Bestandsübertragung

Bestandsübertragung mit Hindernissen

Kurz und knapp wollte der Vertrieb die Übertragung der Kunden von einem Handelsvertreter auf einen Versicherungsmakler regeln. Das Landgericht Münster erhob erhebliche Zweifel wegen der Wirksamkeit.

Geregelt war Folgendes:

Etwa bestehende Courtageansprüche, welche dem Übertragenden aus der Vermittlung und/oder Betreuung der in den Anlagen aufgeführten Versicherungs- und Bausparverträge gegenüber der … entstanden sind oder entstehen werden, tritt der Übertragende mit Wirkung zum … an den Annehmenden ab.

Anschließend gab es noch die Regelung eines Stichtages und dass der Vertrag vorbehaltlich der Bonität zustande kommt. Ferner wurde geregelt:

Rückcourtagen (insbesondere im Stornofall innerhalb der Stornohaftungszeit), bezogen auf die in den Anlagen aufgeführten Verträge, übernimmt der Annehmende selbstschuldnerisch. Weiterhin übernimmt der Annehmende die Haftung für Schadenersatzansprüche von Kunden, Versicherungsunternehmen, Kapitalanlagegesellschaften, Banken, sonstigen Produktgebern und der … gegen den Übertragenden, wenn und soweit diese im Zusammenhang mit der Vermittlung und/oder Betreuung der in der Anlage aufgeführten Verträge stehen.

Es folgten noch ein paar wenigen Zeilen mehr.

Nicht geregelt war jedoch inwieweit Übertragung überhaupt umgesetzt werden sollte.

Es war auch nicht geregelt, inwieweit der alte Vertrieb noch Ansprüche geltend machen konnte.

Nunmehr verklagte der Mitarbeiter seinen alten Vertrieb auf Erteilung eines Buchauszuges. Hintergrund war, dass man sich über Provisionsrückzahlungen uneinig war aufgrund von Stornierungen. Der Ursprungsvertrieb hatte dann, um einen Buchauszug nicht anfertigen zu müssen, auf sämtliche in diesem Zeitraum anfallende Provisionsrückzahlungsansprüche verzichtet.

Die Tücken der Bestandsübertragung

Am 19.02.2020 fand eine Veranstaltung zum Thema Bestandsübertragung und Nachfolge im Maklermarkt statt. Veranstalter war der AMC. Ort der Veranstaltung war der Zwei-Löwen-Club im wunderschönen Münster.

Hintergrund der Veranstaltung war, dass viele Makler in den nächsten Jahren ihre Geschäftstätigkeit einstellen werden. Das, was man aufgebaut hat, möchte man dann auch entsprechend verwerten und übertragen. Und wie die Übertragung des Kundesbestandes vorbereitet und durchgeführt wird, war hier zu erfahren.

Dr. Frank Kersten, Geschäftsführer von AMC, führte spannend durch die Veranstaltung. Es gab insgesamt 8 Vorträge, jeweils mit einer Länge von 15 Minuten. Ein paar Vorträge blieben in besonderer Erinnerung.

Sehr aufschlussreich war der Vortrag von Dr. Stefan Adams zur wirtschaftlichen Bewertung eines Maklerbetriebes. Innerhalb des kurzen Vortrages wurde hier gezeigt, dass es verschiedene Bewertungsmethoden gibt. Die Bewertung hängt nicht von den Umsatzzahlen ab, sondern wohl in erster Linie von dem Gewinn.

Ins Eingemachte ging dann der Erfahrungsbericht eines Bestandskäufers, Herrn Dr. Jens Robert Hielscher, Geschäftsführer von Rode gmbh. Herr Hielscher machte deutlich, dass eine Bestandsübertragung nicht so einfach ist, wie er sich zunächst vorgestellt hatte. Hier warten viele Hindernisse. Versicherungen und Pools haben teilweise die vertraglichen Vereinbarungen nur äußerst schleppend umgesetzt. Insgesamt hatte er hier fünf Monate zu kämpfen, bis alles entsprechend geregelt war. Nebenbei lief dann noch das Tagesgeschäft, so dass jeder, der einen Maklerbestand übertragen will, anfänglich mit erheblicher Mehrarbeit rechnen muss.

Warum ein Maklerbestand nicht so einfach zu übertragen ist, erklärte Rechtsanwalt Dr. Dennis Voigt. Seine Spezialisierung ist das Datenschutzrecht.

Bei der Bestandsübertragung werden gewöhnlich Kundendaten, teilweise auch sehr sensible Daten, an den Käufer weitergegeben. Dieser Käufer ist aus Sicht des Kunden zunächst eine fremde Person. Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) erlaubt zwar die Datenübertragung, wenn dies aus vertraglichen Gründen notwendig ist. Sie erlaubt die Verwendung der Daten jedoch nur, wenn der Kunde (Versicherungsnehmer) zustimmt.

Der Bestandserwerber darf aus datenschutzrechtlichen Gründen den Kunden nicht kontaktieren und ist darauf angewiesen, dass die Zustimmung von dem Veräußerer eingeholt wird.

Ein Vertrag zur Bestandsübertragung müsste eine solche Verpflichtung entsprechend beinhalten.

Die Übertragung des Maklerbestandes muss also gut und evtl. lange vorbereitet werden, das Übertragungsmodell (Rentenzahlung oder Kaufpreiszahlung) muss erörtert werden, der Preis muss ermittelt werden, ein guter und wirksamer Vertrag muss her und man sollte eine längere Umsetzungszeit einplanen.

Die erhoffte Bestandsübertragung

Urteil des Landgerichts Münster vom 02.03.2009 Aktenzeichen 12 O 304/09 :

Die Parteien schlossen eine Bestandsübertragungsvereinbarung. Der Kundenbestand sollte auf einen Übernehmer übertragen werden. Das Gericht musste nun klären, ob der Übernehmer für Rückcourtagen haften muss.

In der Bestandsübertragungsvereinbarung wurde ausdrücklich vereinbart, dass „ab sofort mit allen Rechten und Pflichten die Bestände übertragen werden und dass dies ab sofort für alle möglichen Courtage- und Provisionszahlungen gelte“.

Der Versicherer verlangte noch einmal von beiden eine ausdrückliche Erklärung, dass „die Haftung für vereinnahmte Abschlusscourtagen auf den neuen Makler übergehen sollten“. Die Erklärung wurde abgegeben, der Bestand übertragen.

Vor der Übertragung gerieten weitere Verträge ins Storno. Das bestandsübernehmende Maklerunternehmen erhielt erst etwa einen Monat nach Bestandsübertragung Stornogefahrmitteilungen.

Und nun das Gericht:

Bei der Bestandsübertragung handele es sich um eine Schuldübernahme gemäß § 415 BGB.

Der Bestandsübertragungsvertrag sei so auszulegen, dass die Übernahme der Stornohaftung nicht vereinbart wurde!

Da jedoch die streitenden Parteien dem Versicherer zusicherten, dass der Übernehmer auch für die vereinnahmten Courtagen hafte, gilt die Haftung für diese Courtagen ab Zugang dieses Schreibens bei dem Versicherer.

Der Bestandsübertragungsvertrag hatte mithin für diesen Rechtsstreit keine Bedeutung. Auf ihn kam es wegen der ungenauen Formulierungen nicht an.

Schon Marc Twain sagte : Der Unterschied zwischen dem richtigen Wort und dem beinahe richtigen ist der selbe wie zwischen dem Blitz und dem Glühwürmchen.