03
OLG Celle: Leichterer und mehr Ausgleichsanspruch bei Bestandsübernahme
In einem Urteil vom 16.02.2017 schuf das Oberlandesgericht Celle unter dem Aktenzeichen 11 U 88/16 neue Grundlagen für die Gewährung des Ausgleichsanspruchs gem. § 89 b) HGB.
Dies betrifft alle Handelsvertreter, die einen Bestand übernommen haben.
Einen Ausgleich für einen übernommenen Bestand erhält der Handelsvertreter gem. § 89 b) Abs. 1, Satz 2 HGB nur dann, wenn der Werbung eines neuen Kunden es gleich steht, wenn der Handelsvertreter die Geschäftsverbindung mit einem Kunden so wesentlich erweitert hat, dass sie wirtschaftlich der Werbung eines neuen Kunden entspricht.
Die höchstinstanzlichen Gerichte hatten bisher entschieden, dass dazu eine 100%ige Umsatzsteigerung erforderlich ist. Nur dann also, wenn ein Kunde, der durch den Handelsvertreter betreut wird, den Umsatz verdoppelt, steht dem Handelsvertreter für diesen Kunden ein Ausgleichsanspruch zu. In der o.g. Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle hatte das Gericht ausgeurteilt, dass ein solcher Ausgleichsanspruch für einen Kunden bereits dann gegeben ist, wenn „nur“ eine 50%ige Umsatzsteigerung festzustellen ist.
Ein Handelsvertreter, der bestimmte Markenprodukte an Apotheken und Kosmetikinstitute vertrieb, hatte einen Ausgleich auch für drei Kunden geltend gemacht, bei denen eine Umsatzsteigerung zwischen rund 58 % und 76 % lag. Das OLG Celle entschied, dass dem Handelsvertreter im Rahmen der Rohausgleichsberechnung auch für diese drei Kunden ein Ausgleich zustehe. das gericht begründete dies mit dem europäischen Recht. Eine nationale Rechtsprechung, wonach eine Umsatzverdoppelung erforderlich sei, entspreche nicht der Handelsvertreterrichtlinie (RL 86/653/EWG), auf der das deutsche Handelsvertreterrecht beruht. Dort nämlich werde nur eine wesentliche Erweiterung der Kundenbeziehung verlangt. Als wesentliche Erweiterung seien nach Ansicht des Gerichts aber auch diejenigen Umsatzsteigerungen anzusehen, die einen Prozentsatz von mehr als 50 % erzielten.
Das OLG Celle schließt sich damit einer Auffassung an, die schon länger darauf hingewiesen hat, dass der Wortlaut des Paragrafen 89b Abs. 1 Satz 2 HGB nicht mit dem der europ. Richtlinie konform gehe und es auf eine Umsatzverdoppelung nicht ankommen dürfe. Das Urteil wurde inzwischen rechtskräftig.
Über diese Entscheidung dürfen sich viele freuen, die als Handelsvertreter einen Bestand übernommen und „ausgebaut“ haben. Die Bestandsübernahme ist in vielen Branchen, in denen Warenvertreter und Bezirksvertreter tätig sind, ja noch üblich.
Ebenso freuen dürfen sich die Versicherungsvertreter, die einen Bestand übernehmen oder ihren Bestand zu einem neuen Vertrieb mitbringen. Die DVAG hat beispielsweise in einer Nachfolgeregelung Vermögensberatern in Aussicht gestellt „nach Erreichen des 60. Lebensjahres und vor Vollendung des 70. Lebensjahres“ unter bestimmten Bedingungen „die Betreuung der von ihm betreuten Kunden auf andere Vermögensberater“ zu übertragen. Würde das OLG Celle entscheiden, dürfte sich der Übernehmende freuen.
Eine Übertragung von Kunden findet auch statt, wenn ein Vertrieb ausgegliedert wird, z.B. als der Vertrieb der Central Krankenversicherung und der AachenMünchner auf die DVAG überging. Ein ähnliches Prozedere findet jetzt zwischen DVAG und Generali statt, wenn die DVAG den Generali-Vertrieb übernehmen wird. Viele Generalis fragen sich, was bei der vorstehenden Übernahme mit dem Ausgleichsanspruch wird. Da die Kunden ja bereits bei der Generali aufgebaut wurden, und der wechselnde Berater seinen alten Bestand „übertragen bekäme“, könnte ein frischer Wind in der Rechtsprechung, mit dem OLG Celle als Vorbild, nötig sein.
Viele Handelsvertreter erleben bei der Bestandsübertragung sonst ihr blaues Wunder, wenn wie bisher verlangt würde, dass sich der Umsatz tatsächlich verdoppeln müsste, um am Ende einen finanziellen Ausgleich zu bekommen.
02
Mifid II kommt am 3.1.2018. Am 22.2.2018 sollen dann die Vorgaben der IDD greifen. Das Jahr beginnt also mit den besten Vorsätzen.
Die IDD will für mehr Verbraucherschutz und Transparenz sorgen. Vermittler sollen z.B. verpflichtet werden, sich alle erforderlichen Informationen zu beschaffen, damit sie den Zielmarkt jedes Produkts verstehen, das sie vermitteln wollen. Kunden sollen Produktinformations-Blätter für Versicherungsanlage-Produkte beziehungsweise für Nicht-Lebensversicherungs-Produkte ausgehändigt bekommen. Näheres schreibt dazu das Versicherungsjournal.
Vermittler sollen sich nach deuen IDD 15 Std. jährlich weiterbilden.
Strengere Vorsätze für 2018 könnte dagegen Mifid II mit sich bringen. Mifid II schafft neue Anforderungen an die Transparenz bei Wertpapiergeschäften. Davon sind auch Vermittler gem § 34 f GewO und indirekt Vermittler von Fondspolicen betroffen.
Nach dem neuen Mifid II müssen Banken und Vermögensverwalter Telefongespräche, die auf eine Anlageberatung abzielen, aufzeichnen und dann fünf Jahre aufbewahren. Vermittler gem § 34 f GewO müssen dies nicht, ebensowenig bei Abschluss von Versicherungsanlage-Produkten. §34f“-er müssen Interessenkonflikte offenlegen und die Risikoneigung des Kunden erfragen.
Rechtzeitig zum Ende 2017 wurde dann auch das Gerücht gestreut, dass für Wertpapiere ab dem 3.1.2018 keine Provsionen mehr erzielt werden dürfen und ein Provisionsverbot ab 2018 käme. Ursache war ein Bafin-Rundschreiben, in dem Wertpapierdienstleister hingewiesen werden, dass „die angenommenen Zuwendungen nicht als Gewinn vereinnahmt“ werden dürfen , und „vielmehr sind angenommene Zuwendungen, sofern sie nicht an den Kunden ausgekehrt werden, vollständig für Qualitätsverbesserungen zu verwenden.“ Das sei aber ein alter Hut, denn es gelte schon lange, dass „Wertpapierdienstleister Provisionen nur dann vereinnahmen dürfen, wenn sie darauf ausgelegt sind, „die Qualität der für den Kunden erbrachten Dienstleistung zu verbessern“, beschreibt Bernd Mikosch sehr zutreffend in fondsprofessionell.de .
30
BER ist mittlerweile das Sinnbild für desaströse politische Entscheidungen.
Vielleicht liegt es an der Ähnlichkeit der Abkürzungen, die deutlich zeigen: Was die Berliner in der Luft können, können Juristen auf dem Boden schon lange.
beA heißt das neue System, das Anwälte untereinander und mit Gerichten sicher verbinden soll. Statt zu faxen und wie früher einen Brief zu senden, soll die Kommunikation neuerdings per Email möglich sein.
beA ist ab 1.1.2018 sogar Pflicht für die Anwälte.
Aber wie beim BER tut sich auch bei beA nichts. Die Emails starten und landen nicht. Das besondere Anwaltspostfach wurde von der Bundesrechtsanwaltskammer als „einfach, digital, sicher“ angepriesen, bevor man es schnell wieder ausmachte. Es war einfach nicht sicher. Die Emails sollen tatsächlich sicher verlaufen, die Software allerdings Risiken darstellen. So versteht es der Laie aus einem Heise-Artikel.
Das seit Jahren in der Warteschleife kreisende beA kommt also nicht am 1.1.18.
Den Mangel aufgedeckt haben – ausgerechnet kurz vor Weihnachten – Hacker von Chaos Darmstadt, dem Chaos Computer Club. Große Vertriebe greifen seit Jahren auf die Unterstützung von Chaos zurück, um eigene Schwachstellen aufzudecken und zu schließen. Bei den Juristen dürfte spätestens jetzt angekommen sein, dass Chaos nicht nur im Gerichtssaal stattfinden kann, sondern in diesem Sinne durchaus was Gutes hat.
„Keine Gefahr durch Nichtnutzung“ (von beA), sollen die Hacker gesagt haben und spannen damit wieder einen Bogen direkt in den Wartebereich des Berliner Flughafens. Dort stürzt auch kein Flugzeug vom Himmel, solange BER geschlossen bleibt.
Der technisch unbedarfte, aber rede- und trinkfreudige Jurist wird Silvester ohne beA feiern, frei nach dem Motto in Goethes Faust: „Schafft Ihr ein gutes Glas an – So wollen wir Euch loben – Nur gebt nicht gar zu kleine Proben – Denn wenn ich hier judizieren soll – Dann nehm ich auch das Maul recht voll“ (Letzterer Halbatz ist ein klein wenig angepasst).
Ich wünsche auf diesem Wege einen guten Rutsch und ein gutes 2018!
28
Kritische Veröffentlichungen sind mitunter nicht gewollt. Dies gilt wohl nicht nur für Vertriebe.
Die DVAG hatte sich seit Jahren mit kritischen Foren und einer kritischen Auseinandersetzung konfrontiert sehen müssen. In früheren Jahren schrieb ein ehemaliger Vermögensberater ein Buch, welches juristisch angegangen wurde. Obgleich die Rechtsprechung das Buch nicht verbot, verschwand es dennoch sang- und klanglos auf dem Markt.
Anschließend gab es einen weiteren Ex-Vermögensberater, der einer Website dann auch gleich den passenden Namen gab und diese exdvag nannte. Auch diese Seite ist seit Jahren nicht mehr da.
Dann wurde ein Forum gegründet. Erst hieß dies in etwa „geprellte-strukkis“, dann verschwand es und tauchte unter dem Namen „geprellte-vermoegensberater“ wieder auf … und wieder unter. Zumindest bei letzterem ist bekannt, dass die Seite nicht in Deutschland gemeldet war, stattdessen offensichtlich in den USA. Ein Impressum suchte man vergebens.
Wie bei Katz und Maus war es mal da und dann wieder weg. Auf einer Website eines Herrn Martin Ciupek berichtete dieser noch am 22.11.2017 darüber, dass geprellte-vermoegensberater wieder online wäre. Heute ist jedoch nichts mehr zu finden.
Man darf gespannt sein, wie es weitergeht.
24
Allen Lesern wünscht der Handelsvertreter-Blog ein paar ruhige und frohe Weihnachten.
Zeit für die wichtigen Dinge im Leben, für Freunde und Familie, wünsche ich allen Handelsvertretern, allen Außendienstlern, allen Versicherungsvertretern- und Maklern sowie allen, die mit dem Berufszweig zu tun haben.
Was uns 2017 Tag für Tag beschäftigt hat, ob es Mifid II oder die Änderungen in der Generali waren, rückt zumindest heute in weite Ferne. Und dort soll es über Weihnachten bleiben.
Frohe Weihnachten und eine gute Zeit
Ihr
Kai Behrens
15
Versicherungswirtschaft. heute erhebt schwere Vorwürfe. Missmanagement bei Generali und Ergo in der Vergangenheit? heißt es in der Überschrift eines Artikels vom 15.12.17 . Beide Gesellschaften werden immer wieder mit dem Run-off in Verbindung gebracht.
Es geht dabei um die Lebensversicherer Ergo und Generali, die ihre klassischen Lebensversicherungen eventuell verkaufen wollten. Auch die Axa erwägt den Run-off. Ergo will diese offensichtlich nun doch selbst abwickeln und reagierte dabei auf die schlechte Kritik, die die Run-off-Pläne ausgelöst haben.
Die Zeit beschrieb den Run-off einmal so: „Bei einem Run-off zeichnet ein Versicherer keine neuen Verträge mehr und wickelt seinen Bestand ganz oder in Teilen ab.“ Dabei hat er folgende Möglichkeiten, einen solchen Run-off zu organisieren:
- Er behält die vorhandenen Verträge in seinen eigenen Büchern.
- Er verkauft die Verträge an einen anderen Versicherer
- Er verkauft die Verträge an einen Spezialisten, der solche Run-Offs abwickelt
- Er gibt den Bestand an einen Rückversicherer.
„Der “Raubbau” habe über die Jahre hinweg tiefe Löcher in die Bilanzen gerissen. “Seit Ende 2005 sind die Reserven, gemessen an den Beitragseinnahmen, von über 100 Prozent auf 45 Prozent abgesackt”, zitiert Versicherungswirtschaft.heute zum Thema Generali.
„Dass die Konzernmutter jahrelang Kapital abgezogen und nicht einmal das Nötigste in die Infrastruktur der Ergo investierte, habe niemanden interessiert“, heißt es zum Thema Ergo.
13
Die Verbraucherzentrale Sachsen berichtet über einen Fall, bei dem ein Vermögensberater der DVAG einem Kunden aus dem Vogtland 15 fondsgebundene Rentenversicherungen bei der AachenMünchener LebensversicherungsAG und 6 DWS Vermögenssparpläne vermittelt haben. Von „aufgequatscht“ ist in der Überschrift die Rede. Die Verbraucherzentrale teilt mit, dass man 18 Verträge schon hat außergerichtlich rückabwickeln können.
Hier im Blog wurde kürzlich von einem Fall berichtet, der diesem zunächst ähnlich liegt und sich in Hessen ereignet hat. Identisch ist er bei näherem Hinsehen jedoch nicht. Dort wurden 14 Vermögenssparpläne vermittelt. Von „aufgequatscht“ war in dem hessener Verfahren nicht die Rede.
Während in Hessen die Verträge nacheinander vermittelt wurden, sollen im Vogtland die Verträge nebeneinander bestanden haben und jeweils in jeden Vertrag Einzahlungen vorgenommen wurden.
12
In einem Verfahren vor dem Brandenburgischen Oberlandesgericht stritt ein sogenannter Untervertreter gegen ein Unternehmen, welches Hauptvertreterin war. Das OLG Brandenburg entschied mit Urteil vom 10.1.2013,
Zum Sachverhalt:
Das Unternehmen war seinerseits vertraglich mit verschiedenen Versicherungsgesellschaften verbunden und beschäftigte zur Vertragsvermittlung eben diese Untervermittler.
Zwischen den Parteien bestand ein gängiger Vermittlungsvertrag, welcher unter anderem beinhaltete,
dass die Provision erst dann verdient werde, wenn der Endkunde die Prämien vollständig geleistet hat und die Hauptvertreterin ihrerseits von der Versicherungsgesellschaft die Provision erhalten habe,
dass die Hauptvertreterin ein Konto für den Untervertreter führt,
dass sie dem Untervertreter Abrechnungen zusendet, welche dieser prüfen und bei Fehlern auf solche hinweisen muss (mit Frist zum 31. März des Folgejahres) und,
dass der Untervertreter innerhalb einer Frist von 14 Tagen einen Vertrag nachbearbeiten muss, der in Stornogefahr gerät, sobald er von der Hauptvertreterin darüber in Kenntnis gesetzt wird. Geschieht eine solche Nachbearbeitung nicht innerhalb der Frist, so entfällt die Provision.
Zudem wurde dem Untervertreter angeboten, einen Zugang zu einem firmeninternen Online-System zu kaufen. Davon hat er jedoch keinen Gebrauch gemacht. Mitteilungen, die ihn betrafen, wurden an seine „Führungskraft“, also die ihm übergeordnete Person gesandt.
Die Parteien hatten einen Zusatzvertrag über „Internetleads“ abgeschlossen. Diese wurden von der Hauptvertreterin angeboten. Es handelte sich um Datensätze von potentiellen Kunden, welche die Hauptvertreterin ihrerseits ebenfalls erworben hatte.
Die Hauptvertreterin hatte mit der Klage Provisionsvorschüsse von Verträgen, die storniert worden waren, zurückgefordert.
Der Untervertreter hatte dem gegenüber gestellt, dass die Ansprüche nicht entstanden seien, da er keinen Buchauszug gem. §87c Abs. 2 HGB erhalten habe.
Er hatte überdies die Rückzahlung der Kosten für die „Internetleads“ verlangt, da diese mangelhaft gewesen seien und der Vertrag über diese Daten gegen §86a Abs. 1 HGB verstoße.
Außerdem behauptete er Schadensersatzansprüche in Höhe der Provisionsvorschüsse, da ihm keine Stornogefahrmitteilungen zugegangen seien.
Die Entscheidung:
Bezüglich der „Internetleads“ lehnte das Oberlandesgericht den Rückzahlungsanspruch ab.
Die Hauptvertreterin sei keinesfalls verpflichtet, dem Untervertreter potentielle Kunden zu benennen, sodass ein Ausschluss gem. §86a Abs. 1 HGB schon nicht in Frage komme.
Auch von einem Mangel der „Internetleads“ könne nicht ausgegangen werden. Der Untervertreter hatte hier behauptet, die Kunden seien entweder nicht erreichbar gewesen. Dies könne jedoch keinen Mangel begründen. Der Vortrag war dem Gericht zu unsubstantiiert. Demnach hätte der Untervermittler genau vortragen müssen, wann er versucht habe die Kunden zu erreichen.
Die Tatsache, dass die Kunden nicht interessiert waren, wurde vom Gericht ebenfalls nicht als Mangel gesehen. Durch die Daten werde dem Untervermittler nur „die Chance einer Vertragsanbahnung eingeräumt“, nicht jedoch der sichere Abschluss.
Dazu komme, dass der Untervermittler wohl von der etwaigen Mangelhaftigkeit gewusst haben müsse. Er hatte nämlich zuvor schon einmal solche Daten von der Hauptvertreterin bezogen, die sich als unbrauchbar erwiesen hatten. Er hätte daher mit einem Mangel rechnen müssen.
Zu dem Buchauszug führte das Oberlandesgericht wie folgt aus:
Der Buchauszug müsse ein Spiegelbild der provisionsrelevanten Daten des Unternehmers sein. Der Unternehmer, hier die Hauptvertreterin, müsse dem Untervermittler in einem Buchauszug alle Daten mitteilen, die für die Berechnung der Provision von Bedeutung sein könnten.
Der Anspruch gem. §87c HGB kann jedoch bei einem ausdrücklichen Verzicht entfallen, beispielsweise bei einem Saldoanerkenntnis. Dieses stelle „einen Verzicht auf dem Handelsvertreter bekannte Einwendungen aus der früheren Zeit dar“.
Ein solches habe der Untervertreter hier abgegeben, als er die Abrechnungen bestätigte. Hätte er diese für nicht nachvollziehbar oder fehlerhaft erachtet, so hätte er dies zum jeweiligen Zeitpunkt rügen müssen.
Auf den Vortrag, er sei zu etwaigen Unterschriften gezwungen worden, ging das Gericht nur am Rande ein. Dann jedenfalls hätte er seine Erklärungen gem. §123 BGB anfechten müssen.
Insofern habe er keinen Anspruch mehr auf einen Buchauszug, der den Rückzahlungsansprüchen entgegenstehen könne.
Bei den Rückzahlungsansprüchen für die Provisionsvorschüsse differenzierte das Gericht für die einzelnen Verträge und die jeweiligen Nachbearbeitungsmaßnahmen.
Generell entfalle der Anspruch auf die Provision, wenn die Nichtausführung auf Umständen beruht, die der Unternehmer nicht zu vertreten hat. Dies sei auch so auf das Verhältnis zwischen Hauptvertreter und Untervertreter zu übertragen.
Wenn also die Hauptvertreterin beweisen könne, dass sie in dem gebotenen Umfang nachgearbeitet hat, entfiele der Provisionsanspruch. Die Beweislast dafür läge jedoch bei ihr selbst.
Vorliegend hätte also die Hauptvertreterin selbst Nachbearbeitungsmaßnahmen ergreifen müssen oder dem Untervertreter die Gelegenheit zur rechtzeitigen Nachbearbeitung geben müssen.
Es war vereinbart, dass der Untervermittler selbst die Nachbearbeitung übernehmen soll.
Aufgabe der Hauptvertreterin sei es deshalb gewesen Stornogefahrmitteilungen zu übersenden. Diese müsse so rechtzeitig versendet worden sein, dass bei normalem Verlauf mit dem rechtzeitigen Eingang zu rechnen sei.
In einigen Fällen konnte die Hauptvertreterin hier durch einen Zeugen beweisen, dass Stornogefahrmitteilungen per Post an die Privatadresse des Untervermittlers gesendet wurden. Der Zeuge war zwar nicht selbst mit der Bearbeitung der Post beauftragt, konnte jedoch die übliche Vorgehensweise nach der Kündigung eines Vertrages so schildern, dass der Senat überzeugt war.
In diesen Fällen stellte das Gericht also fest, dass die Verträge aufgrund von Umständen nicht ausgeführt worden waren, die die Hauptvertreterin nicht zu vertreten hatte und der Provisionsanspruch demnach entfallen war. Hier bestand also ein Rückzahlungsanspruch der Hauptvertreterin.
In anderen Fällen, in denen die Stornogefahrmitteilungen elektronisch und automatisch in dem Online-System an die oben genannte Führungskraft des Untervermittlers gesandt worden waren, bewertete das Gericht die Situation anders.
Der Untervermittler sei nicht verpflichtet gewesen sich selbst einen Zugang zu dem Online-System zu verschaffen.
Die Übersendung an die Führungskraft reiche auch nicht aus. Auch wenn die Hauptvertreterin darlegte, dass diese angehalten war, die Handelsvertreter zur Nachbearbeitung anzuhalten, „befreite sie dies nicht von dem Nachweis, dass … die Führungskraft den Untervermittler über die einzelnen Stornogefahrmitteilungen informierte“.
In diesen Fällen bestand daher kein Rückzahlungsanspruch. Diese Verträge seien aufgrund von Umständen storniert worden, die die Hauptvertreterin zu vertreten hatte.
Bezüglich der Fälle, in denen die Hauptvertreterin vortrug selbst Nachbearbeitungsmaßnahmen ergriffen zu haben, entschied das Gericht, dass in der Versendung von Mahnschreiben nach Einstellung von Prämienzahlungen unter Hinweis auf die Rechtsfolgen oder in einem schriftlichen Gesprächsangebot und der schriftlichen Bekundung der Bereitschaft zum Entgegenkommen eine ausreichende Nachbearbeitung gesehen werden könne.
Auch hier wären die Verträge demnach nicht aufgrund von Umständen nicht ausgeführt worden, die die Hauptvertreterin zu vertreten hätte, sodass ein Rückzahlungsanspruch bestehe.
03
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat am 1.11.2017 gezeigt, dass selbst Oberlandesgerichte zu unterschiedlicher Rechtsprechung neigen können. Ein Senat des OLG hatte im Beschlusswege eine Berufung der DVAG abgewiesen.
Die DVAG war erstinstanzlich verurteilt worden an einen ehemaligen Handelsvertreter einen Buchauszug zu erteilen. Die Berufung dagegen wurde abgewiesen, da sie den Anforderungen des §511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO an den Beschwerdewert von mindestens 600€ nicht entsprach.
Das Gericht hatte klargestellt, dass es bei der Beschwerdewertberechnung für den Buchauszug „auf den Aufwand an Zeit und Kosten (…), den die Erfüllung des Anspruchs erfordert, nicht etwa auf den Wert des Auskunftsanspruchs“ ankommt.
Die DVAG hatte hier zunächst einen Stundensatz von 50,00 € und zwei Arbeitstage à 7,5h angesetzt. Als sie darauf hingewiesen wurde, dass der zugelassene Höchstsatz nach dem JVEG (§22) 21,00 € betrage und sie damit auf höchstens 315€ komme, setzte sie die benötigte Zeit kurzerhand auf vier Arbeitstage à 8h hoch.
Dies ließ das Gericht jedoch nicht gelten.
Dass die DVAG die Länge des Arbeitstages ohne Begründung änderte, sei unverständlich.
Außerdem war in einem Parallelverfahren, bei dem mehr als doppelt so viele Verträge zu berücksichtigen gewesen waren, eine niedrigere Stundenzahl für den Aufgabenpunkt „Erstellung, Konzept, Programmstruktur“ angesetzt worden. Hier erscheine es jedoch plausibler, dass eine niedrigere Stundenzahl zugrunde gelegt werden müsse.
Wurden in dem Parallelverfahren mit 4.120 Verträgen für diesen Punkt 1,0 Tage zugrunde gelegt, so müssten hier – mit nur etwa 1.500 Verträgen – maximal 0,75 Tage angesetzt werden.
Damit käme man zu 3,5 benötigten Tagen.
Der Ansatz von vier Arbeitstagen sei nicht plausibel begründet worden und ergebe im Vergleich zu dem Parallelverfahren auch keinen Sinn.
Dass ein höherer Stundensatz anzusetzen wäre, sei ebenfalls nicht ersichtlich. Dieser richte sich nach dem Höchstsatz für zu entschädigende Zeugen nach §22 JVEG.
Gleich, ob die Aufgabe durch die DVAG selbst oder durch eine Hilfsperson durchgeführt werde, sei jedenfalls kein höherer Stundensatz zu rechtfertigen.
Bei der Durchführung durch Hilfspersonen würde die DVAG lediglich eine „von ihr vorzunehmende Eigenleistung durch Dritte“ ersetzen. Warum dies teurer sein solle, war nach dem Gericht nicht erkenntlich.
Selbst wenn man also 3,5 Tage à 8h zugrunde lege, käme man mit einem Stundensatz von 21€ allenfalls auf einen Streitwert von 588€, sodass die Berufung gem. §511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht zulässig sei.
30
In einem Verfahren vor dem Landgericht Meiningen stritt ein ehemaliger Vermögensberater der DVAG mit eben dieser.
Die Parteien hatten jeweils das Vertragsverhältnis fristlos gekündigt, der Handelsvertreter zuvor auch fristgemäß.
Die jeweils behaupteten Gründe bestanden auf Seiten der DVAG darin, dass diese dem Vermögensberater Vertragsuntreue vorwarf, auf Seiten des Vermögensberaters darin, dass er behauptete die DVAG habe ihn nach seiner fristgemäßen Kündigung vor Ablauf des Vertragsverhältnisses vom Online-System freigestellt und keine Provisionen mehr ausgezahlt bzw. falsch abgerechnet.
Der Vermögensberater war seit 2007 bei der DVAG beschäftigt.
1.
Diese beantragte hier zunächst, ihn zu verurteilen, Auskunft darüber zu erteilen, welche Geschäfte er während der Vertragslaufzeit für andere Unternehmen vermittelt hätte und bezüglich welcher Verträge der DVAG er Kunden abgeworben bzw. zur Kündigung überredet hätte.
Der Vermögensberater gab jedoch im Laufe des Verfahrens eine Erklärung dahingehend ab, dass er weder eine „vertragswidrige Konkurrenztätigkeit“ ausgeübt, noch Kunden empfohlen hätte, „bestehende Verträge vorzeitig einzuschränken, aufzuheben oder zu kündigen“.
Daher erklärten die Parteien diesen Antrag der DVAG als erledigt. Sie beantragte daraufhin, diese Auskunft hinsichtlich Richtigkeit und Vollständigkeit an Eides statt zu versichern.
Dieser Anspruch wurde der DVAG vom Landgericht Meiningen mit Urteil vom 3.12.2015 auch zugesprochen. Der Anspruch folge aus §254 ZPO in Verbindung mit dem Vermögensberatervertrag, weil das Unternehmen „nachvollziehbar und substantiiert unter Zeugenbeweis eine Vertragsverletzung dargelegt“ hatte.
2.
Der Vermögensberater hatte im Gegenzug beantragt, die DVAG zu verurteilen, ihm einen Buchauszug mit folgenden Informationen zu erteilen:
– Name des Versicherungsnehmers und/oder des Vertragspartners
– Policen- und/oder Versicherungsscheinnummer
– zu Art und Inhalt des Vertrages die Sparte, die Tarifart, die Prämien und/oder provisionsrelevante
Sondervereinbarungen
– Vertrags- und/oder Versicherungsbeginn
– bei Lebensversicherungsverträgen: Versicherungssumme, Eintrittsalter des Versicherungsnehmers
und Laufzeit des Vertrages
– bei Lebensversicherungsverträgen mit Dynamisierung zusätzlich: Erhöhung der
Versicherungssumme, Zeitpunkt der Erhöhung und Erhöhung der Jahresprämie
– im Falle von Stornierung: Datum der Stornierung, Gründe der Stornierung und Art der ergriffenen
Bestandserhaltungsmaßnahmen
Einen Buchauszug in diesem Umfang sprach das Gericht mit dem o.g. Urteil ebenso zu, schränkte jedoch den beantragten Zeitraum ein.
Der Anspruch auf den Buchauszug besteht, nach Ansicht des Gerichts, auch dann, wenn vorherige Provisionsabrechnungen nicht beanstandet wurden oder Zweifel an deren Richtigkeit und Vollständigkeit dargelegt wurden. Der Buchauszug sei dafür da, die Überprüfung der Provisionsansprüche zu ermöglichen und müsse daher (nur) die Angaben erhalten, die für die Berechnung der Provisionen von Bedeutung sein können. Hier hatte der Vermögensberater vorgetragen, dass die DVAG 2 Promille zu wenig abgerechnet bzw. teilweise Provisionen gar nicht ausgezahlt hatte, insofern könnten die o.g. Informationen zur Berechnung etwaiger Fehler von Bedeutung sein,
Der Anspruch wurde jedoch bezüglich einer Verjährung eingeschränkt. Nur Geschäfte, die ab dem 01.01.2012 eingereicht wurden, könnten berücksichtigt werden. Nach §199 Abs. 1 BGB beginne die dreijährige Verjährungsfrist des §195 BGB mit Ablauf des Jahres, in dem der Provisionsanspruch fällig wurde.
Sofern der Vermögensberater vorbrachte, er benötige die Auskünfte um einen Ausgleichsanspruch nach §89b HGB vorzubereiten, so stellte das Gericht klar, dass es auch dafür nicht auf den Zeitpnkt des Ausgleichsanspruchs, sondern auf die Fälligkeit des Provisionsanspruchs ankäme. Diese entstünde mit Vertragsabschluss.
Es sei auch nicht ersichtlich, dass vor dem 01.01.2012 fällig gewordene Provisionsansprüche zwischenzeitlich gehemmt oder unterbrochen worden wären.
Daher könne der Buchauszug zwar mit den beantragten Informationen, jedoch nur für den Zeitraum ab 2012 gewährt werden.
3.
Der Vermögensberater hatte darüber hinaus die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gerügt. Das Arbeitsgericht sei zuständig, da er „weit weniger als durchschnittlich monatlich 1.000 € an Provisionen bezogen habe“ und es sich bei ihm um einen Ein-Firmen-Vertreter handele.
Dies sah das Landgericht Meiningen jedoch anders.
Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten sei nach §13 GVG eröffnet.
Eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ergebe sich nicht aus §2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG, denn der Vermögensberater sei kein Arbeitnehmer im Sinne des §5 Abs. 1 S. 1 ArbGG, da er kein Angestellter im Sinne des §84 Abs. 2 HGB gewesen sei.
Auch aus §5 Abs. 3 ArbGG ergebe sich eine solche Zuständigkeit nicht, denn er gehöre nicht zu dem in §92a HGB bezeichneten Personenkreis.
Ihm sei es weder untersagt gewesen für andere Unternehmer tätig zu werden, noch wäre es ihm nach Art und Umfang der von ihm verlangten Tätigkeit unmöglich gewesen.
Die Klausel im Vermögensberatervertrag, welche dem Vermögensberater eine Anzeige- und Offenlegungspflicht auflegt, könne nicht als Einwilligungspflicht und damit als Verbot gesehen werden. Es wäre dem Vermögensberater zwar erschwert für andere Unternehmen tätig zu werden, abhängig von einer Zustimmung der DVAG wäre dies jedoch nicht.
Hier handele es sich lediglich um ein Konkurrenzverbot, das über die Pflichten aus §86 Abs. 1 HGB zur Interessenwahrung nicht hinausgehe.
Die Ein-Firmen-Vertreter-Eigenschaft gemäß §92a Abs. 1 S.1 Alt. 1 HGB könne ebenfalls nicht bejaht werden. Der Vermögensberater sei weder organisatorisch, noch zeitlich so eingebunden gewesen, dass eine anderweitige Tätigkeit für ihn unmöglich geworden wäre.
Demnach wurde diese Rüge des Vermögensberaters abgewiesen.
Nachher, nach dem Urteil, einigten sich die Parteien wohlwollend.
29
Der Versicherungsbote hat sich aktuell mit der Frage beschäftigt, was mit den Arbeitnehmern des Generali-Vertriebs wird. Droht ihnen die Entlassung?
Die Handelsvertreter der Generali sollen zur DVAG wechseln. Dies kann vertraglich so geregelt werden, indem der Vertrieb im Wege des Umwandlungsgesetzes auf die DVAG übertragen wird. Die Handelsvertreter der AachenMünchner wurden seinerzeit auf diese Weise übertragen. In dem Vertrag zwischen der AachenMünchner und der DVAG war die Übertragung auf die Handelsvertreter beschränkt.
Umso mehr fragt sich, was aus den etwa 700 Arbeitnehmern der Generali wird, wenn ein ähnlicher Vertrag zwischen DVAG und Generali zum Tragen käme.
Juristisch ist das deshalb interessant, weil völlig unklar ist, ob die betroffenen Arbeitnehmer der Generali von dem Recht des Betriebsübergangs gem. §613 a BGB Gebrauch machen können. Dann nämlich bliebe ihr Vertrag erhalten.
Bei einer Betriebsstillegung würden die Vertriebslichter der Generali vollständig ausgehen und die Arbeitsplätze wegfallen. Betriebsbedingte Kündigungen könnten dann gerechtfertigt sein.
Wenn aber die Generali Deutschland AG erhalten bleibt, wie dem Versicherungsboten zu entnehmen ist, könnten die Arbeitsplätze ja auch erhalten bleiben.