvertreter i.S.d. § 84 Abs. 1 HGB in dem von ihm unterschriebenen Handelsvertretervertrag kann aufgrund der tatsächlichen Gesamtbetrachtung der Tätigkeit dahinstehen: durch die stark begrenzende Ausgestaltung der Arbeitsanweisungen und dem daraus resultierenden Fehlen an Gestaltungsmöglichkeiten seiner eigenen Tätigkeit sowie mangelndem unternehmerischem Risiko, hat die Beschäftigung des Beigeladenen keinen selbstständigen, sondern einen von der Klägerin abhängigen Charakter.

Bei dem Beigeladenen, dem Vertriebler, handelt es sich um einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer der Bank.

Ob das Urteil rechtskräftig ist, ist nicht bekannt.

Ausgleichsanspruch trotz wirksamer frisloser Kündigung

Einem Handelsvertreter wurde fristlos gekündigt. Dennoch hat er einen Handelsvertreterausgleich gem § 89 b HGB.

So entschied das Oberlandesgericht Köln am 01.03.2021 unter dem Az.: 19 U 148/20 – trotz Verurteilung wegen Steuerhinterziehung zu 180 Tagessätzen des Handelsvertreters und trotz wirksamer fristloser Kündigung des Handelsvertreterverhältnisses wurde der Anspruch nach § 89 b HGB anerkannt.

Ein Versicherungsvertreter hatte 14 Jahre für eine Versicherungsgesellschaft gearbeitet. Er wurde strafrechtlich rechtskräftig verurteilt.

Das OLG argumentierte, dass keine Gründe vorliegen „in der Privatsphäre oder Lebensführung des Handelsvertreters“, die einen Ausschluss rechtfertigen können.

Die fristlose Kündigung hatten übrigens sowohl das Landgericht Köln in erster Instanz als auch das OLG in zweiter Instanz bejaht. Das führte aber nicht zu einer Versagung des Anspruchs auf den Ausgleich. gem § 89 b HGB.

Wenn eine Vorstrafe oder ein sonstiges Handeln nichts mit dem Vertragsverhältnis zu tun hat, darf es nicht zum Ausschluss des Ausgleiches kommen. Darin waren sich beide Instanzen einig. Es wurde lediglich ein Billigkeitsabzug in Höhe von 25 Prozent vorgenommen, da die Vermögensverhältnisse des Handelsvertreters ungeordnet waren. Außerdem erwähnte das Gericht, die Beklagte sei ja nicht unmittelbare Geschädigte der Straftat gewesen.

Die Versagung des Handelsvertreterausgleichs setzt voraus, dass das Unternehmen das Vertragsverhältnis gekündigt hat und für die Kündigung ein wichtiger Grund wegen schuldhaften Verhaltens des Versicherungsvertreters vorliegt. Diese Gründe müssen so schwerwiegend sein, dass die Fortsetzung des Handelsvertretervertrages bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Vertrags nicht zugemutet werden kann.

Fristlose Kündigung nach Datenschutzverletzung wirksam

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg entschied am 25. März 2022, dass eine fristlose Kündigung nach einer Datenschutzverletzung gerechtfertigt ist.

Gekündigt wurde einem Betriebsratsmitglied, das seit 1997 als Entwicklungsingenieur beschäftigt war. Obgleich Betriebsratsmitglieder einen besonderen Kündigungsschutz unterlegen, wurde in diesem Fall die Kündigung für rechtens erachtet.

Der Arbeitgeber sprach vor dieser Kündigung bereits eine andere Kündigung aus, gegen die sich das Betriebsratsmitglied erfolgreich vor dem Arbeitsgericht zur Wehr setzte. Diese 1. Kündigung hatte mithin das Arbeitsverhältnis nicht beendet.

Anschließend entschied sich das Betriebsratsmitglied, die Prozessakte aus dem 1. Verfahren per Dropbox-Download einem größeren Personenkreis zur Verfügung zu stellen. In dieser Prozessakte waren jedoch auch sensible Gesundheitsdaten anderer Beschäftigter ohne Schwärzung oder Anonymisierung.

Das Betriebsratsmitglied schoss sich damit das klassische Eigentor. Die 2. Kündigung, die daraufhin wegen der Datenschutzrechtsverletzung ausgesprochen wurde, ist vom Landesarbeitsgericht für wirksam ausgeurteilt worden. Bereits das Arbeitsgericht Stuttgart hat bereits in der 1. Instanz die Kündigung für wirksam gehalten.

Dieser Fall ist durchaus auf Handelsvertreterverhältnisse übertragbar. Wenn ein Handelsvertretern meint, sensible Daten anderen zur Verfügung stellen zu müssen, sei es aus einem Gerichtsverfahren oder aus anderen Quellen, muss auch er mit einer fristlosen Kündigung wegen Verletzung des Datenschutzes rechnen.

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, 25. März 2022, 7 Sa 63/21

OVB zur Ergänzung eines Buchauszugs verurteilt

Mit Urteil des Landgerichts Köln wurde kürzlich über Ansprüche eines ehemaligen OVB-Mitarbeiters uf einen Buchauszug entschieden. Dabei ging es um die Frage, welchen Inhalt und zeitlichen Umfang der Buchauszug haben müsse. Das Landgericht erklärte eine Klausel im Handelsvertretervertrag für nichtig.

Die OVB wurde verurteilt, den erteilten Buchungsauszug hinsichtlich sämtlicher von dem Kläger eingereichten Geschäfte über einen zeitraum von 2 Jahren um folgende Angaben zu ergänzen: Datum der Stornierung, Gründe der Stornierung und Art der ergriffenen Bestandserhaltungsmaßnahmen.

Der Vermögensberater/ Finanzdienstleister machte im Wege einer Stufenklage einen Buchauszugsanspruch und einen Provisionszahlungsanspruch geltend. Die Beklagte, die OVB, ist eine Vermittlungsgesellschaft, bei der der Kläger als selbständiger Handelsvertreter tätig war. Im Finanzdienstleistungsvermittlungsvertrag war vereinbart, dass Ansprüche aus dem Vertrag in dreizehn Monaten ab dem Schluss des Monats, indem der Anspruchsberechtigte Kenntnis der Umstände erlangt, verjähren.

Über Provisionen erteilte die Beklagte jeden Monat eine Abrechnung. Dabei wurden diese bevorschusst. Demnach wurden bereits zu Beginn des vermittelten Vertrags 90 % im Abrechnungskonto und 10% im Stornoreservekonto gutgeschrieben. Gem. § 92 Abs. 4 HGB erstarkt die Provisionsanwartschaft mit jeder Prämienzahlung in zu Vertragsbeginn vereinbarter Höhe durch den Versicherungsnehmer während des Stornohaftungszeitraum (60 Monate) anteilig zu Vollrecht.

Kommt es dabei im Stornohaftungszeitraum zu provisionsrelevanten Änderungen am vermittelten Vertrag fordert die Beklagte den Anteil der unverdienten Provision zurück, im Wege entsprechender Provisionsbelastung in der Provisionsabrechnung.

Der Berater meint, dass ihm ein Anspruch auf Erteilung eines Buchungsauszuges, der den Zeitraum von acht Jahren umfasse, zusteht, der im Falle einer Stornierung, das Datum der Stornierung, die Gründe und ergriffenen Bestanderhaltungsmaßnahmen enthält. Er ist der Ansicht, dass die Ansprüche nicht verjährt sind, da die Verjährungsfrist erst beginne, wenn die provisionspflichtigen Geschäfte vollständig und abschließend abgerechnet worden sind. Die OVB erhob die Einrede der Verjährung, da die im Vertrag vereinbarte Verjährungsfrist von 13 Monaten gelten würde.

Das Gericht entschied, dass in dem Buchauszug auch das Datum und der Grund der Stornierung aufzunehmen sei. Der Bundesgerichtshof hatte bereits mehrfach entschieden, dass für den Buchauszug bei Warenhandelsvertretern, im Hinblick auf § 87a Abs.3 HGB auch die Annullierung von Verträgen und die Rückgabe von Waren sowie jeweils deren Gründe anzugeben sind (vgl. u.a Urteil vom 29.11.1995 – VIII ZR 293/94, WM 96, 309). Dies gelte auch für Versicherungsvertreter.

Dem Versicherungsvertreter stehe nach Ansicht des Gerichts grundsätzlich ein Anspruch auf Provisionszahlung zu. Der Anspruch nach § 87a Abs.3 HGB entfalle nur, wenn die Nichtausführung des Vertrags auf Gründen beruhe, die das Versicherungsunternehmen nicht zu vertreten hat. Der Versicherungsvertreter müsse deshalb auch darüber unterrichtet werden, wann und aus welchen Gründen ein von ihm vermittelter Vertrag rückgängig gemacht worden ist. Das Datum der Stornierung sei schon deshalb von Bedeutung, weil bei einer Stornierung nach Bezahlung der Prämie der nach § 92 Abs. 4 HGB unbedingt entstandene Provisionsanspruch nur noch unter engen Voraussetzungen entfallen könne. Der Grund lasse erschließen, ob ein Vertretenmüssen des Unternehmens und damit ein Provisionsanspruch nach § 87a Abs. 3 HGB überhaupt in Betracht kommt. In einem Provisionsprozess hätte das Versicherungsunternehmen das Fehlen eigenen Verschuldens an der Stornierung darzulegen und zu beweisen, dies würde für den Versicherungsvertreter aber ein nicht zumutbares Prozessrisiko darstellen, wenn er Provisionsansprüche einklagen müsse, bei denen schon nach der Art des Stornierungsgrundes eindeutig sei, dass der Provisionsanspruch weggefallen ist. Die bei stornierten Verträgen von dem Versicherungsunternehmen vorgenommenen Bestandserhaltungsmaßnahmen seien ebenso wiederzugeben.

Die OVB hat Berufung eingelegt. Das Urteil ist daher noch nicht rechtskräftig.

Angaben, dazu welche Schritte das Versicherungsunternehmen im Fall einer Stornierung des Vertrages oder bei einer bevorstehenden Kündigung vorgenommen hat, seien von Bedeutung, da das Unterlassen solcher Maßnahmen dazu führen kann, dass die Nichtausführung des Vertrages i.S.v § 87a Abs. 3 S.2 HGB vom Versicherungsunternehmer zu vertreten ist (vgl. Bundesgerichtshof Urteil vom 19.11.82 – I ZR 125/80).

Der Anspruch auf Erteilung eines Buchungsauszugs nach § 87c Abs.2 HGB verjähre selbständig in der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB. Dieser Anspruch wird allerdings gegenstandslos, wenn der Provisionsanspruch, dessen Vorbereitung er dienen soll, verjährt ist oder aus anderen Gründen nicht mehr durchgesetzt werden kann (vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.2. 2016 – VII ZR 28/15).

Die Vereinbarung der Verkürzung benachteilige den Vertragspartner unangemessen und sei nach § 306 Abs. 2, § 307 Abs. 1 S.1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 BGB unwirksam, da sie der gesetzlichen Regelung des § 199 Abs.1 Nr.2 BGB und des § 202 Ab.1 BGB widerspreche. Gemäß § 199 Abs.1 BGB beginne die regelmäßige Verjährungsfrist, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den, den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsse. Ein Anspruch nach § 199 Abs. BGB ist entstanden, sobald er erstmals vom Gläubiger geltend gemacht und mit einer Klage durchgesetzt werden kann. Dies setzt grundsätzlich die Fälligkeit des Anspruchs voraus (Bundesgerichtshof, Urteil vom 8. Juli 2008 – XI ZR 230/07, NJW-RR 2009, 378 Rn.17). Bei Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges nach § 87c Abs. 2 HGB sei dies mit dem Schluss des Jahres, in dem der Unternehmer dem Handelsvertreter eine abschließende Abrechnung über die diesem zustehende Provision erteilt hat.

Nach dem BGH ist von einer abschließenden Abrechnung auszugehen, wenn der Unternehmer eine Abrechnung über die dem Handelsvertreter zustehende Provision ohne Einschränkungen oder Vorbehalte erklärt hat. Damit ist stillschweigend auch die Erklärung verbunden, dass weitere Provisionsforderungen des Handelsvertreters nicht bestehen (vgl. BGH Urt. v. 3.8.2017 – VII ZR 38/17).

Ohne Erfolg blieb die Einwendung des Klägers, die Abrechnung seien solange nicht anschließend, solange die Verträge einer Stornohaftzeit unterlägen.

BGH: Makler haben Anspruch auf Nachbearbeitung

Der BGH entschied mit Urteil vom 8. Juli 2021 – I ZR 248/19 zugunsten eines Versicherungsmaklers.

Dieser klagte in Hamburg gegen einen Maklerpool und warf diesem vor, zu spät über drohende Stornierungen informiert worden zu sein. Stornogefahrmitteilungen erfolgten erst mit mehrmonatiger Verspätung. Der Name des Maklerpools wurde natürlich in der Entscheidung nicht genannt.

Nun musste der BGH entscheiden, ob dem Makler grundsätzlich ein Anspruch auf Übersendung von Stornogefahrmitteilungen zusteht.

Im Ergebnis sprach der BGH auch dem Versicherungsmakler den Anspruch zu, über drohende Stornierungen rechtzeitig informiert zu werden. Dabei gibt es eine Ausnahme, und zwar dann, wenn ein Versicherungsvertrag von dem Versicherungsnehmer widersprochen wird und der Versicherungsvertrag deshalb von Anfang an nicht besteht.

Hier nun ein paar grundlegende Zitate der Entscheidung des BGH:

„Die Beurteilung des Berufungsgerichts hat weiter Bestand, soweit es angenommen hat, der Kläger sei nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) ebenso schutzbedürftig wie ein Versicherungsvertreter, so dass der Provisionsanspruch des Klägers nach dem Rechtsgedanken des § 87a Abs. 3 Satz 2 HGB nur entfalle, wenn die Nichtausführung der vermittelten Geschäfte auf Umständen beruhe, die von der Beklagten nicht zu vertreten seien.

Nach § 87a Abs. 3 Satz 1 HGB hat der Handelsvertreter auch dann
einen Anspruch auf Provision, wenn feststeht, dass der Unternehmer das Geschäft ganz oder teilweise nicht oder nicht so ausführt, wie es abgeschlossen worden ist. § 87a Abs. 3 Satz 2 HGB bestimmt, dass der Anspruch im Falle der Nichtausführung entfällt, wenn und soweit diese auf Umständen beruht, die vom Unternehmer nicht zu vertreten sind. Ein Versicherungsunternehmen hat die Nichtausführung (Stornierung) eines Versicherungsvertrags nicht zu vertreten, wenn es notleidende Verträge in gebotenem Umfang nachbearbeitet hat. Art und Umfang der dem Versicherungsunternehmen obliegenden Nachbearbeitung notleidender Versicherungsverträge bestimmen sich nach den Umständen des Einzelfalls. Das Versicherungsunternehmen kann entweder eigene Maßnahmen zur Stornoabwehr ergreifen, die dann freilich nach Art und Umfang ausreichend sein müssen, oder sich darauf beschränken, dem Versicherungsvertreter durch eine Stornogefahrmitteilung Gelegenheit zu geben, den notleidend gewordenen Vertrag selbst nachzubearbeiten (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2012
– VII ZR 130/11, NJW 2012, 3305 Rn. 15 mwN; MünchKomm.HGB/Ströbl, 5. Aufl., § 92 Rn. 30 bis 33; Staub/Emde, HGB, 5. Aufl., § 87a Rn. 78 und § 92 Rn. 12; Löwisch in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl., § 92 Rn. 22).

Gesichtspunkte, die aufgrund einer starken Annäherung an die Stellung eines Versicherungsvertreters nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) für die Annahme der besonderen Schutzbedürftigkeit des Versicherungsmaklers sprechen können, sind etwa die Zahlung laufender Courtagevorschüsse für vermittelte Versicherungsverträge, die Einbindung in die Organisationsstruktur, die Zahlung von Organisationszuschüssen oder von Bestandspflegegeld und die regelmäßige Versendung von Stornomitteilungen (vgl. BGH, NJW 2011, 1590 Rn. 18).

Delegiert das Versicherungsunternehmen die Nachbearbeitung an den Versicherungsvertreter, hat es diesen durch Übersendung von Stornogefahrmitteilungen über die Gefahr zu informieren, dass Versicherungsverträge notleidend werden (vgl. BGH, NJW 2012, 3305 Rn. 18 f. mwN). Hat das Versicherungsunternehmen die Nachbearbeitung an den Hauptvertreter delegiert, obliegt im Verhältnis zwischen Hauptvertreter und Untervertreter dem Hauptvertreter die Pflicht zur Nachbearbeitung
(vgl. Löwisch in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn aaO § 92 Rn. 21; Staub/Emde aaO § 92 Rn. 12; Sperling in Flohr/Wauschkuhn, Vertriebsrecht, 2. Aufl., § 92 Rn. 42). Hat der Hauptvertreter die Nichtausführung des Geschäfts zu vertreten, weil er die ihm gegenüber dem Untervertreter obliegende Pflicht zur Nachbear-
beitung verletzt hat, findet § 87a Abs. 3 Satz 2 HGB deshalb mit der Folge entsprechende Anwendung, dass der Provisionsanspruch des Untervertreters erhalten bleibt (vgl. OLG Köln, VersR 2006, 71 [juris Rn. 7]; Staub/Emde aaO § 87aRn. 82; MünchKomm.HGB/Ströbl aaO § 87a Rn. 57; Emde, EwiR 2008, 559,
560). Diese Grundsätze gelten entsprechend in der vorliegenden Fallkonstellation.“

Besuchsauftrag an Bestandsnachfolger ist keine genügende Stornobekämpfung

Es kann gar nicht oft genug darauf hingeweisen werden und deshalb noch mal zum Nachlesen:

Die bloße Versendung einer Stornogefahrmitteilung an den Nachfolger des ausgeschiedenen Versicherungsvertreters ist keine ausreichende Maßnahme der Stornogefahrabwehr.

So entschied der BGH mit Urteil vom 28. Juni 2012 – VII ZR 130/11.

Der BGH in dieser Entscheidung:

„Den Versicherer trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er eine ordnungsgemäße Nachbearbeitung des notleidenden Versicherungsvertrags vorgenommen hat (BGH, Urteile vom 1. Dezember 2010 – VIII ZR 310/09, aaO Rn. 23; vom 25. Mai 2005 – VIII ZR 279/04, aaO; und VIII ZR 237/04, aaO Rn. 14; vom 12. November 1987 – I ZR 3/86, aaO unter II 1; vom 19. November 1982 – I ZR 125/80, aaO unter I 2 b; Thume in: Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Vertriebsrechts, Bd. 1, 4. Aufl., 2012, Kap. V Rn. 532).

Allerdings weist die Revisionserwiderung zu Recht darauf hin, dass die bloße Versendung einer Stornogefahrmitteilung an den Bestandsnachfolger keine ausreichende Maßnahme ist. Ein auch darauf gerichtetes Wahlrecht des Versicherers gibt es – anders als die Revision meint – nicht und ist in der Rechtsprechung auch nicht gebilligt worden. Denn der Bestandsnachfolger wird den Schwerpunkt seiner
Tätigkeit aus Gründen des eigenen Provisionsinteresses darauf setzen, Neuverträge abzuschließen und nicht dem Provisionsinteresse seines Vorgängers dienen wollen (vgl. Mecklenbrauck, aaO). Daher muss der Versicherer weiteren Vortrag zur konkreten Nacharbeit durch den Nachfolger des ausgeschiedenen
Versicherungsvertreters oder zur Aussichtslosigkeit der Nacharbeit halten.“

Und immer der Streit um die Dynamik

Nun streitet sich ein Vertrieb vor dem Frankfurter Gericht mit einem ehemalgen Mitarbeiter darum , ob dieser noch Dynamikprovisionen zu bekommen habe. Dazu ein paar Eckpunkte der Entscheidung des Amtsgerichts in seiner relativ aktuellen Entscheidung:

Der Kläger kann danach als Versicherungsvertreter (i.S.d § 92 HGB) von der Beklagten nach §§ 92 Abs. 2,3, 87c Abs.1 HGB die Abrechnung der Dynamikprovisionen verlangen, die auf nach Beendigung des Beratervertrages aufgrund der Dynamik eingetretenen Lebensversicherungsverträgen beruht.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Auszahlung dieser Dynamikprovisionen aus §§ 92 Abs. 2, 3; 87 Abs.1 S.1 HGB i.V.m dem Beratervertrag.

Die Höhe der Provision hängt von der sogenannten Bewertungssumme ab. Diese ist die Summer der Beiträge, die der Versicherungsnehmer zu zahlen hat. Infolge der unstreitig vereinbarten Dynamikklauseln erhöhen sich die Beiträge für diese Lebensversicherung automatisch regelmäßig um einen bestimmten Prozentsatz. Diese dynamische Erhöhung führt auch zu einer Erhöhung der für die Provision maßgeblichen Bewertungssumme.

Diese Erhöhung der Beiträge aufgrund der Dynamikklauseln gehen auch auf die Vermittlungstätigkeit des Klägers bei Abschluss der streitgegenständlichen Lebenversicherungsverträge zurück. Demnach sind dieser grundsätzlich auch gem. §§ 92 Abs. 2,3 S.1, 87 Abs. 1 S.1 HGB provisionspflichtig.

Dynamische Lebensversicherungen verpflichten den Versicherer selbst zur Vornahme der Erhöhung. Nur dem Versicherungsnehmer steht hinsichtlich der Erhöhung ein Widerspruchsrecht zu. Der Widerspruch ist eine auflösende Bedingung, bei deren Eintritt die von Anfang an vertraglich vorgesehene Erhöhung wieder entfällt.

Die Dynamikprovision ist somit eine verzögerte ausgezahlte Abschlussprovision, die – wenn auch widerruflich- schon in dem Erstabschluss ihren Grund findet und als vereinbart anzusehen ist (Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 16.03.2018 – 16 U 109/17, Rn. 33, BGH, Urteil vom 20.12.2018 – VII ZR 69/18, Rn. 15ff).

Dem Kläger wurden während der Laufzeit des zwischen den Parteien geschlossenen Beratervertrages unstreitig Dynamikprovisionen von der Beklagten gezahlt.

Dem Anspruch des Klägers auf Zahlung der streitgegenständlichen Dynamikprovisionen steht auch nicht entgegen, dass eine nachhaltige Kundenbetreuung durch den Kläger nach der Beendigung des Beratervertrages nicht mehr erfolgt ist.

Man habe keine wirksame Vereinbarung dahingehend getroffen, dass ein Anspruch des Klägers auf Zahlung von Dynamikprovisionen nur besteht, wenn zum jeweiligen Zeitpunkt der Erhöhung noch eine nachhaltige Kundenbetreuung durch den Kläger folgt.

Bei den Dynamikprovisionen handelt es sich um Abschlussprovisionen i.S.d Beratervertrages. Danach wird für jeden vermittelten Vertrag als Gegenleistung dieser Vermittlungstätigkeit eine einmalige Abschlussprovision gewährt. Bei weiteren aus diesem Abschluss folgenden Provisionen wird eine nachhaltige Kundenbetreuung vorausgesetzt.

Es kann der Begründung nicht gefolgt werden, dass Dynamikprovisonen Folgeprovisionen seien und lediglich einmalig gezahlt werden müssten.

Die Erhöhung der Beiträge gehen auf die Vermittlungstätigkeit des Klägers bei Abschluss der streitgegenständlichen Lebensversicherungsverträge zurück.

Die Erhöhung der Versicherungssumme und damit auch die Dynamikklauseln setzen keine nachhaltige Kundenbetreuung voraus, da sie gem. den Vereinbarungen aus den Versicherungsverträgen eintreten und somit keiner neuen Verhandlung bedürfen.

Die Angelegenheit ist nicht rechtskräftig ausgeurteilt, da sie sich noch im Beriufungsverfahren befindet.

Manipulation Provisionsmodell

In einem Verfahren vor dem Landgericht Frankfurt am Main stritt ein Handelsvertreter über eine vom Unternehmen ausgesprochene fristlose Kündigung.

Diese wurde vom Gericht für unwirksam erklärt.

Das Gericht prüfte hier nicht, ob ein wichtiger Grund – die Voraussetzung für eine fristlose Kündigung – vorlag, sondern ließ schon formelle Verstöße ausreichen.

Das Unternehmen hatte vorliegend eine fristlose Kündigung wegen angeblicher Manipulation des Provisionsmodells ausgesprochen. Der Handelsvertreter wurde von einem Kollegen angeschwärzt.

Zwar könnte ein solches Verhalten einen wichtigen Grund im Sinne eines erheblichen Vertrauensbruchs darstellen, darauf käme es hier jedoch gar nicht an, da das Unternehmen den Handelsvertreter jedenfalls zu dem Sachverhalt hätte befragen müssen. Etwas anderes könnte sich ergeben, wenn der Sachverhalt feststehen würde. Hier beruhten die Informationen jedoch, wie bereits erwähnt, nur auf Schilderungen eines Außenstehenden, sodass es sich lediglich um einen Verdacht handele.

Eine Anhörung hätte so ausgestaltet sein müssen, dass der Betroffene sich auf den Vorwurf vorbereiten könne und seine Äußerung dazu überdenken kann. Eine hastige Konfrontation im Sinne von „Was sagen Sie dazu?“ sei nicht ausreichend.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass gem. § 626 Abs. 2 BGB die Kündigung aus wichtigem Grund innerhalb von zwei Wochen zu erfolgen hat. Dies gelte nämlich für die außerordentliche Kündigung eines Handelsvertreters gar nicht.

Vorliegend war es jedoch zu einer „überfallartigen Konfrontation“ gekommen. Dies ergab jedenfalls die Schilderung des Handelsvertreters von dem Gespräch, welches das Unternehmen als Anhörung bezeichnete.

Den Verlauf dessen hatte er in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht geschildert.

Das Unternehmen hatte lediglich bestritten. Das wollte das Gericht nicht mehr bewerten.

Die kurzfristige Eingabe eines Schriftsatzes bewertete das Gericht als grob nachlässig gemäß §296 Abs. 2 ZPO und ließ den Vortrag zu der „Anhörung“ unberücksichtigt und kam so zu dem Ergebnis, dass die Kündigung aus formellen Gründen unwirksam sei.

Diese Entscheidung ist sehr interessant. Sie wurde allerdings im Berufungsverfahren nicht bestätigt. Das Oberlandesgericht gab die Sache wieder an das Landgericht zurück, das den Sachverhalt neu bewerten musste und nachher doch zu einem anderen Ergebnis kam.

Die Scheidung des Handelsvertreters, der Zugewinn und der Ausgleichsanspruch

Buchhalter gehören statistisch gesehen zu den Berufen mit den sichersten Ehen. Kasinobesitzer, Barkeeper und Flugbegleiter haben dagegen die höchsten Scheidungsraten. Es sieht so aus, dass die Scheidungsrate ansteigt, wenn der Beruf spannender wird.

Demzufolge ist auch der spannende Beruf des Handelsvertreters, Versicherungsvertreters und -maklers einem größeren Scheidungsrisiko ausgesetzt.

Welche Konsequenzen hat aber die Scheidung auf das Handelsvertreter-verhältnis? Was ist vor allem mit dem Zugewinnausgleich?

Bei dem Zugewinnausgleich geht es um eine gleichmäßige Aufteilung des während der Ehe erworbenen Zugewinns im Falle der Scheidung. Gehört das „Unternehmen Handelsvertretung“ auch dazu? Ist das selbstständige Handelsvertreterunternehmen ein Zugewinn?

Oder ist möglicherweise der Ausgleichsanspruch gemäß § 89 b HGB ein Zugewinn, den man am Ende der Ehe teilen muss?

Der Bundesgerichtshof hat am 04.12.2013 unter dem Az XII ZB 534/12 darauf folgende Antwort gegeben: Bei einer von einem Ehegatten als selbstständigem Handelsvertreter am Bewertungsstichtag noch betriebenen Versicherungsagentur ist grundsätzlich ein über den Substanzwert hinausgehender Goodwill der Agentur in den Zugewinnausgleich nicht einzubeziehen.

Der Substanzwert übrigens, so Wikipedia, ergibt sich aus der Summe der Einzelwerte alle betrieblichen Vermögensgegenstände eines Unternehmens abzüglich der Schulden und Rückstellungen. Mehr als das soll es nach der Entscheidung des BGH beim Zugewinn also nicht geben.

Der scheidende Ehegatte verlangte in dem Verfahren, über das Bundes-gerichtshof zu entscheiden hatte, Auskunft über die Bezifferung des Goodwills verlangt, über den Bestand an Versicherten und Versicherungs-verträgen und deren Wert.

Der BGH meinte, dass eine Auskunft im Rahmen des Zugewinnausgleichs über diesen Goodwill nicht verlangt werden kann. Ein Versicherungs-vertreter unterliege Bindungen, die sich aus den vertraglichen Absprachen mit dem Versicherer ergeben. Er sei in seinen unternehmerischen Entscheidungen nicht frei.

Im Übrigen sei der Handelsvertretervertrag zivilrechtlich in der Regel ein Dienstvertrag, den Handelsvertreter im Zweifel gegenüber dem Unternehmer zu persönlichen Dienstleistungen verpflichtet. Diese habe der Handelsvertreter in seiner Person zu leisten. Der Handelsvertreter kann seinen Gewerbebetrieb also nicht einseitig auf eine Nachfolge übertragen, weil es dazu nicht nur der Zustimmung, sondern auch der Mitwirkung des Unternehmens bedarf.

Außerdem stehe der von dem Handelsvertreter aufgebaute Kundenstamm nicht dem Handelsvertreter, sondern dem Unternehmer zu.

Die Grundsätze, die hier allgemein für den Handelsvertreter gelten, lassen sich nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vollständig auf den Versicherungsvertreter übertragen. Der Versicherungsvertreter ist gegenüber dem Vertrieb verpflichtet, sich um den Abschluss von Versicherungsgeschäften zu bemühen und dadurch den Bestand an Versicherungsverträgen zu erhöhen. Auch der Versicherungsvertreter erwirbt kein eigenes Recht an dem seiner Agentur zugehörigen Versicherungsbestand und den darauf beruhenden Verdienstmöglichkeiten und Erwerbschancen. Der Versicherungsbestand ist rechtlich und wirtschaftlich allein dem Versicherer zugeordnet und muss bei Beendigung des Agenturvertrages an den Versicherer zurückgegeben werden.

Aus diesem Grunde wird auch in der übrigen Rechtsprechung und im Schrifttum abgelehnt, der Agentur eines selbständigen Versicherungs-vertreters im Rahmen des Zugewinnausgleichs einen über den Substanz-wert hinausgehenden Wert anzuerkennen.

Auch wenn es für den Verkauf von Versicherungsagenturen einen Markt gebe, so würde dies für die Bewertung im Zugewinnausgleich keine andere Bedeutung haben. Schließlich bleibe es dabei, dass ein Versicherungs-vertreter seine Agentur einschließlich des darin befindlichen Bestandes nicht frei veräußern kann. Er ist immer auf das Einverständnis des Vertriebes angewiesen.

Der BGH kam in dieser Entscheidung auch zu dem Ergebnis, dass auch ein möglicher späterer Ausgleichsanspruch gemäß § 89 b HGB nicht als Vermögensgegenstand im Rahmen des Zugewinnausgleichs zu berücksichtigen ist.

In die Berechnung des Zugewinnausgleichs sind alle rechtlich geschützten Positionen mit wirtschaftlichem Wert einzubeziehen. Dazu gehören alle objektiv verwertbaren Rechte, die zum Stichtag des Zugewinnausgleichs bereits entstanden sind (Maßgeblicher Stichtag für die Zugewinns-berechnung ist grundsätzlich gem. § 1384 BGB der Tag der Zustellung des Scheidungsantrags).

Fazit:

Seit der Entscheidung des BGH vom 4.12.2013 kann sich der Handels-vertreter/ Versicherungsvertreter zumindest in Hinblick auf den Zugewinnausgleich glücklich schätzen. Er ist quasi gegenüber dem Versicherungsmakler, der einen eigenen Kundenstamm aufbaut, bei einer Scheidung privilegiert.

Im Rahmen der Berücksichtigung des Ausgleichsanspruchs kommt es maßgeblich darauf an, wann der Scheidungsantrag zugestellt wird. Wenn der Ausgleichsanspruch erst einmal gezahlt wurde und sich der Betrag auf dem Konto des ehemaligen Handelsvertreters befindet, ist möglicherweise der Kontostand im Rahmen des des Zugewinnausgleichs zu berücksichtigen.