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Immer wieder ist zu hören, dass Außendienstmitarbeiter die Auffassung vertreten, sie seien doch eigentlich Arbeitnehmer. Man sollte dies dann auch gerichtlich durchsetzen.
Der erfahrene Anwalt erwidert, dass das so einfach nicht ist und gegebenenfalls auch Risiken mit sich bringt.
In einem aktuellen Fall, in dem ein – zunächst als selbständig angedachter – Mitarbeiter von der Deutschen Rentenversicherung per Bescheid als Arbeitnehmer eingestuft wurde (mit der Folge erheblicher Nachzahlungen) wurden folgende Kriterien zur Abgrenzung mitgeteilt:
Arbeitnehmer
Der Begriff Beschäftigung wurde geregelt durch die am 1.7.1977 in Kraft getretene Vorschrift des § 7 SGB IV. Hiernach versteht man im Sinne der Sozialversicherung die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis, wobei hierzu auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Bereich betriebliche Ausbildung zählt. Um eine Beschäftigung handelt es sich immer dann, wenn rechtswirksam ein Arbeitsverhältnis begründet wird. Die Worte nicht selbständige Arbeit umschreiben das persönliche Abhängigkeitsverhältnis, in dem sich ein Arbeitnehmer zu seinem Arbeitgeber – beurteilt nach den tatsächlichen Verhältnissen – befindet.
Wesentliches Merkmal eines Beschäftigungsverhältnisses bzw. einer abhängigen Beschäftigung ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die persönliche Abhängigkeit. Im Regelfall ist der Umstand, dass die Arbeitskraft in einem auf unbestimmte Zeit angelegten Dienstverhältnisses ganz oder überwiegend einem Betrieb zur Verfügung gestellt wird, als wesentliches Kennzeichen der persönlichen Abhängigkeit zu werten. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff der persönlichen Abhängigkeit äußert sich vornehmlich in der Eingliederung in einem Betrieb, womit regelmäßig das Weisungsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich
– der Arbeitszeit,
– des Arbeitsortes
– der Art, Ausführung und Reihenfolge der Arbeit
verbunden ist.
Das Weisungsrecht kann allerdings im Einzelfall mehr oder weniger eingeschränkt sein. Selbst die ohne oder nahezu ohne besondere Weisung erbrachte Arbeitsleistung ist jedoch fremdbestimmt, wenn sie von der Ordnung des jeweiligen Unternehmens geprägt wird. In diesem Fall verfeinert sich die Weisungsgebundenheit des Beschäftigten zur sogenannten funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess. Auch wenn die persönliche Einwirkung des Arbeitgebers Gestalt ausdrücklicher Weisungen nicht in Erscheinung tritt und dadurch die Durchführung der Arbeit dem selbstverantwortlichen Ermessen des Arbeitnehmers überlassen bleibt, liegt eine fremdbestimmte Dienstleistung vor, wenn die zu erfüllende Aufgabe
• von der Ordnung des Betriebes geprägt wird
• sich aus Übung oder Herkommen ergibt und
• die Arbeitskraft im Dienst des Unternehmens eingesetzt wird.
Neben der persönlichen Abhängigkeit sprechen folgende Kriterien für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung:
- die fehlende Möglichkeit der freien Gestaltung der Tätigkeit
- das fehlende Unternehmerrisiko
- der fehlende Einsatz von eigenem Kapital
- Art und Einsatz von Arbeit-bzw. Betriebsmittel
- Integration in Arbeitsabläufe
- steuerliche Behandlung usw.
Insgesamt gesehen ist eine abhängige Beschäftigung daher stets zu bejahen, wenn der dienstleistende in einem Betrieb arbeitet, d. h. also in den Betrieb eingegliedert ist und als Angehöriger des Betriebes gesehen wird, selbst wenn die Weisungsgebundenheit – was die Ausführung der Arbeiten anbetrifft – stark eingeschränkt ist. Er spricht außerdem für ein Beschäftigungsverhältnis werden
- Arbeit zugewiesen wird, ohne dass dies mit dem Subunternehmer/freien Mitarbeiter abgestimmt ist oder
- die Arbeit fremdbestimmt ist.
In einer abhängigen Beschäftigung ist der Arbeitnehmer grundsätzlich nicht in der Lage, zum Beispiel Umfang, Inhalt und organisatorische Einbindung seiner Arbeitsleistung selbst zu bestimmen. Ein Arbeitnehmer erledigt somit fremdbestimmte Arbeit, weil der Auftraggeber andere auf seine Kosten arbeiten lässt. Die erfolgte Arbeit ist insofern für einen Fremden (3. Person, Auftraggeber, Unternehmer usw.) bestimmt. Diesem Dritten kommt letztlich auch der finanzielle Vorteil.
Selbständige Tätigkeit
Eine selbständige Tätigkeit liegt vor, wenn der Tätige weisungsfrei arbeiten kann und der tätige somit über seine Arbeitskraft, die Gestaltung der Tätigkeit sowie seine Arbeitszeit im Wesentlichen frei verfügen kann und ein eigenes Unternehmerrisiko trägt. Es ist jedoch zu beachten, dass Unternehmerrisiko nicht mit dem Einkommensrisiko zu verwechseln ist, dass auch abhängig Beschäftigte tragen, die nicht nach der Zeit, sondern nach dem Erfolg entlohnt werden und folglich ein schwankendes Einkommen erzielen. Ein echtes Unternehmerrisiko liegt vor, wenn eigenes Kapital unwesentlich eigene Betriebsmittel mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt werden. Der Erfolg eines Selbständigen und der Erfolg des Einsatzes sächlicher oder persönlicher Mittel ist im Prinzip ungewiss. Zum Unternehmerrisiko gehört keinesfalls ein Lohnzahlungsrisiko oder das Risiko des Verlustes des Arbeitsplatzes. Das Risiko eines jeden Arbeitenden, dass seine Leistung den Vereinbarungen mit dem Arbeitgeber nicht entspricht und dass er deswegen seine Tätigkeit verliert, ist kein -_das selbständige Gewerbetreibende auszeichnende – Unternehmerrisiko.
Unternehmerrisiko bedeutet, dass der Unternehmer eingesetztes Kapital vermehren oder verlieren kann. Unternehmerrisiko ist auch dann erkennbar, wenn der Auftragnehmer infolge fehlerhafter eigener Kalkulation oder sonstige Umstände des Geschäftsverkehrs betriebliche Verluste erleidet. Die Belastung mit Risiken im Zusammenhang mit der Verwertung der Arbeitskraft spricht allerdings nur dann für eine Selbstähnlichkeit, wenn ihr eine größere Freiheit bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft gegenübersteht.
Neben dem erwähnten Unternehmerrisiko sprechen unter anderem nachstehende Merkmale für eine selbständige Tätigkeit:
- Persönliche und wirtschaftliche Unabhängigkeit
- Weisungsfreiheit
- uneingeschränkte Tätigkeit für mehrere Geschäftspartner
- Berechtigung zur Werbung für das eigene Unternehmen
- Beschäftigung von Hilfskräften
- Anmeldung eines Gewerbebetriebes
- Erlaubnis zur Ausübung eines Gewerbes oder einer freiberuflichen Tätigkeit
- Vorhandensein eigener Betriebsstätte
- Einsatz eigener Arbeit-bzw. Betriebsmittel
Auf einer Tätigkeit nicht nur selbstständig berichtet wird, entscheidet sich letztendlich danach, welche Merkmale im Einzelfall überwiegen. Dabei ist es unerheblich, welche Bezeichnung die Beteiligten gewählt haben. Es ist auch unerheblich, wie das Vertragswertes der Vertragsparteien bürgerlich-rechtlich zu beurteilen ist und welche Absichten die Parteien mit ihren Abmachungen verfolgen. Es kommt nur auf die tatsächlichen Verhältnisse und die Art der zu verrichtenden Tätigkeit an. Überwiegen die Merkmale der selbständigen Tätigkeit, so handelt es sich um eine selbständige Tätigkeit. Sprechen aber die Tatsachen, die dem Verhältnis zwischen dem Arbeitenden geben, der die Arbeit vergibt, in ihrer Gesamtwürdigung weder eindeutig für eine selbständige Tätigkeit noch für eine abhängige Beschäftigung, so ist bei der versicherungsrechtlichen Beurteilung darauf abzustellen, durch welche der beiden Arten der Erwerbstätigkeiten das Erwerbsleben des Betreffenden geprägt ist.
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Handelsvertreter kommen häufig mit der Frage, ob denn der Rechtsstreit mit ihrem Vertrieb von der Rechtsschutzversicherung getragen wird. Beispielsweise zeigte mir ein Vermögensberater kürzlich sogar eine Rechtschutzpolice der AdvoCard, in der er als Selbständiger versichert war.
Dennoch empfiehlt sich auch hier der nähere Blick in das Kleingedruckte, bevor voreilige Schlüsse gezogen werden.
In § 21 der Allgemeinen Bedingungen des Rechtschutzes ARB 2015 heißt es zwar in der Überschrift:
§ 21 BAUSTEIN P (PRIVAT-RECHTSSCHUTZ FÜR NICHTSELBSTÄNDIGE UND SELBSTÄNDIGE)
Kurz dahinter finden wir jedoch in Abs.1:
„Kein Versicherungsschutz besteht unabhängig von der Umsatzhöhe für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Zusammenhang mit einer freiberuflichen gewerblichen oder sonstigen selbständigen Tätigkeit.“
Ähnliches findet sich übrigens in vielen ARB anderer Rechtsschutzversicherer.
Streitet sich der Vermögensberater z.B. um Provisionen, wird dies von dem Ausschluss betroffen sein.
Aus der Formulierung der Klauseln ergeben sich zwangsläufig streitige Problemfälle.
Voraussetzung für den Ausschluss ist nicht nur ein loser zufälliger Zusammenhang der Interessenwahrnehmung. Es muss vielmehr ein innerer, sachlicher Bezug hierzu bestehen. Nur diejenige Interessenwahrnehmung soll ausgeschlossen sein, die nachweisbar geschäfts- oder unternehmensbezogen ist und deshalb die Eigenschaft des Versicherungsnehmers als jetziger oder künftiger Gewerbetreibender oder freiberuflich Tätiger betrifft (Harbauer ARB 75, § 25, Rn. 24). Verwendet ein Versicherungsnehmer beispielsweise einen zu gewerblichen Zwecken zugesagten Kredit zwischenzeitlich kurzfristig für eine private Vermögensanlage, ist der Versicherungsschutz nicht ausgeschlossen.
Der Rechtsschutz, wenn ein Selbständiger seine Berufsunfähigkeitsrente einklagt, wurde früher oft versagt. Man klagt ja quasi einen Ausgleich für die Einnahmen aus der Selbständigkeit ein.
Rechtsschutz soll bestehen, wenn die Krankheit nicht berufsbedingt ist (LG Hagen 12.06.1995 – 10 S 116/95) oder wenn die selbstständige Tätigkeit aufgrund der Berufsunfähigkeit oder Krankheit nicht mehr ausgeübt werden kann (OLG Köln Urteil vom 25. Mai 1992 · Az. 5 U 186/91 ).
Das OLG Hamm stellt mit Urteil vom 15. Juni 2007 Az. 20 U 50/07 stellt darauf ab, ob auch ein „Privater“ so eine Versicherung abgeschlossen hätte, um die man sich streitet: „Es handelt sich um eine „normale“ Unfallversicherung, wie sie ebenso von Angestellten, Arbeitern, Beamten und anderen gehalten wird. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer einer Unternehmens/ Privatrechtsschutz-Kombination, wie die Parteien sie vereinbart haben, wird jedenfalls die Geltendmachung von Ansprüchen und die Klage aus einer solchen Unfallversicherung dem „privaten Bereich“ im Sinne des § 26 Abs. 3 der vereinbarten Bedingungen zuordnen.“ Der Vertrag wurde nicht „in seiner Eigenschaft als selbständiger Bäckermeister oder Gewerbetreibender geschlossen hat, sondern welchen er geschlossen hat wie jedermann.“