OLG Schleswig und das Gespräch danach

In dem Termin vor dem Oberlandesgericht Schleswig trat bekanntlich ein zweiter, interessanter Zeuge auf. Ich hatte kurz von seinen Aussagen berichtet. Dieser Zeuge bekannte sich während der Vertriebszugehörigkeit zu seiner Homosexualität und hatte in diesem Vertrieb deshalb eine Reihe von widerlichen Dingen zu ertragen.

 

Das tags zuvor zitierte Vorstandsmitglied, welches inzwischen zur Konkurrenz gewechselt ist, hatte nämlich verbreitet, dass Mitarbeiter dieses Handelsvertreter nur „mit dem Hintern zur Wand“ an ihm vorbeigehen sollte. Wohlgemerkt: Diese Idee stammte von einem Vorstandsmitglied!

 

Nachdem diese Empfehlung durch das (Ex-)Vorstandsmitglied und dem Handelsvertreter ausgesprochen wurde, kündigte er fristlos, und machte Schadensersatzansprüche nach dem Antidiskriminierungsgesetz geltend.

 

Wie er nach der Zeugenvernehmung vor vier Tagen sagte, verlor er damit, weil sein Anwalt angeblich die Abmahnung vergessen hatte. Nun durfte der Anwalt für den Schaden aufkommen.

 

Zu dem Kapitel Abmahnung hatte ich hier in diesem Blog schon ausführlich Stellung genommen.

 

Dieses Antidiskriminierungs-Verfahren hatte mehrere Konsequenzen: Der Vertrieb startete ein Antidiskriminierungsprogramm. Außerdem ist seitdem das Vorstandsmitglied nunmehr bei der Konkurrenz beschäftigt. Ob dies ausschließlich auf seine Äußerungen zuzuführen ist, können wir nicht beurteilen.

Ergänzung zum OLG Schleswig

Etwas sehr nachdenklich machte das Verhalten des ersten Zeugen vor der Verhandlung. Er wandte sich an mich, weil er meinte, dass ich ja schon bereits wegen mehrerer Veröffentlichungen branchenbekannt wäre und er würde sich darüber freuen, dass ich gewissen Konkurrenten kritisch gegenüber stehe. Derart Versuche, sich einzuschmeicheln, erlebt man dann und wann schon einmal. Diese Worte dienten offensichtlich dazu, mich „wohl“ zu stimmen.

 

Im Übrigen irrt der erste Zeuge, wenn er meint, dass ich nur „einem“ Vertrieb gegenüber kritisch gegenüberstehen würde. Um es deutlich zu sagen: ich stehe auch dem Vertrieb kritisch gegenüber, der diesen Prozess geführt hatte und indem er hochrangiger Mitarbeiter ist.

 

Meine „Wohlstimmung“ war dann bereits bei seiner Zeugenvernehmung vorbei. Ich fuhr aus der Haut, als ich den Eindruck gewann, dass der Zeuge log.

 

Und als mich der Zeuge fragte, ob ich denn glauben würde, dass er hier die Unwahrheit erzählen würde, gab es nur eine Antwort: „Ja“.

 

„Hohes Gericht, ich kann mich an nichts erinnern“

Gestern gab es in den idyllischen Ort Schleswig eine Verhandlung vor dem  Oberlandesgericht. Geklagt hatte ein Vertrieb gegen ein Handelsvertreter.

 

Dieser Vertrieb leistete im Rahmen eines sogenannten Gebietserweiterungskonzeptes regelmäßige Zahlungen  an einen Handelsvertreter.

 

Dieser stammte aus Norddeutschland und sollte in Freiburg einen neuen Standort gründen. Dem Handelsvertreter wurden dafür Kundenadressen zur Verfügung gestellt (diese stellten sich als untauglich heraus, weil die Kunden schon dann, als sie den Namen des Vertriebs hörten, auflegten).

 

Es handelte bei den Vorschüssen sich um monatliche Leistungen à 2.000 €. Insgesamt wollte der Vertrieb etwa 25.000 € zurückbekommen.

 

Für den Handelsvertreter stellte dieser Prozess bereits eine existentielle Bedrohung dar.

 

Zuvor wurde ihm von einem Vorstandsmitglied versprochen, dass er diese Zahlungen nicht zurückgeben müsse. Ihm wurde sogar auf einem persönlichen Schreiben dieses Vorstandsmitgliedes zugesichert, dass es sich um nicht rückzahlbare Vorschüsse handelt.

 

Dieses Schreiben wurde vor dem maßgeblichen Vertrag unterschrieben. Der maßgebliche Handelsvertretervertrag hatte indes einen anderen Inhalt. Danach sollten alle Vorschüsse zurückgezahlt werden.

 

Zunächst kam es zu einem Rechtsstreit vor dem Landgericht Itzehoe. In diesen Rechtsstreit machte das Gericht kurzen Prozess. Obgleich Zeugen angeboten wurden, wurde der Handelsvertreter zur Rückzahlung verurteilt.

 

Das Oberlandesgericht Schleswig meinte, das Landgericht habe vorschnell geurteilt. Jedenfalls müsse eine Beweisaufnahme durchgeführt werden, um zu ermitteln, ob es sich bei dem Handelsvertretervertrag tatsächlich um einen Scheinvertrag handelt und ob möglicherweise anderweitige Dinge abgesprochen wurden.

 

Das ehemalige Vorstandsmitglied hatte sich übrigens mittlerweile von dem Vertrieb verabschiedet und ist jetzt bei der Konkurrenz tätig. 

 

Dieses Ex-Vorstandsmitglied und zugleich geladener Zeuge wollte nicht als Zeuge aussagen, weil er zur gleichen Zeit eine Direktionsleiterkonferenz hätte. Das Gericht wollte dies nicht als genügende Entschuldigung werten lassen. Dieser Zeuge meldete sich jedoch am Gerichtstermin kurzfristig krank, weil der weh tun würde.

 

Dennoch waren vier Zeugen anwesend.

 

Der erste Zeuge war die sogenannte rechte Hand des ehemaligen Vorstandsmitglieds. Dieser war noch immer bei dem Vertrieb beschäftigt. Er gab zu verstehen, dass er sich nicht mit den vertraglichen Angelegenheiten auskenne, nichts davon wusste, dass irgendwann einmal versprochen wurde, dass man diese Vorschüsse nicht zurückzahlen müsse. Von irgendwelchen Versprechungen des Vorstandsmitgliedes wusste er nichts. Er hätte mit Provisionen und vertraglichen Angelegenheiten nichts zu tun. Auch Schreiben, die aus seiner Feder stammten, konnten seine Erinnerung nicht auffrischen. Er habe diese vielleicht gar nicht verfasst. Konkreten Fragen wich er immer wieder aus.

 

Dann wurde es interessant.

 

Der zweite Zeuge ist Pilot. Auch er nahm an dem Gebietserweiterungskonzept teil. Er sollte das Gebiet in Frankfurt erweitern.

 

Er berichtete davon, dass auch er Vorschüsse erhielt. Auch ihm wurde mündlich und schriftlich zugesagt, dass er diese Vorschüsse nicht zurückzahlen müsse. Er war sich sicher, dass dies auch für den Beklagten dieses Verfahrens gelte.

 

Erstaunlicherweise bekam er von dem ersten Zeugen, dem treuen Vertriebsmitarbeiter, einen Anruf, indem dieser sagte, dass auch der Vertrieb die Zahlungen  von ihm verlangen würde. Dann wurde diesem ersten Zeugen die schriftliche Zusage des Vorstandsmitglieds zugesandt, woraufhin der Vertrieb dann auf die Geltendmachung verzichtet hatte.

 

Nach dieser ausführlichen Zeugenbefragung unterbrach das Gericht und zog sich zur Beratung zurück.

 

Danach war dem Gericht klar, dass der Anspruch des Vertriebes nicht bestand. Dem Gericht war auch klar, dass der erste Zeuge gelogen hatte.

 

Es war dem Gericht auch klar, dass der erste Zeuge sehr wohl in die vertraglichen Dinge eingeweiht war und die konkreten Zusicherungen kannte.

 

Das Gericht riet dingend an, der Vertrieb solle  seine Klage insoweit zurücknehmen.

 

Ansonsten würde das Gericht ein Urteil verfassen, indem diese Rechtsauffassung deutlich zum Ausdruck kommt. Es würde auch deutlich zum Ausdruck kommen, dass der verdiente Mitarbeiter des Vertriebes falsch ausgesagt hatte. Insgesamt war dies für den Handelsvertreter, meinem Mandanten, ein sehr schönes Ergebnis.

 

Mein Mandant hatte mir zuvor angekündigt, dass er den gestrigen Verhandlungstag nicht überstehen würde, ohne eine Träne zu vergießen. Entweder würde er anschließend vor Freude oder vor Ärger weinen. Dass anschließend Tränen des Glücks zu sehen waren, gab der Angelegenheit einen besonderen Abschluss.

 

 

 

Einzelaspekte zu den „Grundsätzen“ in der Lebensversicherung

Die Grundsätze Leben gelten nur für dynamische Lebensversicherungen (Anpassungsversicherungen, Angestellten-Befreiungsversicherungen), d.h. für Lebensversicherungen, „deren Versicherungsbedingungen ein Anwachsen von Beitrag und Leistung in regelmäßigen Zeitabständen von Anbeginn oder aufgrund einer späteren, vom Vertreter bewirkten Vereinbarung vorsehen, soweit der Vertreter dieser Versicherungen selbst vermittelt hat und diese Versicherungen bei der Beendigung des Vertretervertrages die Voraussetzungen für künftige Erhöhungen erfüllen und zum letzten Erhöhungszeitpunkt tatsächlich angepasst worden sind. Sie gelten aber nicht für dynamische Gruppenversicherungen, Gruppenversicherungen mit Andienungspflicht und dynamische Risikoversicherungen. Bei diesen Versicherungen muss weiterhin eine individuelle Regelung des Ausgleichsanspruchs zwischen dem Vertreter und seinem Unternehmen getroffen werden, wobei die Gutachterseite (vgl. Ziffer VI der „Grundsätze Leben“) angerufen werden kann.

Im Gegensatz zu den „Grundsätzen Sach“, bei denen der Ausgleichsanspruch aus den Folgeprovisionen errechnet wird, sind bei den „Grundsätzen Leben“ die addierten Versicherungssummen der vom Vertreter vermittelten dynamischen Lebensversicherungen einschließlich der bis zu Beendigung des Vertretervertrages erfolgten Dynamisierungen Berechnungsgrundlage.

Beispiel: Bei einer Versicherungssumme von 1 Mio. Euro ergibt sich bei einem Provisionssatz von 25 %0 und einer Tätigkeit von mehr als 19 Jahren ein Ausgleichsanspruch von 3.000 Euro.

Einzelaspekte des Ausgleichsanspruchs zu den „Grundsätzen“ in der Sachversicherung

Nach herrschender Auffassung enthalten die Folgeprovisionen in der Sachversicherung, unabhängig von ihrer Bezeichnung1, Vermittlungsfolgeprovisionen, also Abschlussfolgeprovisionen, auf die der Vertreter neben der Abschlussprovision des ersten Jahres einen Anspruch hat. Sie allein sind nach der Auffassung des Bundesgerichtshofes ausgleichspflichtig.

Um zu vermeiden, dass wegen jeden Ausgleichsanspruchs eines Versicherungsvertreters ein Prozess geführt werden muss, bei dem es in erster Linie immer nur um die Frage gehen würde, wie die Folgeprovisionen in der Sachversicherung – hierzu rechnen auch die HUK-, Rechtsschutz-, Transport- und ähnliche Versicherungen – in Vermittlungs- und Verwaltungsprovisionen aufzuteilen sind, haben sich vernünftigerweise der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft und die Verbände der Versicherungsvertreter zusammengesetzt, um gemeinsam nach einer Lösung dieses Problems zu suchen. Das Ergebnis waren die „Grundsätze zur Errechnung der Höhe des Ausgleichsanspruchs“, die zunächst nur für die Sachsparten vereinbart wurden.

Diese „Grundsätze Sach“, die wie die Präambel betont, „in dem Bemühen um gegenseitige Verständigung und ausgehend von vorwiegend wirtschaftlichen Erwägungen erarbeitet“ wurden, „um die Höhe des nach Auffassung der beteiligten Kreise angemessenen Ausgleichs global errechnen“, werden seit 1958 erfolgreich praktiziert. Sie haben sich zweifellos bewährt. Vertreter und Unternehmen sind von einer Flut von Prozessen verschont geblieben.

Bei der Berechnung wird von der durchschnittlichen Jahresbruttoprovision (Folgeprovision) aus dem selbst vermittelten Bestand (ohne erstjährige Abschlussprovision) der letzten fünf Jahre der Tätigkeit ausgegangen. Daraus wird ein Ausgleichswert gebildet, der in den Verschiedenen Sparten unterschiedlich ist. Schließlich wird der sich daraus ergebende Wert mit Multiplikatoren, die von der Dauer der Tätigkeit für das ausgleichsverpflichtete Unternehmen abhängig ist, multipliziert.

Beispiel: Für die verschiedenen Sparten ergeben sich bei einer Tätigkeitsdauer von mehr als 20 Jahren (Höchstanspruch) folgende Ausgleichsansprüche.

Sach-, Haftplicht-, Unfall- und Rechtsschutzversicherung:

nach 3 durchschnittliche Jahresbruttoprovisionen

Industrie-Feuer-, Maschien-, Groß-BU-und Fahrradverkehrsversicherung:

2,1 durchschnittliche Jahresbruttoprovisionen

Transportversicherung:

1,5 durchschnittliche Jahresbruttoprovisionen

Verkehrsserviceversicherung:

1,5 durchschnittliche Jahresbruttoprovisionen

Vertrauensschadenversicherung:

3 durchschnittliche Jahresbruttoprovisionen 2

Kautionsversicherung:

2,4 durchschnittliche Jahresbruttoprovisionen 3

Kraftfahrtversicherung:

1/2 durchschnittliche Jahresbruttoprovision (Höchstanspruch bereits nach 10 Jahren)

Zusätzlich zum selbst vermittelten Bestand wird ein übertragener Bestand berücksichtig, und zwar in Abhängigkeit davon, wann der Bestand übertragen wurde und ob er in den letzten fünf Jahren der Tätigkeit noch vorhanden war.