Urteile vorgestellt von RA Kai Behrens

Landgericht Hechingen: fristlose Kündigung eines Handelsvertreters und Vertragsstrafe unwirksam

Gleich im Doppelpack stellte ein Gericht fest, dass die fristlose Kündigung eines Handelsvertreters und auch die im Vertrag vereinbarte Vertragsstrafe von bis 25.000€ unwirksam ist.

Am 29.06.2012 entschied das Landgericht Hechingen, dass die fristlose Kündigung eines Handelsvertreters unwirksam sei.
Daraufhin wurde er verurteilt, es zu unterlassen, der Klägerin Handelsvertreter und andere Mitarbeiter und Kunden abzuwerben.
Weiterhin wurde festgestellt, dass eine in dem Vermögensberatervertrag vom 11.06.2007 unter Ziffer V vereinbarten Vertragsstrafenregelung unwirksam sei.
Hintergrund war eine von dem Beklagten zunächst ausgesprochene ordentliche Kündigung.
Daraufhin sperrte die Klägerin nach Erhalt dieser Kündigung die E-Mail-Adresse des Beklagten und später auch seinen Zugang zum firmeninternen EDV-Netzwerkes. Daraufhin kündigte der Beklagte erneut außerordentlich fristlos und erklärte, dass er sich von dem zwischen der Klägerin und ihm vereinbarten Wettbewerbsverbot lossage.
Das Landgericht Heckingen erkannte, dass die außerordentliche fristlose Kündigung unwirksam sei. Ein wichtiger Grund bestände nicht. Nach umfassender Interessensabwägung kann dies bei einer Kündigung durch den Handelsvertreter insbesondere dann der Fall sein, wenn der Unternehmer wesentliche Vertragspflichten verletzt.
Die Verhinderung des Zugriffs zum EDV-Netzwerk stelle einen solchen wichtigen Grund allein nicht dar, so das Landgericht Hechingen. Zwar sei der Beklagte laut Ziffer 2 des Vertragsvertrages sogar zur Nutzung des EDV-Netzwerkes verpflichtet. Mit der Sperrung seines Zugangs war er aber nicht daran gehindert, auf anderem Wege über einen Gastzugang oder den Zugang anderer bei der Klägerin beschäftigte Handelsvertreter auf die Inhaltes des Netzwerkes zuzugreifen.
Das Gericht weiter:
„Er konnte seine Tätigkeit, wenn auch etwas umständlicher, weiterhin ausüben. Diese Überzeugung ergibt sich aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme, insbesondere aufgrund der Angaben des Zeugen …, der glaubhaft geschildert hat, dass es auch ohne Zugang zum EDV-Netzwerk und ohne Dienst- E-Mail-Adresse möglich ist, der Tätigkeit als Berater ohne weiteres nachzugehen. Nach seiner Aussage stehen ohnehin sämtliche Unterlagen in Papierform zur Verfügung. Zudem sei es dem Beklagten möglich gewesen, beispielswiese über den Zugang seines Betreuers, an sämtliche notwendigen Informationen zu gelangen, die er für die Kundenbetreuung benötigt.
Auch der Zeuge … hat geschildert, dass ihm mitgeteilt worden sei, dass das Fahrzeug des Beklagten regelmäßig und zu allen möglichen Zeitpunkten vor den Büroräumlichkeiten des Herrn … gesehen wurde.
Das Gericht erkannte auch, dass die Vertragsstrafenregelung unwirksam sei. Hauptzwecke einer solchen Regelung ist ihre Funktion als Druckmittel für den Beklagten, seiner vertraglichen Verpflichtung ordnungsgemäß nachzukommen.“
„Die vereinbarte Vertragsstrafe orientiert sich nicht an den für die Klägerin in Betracht kommenden Auswirkungen und stellt daher eine unangemessene Benachteiligung für den Beklagten dar. In Ziffer 5 des Handelsvertretervertrages heißt es: „Verstößt der Vermögensberater gegen eines der vorstehenden Verbote, so hat er für einen jeden Fall der Zuwiderhandlung an die Gesellschaft eine Vertragsstrafe in Höhe von 25.000,00 € zu zahlen, und zwar auch für jeden erfolglos gebliebenen Versuch. Diese Vertragsstrafe ist der Höhe nach auf einen Betrag beschränkt, der den sechsmonatigen Provisionsbezügen des Vermögensberaters – errechnet nach dem Durchschnitt der letzten drei Jahre vor dem Verstoß – entspricht. Die Regelung enthält damit dem Wortlaut nach keinerlei Differenzierung hinsichtlich der Schwere des Verstoßes, sondern sieht pauschal für jeden Verstoß eine Strafe von 25.000,00 € vor. Ob der Verstoß vorsätzlich oder fahrlässig erfolgt ist, macht daher genauso wenig einen Unterschied wie die Feststellung, ob der Klägerin ein geringer oder hoher Schaden entstanden ist.“

LG Koblenz zum Thema Kündigungserschwernis

Das Landgericht Koblenz entschied am 14.08.2012 in einer Prozesskostenhilfeangelegenheit darüber, ob gewisse Klauseln als Kündigungserschwernis zu sehen sind und deshalb unwirksam seien.
Das Amtsgericht hatte dazu in einem Prozesskostenhilfebeschluss eine Auffassung vertreten, gegen die der Antragsteller Beschwerde eingelegt hatte. Er hatte nur teilweise Prozesskostenhilfe erhalten.
Das Landgericht Koblenz wies diese Beschwerde zurück und führte aus:
„Aus der Zusatzvereinbarung der Parteien über eine monatliche Mindestvorauszahlung von maximal 2.000,00 €, insgesamt begrenzt auf 4.000,00 €, die bei Vertragsbeendigung – sofern nicht mit Provisionszahlungen verrechnet – zinslos zurückzugewähren ist, ergibt sich keine Kündigungserschwernis im Sinne von § 98 a Abs. 1 HGB. Eine existenzvernichtende Wirkung im Falle der Kündigung ist entgegen der Ansicht des Beklagten soweit nicht ersichtlich.“
Ps: Leider lässt die Entscheidung eine tiefgreifende Begründung vermissen. Dennoch dürfte der Kern der Entscheidung interessant sein.

Vertragsstrafe und Wettbewerbsverbot in Aufhebungsvertrag unwirksam

Am 19.07.2012 musste das Landgericht Bautzen über Kündigungen zweier Handelsvertreter im Finanzdienstleistungsbereich sowie deren Rechtsfolgen entscheiden.

Beide waren langfristig an einen Strukturvertrieb gebunden. Der eine schied mit Aufhebungsvertrag aus und unterwarf sich der Verpflichtung, weder Mitarbeiter noch Kunden abzuwerben und im Falle des Verstoßes pauschal eine Vertragsstrafe von 15.000,00 € zu zahlen.

Diesem warf man vor, er habe Mitarbeiter abgeworben.

Der andere Handelsvertreter soll vor Ablauf der Kündigungsfrist bereits für die Konkurrenz vermittelnd tätig geworden sein.

Das Landgericht Bautzen verkündete am 19.07.2012, dass es tatsächlich von einer vermittelnden Tätigkeit des einen Handelsvertreters ausgeht und deshalb müsse dieser es noch bis Ende 09/2012 es unterlassen, für den Konkurrenten zu arbeiten.

Der Strukturvertrieb beantragte auch die Erteilung einer Auskunft darüber, welche Anlagen oder Versicherungen der Handelsvertreter für die Konkurrenz vermittelt hatte. Einen Beweis für den verbotenen Wettbewerbs konnte das Gericht jedoch nicht erkennen, so dass dieser Antrag scheiterte.

Von dem anderen Handelsvertreter, der im Rahmen des Aufhebungsvertrages ausgeschieden war, verlangte der Vertrieb die Zahlung der Vertragsstrafe. Auch damit ist der Vertrieb vor dem Landgericht Bautzen gescheitert.

Dazu das Landgericht Bautzen:

Die nachvertragliche Vereinbarung des Wettbewerbsverbotes und der Vertragsstrafe mit dem Beklagten zu 1) ist jeweils unwirksam (§§ 138, 242, 307 Abs. 2 Nr. 1BGB).

a)
Die Bestimmungen des Aufhebungsvertrages stellen allgemeine Geschäftsbedingungen dar …

b)
… vertragliche Wettbewerbsverbote zu Lasten von Berufsausübenden die ihren bisherigen Tätigkeitsbereich aufgeben, sind unter Berücksichtigung der durch Artikel 12 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützten Berufsfreiheut nur dann mit den guten Sitten zu vereinbaren, wenn und soweit für den Schutz eines berechtigten Interesses des aus der Wettbewerbsabrede berechtigten dienen und die Berufsausübung und wirtschaftliche Betätigung des verpflichteten nach Ort, Zeit und Gegenstand nicht unbillig beschränken …

Da das Verbot der Eigennutzung geworbener Kunden schwerwiegend in die Berufsausübung des Handelsvertreters eingreift, dessen Kundenstamm die Grundlage seiner beruflichen Tätigkeit ist, muss dieser Eingriff durch schutzwürdige Interessen des aus der Wettbewerbsabrede berechtigten gerechtfertigt sein (Vergleiche Oberlandesgericht Naumburg vom 17.02.2005 4 U 171/04). Hier besteht bereits keine zeitliche Einschränkung. Dies ist ohne weitere Prüfung den Beklagten auch unter Berücksichtigung der Interessen der Klägerin nicht zumutbar. Selbst das gesetzliche Leitbild geht – während der höhere Beschränkungen zulassenden vertraglichen Bindung – von einer allenfalls zulässigen Dauer von zwei Jahren aus …

c)
… denn das Wettbewerbsverbot ist auch sachlich oder räumlich nicht eingegrenzt. Insoweit ist die bedeutende Marktposition der Klägerin zu berücksichtigen. Der Beklagte zu 1) hätte mit einer eigenständigen Tätigkeit – vor allem in einer gewissen Entfernung zum alten Vertrag – damit kaum eine Chance.

Bei der hier gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung ist die Klausel damit zeitlich, räumlich und gegenständlich denkbar umfassend. Insoweit gibt es kein anerkennenswertes Schutzbedürfnis der Klägerin (Vergleiche zutreffend Oberlandesgericht München vom 01.10.2009 Aktenzeichen 23 U 2947/09).

Mit der Unwirksamkeit des Wettbewerbsverbotes entfallen auch die weiteren Ansprüche der Klägerin gegenüber dem Beklagten zu 1) …

d)
Die Höhe der Vertragsstrafe stellt bereits für sich eine unangemessene Benachteiligung dar.

Gemessen an diesen Kriterien stellt die hier vorgesehen Vertragsstrafe von 15.000,00 € für jede Begehungsform und jede denkbare Art eines Wettbewerbsverstoßes eine unangemessene Benachteiligung dar. Die Klausel lässt jede Differenzierung hinsichtlich der Schwere des Verstoßes vermissen. Selbst für leichteste Verstöße sieht sie eine Vertragsstrafe von 15.000,00 € vor. Diese steht auch zu den zu erwartenden Schäden in keiner Relation. So geht es um – eher geringe – Prämienverluste. Selbst unter Berücksichtigung des von der Klägerin vorgetragenen Kaskadeneffekts, wonach mit Abwerbungen auch weitere Hierarchieebenen Nachteile erleiden, handelt es sich ebenfalls um Beträge im untersten vierstelligen Bereich. Dies steht – auch unter Berücksichtigung eines gewissen Abschreckungseffekts – zu der Höhe von 15.000,00 € je Verstoß außer Verhältnis.

Eine Herabsetzung der formularmäßig vereinbarten Vertragsstrafe kommt nicht in Betracht (Vergleiche Bundesgerichtshof vom 17.05.1991 Aktenzeichen V ZR 140/90, Oberlandesgericht München vom 29.07.2010 Aktenzeichen 23 O 5643/09, jeweils zitiert nach Juris.

e)
Gleiches gilt für den Verzicht auf den Einwand des Fortsetzungszusammenhanges. Damit können exorbitante Vertragsstrafen in Höhe von mehreren hunderttausend Euro für mehrere – nach den vorherigen Ausführungen verhältnismäßig geringfügige – Verstöße entstehen.

Urteil des Landgerichts Bautzen vom 19.07.2012, Aktenzeichen 3 O 227/11 (noch nicht rechtskräftig)

7.446.831,75 Euro für Lehman-Aktie

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Den bisher höchsten Schadenersatz in Sachen Lehman gab es jetzt vor dem OLG Hamburg.

Ganze 7.446.831,75 Euro (in Worten mehr als sieben Millionen Euro) muss die Hamburger Privatbank Bethmann an einen Anleger zahlen, weil man ihm nicht sagte, wie riskant die Anlage sei.

Bethmann ist eine Privatbank mit Sitz in Frankfurt und auf Vermögensverwaltung, Vermögensberatung und Vermögensplanung spezialisiert.

Mehr dazu hier im Hamburger Abendblatt.

Die neue BGH-Entscheidung zur Stornoabwehr

Am 28.06.2012 gab es vor dem Bundesgerichtshof eine interessante Entscheidung zur Stornoabwehr.
Die Tragweite wurde leider bisher oft falsch interpretiert. Dabei muss man den Inhalt nur zitieren.

1.
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass ein Versicherer die Wahl hat, die Stornobekämpfung durch den in Anspruch genommenen Versicherungsvertreter durchführen zu lassen oder dies durch andere Versicherungsvertreter zu erledigen.

2.
Entschließt sich der Versicherer, durch die Versendung einer Stornogefahrmitteilung einen Versicherungsvertreter entgegenzuwirken, und sendet er zu diesem Zweck eine Mitteilung, die diesen von ihrem Inhalt her in die Lage versetzt, seinerseits Abwehrmaßnahmen gegen die Stornogefahr zu ergreifen, so rechtzeitig an den Versicherungsvertreter, dass bei einem normalen Verlauf mit deren rechtzeitigen Eingang zu rechnen ist, so ist der Versicherer seiner Pflicht zur Stornogefahrabwehr in ausreichendem Maße nachgekommen.

Der Versicherer, der den Weg der Stornogefahrmitteilung wählt, muss sich daher sobald, wie es ihm nach den Umständen möglich und zumutbar ist, gegenüber dem Versicherungsvertreter erklären. Die Aussichten auf Rettung des Vertrages sinken nach der Lebenserfahrung, je mehr Zeit verstreicht.

Eine Stornogefahrmitteilung muss nicht bereits nach dem ersten Scheitern des Einzugs von Versicherungsbeiträgen versendet werden.

Es ist dem Versicherer gestattet, sich in angemessener Zeit eine gewisse Klarheit zu verschaffen, ob Anhaltspunkte für eine Vertragsgefährdung vorliegen.

Nach diesem Klärungsversuch darf der Versicherer mit der entsprechenden Mitteilung einen Vertreter in der Regel nicht mehr als zwei Wochen warten lassen.

3.
Der Versicherer kann die Stornobekämpfung auch durch den Nachfolger des ausgeschiedenen Versicherungsvertreters durchführen.

Die bloße Versendung einer Stornogefahrmitteilung an den Bestandsnachfolger ist keine ausreichende Maßnahme. Ein darauf gerichtetes Wahlrecht des Versicherers gibt es nicht und ist in der Rechtsprechung auch nicht gebilligt worden.

Denn der Bestandsnachfolger wird den Schwerpunkt seiner Tätigkeit aus Gründen des eigenen Provisionsinteresses darauf setzen, Neuverträge abzuschließen und nicht dem Provisionsinteresse seines Vorgängers dienen wollen. Daher muss der Versicherer weiteren Vortrag zur konkreten Nacharbeit durch den Nachfolger des ausgeschiedenen Versicherungsvertreters oder zur Aussichtslosigkeit der Nacharbeit halten. Daran hat die Klägerin es fehlen lassen.

Urteil vom 28.06.2012 Aktenzeichen VII ZR 130/11

Neues BGH-Urteil zur Stornobekämpfung

Der BGH hat frische und für Versicherungsvertreter ermutigende, neue Grundsätze aufgestellt (jedoch auch alte Prinzipien bestätigt).

Neu ist:

1. Der Versicherer hat nur 2 Wochen nach Kenntnis der tatsächtlichen Stornogefahr Zeit, Stornobekämpfungsmaßnahmen duchzuführen!

2. Wenn er die Stornobekämpfung durch den Bestandsnachfolger durchführen lässt, genügt es nicht, sich darauf zu verlassen, dass dieser das auch tatsächlich macht.

Mehr dazu bald hier im Blog.

Klausel, dass Schweigen nach Abrechnung ein Anerkenntnis darstellt, ist unwirksam

Viele Handelsvertreter finden eine Klausel in ihren Verträgen, wonach eine Provisionsabrechnung als anerkannt gilt, wenn ihr nicht binnen kurzer Zeit widersprochen wird.

Oft gibt es Streit, ob diese Klausel wirksam ist.

Dazu der BGH in einer grundlegenden Entscheidung am 20.9.2001 unter dem Az. VIII ZR 100/05 :

„Die jahrelange widerspruchslose Hinnahme der Provisionsabrechnungen der Beklagten durch den Kläger ist auch nicht deswegen als Anerkenntnis der Provisionsabrechnungen zu werten, weil dies in Ziffer 5.2. des Versicherungsvertretervertrages so vorgesehen ist. Denn diese Bestimmung ist wegen Verstoßes gegen die zwingende Vorschrift des § 87c HGB unwirksam. Der Annahme eines sich ständig wiederholenden negativen Schuldanerkenntnisses des Handelsvertreters durch Schweigen auf die Provisionsabrechnungen des Unternehmers stehen die dem Schutz des meist wirtschaftlich schwächeren Handelsvertreters dienenden §§ 87a Abs. 5, 87c Abs. 5 HGB entgegen (Senat a.a.O. unter II 2). Denn diese Annahme führt ebenfalls zu einer gegen die genannten Bestimmungen verstoßenden Beschränkung der Ansprüche des Handelsvertreters auf Erteilung eines Buchauszugs und Zahlung von Provision für die Zukunft. Sie nötigt ihn, Abrechnungen des Unternehmers künftig zu widersprechen, um insoweit ein (sich ständig wiederholendes) negatives Schuldanerkenntnis zu vermeiden. Wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat und auch die Revision nicht verkennt, hat der Bundesgerichtshof deshalb eine Vereinbarung zwischen Handelsvertreter und Unternehmer, nach der dessen Abrechnung mangels Widerspruchs des Handelsvertreters innerhalb einer bestimmten Frist als genehmigt gelten soll, wegen Verstoßes gegen § 87c Abs. 5 HGB als unwirksam angesehen (Urteil vom 20. Februar 1964 – VII ZR 147/62, LM Nr. 4a zu § 87c HGB unter I 3 b bb; vgl. auch Urteil vom 19. November 1982 – I ZR 125/80 = LM Nr. 11 zu § 87a HGB unter I 2 c; Senatsurteil vom 29. November 1995 a.a.O. unter II 2 b; ebenso OLG München VersR 04, 470, 471; OLG Koblenz VersR 80, 623; OLG Karlsruhe BB 80, 226; OLG Hamm BB 79, 442). An dieser Rechtsprechung, die auch im Schrifttum überwiegend Zustimmung gefunden hat (Ebenroth/Boujong/Joost/Löwisch, HGB, § 87c Rdnr. 50, MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene, § 87c Rdnr. 83, Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer, HGB, 2. Aufl., § 87c Rdnr. 20; Hopt, Handelsvertreterrecht, 3. Aufl., § 87c Rdnr. 29), hält der Senat ungeachtet abweichender Auffassungen in Rechtsprechung (OLG Saarbrücken, DB 85, 2399, OLG Naumburg VersR 99, 578; LG Frankfurt/Oder VersR 98, 1238) und Literatur (Müller-Stein, VersR 01, 830, 831; Segger, VersR 04, 781, 782; Scherer, BB 96, 2205, 2209) fest. „

LG Erfurt: Vertragsstrafe von 25.000€ unwirksam

Foto: Landgericht Erfurt

Am 01.06.2011 entschied das Landgericht Erfurt, dass ein Vermögensberater eine Vertragsstrafe nicht zahlen muss.
Die Parteien hatten um einen Vertragsstrafe in Höhe von 25.000,00 € gestritten. Diese war im Vertrag vereinbart. Der Beklagte Handelsvertreter hatte dem Orgaleitervertrag fristlos gekündigt. Anschließend hatte er für ein Konkurrenzunternehmen ein Info-Seminar durchgeführt.
Das Gericht sah, dass die Vertragsstrafe eine Klausel im Sinne des § 305 Abs. BGB sei und wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 BGB unwirksam ist.
Der Vertragspartner sei entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.
Grundsätzlich sei die Vereinbarung einer Vertragsstrafe zwar zulässig. Auch im kaufmännischen Geschäftsverkehr unterliege die Vertragsstrafenklausel aber der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Eine gegen Treu und Glauben verstoßende Benachteiligung des Vertragspartners kann auch in der unangemessenen Höhe der Vertragsstrafe liegen. Eine zulässige Ausgestaltung einer nach allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarten Vertragsstrafe lässt sich allerdings nicht allgemeingültig bestimmen. Sie ist vielmehr am doppelten Zweck der Vertragsstrafe auszurichten. Diese soll einerseits als Druckmittel den Schuldner anhalten, seiner vertraglichen Verpflichtung ordnungsgemäß nachzukommen, andererseits soll sie den Gläubiger in den Stand versetzen, sich bei Verletzung der sanktionierten Vertragspflichten bis zur Höhe der Vertragsstrafe ohne Einzelnachweis schadlos zu halten. Die Druckfunktion erlaubt zwar eine spürbare Vertragsstrafe; sie muss sich aber an den in Betracht kommenden Auswirkungen orientieren. Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Höhe der Vertragsstrafe ist unter Anlegung eines generellen überindividuellen Maßstabes zu prüfen, ob berechtigte und schützenswerte Interessen des Gläubigers die Festlegung einer Vertragsstrafe in der betroffenen Höhe angemessen erscheinen lassen. Dabei muss die Höhe der Vertragsstrafe in einem angemessenen Verhältnis zum möglichen Schaden stehen (Oberlandesgericht München Urteil vom 29.07.2010 Aktenzeichen 23 U 5643/99, Thüringer Oberlandesgericht Urteil vom 26.11.2008, Aktenzeichen 7 U 329/08).
Einer hier in § 11 Abs. 4 des Vertrages vorgesehenen Vertragsstrafenhöhe von 25.000,00 € für jeden nachgewiesenen Fall einer Verkaufs- und Werbehandlung für ein Konkurrezunternehmen stellt eine ungemessene Benachteiligung des Beklagten im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB dar. Denn in dieser Klausel wird nicht nach der objektiven Schwere der Vertragsverletzung und dem Grad des Verschuldens des Orgaleiters differenziert. Vielmehr ist danach bei jeder Begehungsform und jeder denkbaren Art eines Wettbewerbsverstoßes eine Vertragsstrafe in Höhe von 25.000,00 € verwirkt. Nach dem Wortlaut der Klausel im § 11 Abs. 4 des Vertrages ist eine Vertragsstrafe auch bei einem leichten Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot verwirkt. Eine Klausel, die jede Differenzierung hinsichtlich der Schwere des Verstoßes vermissen läßt und auch bei leichten Verstößen grundsätzlich eine Vertragsstrafe von 25.000,00 € vorsieht, ist gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, da die Vertragsstrafe nicht in einer Relation zu dem erwartenden Schaden steht. Ferner ist in § 11 Abs. 4 des Vertrages keine Obergrenze der Vertragsverhältnis im Falle mehrere Verstöße gegen das Wettbewerbsverbot vorgesehen. Dies kann dazu führen, dass im Fall mehrere Verstöße der Provisionsverdienste der Beklagten für mehrere Jahre in einem seiner existenzvernichtenden Umfang aufgezerrt wird.
Eine geltungserhaltende Reduktion von allgemeinen Geschäftsbedingungen ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshof und der Oberlandesgerichte nicht möglich.
Urteil des Landgerichts Erfurt vom 01.06.2011 Aktenzeichen 10 O 1247/10

OLG München: Bei Anzeigepflicht kein Einfirmenvertreter

Ansicht des Hauptgebäudes des Oberlandesgerichts München
Am 02.07.2012 entschied das Oberlandesgericht München, dass in einem Rechtsstreit eines Strukturvertriebes mit einer Handelsvertreterin das Zivilgericht zuständig ist.
Schon das Landgericht hatte den Weg zu den ordentlichen Gerichten bejaht. Die Handelsvertreterin soll keine Ein-Firmen-Vertreterin gewesen sein.
Ein Tätigkeitsverbot im rechtlichen Sinne liegt bei dem Handelsvertretervertrag nicht vor, so das Gericht. Die Handelsvertreterin war lediglich verpflichtet, die beabsichtigte Tätigkeit schriftlich unter Vorlage von vertraglichen Vereinbarungen anzuzeigen. Ferner darf sie die Tätigkeit frühestens 21 Tage nach Eingang der Anzeige aufnehmen.
Die Handelsvertreterin ist nach der vertraglichen Regelung auch nicht auf eine Zustimmung der Unternehmerin angewiesen. Nur während der Frist von 21 Tagen ist es ihr verwehrt, bereits mit der beabsichtigen anderweitigen Tätigkeit zu beginnen.
Entscheidung des Oberlandesgerichtes München vom 12.07.2012 Aktenzeichen 23 W 1169/12

LG Hannover weist Klagen von AWD-Kunden zurück

Investment.com berichtet am 30.7.12, dass der AWD in erster Instanz vor dem Landgericht Hannover gewonnen hat.

Es ging abermals um Filmfonds. Bei der Vermittlung soll der AWD falsch beraten haben und zu hohe Provisionen eingesteckt haben.

Dies wollte das Landgericht Hannover nicht erkennen. Neun Klagen wurden abgewiesen.

LG Tübingen: Handelsvertreter muss Vorschüsse zurückzahlen

1906 TÜ

Am 25.05.2012 entschied das Landgericht Tübingen, dass ein Handelsvertreter eines Strukturvertriebes einen Betrag in Höhe von über 10.000,00 € zurückzahlen muss.

In einem kurzgehaltenen Urteil meint das Gericht zwar, dass der Rechtsstreit von beiden Seiten intensiv geführt war. Dabei sei es der Klägerin gelungen, ihr Vorbringen im Zuge des Rechtsstreites so anzupassen, dass es in seiner letzten Form den Anforderungen an einen schlüssigen und hinreichend substantiierten Vortrag entspricht.

Das Gericht wollte die Sittenwidrigkeit und Unwirksamkeit des Handelsvertretervertrages nicht erkennen.

„Das dazu gehaltene Vorbringen des Beklagten zeigte zwar die Risiken auf, die sich aus einer eher strengen Eingliederung in den Vertrieb der Klägerin einerseits und die ebenfalls strikten Regeln über die Rückabwicklung vorfinanzierter Provisionen ergibt, zumal die Übersichtlichkeit auch dadurch erschwert wird, dass die Klägerin zwischen dem Versicherungsunternehmen auf der einen Seite und dem Kunden des Beklagten auf der anderen Seite steht, also auch auf Provisionsbasis ihre Einkünfte erzielt“

Mein Kommentar : Dieser sprachlich missglückte Satz ist einer der Kernsätze, der zeigt, welche Schwierigkeiten das Gericht mit der Begründung hatte.

Das Gericht erkannte weiter, dass es sich bei der Forderung des Vertriebes um einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung handelt. Der Beklagte hatte danach die empfangenen Beträge zurückzugewähren.

Die Klägerin hatte auch nach Ansicht des Gerichtes das Sollsaldo hinreichend substantiiert dargelegt. Die maßgeblichen Provisionen seien sachlich und zeitlich geordnet und nehmen auf einzelne Kunden und Geschäftsvorfälle Bezug.

„Der Beklagte kann nicht damit gehört werden, dass das Rechenwerk nicht nachvollziehbar aufgestellt und erläutert ist. Der Beklagte hat aber trotz der ins Detail eingehenden Erläuterungen zum Aufbau der Kontoauszüge und zu einzelnen Buchungsvorgängen … keine im Einzelfall fehlerhafte Bewertung eines solchen Vorgangs aufzeigen können. Das wäre aber erforderlich gewesen, um das Rechenwerk insgesamt in Frage zu stellen. Allein der Umstand, dass sich die Berechnungsweise ohne genaue Systemkenntnisse für einen außenstehenden Dritten nur schwer erschließt, führt zu keiner abweichenden Bewertung. Das Gericht sah auch, dass hinsichtlich der Nachbearbeitung von dem Vertrieb ordentlich vorgetragen wurde. Die Klägerin muss in Verbindung mit der Partnergesellschaft tätig werden, um den Kunden zur Erfüllung seiner Vertragspflicht ernsthaft und nachträglich anzuhalten.“

Die Einwendungen des Beklagten waren nicht geeignet, dieses Vorbringen zu erschüttern, so das Gericht. Er hat pauschal und unter Bezugnahme auf die ins Storno gestellten Verträge namentlich aufgeführter Kunden bestritten, dass diese Kunden ihre Beiträge nicht gezahlt hätten. Sie hätten keine Erinnerungs-, Mahn,- und Kündigungsschreiben erhalten.

Das Gericht dazu:

„Es handelt sich insofern letztlich um Behauptungen „ins Blaue“ hinein, die kein erhebliches Bestreiten begründen.“

Urteil des Landgerichts Tübingen vom 25.05.2012, Aktenzeichen 3 O 235/10