OLG Frankfurt: Coronamittelverkäufer ist Handelsvertreter

Corona beschäftigt auch heute noch die Gerichte.

So ist mit Urteil vom 8.7.2025 vom Oberlandesgericht Frankfurt ein Vertriebspartner eines Herstellers von Corona-Schnelltests als Handelsvertreter angesehen worden.

Der ursprüngliche Vertrag hieß nicht Handelsvertretervertrag, sondern Kooperationsvertrag.

Der Vertriebler machte im Wege einer Stufenklage unter anderem Ansprüche auf Provisionszahlung, Handelsvertreterausgleich und Erteilung eines Buchauszuges geltend. Man stritt um Provisionen wegen eines Großauftrages des VW Konzerns aus dem Jahre 2021.

Das Landgericht Marburg wies zunächst die Klage ab, weil angeblich kein Handelsvertretervertrag vorliegen würde.

Das Oberlandesgericht Frankfurt sah dies anders. Das OLG stellte klar, dass ein Handelsvertretervertrag auch dann vorliegt, wenn der Vertrag als „Kooperationsvertrag“ bezeichnet wurde – entscheidend sei die tatsächliche Ausgestaltung. Die Klägerin sei schließlich „ständig damit betraut“ gewesen, Geschäfte zu vermitteln und teilweise auch abzuschließen (§ 84 HGB).

Dabei stellte das Oberlandesgericht auf folgende Merkmale ab:

  • Eingliederung in die Vertriebsstruktur,
  • Abschlussvollmacht,
  • ein Pflichtenprogramm im Vertrag,
  • und die Möglichkeit zur Einschaltung von Unterhandelsvertretern

Diese Merkmale würden hier vorliegen. Das Oberlandesgericht stellte mithin nicht auf die formale Vertragsbeziehung ab, sondern auf die gelebte Realität. Regelmäßig handelt es sich um einen Handelsvertreter, wenn eine entsprechende Eingliederung in die Absatzorganisation vorliegt, dieser einer ständigen Tätigkeitspflicht unterliegt, eher zum Abschluss von Verträgen bevollmächtigt ist, eine gewisse Weisungsbindung vorliegt und die Vergütung sich an Provisionen orientiert.

Allerdings wurde ein Provisionsanspruch für das VW- Geschäft verneint, weil dies nicht mit der Beklagten, sondern mit einem anderen Unternehmen abgeschlossen wurde.

Das Gericht verurteilte die Beklagte allerdings zur Erteilung eines Buchauszugs für alle während des Vertragsverhältnisses abgeschlossenen provisionspflichtigen Geschäfte.

Urteil des OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 08.07.2025 – 14 U 193/23

Ausgleichsanspruch

Nun hatte es auch das Versicherungsjournal am 1.9.25 aufgegriffen.

Die DVAG und der Ausgleichsanspruch

Vermögensberater, die Ihre Tätigkeit bei der Deutschen Vermögensberatung DVAG beenden, haben zuweilen einen Ausgleichsanspruch gemäß § 89b HGB.

Um diesen darzustellen, sind teilweise sehr komplexe Berechnungen notwendig.

Etwas einfacher ist dies mit den sogenannten „Grundsätzen zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs„, über die hier in diesem Blog schon oft berichtet wurde.

Der Bundesgerichtshof durfte grundsätzlich zwei Mal zu der Frage Stellung nehmen, ob und wie ein Vermögensberater Ausgleichsansprüche geltend machen kann.

In beiden Fällen hatte ein Vermögensberater nach den sogenannten Grundsätzen den Ausgleichsanspruch berechnet, obgleich der Vermögensberatervertrag eine solche Berechnung gar nicht vorgesehen hat.

Am 23.11.2011 entschied der Bundesgerichtshof unter dem Aktenzeichen VIII ZR 203/10, dass auch dann, wenn der Vermögensberatervertrag es nicht ausdrücklich regelt, eine Berechnung des Ausgleichsanspruchs über die sogenannten Grundsätze stattfinden kann. Diese Entscheidung stellte sich bereits als erhebliche Vereinfachung dar.

Derselbe Vermögensberater, der diese Entscheidung zu Gunsten seiner Kollegen durchsetzen konnte, musste dann jedoch noch ein weiteres Mal wegen des Ausgleichsanspruchs beim Bundesgerichtshof vorstellig werden. In diesem weiteren Verfahren hatte dann der Bundesgerichtshof darüber zu entscheiden, ob das Versorgungswerk, dass ab einem bestimmten Ermittlungserfolg für Vermögensberater eingerichtet wird, auf die Höhe des Ausgleichsanspruchs angerechnet wird. Die DVAG hatte den Wert des Versorgungswerkes von der Ausgleichszahlung in Abzug bringen wollen.

Am 18.05.2014 unter dem Aktenzeichen VII ZR 282/12 bejahte der Bundesgerichtshof, dass ein solcher Abzug im Wege einer einzelfallbezogenen Billigkeitsabwägung gemäß § 89 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 HGB. Der Bundesgerichtshof sah es mithin als erlaubt an, den Wert des Versorgungswerkes von der Höhe des auszuzahlenden Ausgleichsanspruches in Abzug zu bringen.

Der BGH führte dies in der mündlichen Verhandlung lapidar aus, dass man auch die Nachteile der Grundsätze (die eine Anrechnung eines Versorgungswerks bejahen) in Kauf nehmen muss, wenn man die Vorteile (vereinfachte Abrechnung) in Anspruch nehmen will.

Dies ist dann auch heute noch gelebte Praxis im Hause der DVAG.

Ein weiterer Vermögensberater versuchte noch, gegen die Entscheidung des BGH anzugehen und den BGH zu einer anderen Entscheidung zu bewegen.

Der Bundesgerichtshof wies jedoch mit Beschluss vom 16.04.2025 eine darauf gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof zurück. Der Vermögensberater musste auch hier akzeptieren, dass sich der Ausgleichsanspruch um den Wert des Versorgungswerkes reduziert.

BGH zur Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes bei Streitigkeiten mit einem Handesvertreter

Das Arbeitsgericht ist bei Streitigkeiten mit Handelsvertretern manchmal zuständig. Dafür darf ein Handelsvertreter in den letzten 6 Monaten des Vertrages nicht mehr als 1000 € Provisionen im Durchschnitt monatlich verdient haben.

Zu diesem Thema wurde hier im Blog ausführlich berichtet.

Wer muss jedoch darlegen und beweisen, dass die Provisionsgrenze nicht überschritten wurde?

Die gezahlten Provsionen sind auch häufig Gegenstand der Klage, so dass man dann von doppelrelevanten Tatsachen spricht.

Der BGH entschied am 27.10. 2009 unter dem Aktenzeichen VIII ZB 42/ 08:

a)

bei der Prüfung der Rechtswegzuständigkeit nach § 17 a GVG dürfen die zuständigkeitsbegründenden Tatsachen dann keines Beweises, wenn sie gleichzeitig notwendige Tatbestandsmerkmale des Anspruchs selbst sind (doppelrelevante Tatsachen). Dann ist für die Zuständigkeitsfrage die Richtigkeit des Klagevortrages zu unterstellen.

b)

handelt es sich nicht um doppelrelevante Tatsachen, so ist er nicht allein der Sachvortrag der klagenden Partei Grundlage der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs. Vielmehr hat der Kläger die für die Begründung der Rechtswegzuständigkeit maßgeblichen Tatsachen zu beweisen, sofern der Beklagte diese bestreitet.

MLP verliert

Das Landgericht Berlin hat kürzlich eine Klage der MLP auf Rückzahlung von Provisionsvorschüssen zurückgewiesen.

Es hatte zu Grunde gelegt, dass MLP als Maklerin tätig war, während der Beklagte Handelsvertreter war.

Ein Saldo nach Vertragsende machte sie mit der Klage geltend.

Das Gericht konnte jedoch die Höhe der Klage nicht nachvollziehen. Es meinte, der Klägerin stände kein vertraglicher oder gesetzlicher Anspruch auf Ausgleich des von ihr errechneten negativen Saldos in Höhe der Klageforderung zu.

Schließlich hätte sie für jeden einzelnen Rückforderungsanspruch dessen konkrete Gründe darlegen, was auch die textliche Erläuterung der Provisionsabrechnungen, soweit deren Inhalt nicht selbsterklärend ist, erfordert. Denn anderenfalls kann die sachliche und rechnerische Richtigkeit der erhobenen Forderung durch das Gericht nicht überprüft werden (vgl. OLG Hamm NJW-RR 2004 1266f.; OLG Brandenburg Beck Rücksprache 2009, 142615 Tz. 28, Landgericht Bonn Beck Rücksprache 2018, 44885 Tz. 34). 

Das Gericht meinte, dass die eingereichten Unterlagen nicht selbsterklärend seien. Insbesondere würden sie nicht erkennen lassen, welcher Provisionsbetrag tatsächlich auf den einzelnen Vertrag an den Beklagten wann ursprünglich werden sein sollte.

Dann setzte sich das Gericht noch mit den Kürzeln auf der Provisionsabrechnung auseinander. Es meinte, dass Provisionszahlungen nur mittelbar hergeleitet werden könnten und dass dies den Anforderungen an einen substantiierten Vortrag nicht genügen würde.

Auch die Nachbearbeitung sei nicht hinreichend vorgetragen. Insofern nahm das Gericht Bezug auf § 87a Abs. 3 S. 2 HGB. MLP sei nach Ansicht des Gerichts in vollem Umfang darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass eine ordnungsgemäße Nachbearbeitung des notleidenden Versicherungsvertrages vorgenommen wurde. Der Vortrag dazu sei jedoch nach Ansicht des Landgerichts zu allgemein geblieben. Die Angabe eines persönlichen Gespräches würde dazu nicht genügen. Es reicht auch nicht aus, das Ergebnis der Nachbearbeitungsbemühungen darzustellen (vgl. Oberlandesgericht Karlsruhe ZVertriebsR 2017, 377, 380f.).

Dem Vortrag der Klägerin sei nicht zu entnehmen, wie der jeweilige Bestandsnachfolger einen jeweiligen Kunden einwirkte.

Vor diesem Hintergrund wurde die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.