Am 18.09.2013 entschied das Landgericht Hannover über die Rechtsmäßigkeit von Vertragsstrafen.
Da das Gericht die Vertragsstrafen für wirksam hielt, wurde ein ehemaliger Handelsvertreter zu einer Zahlung von 60.000 € verurteilt.
Der Handelsvertreter wurde zunächst zur Auskunft verurteilt. Dieser kam er nach.
Danach hatte er 148 Kunden Kredite gewährt.
Daraus schloss die Klägerin, die Swiss Life Select, dass insgesamt für 39 Fälle eine Vertragsstrafe von jeweils 1.500 € zu zahlen sei.
Im Übrigen beantragte sie die Zahlung von 8 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz.
Der Handelsvertreter wandte zunächst ein, dass der Vertrieb Darlehen nicht vermittle. Deshalb handele es sich nicht um Konkurrenzprodukte.
Außerdem wandte er ein, dass er nur einmal gegen die Verpflichtung verstoßen habe, weil er in einen Fortsetzungszusammenhang tätig war, indem er ausschließlich nur in einem neuen Geschäftsbereich die weiteren Verträge vermittelt hat.
Außerdem wandte er ein, dass der Klägerin kein Schaden entstanden sei.
Ferner verwies er auf die neue Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 31.03.2013 unter dem Aktenzeichen VII ZR 224/12, wonach Bestimmungen über Vertragsstrafen unwirksam seien, wenn nicht zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit unterschieden werde.
Das Gericht sah dies jedoch anders:
Das Gericht sah in der Tätigkeit des Handelsvertreters für ein anderes Unternehmen ein vertragswidriges Verhalten, da die Kündigungserklärung des Handelsvertreter das Vertragsverhältnis kurzfristig nicht wirksam beendet hat.
Danach dürfe der Handelsvertreter für Wettbewerber der Klägerin nicht tätig sein.
Da auch die Vermittlung von Krediten zu der Produktpaletten der Klägerin gehören, war insoweit auch die hier erwähnte Tätigkeit verboten.
Auf den Einwand des Beklagten, die Kunden hätten mit der Klägerin niemals einen Vertag abgeschlossen, kommt es nicht an.
Auch fand das Gericht die Vertragsstrafe von 1.500 € pro Kunde nicht unangemessen. Nach den vertraglichen Bestimmungen sei die Klägerin berechtigt, die Vertragsstrafe nach billigem Ermessen festzusetzen, wobei sie 7.500 € nicht übersteigen darf. Dies gelte ausdrücklich für jeden Fall der Zuwiderhandlung, also nicht etwa für eine Summe von Einzelverstößen.
Das Gericht hielt auch die getroffenen Vereinbarungen über das Konkurrenzverbot und die angedrohte Vertragsstrafe für wirksam. Der Bundesgerichtshof hatte im Jahre 2009 lediglich entschieden, dass eine kumulative Geltendmachung der Ansprüche auf Vertragsstrafe und pauschalierten Schadensersatz unzulässig sei. Darum ginge es ihr jedoch nicht, so das Gericht. Außerdem meinte das Gericht, dass die Bestimmungen über die Vertragsstrafe auch nicht deshalb unwirksam seien, weil sie nicht ausdrücklich klarstellen, dass die Verwirkung der Vertragsstrafe ein Verschulden voraussetze. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 21.03.2012 habe sich mit der Frage beschäftigt, dass zwischen einem schuldhaften Versuch und einer Veränderung unterschieden wurde, wobei im letzteren Falle die Vertragsstrafe nicht von einem Verschulden abhängig gemacht wurde. Diesen Umstand habe der Bundesgerichtshof zum Anlass genommen, die kundenfeindlichste Auslegung vorzunehmen, wonach eine Vertragsstrafe unabhängig vom Verschulden des Vertragspartners habe verlegt werden sollen. Das wäre in der Tat, so das Landgericht Hannover, nicht hinnehmbar.
Hier jedoch gab es, so das Gericht, keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Klägerin eine Vertragsstrafe unabhängig vom Verschulden des Handelsvertreters hat versprechen lassen. Es gelte der allgemeingültige Grundsatz, dass ein Pflichtenverstoß, der mit einer Vertragsstrafe sanktioniert werden soll, ein Verschulden erfordere. Ein solches liege beim Beklagten vor.
Da es bei dem Vertragsstrafenverlangen der Klägerin nicht um eine Entgeltforderung gehe im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB, kommt eine weitergehende Zinsforderung als 5 Prozentpunkte über den Basiszinssatz nicht in Betracht.
Fazit: Gerade in Hinblick auf die verschuldensunabhängige Vertragsstrafenregelung eine denkwürdige Entscheidung. Diese steht meines Erachtens nicht mit der Entscheidung des BGH in Einklang.
Einem Vermögensberater, der bereits eine sehr hohe Stufe der Strukturhierarchie der DVAG erreicht hatte, wurde u.a. der Konsum von Drogen zum Vorwurf gemacht. Daraufhin hatte die DVAG den Vertrag fristlos gekündigt.
Die Hintergründe sind streitig. Streitig ist auch, ob es zuvor ein ordnungsgemäßes Anhörungsgespräch gegeben hat.
Nachdem die fristlose Kündigung ausgesprochen wurde, wurde gemäß dem Inhalt eines Darlehensvertrages die Rückzahlung aus diesem Darlehensverhältnis fällig. Dies wurde nun eingeklagt. In diesem Zusammenhang musste nunmehr das Landgericht prüfen, ob die fristlose Kündigung wirksam sei. Der Vermögensberater hatte mit Gegenansprüchen aufgerechnet, da er der Ansicht war, die Kündigung sei unwirksam und ihm ständen Schadensersatzansprüche zu.
Das Landgericht Frankfurt hatte der Zahlungsklage stattgegeben. Die fristlose Kündigung sei danach wirksam.
Das Oberlandesgericht Frankfurt hatte in anschließenden Berufungsverfahren am 23.06.2014 in einem Vorbehalts- Grund- und Teilurteil festgestellt, dass die Kündigung dagegen nicht wirksam sei.
Nachdem eine Reihe von Zeugen befragt wurde, führte das Gericht dazu aus:
„Die von der Klägerin ausgesprochene Kündigung ist weder als Verdachtskündigung noch als Tatkündigung, noch aufgrund eines nachgeschobenen Kündigungsgrundes wirksam.
Die von der Klägerin ausgesprochene Kündigung ist als Verdachtskündigung unwirksam. Denn die Anhörung des Beklagten durch die Klägerin vor dem Aufbruch der fristlosen Kündigung des mit ihm bestehenden Handelsvertretervertrages genügt teilweise – bezüglich bestimmter Verdachtsmomente – nicht den Anforderungen an eine solche nach den Umständen des Einzelfalls erforderliche Anhörung als Voraussetzung für eine wirksame Verdachtskündigung. Teilweise waren die Verdachtsgründe nicht so schwerwiegend, dass dem Kündigungsberechtigten die Fortführung des Vertragsverhältnisses, ohne dass eine vorherige Abmahnung erfolgt wäre, nicht zugemutet werden konnte.
Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Verdachtskündigung bei Arbeitsverhältnissen, welche auf die Verdachtskündigung von Handelsvertreterverhältnissen übertragbar ist (Oberlandesgericht Bamberg Urteil vom 14.07.1997 – 4 U 195/96) und welche der Senat auch für Handelsvertreterverhältnisse folgt, kam der Verdacht, der Vertragspartner habe eine schwerwiegende Pflichtverletzung begangen, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung bilden.
Der Verdacht muss objektiv durch Tatsachen begründet sein. Bloß auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Vermutungen reiche nicht aus, auf die subjektive Wertung des Kündigungsberechtigten kommt es nicht an. Diese objektiv begründeten Tagsachen müssen so geschaffen sein, dass sie einen verständigen und gerecht abwägenden Vertragspartner zum Ausspruch der Kündigung veranlassen können. Der Verdacht muss darüber hinaus dringend sein, d. h. es muss eine große Wahrscheinlich dafür bestehen, dass der zu Kündigender die Pflichtverletzung begangen hat. Die Verdachtsmomente und die Verfehlungen der zu kündigende verdächtigt ist, müssen so schwerwiegend sein, dass dem Kündigungsberechtigten die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht zugemutet werden kann (vgl. zuständige Rechtsprechung des BAG Urteil vom 29.11.2007, 2 AZR 724/06).
Voraussetzung der Wirksamkeit einer Verdachtskündigung ist, dass der Kündigungsberechtigte alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhaltes unternommen hat, insbesondere dem zu Kündigenden Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat.
Ergeben sich im Rahmen der Ermittlungen neue belastende Erkenntnisse, ist der Kündigende auch hier zuzuhören; nur dann sind Anerkenntnismöglichkeiten ausgeschöpft.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat die Klägerin nicht bewiesen, dass den Beklagten in Rahmen der Anhörung nach den Umständen des Einzelfalles ausreichend Gelegenheit geboten wurde, zu den gegen ihn bestehende Verdachtsmomente Stellung zu nehmen.
Dass der Beklagte bei der Anhörung eingeräumt habe, in der Vergangenheit Drogen genommen zu habe, vermag eine außerordentliche Verdachtskündigung nicht zu begründen. Die Kündigung der Klägerin hat auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer sogenannten Tatkündigung das Rechtsverhältnis beendet. Die Klägerin hat teils nicht bewiesen, dass der Beklagte die ihm vorgeworfenen Handlungen begangen hat, welche einen hinreichenden Grund für eine außerordentliche Kündigung abgeben könnte. Teils sind die von der Klägerin erhobenen Vorwürfe nicht geeignet, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung – zumal unvorheriger Abmahnung – abzugeben. Es ist vom Gericht zu prüfen, ob die Pflichtwidrigkeit tatsächlich besteht, also die den Verdacht begründenen Pflichtwidrigkeiten eine Tatkündigung rechtfertigen (vgl. Urteil vom BAG vom 23.06.2009 – 2 AZR 474/07).
Bei der Tatkündigung ist die Anhörung keine Wirksamkeitsvoraussetzung. Maßgeblich für die Rechtfertigung einer Tatkündigung ist allein, ob im Kündigungszeitpunkt objektiv Tatsachen vorlagen, die dazu führen, dass dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses – im Falle der außerordentlichen Kündigung: bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – unzumutbar ist (Bundesgerichtshof Urteil vom 23.06.2009 Aktenzeichen 2 AZR 474/07). Nach der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme lässt sich mit der für die Überzeugung des Senats nach § 286 ZPO erforderlichen Sicherheit, die Vorwürfe nicht feststellen.“
Das Gericht hatte sich intensiv mit der Frage der Glaubhaftigkeit der Aussagen und Glaubwürdigkeit der Zeugen auseinandergesetzt.
Der Rechtsstreit ist nunmehr wegen der grundsätzlichen Frage der Hintergründe der Verdachtskündigung und der Tatkündigung an den Bundesgerichtshof abgegeben worden.
Urteil Oberlandesgericht Frankfurt am Main vom 23.06.2014.
Gegen eine gute Maklervollmacht ist nichts einzuwenden, auch dann nicht, wenn mit der Vollmacht in einen fremden Kundenbestand eingegriffen wird. Erhält die Maklervollmacht jedoch das Verbot der Kontaktaufnahme, ist dies bedenklich.
Kern des Gedankens ist eine alte Entscheidungs des Bundesgerichtshofs. Dieser hatte mit Urteil vom 07.04.2005 Az I-ZR 140/02 entschieden, dass die Kündigungsförderung zum Wesen des Wettbewerbs gehöre und niemand grundsätzlich Anspruch auf Erhaltung des Kundenstammes hat. Dies hatte der Bundesgerichtshof wiederholt bestätigt, zuletzt mit Urteil vom 11.10.2017 (I-ZR 210/16).
Der Bundesgerichtshof ist der Auffassung, dass das Abwerben von Kunden nur dann unzulässig ist, wenn über das Abwerben hinaus weitere Umstände hinzutreten, die der geschäftlichen Handlung das Gepräge der Unlauterkeit gebe.
Das Gepräge der Unlauterkeit sehen inzwischen viele Gerichte in den Kontaktverboten bestätigt. Diese würden nicht nur den eigenen Wettbewerb fördern, sondern gezielt den eines Konkurrenten hindern.
So hatte das Oberlandesgericht Jena in einem Urteil vom 27.03.2019 (2 U 397/18) über ein Kontaktverbot zu entscheiden. Ein ehemaliger Vermögensberater hatte nach Beendigung seiner Geschäftsbeziehungen vier Kunden angeschrieben und aufgefordert, gegenüber dem bisherigen Auftraggeber nicht nur die Einwilligung zur Speicherung, Verwendung und Weitergabe ihrer Daten zu widerrufen, sondern auch ein generelles Kontaktverbot auszusprechen.
Eine Kündigungshilfe sei nach der Ansicht des Oberlandesgerichts Jena zwar grundsätzlich zulässig, ein Kontaktverbot stelle jedoch eine unzulässige Behinderung dar. Schließlich ginge es bei dem Kontaktverbot nicht um die Förderung des Eigenwettbewerbs, sondern um die vollständige Abschottung des Konkurrenten, die dazu führe, dass der bisherige Vermittler und Betreuer seine Leistungen nicht mehr anbieten könne.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Jena steht nicht alleine. Das Oberlandesgericht Oldenburg hatte mit Urteil vom 28.05.2019 (06 U 27/18) ähnlich entschieden. Das Bereitstellen eines Schreibens zur Kündigungshilfe sei auch dort zulässig. Die Hilfestellung bei der ordnungsgemäßen Auflösung von Versicherungsverträgen sei grundsätzlich zulässig und auch nicht wettbewerbswidrig. Unzulässig sei es jedoch auch danach, die wettbewerbliche Entfaltung von Mitbewerbern durch ein Kontaktverbot zu beeinträchtigen. Auch dort kam das Argument, dass das Hauptziel nicht die Förderung des eigenen Wettbewerbs, sondern die gezielte Behinderung des Konkurrenten sei.
Über einen sehr plastischen Eingriff in fremde Kundenbeziehungen hatte das Oberlandesgericht Frankfurt in einem Urteil vom 06.10.2016 (6 U 61/16) entschieden. Es ging dort nicht um Fianzdienstleistung. Dieser Fall führt aber deutlich vor Augen, was due Gerichte meinen. Dort ging man auf Kundenfang nicht über „Kontaktverbote“, sondern stellte sich auf die Zufahrt der Konkurrent, um dort mit Handzetteln die Kunden zum Besuch des eigenen Unternehmens aufzufordern.
Das OLG meinte auch hier, dass die Grenze des Wettbewerbers überschritten ist. Wenn der Einzelhändler im Einfahrtsbereich eines Konkurrenten Handzettel verteilt und damit die Kunden gezielt abfangen will, ist dies unlauter und ein unzulässiger Eingriff.
Wenn der Versicherungsvermittler die Kunden motiviert, den Konkurrenten nicht mehr zu kontaktieren, ist dies genauso.
Kürzlich ging es vor Gericht um einen ehemaligen Vermögensberater der Allfinanz Deutschen Vermögensberatung (DVAG). Er wechselte von der Aachen Münchener zur DVAG, wie es viele im Jahre 2006 taten, als der Außendienst der Aachen Münchener von der DVAG übernommen wurde.
Im Laufe der Jahre gab es viele interne Gespräche. Während die einen sagen, man hätte sich geeinigt, sah es der Vermögensberater anders. Jedenfalls wurde die Struktur, die er seit jeher betreute, einmal kräftig durchgemischt. Nachher sanken die Provisionseinnahmen.
Nun tauchte in der Verhandlung eine interessante Frage auf, deren Beantwortung nicht leicht fällt. Warum soll es einem Vertrieb verboten sein, Mitarbeiter, die zuvor in der Struktur geführt wurden und für die man entsprechende Provisonszahlungen erhalten hat, nicht einfach aus der Struktur herauszunehmen? Wo ist es vertraglich geregelt, dass der Eingriff in die Struktur untersagt ist? Das Gericht fang eine solche Regelung im Vertrag nicht.
Rechtsanwalt Kai Behrens
ist Spezialist im Handelsvertreterrecht.
Im Handelsvertreterblog stellt er die aktuelle Rechtsprechung und Gesetzgebung,
sowie auch weitere interessante Entwicklungen im Vertriebsrecht dar.
Er selbst hat schon einige namhafte Entscheidungen herbeigeführt.
Neben den typischen anwaltlichen Tätigkeiten, wie Beratung und Prozessführung
im Handelsvertreter- und Vertriebsrecht, umfassen seine Tätigkeiten auch: