Haftungszeit

Amtsgericht weist Klage auf Rückzahlung von Provisionsvorschüssen ab

Am 12.03.2019 wies das AG Bad Schwalbach eine Klage der DVAG auf Rückzahlung von Provisionsvorschüssen ab. Dies überrascht deshalb, weil dasselbe Gericht mit denselben Parteien zuvor ein völlig anderes Urteil fällte.

Das Gericht legte in der neuen Entscheidung den Vermögensberatervertrag zu Grunde, wonach vereinbart war, dass der Provisionsanspruch der Beklagten erst nach Zahlung der vertraglich vereinbarten Anzahl von Prämien entsteht und dass eine Vorfinanzierung der vermittelten Versicherungsverträge gewährt würde.

Diese Vorfinanzierungen müssten dann zurückgezahlt werden, wenn der Versicherungsnehmer während der Laufzeit der festgelegten Haftungszeit seinen vertraglichen Verpflichtungen zur Prämienzahlung nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist.

Die DVAG hatte ein Provisionskonto geführt, in dem die ausgezahlten Provisionen erfasst und vermerkt wurde, in welchem Umfang die Provisionen durch Vermittlung, Abschluss und Bestand eines jeweiligen Versicherungsvertrages durch die Beklagte ins Verdienen gebracht wurden. Es wurde monatlich abgerechnet. Wenn es zu einem Storno kam, wurde dieses mit den Vertragsdaten in der Provisionsabrechnung aufgeführt und der Rückbelastungsvertrag als Sollbetrag in das Konto eingestellt.

Etwaige Guthabenbeträge wurden an den Vermögensberater überwiesen. Sollte die Provisionsabrechnung ein Sollsaldo ausweisen, sollte dieses ausgeglichen werden. Insgesamt bestand ein Sollsaldo in Höhe von fast 7.000,00 €.

In einem Vorverfahren wurde bereits ein Urteil gesprochen, wonach der Vermögensberater zu zahlen hatte. Jetzt hatte das AG Bad Schwalbach anders entschieden und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin sei – entgegen der Vorentscheidung – ihrer Pflicht zur Nachbearbeitung der Verträge nicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Der Provisionsanspruch des Vermögensberaters bestehe deshalb gem. §§ 87 a), Abs. 3, 92 Abs. 2 HGB trotz etwaiger Stornierungen der Verträge. Nach § 87 a), Abs. 3, Satz 2 HGB entfällt der Provisionsanspruch nur dann, wenn und soweit der Unternehmer das vermittelte Geschäft aus von ihm nicht zu vertretenden Umständen nicht ausführt. Er muss sich in ausreichender Weise um die Rettung eines stornogefährdeten Vertrages bemühen und insofern seine Verpflichtungen zur Nachbearbeitung erfüllen. Unterlässt der Unternehmer eine zumutbare Nachbearbeitung, muss er sich nach dem Rechtsgedanken des § 87 a), Abs. 3, Satz 1 HGB und des § 162 Abs.1 BGB sowie auf Grund der dem Versicherungsvertreter gegenüber bestehenden Treuepflicht so behandeln lassen, als sei eine erfolgreiche Nachbearbeitung erfolgt und als sei der Provisionsanspruch des Versicherungsvertreters vollumfänglich entstanden.

Die DVAG hatte vorgetragen, sie habe eine standartmäßige Kombination aus Erinnerungs-, Mahn- und Kündigungsschreiben durch das Versicherungsunternehmen in einem automatisierten Verfahren an die Kunden versandt. Dies hat der Berater bestritten. Ein solches Bestreiten hielt das Gericht auch für zulässig, da es sich um Umstände außerhalb der eigenen Wahrnehmung handelt. Anschließend hätte es der DVAG oblegen, im Einzelnen darzulegen und zu beweisen, bei welchem stornierten Vertrag wann und durch wen welche Stornobekämpfungsmaßnahmen erfolgt seien. Auch bei einem automatisierten Nachbearbeitungsverfahren hat der Vertrieb schlüssig darzulegen und unter Beweis zu stellen, dass das Verfahren auch tatsächlich stattgefunden hat. Allein aus der Existenz eines solchen Verfahrens erfolgt für das Gericht nicht der Nachweis, dass eine entsprechende Stornobekämpfung stattgefunden hat.

Ebenso muss klargestellt werden, ob solche Maßnahmen durch den Bestandsnachfolger erfolgt sind oder durch das Versicherungsunternehmen. Trotz entsprechender Hinweisbeschlüsse soll nicht entsprechend vorgetragen worden sein. Ausdrucke seien kein geeigneter Nachweis. Schließlich handelt es sich dabei auch nicht um Urkunden im Sinne des § 415 ZPO. Ausdrucke sind weder unterschrieben, noch begründen sie einen Beweis für die Richtigkeit der dort niedergelegten Vorgänge. Selbst dann, wenn Kunden als Zeugen benannt wurden, ist dies nicht zu den behaupteten Stornobekämpfungsmaßnahmen erfolgt.

Soweit das Zeugnis eines Mitarbeiters aus der Provisionsabteilung genannt wurde, sei nach Auffassung des Gerichts nicht erkennbar, in wie weit ein solcher Zeuge aus eigener Wahrnehmung Kenntnis von der Versendung von Stornobekämpfungsmaßnahmen hatte. In dem Fall sei dann ein solcher Zeuge ungeeignet.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Es zeigt, dass gerichte gerade in Hinblick auf das Thema „Rückforderung von Provisionsvorschüssen“ keine einheitliche Linie fahren.

Haftungszeiten auf dem Prüfstand

Kürzlich hatte sich das Oberlandesgericht Stuttgart Gedanken zu Haftungszeiten gemacht.

Haftungszeit bedeutet, dass Provisionen erst dann verdient sind, wenn Kunden einen bestimmten Zeitraum hinweg Prämien bezahlen. Zahlt er nicht, kommt es z.B. zu einem Storno, müssen Vorschüsse evtl. zurückgezahlt werden.

Im Vermögensberatervertrag der DVAG von 2007 sind Haftungszeiten von teilweise 36 Monaten vereinbart. Abgerechnet wurde jedoch mit 60 Monaten. An diese vertragliche Vereinbarung sei die DVAG gebunden, so die Ansicht des Gerichts. Das OLG vertrat weiterhin die Auffassung, dass sich das auf die Provisionsabrechnung auswirkt.

Nach Beratung und kontroverser Diskussion meinte das Gericht, das Saldo auf dem Provisionskonto sei deshalb falsch. Es müsse neu abgerechnet werden. Da noch weitere Forderungen im Raum standen, wurde ein Vergleich erörtert. Dann würde ein Urteil ausbleiben.

Buchauszug trotz Aufhebungsvertrag und Verjährung?

Vorgestern ging es vor dem Landgericht Frankfurt wieder einmal um die Frage, ob der Buchauszug auch für einen Zeitraum über 3 Jahre hinaus gewährt werden muss. Es ging auch um die Frage, ob ein Buchauszug überhaupt noch zusteht, wenn zwischen einem Vermögensberater und dem Vertrieb ein Aufhebungsvertrag geschlossen wird.

In dem Aufhebungsvertrag ist zwar eine Erledigungsklausel enthalten, das Provisionskonto sollte danach aber offen bleiben. Daraus schloss das Landgericht Frankfurt, dass dann auch der Buchauszug grundsätzlich zustehen soll.

Ob dieser noch für Ansprüche aus dem Jahr 2000 zusteht, darüber wurde in der Verhandlung diskutiert.

Erstinstanzlich vor dem AG wurde die Klage auf den Buchauszug im Hinblick auf eine 3-jährige Verjährungsfrist abgewiesen. Das Landgericht Frankfurt war jedoch der Auffassung, dass der Buchauszug auch für Geschäfte eingeklagt werden kann, die schon vor 5 Jahren abgeschlossen worden, weil es eine 5-jährige Haftungszeit gibt. Die Ansprüche auf die Provisionen entstehen immer dann, wenn der Kunde einzahlt. Nur dann, wenn der Kunde über den Haftungszeitraum von 5 Jahren eingezahlt hat, ist die volle Provision verdient.

Mithin muss sich auch daran der Buchauszug orientieren. Er kann nach Auffassung des Landgericht, die in der mündlichen Verhandlung geäußert wurde, sich auch auf einen solch langen Zeitraum erstrecken.

Wie lange haftet der Vermittler für die Provision?

Vorgestellt von RA Kai Behrens

Provisionen werden in der Versicherungsbranche regelmäßig vorschussweise ausgezahlt. Früher war es so, dass ein Lebensversicherungsvertrag drei Jahre Bestand haben musste, und erst dann die vorgeschossene Provision verdient war.

Nach der Neuregelung des Versicherungsvertragsgesetzes zum 01.01.2008 hat sich dies geändert. Gemäß § 169 Abs. 3 VVG neue Fassung muss bei der vorzeitigen Kündigung eines Lebensversicherungsvertrages mindestens der Betrag des Deckungskapitals an den Versicherten zu zahlen sein, dass sich bei gleichmäßiger Verteilung der angesetzten Abschluss- und Vertriebskosten auf die ersten fünf Vertragsjahre ergibt. Wird beispielsweise eine Lebensversicherung nach drei Jahren gekündigt, können die Abschluss- und Vertriebskosten nur in Höhe von drei Fünftel vom Rückkaufswert abgezogen werden.

Viele Versicherungsunternehmen sind der Auffassung, dass sich die Provisionshaftungszeit für Lebensversicherungsverträge ebenfalls auf fünf Jahre verlängert hat. Wenn z.B. dann nach vier Jahren ein Lebensversicherungsvertrag storniert wird, so die Auffassung vieler Versicherer und Strukturvertriebe, muss dann ein Fünftel der vorgestreckten Provision zurückgezahlt werden.

Achtung :
Aus dem Gesetz ergibt sich nicht, dass die Provisionshaftungszeit für Lebensversicherungsverträge ebenfalls auf fünf Jahre angehoben wird. Nur dann, wenn auch der Vermittlervertrag eine Haftungszeit von fünf Jahren vorsieht (oder eine Anpassung an dass „VVG“ geregelt ist) kann der Vertrieb oder die Versicherung von der fünfjährigen Haftungszeit Gebrauch machen.

Die Verlängerung der Haftungszeiten ist jedoch von vielen erwünscht. Längere Stornohaftungszeiten sind sollen den Vorteil bringen, die Kunden vor einem vermeintlich lukrativen Gesellschaftswechsel zu schützen. Einfallsreiche Vermittler könnten sonst auf die Idee kommen, um sich Provisionen zu sichern, zu dem Abschluss eines neuen Versicherungsvertrages nach Ablauf von z.B. bereits drei Jahren zu empfehlen. Die Financial Times berichtete am 14.04.2011 ausgiebig darüber.

Hohe Provisionen erzielen Neugeschäft. Die Konkurs gegangene MEG belegt dieses. Hier wurden bis zu 16 Monate Monatsbeiträge für den Abschluss einer Krankenversicherung an Provision gezahlt.

Stornoreserve – die große Unbekannte

Die Stornoreserve ist noch immer das Geheimnis vieler Vertriebler, Unternehmen und… sogar Juristen. Nur wer glaubt, sie verstanden zu haben, kann sich das Lesen der nächsten Zeilen sparen.

Fast alle Struktur- und Versicherungsgesellschaften arbeiten mit der Stornoreserve – eine Art Sicherheit oder Rücklage für schlechte Zeiten. Aber Vorsicht ! Sie ist keine Kaution oder ein Anspruch. Ich versuche die Stornoreserve eher als eine Art „Hoffnungskonto“ zu beschreiben. Einen Auszahlungsanspruch auf die Stornoreserve hat man nicht. Man hat nur die Hoffnung, die Stonroreserve nach und nach zur Auszahlung zu erhalten, wenn die einzelnen Verträge sicher wurden.

Ein Beispiel : Der Strukturmitarbeiter hat eine Lebensversicherung (LV) vermittelt und könnte einen Provisionsanspruch von 1000€ erwerben. Warum könnte? Weil die LV oft erst nach einer Haftungszeit von 5 Jahren als sicher gilt.

Von diesen 1000€ erhält der Mitarbeiter 85% als Vorschuss (so bei AWD und DVAG gängige Praxis). 15%, also 150€ hier, werden gedanklich in ein Stornokonto gegeben, der sog. Stornoreserve. Achtung : Die 150€ erfolgen nicht in einer Zahlung, sondern werden nur als eine Art „Gegenkonto“ festgehalten, um eine grobe Übersicht zu behalten.

Unser Idealfall : Überlebt die LV die Haftungszeit von 5 Jahren, erhält der Mitarbeiter die restlichen 150€ aus der Stornoreserve.

Unser Praxisfall : Wird der Vertrag z.B. nach 2 Jahren aus irgendeinem Grund storniert, hat der Vermittler einen Anspruch auf 2/5 dessen, was er sonst nach 5 Jahren insgesamt bekommen hätte (2/5 weil der Vertag statt der 5 Jahre nur 2 Jahre geschafft hat). Er hat dann einen Anspruch von 400 € (= 2/5 von 1000€).

Da er schon 850€ als Vorschuss erhalten hat, muss er 450 € wieder zurück zahlen ( 850 € Vorschuss abzgl. verdienter 400€ = 450€ ).

Er kann natürlich nicht mit der Stornoreserve aufrechnen oder verlangen, dass dies davon abgezogen wird. In der Stornoresreve werden die 150€ einfach wieder „rausgeschrieben“. Das Hoffnungskonto verringert sich um 150€.