Klage auf Rückforderung von Provisionsvorschüssen wegen fehlender Nachbearbeitung abgewiesen

Das Amtsgericht Tübingen wies am 11.04.2014 eine Provisionsrückzahlungsklage eines großen Vertriebes ab.

Die Parteien stritten um die Rückzahlung vorfinanzierter Provisionen. Diese hatte der Beklagte als Handelsvertreter erhalten.

Der Vertrieb meinte, die Höhe der Rückzahlungsansprüche resultiere aus der Kontokorrentabrechnung. Im Übrigen sei die Höhe der Rückzahlung hinreichend dargelegt.

Der Beklagte rügte, dass die Höhe des geltend gemachten Anspruches nicht dargelegt sei und im Übrigen Nachbearbeitungspflichten verletzt wurden. Dazu das Gericht:

„Wie vom Beklagten zutreffend gerügt, lässt der klägerseitig geführte Kontokorrent/Saldo nicht erkennen, wie sich dieser Endbetrag hinsichtlich der in ihm verborgenen Einzelforderungen zusammensetzt.

 Bei dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis handelt es sich um ein mehrstufiges Handelsvertreterverhältnis, in welchem der Handelsvertreter als Vertragspartner des vertretenden Unternehmens gleichzeitig Unternehmer im Verhältnis zum Untervertreter ist. Der Provisionsanspruch des Handelsvertreters entsteht sonach gemäß § 87 a Abs. 1 Satz 1 HGB sobald und soweit der Unternehmer (der Auftraggeber des Hauptvertreters) das vom Vertreter vermittelte oder abgeschlossene Geschäft ausgeführt hat.

 Diese Rechtsfolgen, die sich aus der Nichtleistung des Kunden ergeben, treten allerdings nur dann ein, wenn der Unternehmer seinerseits seiner Verpflichtungen aus dem abgeschlossenen Geschäft in vollem Umfang nachgekommen ist. Der Provisionsanspruch des Versicherungsvertreters entfällt mithin nur für den Fall und damit einhergehend entsteht ein Rückzahlungsanspruch des Unternehmers, der einen Vorschuss gezahlt hat, erst und nur dann, wenn die Vertragsauflösung mit dem Versicherungsnehmer auf Umständen beruht, die der Unternehmer nicht zu vertreten hat, § 87 a Abs. 3 Satz 2 HGB. Das ist dann der Fall, wenn es zur Auflösung des Vertrages kommt, obgleich sich der Unternehmer/Versicherer ausreichend um dessen Rettung bemüht hatte. Ihm obliegt es mithin, das Mögliche und Zumutbare zu unternehmen, um eine Vertragsauflösung abzuwenden.

 Ist die so genannten Nachbearbeitung seitens des Unternehmers nicht oder nicht hinreichend durchgeführt worden, ist die Vertragsauflösung von ihm zu vertreten. Er muss sich dann grundsätzlich so behandeln lassen, als habe eine erfolgreiche Nachbearbeitung stattgefunden und als sei der Provisionsanspruch des Vertreters somit endgültig entstanden.

 Der Regelungszusammenhang des § 87 a HGB gilt auch im Verhältnis von Haupt- und Untervertretern, mithin im Verhältnis der Parteien.

 Die Benennung eines entsprechenden Kontokorrentabschlusses genügt der Darlegungslast nicht. Vielmehr muss ein wegen Stornierung geltend gemachter Provisionsrückzahlungsanspruch bezogen auf jeden einzelnen Fall nachvollziehbar dargelegt werden. Dies gilt, wenn der Gesamtanspruch die Summe einer Vielzahl von Einzelrückforderungsbeträgen darstellt, losgelöst von der grundsätzlichen Darlegungslast auch aus allgemeinen zivilprozessualen Gründen: Nur im Falle einer Bestimmung der den Gesamtsaldo bildenden Einzelforderungen kann eine rechtskräftige Entscheidung ergehen.

 Wie ebenfalls beklagtenseits zutreffend gerügt, hat die Klägerin auch nicht hinreichend dargetan, ihre Pflicht/Obliegenheit zur Nachsorge und Nachbearbeitung der stornierten Verträge im mehrstufigen Vertretungsverhältnis genügt zu haben. Im Falle diesbezüglich geltend gemachter eigener Bemühungen obliegt es dem Unternehmer/Hauptvertreter, in jedem Einzelfall konkret vorzutragen, wann er im Zuge der gebotenen Nachbearbeitung aktiv geworden ist und was er unternommen hat, um den jeweiligen Vertrag zu retten.

 Der diesbezügliche Sachvortrag der Klägerin ist nicht geeignet, gemessen an den vorgenannten Darlegungsgrundsätzen, den geltend gemachten Rückzahlungsanspruch gegen den Beklagten zu begründen, da der – pauschale – Vortrag der Klägerin eine Beurteilung, ob eine ordnungsgemäße Nachbearbeitung im jeweiligen Einzelfall erfolgt ist, nicht zulässt.

 Die Klägerin vermag sich schließlich auch nicht darauf zu berufen, der Beklagte habe, da er dem Kontokorrentabschluss nicht widersprochen habe, ein selbständiges Saldoanerkenntnis (§ 781 BGB) abgegeben, welches eine Darstellung der den Saldo zusammensetzenden Forderungen entbehrlich machen würde.

 Auch bei Annahme eines Saldoanerkenntnisses durch widerspruchslose Hinnahme der Abrechnung stünde der Wirksamkeit des Anerkenntnisses § 87 c Abs. 5 HGB entgegen. Danach sind die Informationsrechte des Handelsvertreters unabdingbar. Die Vorschrift erfasst auch Klauseln, welche die Rechte des Handelsvertreters auch nur mittelbar beschränken oder ausschließen, in dem sie ein Anerkenntnis durch widerspruchslose Entgegennahme einer Abrechnung fingieren.

 Ob dem Rechenwerk der Klägerin über dies fehlerhaft Provisionsansätze zugrunde liegen, die zur Unschlüssigkeit und Unbegründetheit des Klagebegehrens führten, kann dahingestellt bleiben.“

 Urteil des Amtsgerichts Tübingen vom 11.04.2014