Handelsvertreter

LG Hannover zu Vertragsstrafen

Am 18.09.2013 entschied das Landgericht Hannover über die Rechtsmäßigkeit von Vertragsstrafen.

Da das Gericht die Vertragsstrafen für wirksam hielt, wurde ein ehemaliger Handelsvertreter zu einer Zahlung von 60.000 € verurteilt.

Der Handelsvertreter wurde zunächst zur Auskunft verurteilt. Dieser kam er nach.

Danach hatte er 148 Kunden Kredite gewährt.

Daraus schloss die Klägerin, die Swiss Life Select, dass insgesamt für 39 Fälle eine Vertragsstrafe von jeweils 1.500 € zu zahlen sei.

Im Übrigen beantragte sie die Zahlung von 8 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz.

Der Handelsvertreter wandte zunächst ein, dass der Vertrieb Darlehen nicht vermittle. Deshalb handele es sich nicht um Konkurrenzprodukte.

Außerdem wandte er ein, dass er nur einmal gegen die Verpflichtung verstoßen habe, weil er in einen Fortsetzungszusammenhang tätig war, indem er ausschließlich nur in einem neuen Geschäftsbereich die weiteren Verträge vermittelt hat.

Außerdem wandte er ein, dass der Klägerin kein Schaden entstanden sei.

Ferner verwies er auf die neue Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 31.03.2013 unter dem Aktenzeichen VII ZR 224/12, wonach Bestimmungen über Vertragsstrafen unwirksam seien, wenn nicht zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit unterschieden werde.

Das Gericht sah dies jedoch anders:

Das Gericht sah in der Tätigkeit des Handelsvertreters für ein anderes Unternehmen ein vertragswidriges Verhalten, da die Kündigungserklärung des Handelsvertreter das Vertragsverhältnis kurzfristig nicht wirksam beendet hat.

Danach dürfe der Handelsvertreter für Wettbewerber der Klägerin nicht tätig sein.

Da auch die Vermittlung von Krediten zu der Produktpaletten der Klägerin gehören, war insoweit auch die hier erwähnte Tätigkeit verboten.

Auf den Einwand des Beklagten, die Kunden hätten mit der Klägerin niemals einen Vertag abgeschlossen, kommt es nicht an.

Auch fand das Gericht die Vertragsstrafe von 1.500 € pro Kunde nicht unangemessen. Nach den vertraglichen Bestimmungen sei die Klägerin berechtigt, die Vertragsstrafe nach billigem Ermessen festzusetzen, wobei sie 7.500 € nicht übersteigen darf. Dies gelte ausdrücklich für jeden Fall der Zuwiderhandlung, also nicht etwa für eine Summe von Einzelverstößen.

Das Gericht hielt auch die  getroffenen Vereinbarungen über das Konkurrenzverbot und die angedrohte Vertragsstrafe für wirksam. Der Bundesgerichtshof hatte im Jahre 2009 lediglich entschieden, dass eine kumulative Geltendmachung der Ansprüche auf Vertragsstrafe und pauschalierten Schadensersatz unzulässig sei. Darum ginge es ihr jedoch nicht, so das Gericht. Außerdem meinte das Gericht, dass die Bestimmungen über die Vertragsstrafe auch nicht deshalb unwirksam seien, weil sie nicht ausdrücklich klarstellen, dass die Verwirkung der Vertragsstrafe ein Verschulden voraussetze. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 21.03.2012 habe sich mit der Frage beschäftigt, dass zwischen einem schuldhaften Versuch und einer Veränderung unterschieden wurde, wobei im letzteren Falle die Vertragsstrafe nicht von einem Verschulden abhängig gemacht wurde. Diesen Umstand habe der Bundesgerichtshof zum Anlass genommen, die kundenfeindlichste Auslegung vorzunehmen, wonach eine Vertragsstrafe unabhängig vom Verschulden des Vertragspartners habe verlegt werden sollen. Das wäre in der Tat, so das Landgericht Hannover, nicht hinnehmbar.

Hier jedoch gab es, so das Gericht, keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Klägerin eine Vertragsstrafe unabhängig vom Verschulden des Handelsvertreters hat versprechen lassen. Es gelte der allgemeingültige Grundsatz, dass ein Pflichtenverstoß, der mit einer Vertragsstrafe sanktioniert werden soll, ein Verschulden erfordere. Ein solches liege beim Beklagten vor.

Da es bei dem Vertragsstrafenverlangen der Klägerin nicht um eine Entgeltforderung gehe im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB, kommt eine weitergehende Zinsforderung als 5 Prozentpunkte über den Basiszinssatz nicht in Betracht.

Fazit: Gerade in Hinblick auf die verschuldensunabhängige Vertragsstrafenregelung eine denkwürdige Entscheidung. Diese steht meines Erachtens nicht mit der Entscheidung des BGH in Einklang.

Urteil des Landgerichts Hannover vom 18.09.2013

BGH: Bei nur geringem Wettbewerbsverstoß fristlose Kündigung ohne Abmahnung unzulässig

Verstößt ein Handelsvertreter nur geringfügig gegen ein vertragliches Wettbewerbsverbot, ist eine fristlose Kündigung des Handelsvertretervertrags ohne vorherige Abmahnung regelmäßig unzulässig. Dies gilt auch dann, wenn im Vertrag der Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot als wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung benannt ist.

Der Kläger vermittelte für die Beklagte über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren als selbständiger Handelsvertreter Versicherungsverträge. Es war ihm vertraglich verboten, während der Vertragslaufzeit unmittelbar oder mittelbar für andere Versicherungsgesellschaften tätig zu sein.

Im Vertrag war ausdrücklich vorgesehen, dass ein Verstoß gegen dieses Wettbewerbsverbot einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellt. Der Kläger hatte über mehrere Jahre in wenigen Fällen gegen dieses Wettbewerbsverbot verstoßen, ohne jedoch die Beklagte wirtschaftlich schädigen zu wollen. Nachdem die Beklagte hiervon Kenntnis erlangt hatte, kündigte sie den Handelsvertretervertrag fristlos. Der Kläger begehrte die Feststellung, dass der Vertrag nicht durch die fristlose Kündigung beendet wurde.

Die Klage hatte in allen Instanzen Erfolg. Nach Auffassung der Richter stellten sich die Wettbewerbsverstöße bei wertender Betrachtung unter Berücksichtigung der beiderseitigen Parteiinteressen als so geringfügig dar, dass sie einen grundlegenden Vertrauensverlust und damit ein fristloses Kündigungsrecht des Beklagten ohne vorherige Abmahnung nicht begründeten. Eine solche Interessenabwägung im Einzelfall war auch nicht durch die vertragliche Regelung ausgeschlossen, wonach ein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darstellte. Der BGH räumte zwar ein, dass die Benennung von wichtigen Kündigungsgründen im Handelsvertretervertrag die grundsätzlich gebotene Einzelfallabwägung und Zumutbarkeitsprüfung einschränken oder (fast) ganz ausschließen könne (eine Prüfung der Grundsätze von Treu und Glauben erfolgt immer). Ein solcher Parteiwille müsse sich aber deutlich aus der vertraglichen Kündigungsregelung ergeben. Hier ergebe die Vertragsauslegung jedoch, dass geringfügige Wettbewerbsverstöße, durch die das Vertrauensverhältnis zwischen Unternehmer und Handelsvertreter nicht grundlegend beschädigt werde, nicht zur fristlosen Kündigung berechtigen sollten. Zumindest sei in diesen Fällen eine vorherige Abmahnung erforderlich.

BGH, Urteil v. 10.11.2010, VIII ZR 327/09

Nicht jeder ist Handelsvertreter

Ein Softwareentwickler muss nicht zwangsläufig Handelsvertreter beschäftigen.

Eine Entwicklerfirma, die Softwareprogramme für Arztpraxen verkauft, hatte einen freien Mitarbeiter eingestellt, der über diverse geschäftliche Kontakte verfügt. Dieser hatte eine bestimmte Software an Kunden und Geschäftspartner der Entwicklerfirma vermittelt. Er konnte deshalb die Firmenumsätze erheblich steigern. Es wurde sogar vereinbart, dass er erfolgsabhängig vergütet werden sollte. Man führte ein Erfolgskonto, auf das jährlich 5% der Softwarewartungssteigerung gegenüber dem 31.12.2010 verbucht werden.

Der freie Mitarbeiter verlangte nun einen Buchauszug. Er meinte, er sei Handelsvertreter und deshalb hätte er auch die Auskunftsansprüche eines Handelsvertreters gem. § 87 c) Abs. 3 HGB.

Das Landgericht Magdeburg machte am 26.06.2018 unter dem Aktenzeichen 31 O 97/17 dem Mitarbeiter einen dicken Strich durch die Rechnung. Danach sei er kein Handelsvertreter. Ein Handelsvertreter gem. § 84 Abs. 1, Satz 1 HGB ist, wer ständig damit betraut ist, für einen anderen Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Der Handelsvertretervertrag ist ein gegenseitiger Vertrag, und zwar ein spezieller Dienstvertrag über eine Geschäftsbesorgung, nachdem der Handelsvertreter zum Tätigwerden verpflichtet ist.

Nach Ansicht des Gerichts genügt es nicht, dass der Verpflichtete nach der Vereinbarung mit dem Unternehmen für dieses nicht nur einmal, sondern immer wieder Geschäfte vermittelt. Nach der Vereinbarung muss der Mitarbeiter verpflichtet sein, sich ständig um Geschäfte zu bemühen. Eine beiderseitige, auf Dauer berechnete Bindung ist entscheidend. Die Umstände des Einzelfalls sind heranzuziehen und das Gesamtbild der tatsächlichen Handhabung zu würdigen.

Unter Würdigung dieser Umstände kam das Landgericht zu dem Ergebnis, dass  der Anspruch auf einen Buchauszug nicht gegeben ist, weil ein Handelsvertreterverhältnis nicht vorliegt.

1. Abrechnung über den Ausgleichsanspruch bindend

Das Landgericht Hamburg musste am 31.01.2019 darüber entscheiden, ob ein Unternehmen an seine eigene Berechnung des Handelsvertreterausgleichsanspruchs gebunden ist.

Das Unternehmen hatte einen unstreitigen Ausgleichsanspruch gleich zweimal abgerechnet. Zunächst berechnete es einen Betrag von in etwa 34.000,00 €. Dann gab es auf Grund eines Softwareproblems eine Nachberechnung kam dann auf nur etwas mehr als 26.000,00 €. Die Differenz von etwa 7.000,00 € hatte das Unternehmen dem Handelsvertreter als Minus verbucht.

Das Provisionskonto wurde auch nach Vertragsende weitergeführt. Dort wurde der angeblich zu viel gezahlte Betrag als Minus im Provisionskonto verbucht. Dagegen wehrte sich der Handelsvertreter. Er meinte, das Unternehmen sei an die erste Abrechnung gebunden.

Dies sah auch das Landgericht Hamburg in seiner Entscheidung unter dem Aktenzeichen 322 O 34/19 so. Die Beklagte sei hinsichtlich der Höhe des Anspruchs an ihre erste Abrechnung gebunden.

Dass das Softwareprogramm fehlerhaft war oder fehlerhaft bedient wurde, ist ein Unternehmensinternum der Beklagten, welches für den Handelsvertreter erst Recht nicht erkennbar war.

Auch wenn diese Abrechnung für die Beklagte noch nicht bindend gewesen sein sollte, so wurde sie es jedenfalls dadurch, dass der Handelsvertreter diese Abrechnung akzeptiert hat. Man habe sich also konkludent auf das Ergebnis dieser Abrechnung geeinigt.

Landgericht Hamburg, Urteil vom 12.03.2019, Aktenzeichen 322 O 34/19

Rechtsprechung zum Ausgleichsanspruch bei Franchising

Die grundsätzlichen Probleme, ob einem Franchisenehmer ein Ausgleichsanspruch gem. § 89 b HGB analog zusteht, wurde bereits im Handelsvertreterblog beschrieben. Hier nun dazu ein paar richtungsweisende Entscheidungen:

Benetton Entscheidung BGH 23.07.1997 VIII ZR 130/96

In dieser Entscheidung wurde der Anspruch eines Händlers aus § 89 b HGB analog gegen den Hersteller von Oberbekleidung für Erwachsene und Kinder abgewiesen. Dieser hatte seine Produkte weltweit über selbstständige Einzelhändler vertrieben. Die Beziehung der beteiligten Parteien wurde als „franchiseähnliche Rahmenvereinbarung“ beschrieben. Zwar wurde vom BGH festgestellt, dass eine Eingliederung in die Absatzorganisation vorliegen müsse. Diese allein sei aber nicht damit zu begründen, wenn lediglich ein Alleinvertriebsrechts mit Gebietsschutz des Absatzmittlers vereinbart sei. Die Frage des Vorliegens der Analogievoraussetzung, ob eine Einbindung des Händlers in die Vertriebsorganisation des Herstellers vergleichbar einem Handelsvertreter, ließ der BGH offen.

Entscheidend war, dass es den Ausführungen des BGH zufolge an einer erforderlichen Verpflichtung zur Übertragung des Kundenstamms für die analoge Anwendung von § 89b HGB mangelte. Dafür sei erforderlich, dass eine Verpflichtung bestehe, die Kundendaten zu übermitteln, sodass der Franchisegeber sich bei Vertragsende die Vorteile des Kundenstamms „sofort und ohne weiteres“ hätte nutzbar machen können.

Joop-Urteil BGH, 29.04.2010 Az I ZR 3/09

Auch hier wurde der Ausgleichsanspruch abglehnt, aber grundsätzlich im Franchising bestätigt. Hier ging es aber nicht um ein Franchiseverhältnis, sondern eine Markenlizenzvereinbarung. Die Lizenzgeberin, die selbst keine Waren herstellte, räumte nach den vertraglichen Vereinbarungen Unternehmern der Bekleidungsbranche Lizenzen an ihrer Marke „JOOP“ gegen Zahlung einer umsatzorientierten Vergütung ein. Die Lizenz zur Nutzung der Marke galt für die Herstellung, den Vertrieb und die Werbung eines einzigen Produkts, nämlich von Herrenstrümpfen, wobei der Lizenznehmer den Absatz der Vertragswaren durch entsprechende Werbe- und Verkaufsförderungsmaßnahmen zu fördern hatte.

Auch bei dieser Entscheidung wurde vom BGH eine Prüfung der Anwendung von § 89b HGB analog vorgenommen. Der Lizentnehmer ging leer aus. Die Zahlung eines Ausgleichsanspruchs verneinte der BGH.

Das Rechtsverhältnis zwischen ihnen und dem Hersteller oder Lieferanten dürfe sich nicht in einer bloßen Käufer-Verkäufer-Beziehung erschöpfen, so der BGH. Der Händler muss in der Weise in die Absatzorganisation des Herstellers oder Lieferanten eingegliedert sein, dass er wirtschaftlich in erheblichem Umfang dem Handelsvertreter vergleichbare Aufgaben zu erfüllen hätte, und der Händler zum anderen verpflichtet sein, dem Hersteller oder Lieferanten seinen Kundenstamm zu übertragen, so dass sich dieser bei Vertragsende die Vorteile des Kundenstamms sofort und ohne weiteres nutzbar machen kann. Das sah der BGH hier nicht als gegeben an.

Kamps-Entscheidung BGH 05.02.2015 Az VII ZR 109/13

Der BGH widerholt seine Auffassung, dass Vorschriften des Rechts der Handelsvertreter auf einen Franchisevertrag analog anwendbar sein können. Dies gilt aber nur, wenn der Grundgedanke der Regelung – die Gleichheit der Interessenslagen – auf das Franchising übertragbar sei.

Der Insolvenzverwalter des ehemaligen Franchisenehmers forderte in der Kamps-Entscheidung vom Franchisegeber einen Ausgleichsanspruch gem. § 89 b HGB analog. Franchisegeber war eine Handwerksbäckerei-Kette. Diese hatte Räumlichkeiten im Rahmen von Pachtverträgen zur Verfügung gestellt und den Franchisenehmer verplichtet, diese Geschäftsräume nach Vertragsbeendigung an den Franchisegeber zurückzugeben.

Nach dem BGH sei ein vom Franchisenehmer geworbener, zumeist anonymer Kundenstamm nach Vertragsbeendigung für den Franchisegeber nicht ohne Weiteres nutzbar. Eine tatsächliche Möglichkeit Zur Nutzung der Kundenkontakte sei eingeschränkt, da der Franchisenehmer an einem unmittelbar benachbarten Standort weiterhin ein vergleichbares Geschäft (hier: Bäckerei) betreiben könne und von dieser Möglichkeit Gebrauch machen könne. Die tatsächliche Möglichkeit, die gepachteten Räume an einen neuen Franchisenehmer zu übergeben oder dort selbst ein entsprechendes Geschäft zu betreiben, ließe eine entsprechende Anwendung von § 89 b HGB nicht zu.

Der Kläger wies darauf hin, dass im Falle eines anonymisierten Massegeschäfts – wie hier – eine vertragliche Verpflichtung zur Übertragung des Kundenstamms nicht gäbe, weil keine Kundendaten vorliegen. Der BGH entgegnet diesem argument im Urteil damit, dass bei einer bloß faktischen Kontinuität des Kundenstamms keine hinreichende Ähnlichkeit der Interessenlage mit derjenigen des Handelsvertreters bestehen würde. Also wurde der Ausgleichsanspruch verneint.

Ohne Kundendaten-Urteil BGH 05.02.2015 Az VII ZR 315/13

Der BGH verneinte einen Ausgleichsanspruch für Kundendaten bei einem Vertragshändler. In dieser speziellen Entscheidung begründete der BGH seine Auffassung damit, dass der Hersteller oder Lieferant nach den vertraglichen Vereinbarungen verpflichtet war, die ihm vom Vertragshändler überlassenen Kundendaten bei Beendigung des Vertrags zu sperren, und ihre Nutzung einzustellen und auf Verlangen des Vertragshändlers zu löschen, nicht jedoch herauszugeben.

SonderpostenUrteil BGH 21.07.2016 Az I ZR 229/15

Hier hatte der BGH grundsätzlich einen Ausgleichsanspruch analog für möglich gehalten.

Es ging es um einen Kommissionsagenten (Sonderpostenmarkt). Ähnlich wie ein Handelsvertreter war er in die Absatzorganisation eingebunden. Es gab allerdings keine Pflicht zur Überlassung des Kundenstamms.

Der BGH meinte, dass im anonymisierten Massengeschäft in einem stationären Sonderpostenmarkt für eine Übernahme des Kundenstamms nicht in gleicher Weise wie beim Verkauf hochwertiger Wirtschaftsgüter der Zugang zu vollständigen Kundendaten den Ausschlag für die Bejahung einer analogen Anwendung von § 89 b HGB geben könne. Wenn der Kommissionsagent vom Kommittenten angemietete Räume ähnlich einem filialähnlich organisierten Markt betreibe und der Kommittent über ein von ihm vorinstalliertes Kassensystem ständigen Zugriff auf Informationen zu allen Verkaufsvorgängen und auf sämtliche von den Kunden im Rahmen des Bezahlvorgangs mitgeteilten personenbezogenen Daten habe, kann von einer faktischen Kontinuität des Kundenstamms auszugehen sein. Dies gilt umso mehr, wenn der Kommittent nach Beendigung des Kommissionsagenturverhältnisses den Markt unter derselben Geschäftsbezeichnung in denselben Geschäftsräumen weiterführen könne. Der Kommissionsagent sei nach Ansicht des BGH gem. § 384 Abs.2 HGB zur Überlassung des Kundenstamms verpflichtet (der Franchisenehmer nicht).

Fazit:

Vieles bleibt unklar, eines steht jedoch nach allen Entscheidungen fest: Ohne Übertragung des Kundenstamms gibt es keinen Ausgleichsanspruch analog zu § 89 b HGB.

Sind Franchiser Handelsvertreter?

Franchisenehmer sind keine Handelsvertreter, oder doch? Zuweilen gibt es hier Missverständnisse. Vorwegzunehmen ist, dass Franchisenehmern teilweise gleiche Ansprüche, wie etwa der Ausgleichsanspruch, zustehen.

Handelsvertreter haben gemäß § 89 b HGB einen Ausgleichsanspruch, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. Der Ausgleich ist erst seit 1953 im HGB verankert. Erstmalig wurden Handelsagenten (-vertreter) im HGB erwähnt, das am 01.01.1900 in Kraft trat. Teilweise wurden sie auch Handlungsreisende genannt. Wie die Bezeichnung hat sich auch das Berufsbild gewandelt.

Da das Berufsbild unklar war, wollte man auch nicht alles gesetzlich regeln. Mit 9 Paragrafen hatte das alte HGB alles geregelt. Schutzrechte des Handelsvertreters vor Benachteiligungen fanden zunächst überhaupt keine Rücksicht.

Handelsvertreter ist nunmehr gem § 84 HGB, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für andere Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen.

Franchising ist ein vertraglich festgelegtes Geschäftsmodell, bei dem der Franchisegeber den rechtlich und finanziell selbständigen Franchisenehmer ein Geschäftskonzept nach seinen Vorgaben zu entgeltlichen Nutzung überlässt. Der Franchisenehmer ist damit kein Handelsvertreter.

Franchising-Unternehmen sind beispielsweise Ketten wie Subway, Esprit, McDonald`s und so weiter. Franchiser sind keine Filialen. Filialen gehören zum Unternehmen und sind lediglich wirtschaftlich unselbständige Hauptstellen.

Franchisenehmer kommen nicht selten auf die nachvollziehbare Idee, einen Ausgleichsanspruch zu fordern. Sie haben zwar nicht direkt darauf einen Anspruch, jedoch teilweise gemäß § 89 b HGB analog. Das Argument der Franchiser ist, dass die Interessenslage mit dem eines Handelsvertreters vergeichbar ist.

Der Bundesgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung einen „analogen“ Ausgleichsanspruch für Handelsvertreter bejaht, wenn sich das Rechtsverhältnis zwischen Vertragshändler und dem Hersteller oder Lieferanten

– nicht in einer bloßen Käufer- Verkäufer-Beziehung erschöpft, sondern der Händler in der Weise in die Abseitsorganisation des Herstellers des Lieferanten eingegliedert ist, dass er wirtschaftlich in erheblichem Umfang dem Handelsvertreter vergleichbare Aufgaben zu erfüllen hat und

– vertraglich verpflichtet ist, dem Hersteller oder Lieferanten seinen Kundenstamm zu übertragen, so dass diese Vorteile des Kundenstammes bei Vertragsende sofort und ohne weiteres nutzbar machen kann.

Einen Ausgleichsanspruch für Franchisenehmer setzt also im einzelnen voraus:

  1. Der Vertriebsvermittler muss selbständig sein.
  2. Die vertragliche Beziehung zwischen Unternehmer und Vertriebsvermittler darf sich nicht in der reinen Verkäufer-Käufer-Beziehung erschöpfen.
  3. Der Vertriebsvermittler muss nach Gestaltung und Handhabung des Vertrages den handelsvertretertypischen Bindungen unterliegen.
  4. Durch Pflichten, wie sie in einer Verkäufer-Käufer-Beziehung nicht bestehen, muss der Franchisenehmer auf Dauer so in die Absatzorganisation des Unternehmers eingegliedert sein, dass er wirtschaftlich weitgehend einem Handelsvertreter vergleichbarer Aufgaben zu erledigen hat.
  5. Er muss den Absatz des Unternehmens laufend zu fördern haben, was im Zweifelsfall durch Werbung neuer Kunden sowie einen Ausbau bestehender Geschäftsbeziehungen zu geschehen hat.
  6. Spätestens bei Beendigung des Vertriebsvertrages muss die Überlassung des Kundenstammes an den Unternehmer durch Übermittlung der Kundendaten vorliegen, so dass dieser dessen Vorteile bei Vertragsende sogleich für sich nutzbar machen kann.

Auskunft beim Ausgleichsanspruch

Das Oberlandesgericht Frankfurt hatte sich im März 2019 mit dem Ausgleichsanspruch eines Vertragshändlers beschäftigen müssen.

Verklagt wurde eine Generalimporteurin für Fahrzeuge der Marke1 für Deutschland. Mit der Klägerin schloss sie einen Händlervertrag Pkw sowie einen Servicevertrag über die Marke1. Dieser Vertrag wurde gekündigt.

Der Vertragshändler verlangte die Rücknahme von Ersatzteilen bzw. Zahlung und Auskunft. Da sich der Ausgleichsanspruch nach den Unternehmervorteilen berechne und diese dem Händler unbekannt sind und von dem Importeur errechnet werden könnten, wurde die eingeklagte Auskunft darauf gestützt. Der Deckungsbeitrag (Rohertrag) einer Importeurin ergibt durch Abzug des Einkaufspreises vom Verkaufspreis. In dieser Hinsicht bekam der Händler in beiden Instanzen Recht.

Er verlangte noch Belege. Diese wurden ihm allerdings in beiden Instanzen aberkannt.

Die Importeurin wurde von beiden Instanzen zur Zahlung Zug und Zug gegen Rücknahme der Ersatzteile verurteilt.

Das erstinstantliche Urteil wurde vom OLG also in vollem Umfang bestätigt.

Die Ersatzteile mussten zurückgenommen werden, weil der Importeur nachvertraglich zur Treue verpflichtet sein. Der daraus hergeleitete Rücknahmeanspruch beschränkt sich nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 20.07.2005, VIII ZR 121/04) auf Warenbestände, deren Abnahme und Lagerung durch den Eigenhändler im Interesse ordnungsmäßiger Vertragserfüllung geboten war. Der klagende Händler kann so die Folgen seiner vertraglichen Verpflichtung gegenüber dem Importeur, nicht auch das Risiko darüber hinausgehender eigener unternehmerischer Entscheidungen, auf diesen abwälzen.

Ob der Händler einen Auskunftsanspruch hat und ob ihm überhaupt Ausgleichsansprüche zustehen, war vom Gericht zunächst zu prüfen. Denn Ausgleichsansprüche stehen gem. § 89 b HGB nur Handelsvertretern zu. Ein solcher war der Vertragshändler nicht.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist die auf Handelsvertreter zugeschnittene Bestimmung des § 89b HGB auf einen Vertragshändler entsprechend anzuwenden, wenn sich das Rechtsverhältnis zwischen ihm und dem Hersteller oder Lieferanten nicht in einer bloßen Käufer-Verkäufer-Beziehung erschöpft, sondern der Vertragshändler so in die Absatzorganisation des Herstellers oder Lieferanten eingegliedert ist, dass er wirtschaftlich in erheblichem Umfang dem Handelsvertreter vergleichbare Aufgaben zu erfüllen hatte, und der Händler zum anderen verpflichtet ist, dem Hersteller oder Lieferanten seinen Kundenstamm zu übertragen, so dass sich dieser bei Vertragsende die Vorteile des Kundenstamms sofort und ohne weiteres nutzbar machen kann (BGH, Urteil vom 06.10.2010 – VIII ZR 209/07 zum Kfz-Vertragshändler). Das OLG meinte, dass allein entscheidend sei, ob der Kfz-Vertragshändler wie ein Handelsvertreter in die Absatzorganisation des Herstellers eingegliedert ist und einen von ihm für den Hersteller neu geworbenen sowie an den Hersteller zu überlassenden Mehrfachkundenstamm aufbaue.

Dies sah das OLG als erfüllt an.

Maßstab für § 89b Abs. 1 Nr. 1 HGB sind die Unternehmervorteile. Diese sind nach der Neufassung des § 89b Abs. 1 HGB nicht mehr durch die Höhe der Provisionsverluste des Handelsvertreters beschränkt. Deshalb hat sich der Händler auch nicht damit abzufinden, dass er die Berechnung doch anhand der Verluste vornehmen könne, wie es die Beklagte behauptet hatte. So hatte das OLG Frankfurt auf ein Urteil des OLG Düsseldorf Bezug genommen, das einen Auskunftsanspruch abgelehnt hatte (OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.01.2017 – 16 U 171/15).

Da die Klägerin über eine entsprechende Kenntnis der Unternehmensvorteile nicht verfügt, steht ihr der Auskunftsanspruch zu. Mit dieser profanen Begründung wurde der Auskunftsanspruch durch das OLG Frankfurt bestätigt.

Beim Einsichtnahmerecht in Belege entschied das OLG Frankfurt im Ergebnis anders als das OLG Düsseldorf. Zwar kann nach § 810 BGB und aus § 242 BGB ein Vorlageanspruch von Urkunden bestehen. Unter Abwägung der beiderseitigen schutzwürdigen Belange gebe es in Frankfurt ein berechtigtes Interesse an einer derartigen Urkundeneinsicht nicht. Der Anspruch setze nämlich voraus, dass die Einsicht zur Förderung, Einhaltung und Verteidigung seiner rechtlich geschützten Interessen benötigt wird. Das OLG Düsseldorf hatte das bejaht, weil bereits zuvor erteilte Auskünfte lückenhaft waren. Der Auskunftsverpflichtete war in Düsseldorf trotz entsprechender Hinweise zur Erteilung einer erschöpfenden Auskunft nicht bereit. Dies war allerdings in Frankfurt nicht der Fall, so dass das Einsichtnahmerecht vom OLG Frankfurt abgelehnt wurde.

Urteil des OLG Frankfurt vom 13.03.2019 Az 12 U 37/18

Das Geschäftsgeheimnisgesetz

Gerichtsverhandlungen eignen sich als hervorragende Weiterbildungsveranstaltung. Das durfte auch ein auf Vertriebsrecht spezialisierter Anwaltskollege erfahren.

Wie bisher richtig, baute er seinen Vorwurf an den Handelsvertreter auf § 17 UWG auf, dem Verrat von Geschäfts-und Betriebsgeheimnissen. Oft wird Handelsvertretern der Vorwurf gemacht, sie hätten alte Kundendaten dazu genutzt, um Abwerbung zu betreiben. Dies war auch hier der Vorwurf.

Das Gericht, dann und wann in Fragen des Handelsvertreterrechts nicht spezialisiert, wies darauf hin, dass es den § 17 UWG nicht mehr gibt. Dieser sei seit dem 26.4.2019 weggefallen und durch das Geschäftsgeheimnisgesetz ersetzt worden.

Dieses neue Gesetz ist wesentlich differenzierter als die bisherige Regelung.

Schutz als Geschäftsgeheimnis genießt eine Information künftig nur, wenn den Umständen nach angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen getroffen wurden. Dies können vertragliche, organisatorische oder technische Vorkehrungen sein. Die geheime Information muss zumindest einen potentiellen wirtschaftlichen Wert hat und Gegenstand angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen sein.

Sicher werden in Zukunft auch Rechtsabteilungen anderer großér Vertriebe, die dieses Gesetz offenkundig auch nicht kannten, ihre Abmahnschreiben anpassen.

Hilfsleine Datenschutz

Natürlich muss ein Vertrieb, ein Versicherer oder ein anderes Unternehmen einen Buchauszug erstellen, wenn der Handelsvertreter dies von ihm verlangt.

Darüber wurde viel hier im Blog berichtet. § 87 c Abs.2 HGB gewährt dies. Der Handelsvertreter hat alle provisionsrelevanten Umstände zu erfahren. Man erhält durch den Buchauszug auch die Kunden- und Vertragsdaten.

Dies ist nicht als eine Lästigkeit abzutun, sondern für den Handelsvertreter die einzige Möglichkeit, seine Provionsansprüche zu überprüfen.

Der Kreativität einiger Unternehmen ist es zu verdanken, dass die Einwendungen gegen einen solchen Buchauszug keine Grenzen kennen. Oft wird vorgetragen, man habe als Vertrieb doch gar keine Daten. Ganz neu ist jedoch der Einwand, man dürfe doch gar keine fremden Daten herausgeben. Das Datenschutzgesetz, und erst Recht die Datenschutzgrundverordnung, verbieten es geradezu.

Gerade Strukturvertriebe, in denen mal eben so alle Handelsvertreter in einer Struktur über alle Verträge informiert werden, und natürlich dann auch all diese Daten einsehen können, fällt plötzlich ein, dass es einen Datenschutz gibt. Der Datenschutz soll plötzlich als Hilfsleine vor dem lästigen Buchauszug dienen.

Das Oberlandesgericht München hatte bereits kürzlich mit einer handelsvertreterfreundlichen Auffassung dem Buchauszug den Rücken gestärkt.

Jetzt setzt es noch einen drauf und urteilt, dass der Datenschutz den Anspruch auf den Buchauszug nicht untergraben dürfe (OLG München vom 31.7.2019, Az 7 U 4012/17).

Das OLG hat folgende Kernpunkte entschieden:

  • Das Interesse des Unternehmers an der Wahrung von Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnissen ist im Rahmen des § 87c Abs. 2 HGB irrelevant, da deren Schutz durch § 90 HGB geregelt ist. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
  • Die DSGVO ist grundsätzlich auf alle erteilten Buchauszüge und auch auf alle nach § 87c Abs. 2 HGB zukünftig noch vorzunehmenden Datenverarbeitungen anwendbar, jedoch ist die mit der Erteilung eines Buchauszuges verbundene Datenübermittlung nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 DSGVO erlaubt.

Die Treue gegenüber dem Handelsvertreter

Das Recht der Handelsvertreter ist in § 84 HGB geregelt. Außer der Allgemeinformulierung, dass ein Handelsvertreter ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen, gibt § 84 HGB nicht viel her. Anerkannt ist jedoch, dass sich aus § 84 HGB direkt eine Treueverpflichtung ergibt.

Auch wenn der Begriff der Treue für den Laien eine unterschiedliche Bedeutung haben könnte, heißt es für den Handelsvertreter:

Der Handelsvertreter hat die Interessen des Unternehmens wahrzunehmen (§ 86 Abs. 1 HGB), er muss ggf. die über seine Tätigkeit erforderlichen Berichte abgeben, von jedem vermittelten und abgeschlossenen Geschäft unverzüglich Mitteilung machen und er darf im Rahmen der Treuepflicht grundsätzlich nicht für ein Konkurrenzunternehmen tätig werden.

Aus dem geschlossenen Handelsvertretervertrag ergeben sich aber auch ungeschriebene Pflichten des Unternehmers. Wenn dem Handelsvertreter Treuepflichten treffen, so hat der auch Unternehmer Pflichten zur Unterstützung und Rücksichtnahme gegenüber dem Handelsvertreter einzuhalten.

Im Arbeitsrecht gibt es eine weitreichende Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, im Handelsvertreterrecht nicht. Weitreichende Treuepflichten gibt es auch innerhalb einer Personengesellschaft oder bei den Gesellschaftern in einer GmbH oder AG, die u.a. in Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGHZ, 65,15; 103,184) verankert wurden. Bei Handelsvertretern gibts es diese jedoch nicht. Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 14.09.2012 unter dem Aktenzeichen I-16 U 77/11 ist der Unternehmer zur Treue und Loyalität verpflichtet. Er muss den Handelsvertreter unterstützen und ihm gegenüber Rücksicht nehmen, und zwar im gleichen Umfang, wie er sie umgekehrt von seinem Vertreter erwarten darf.

Dies geht jedoch nicht so weit, als dass der Handelsvertreter verlangen könnte, dass nicht auch andere Personen  mit der Vermittlung und dem Abschluss von Geschäften beauftragt werden. Nur dann, wenn der Handelsvertreter ein sog. Alleinvertreter ist, kann er erwarten und verlangen, dass keine weiteren Handelsvertreter in sein Arbeitsfeld eingreifen (vgl. BGH-Urteil vom 23.07.1997, Aktenzeichen VIII ZR 130/96, OLG München, Urteil vom 29.07.2010, Aktenzeichen 23 U 4893/09).

Grundsätzlich hat der Bundesgerichtshof anerkannt, dass die Treueverpflichtungen, die zwischen einem Unternehmer und einem Vertragshändler bestehen, auch auf das Handelsvertreterrecht anzuwenden sind.

In der Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf führte dies allerdings nicht dazu, dass der eine Handyvertreter von dem Mobilfunkanbieter verlangen kann, dass nicht ein weiterer Handyvertreter in der gleichen Einkaufspassage tätig wird. Grundsätzlich nämlich hat das Unternehmen Dispositionsfreiheit. Das Unternehmen kann seine Produkte z.B. auch über das Internet anbieten, ohne gegen die Treueverpflichtung gegenüber dem Handelsvertreter zu verstoßen. Er darf allerdings nicht an dieselben Kunden herantreten, für die der Handelsvertreter tätig ist und diesen günstigere Preise anbieten. Dies wäre ein eklatanter Verstoß gegen die Treueverpflichtung. Der Unternehmer würde sich damit Schadensersatzpflichtig machen.

Ein Verstoß gegen Treue- und Unterstützungspflichten des Unternehmers könnte sich jedoch daraus ergeben,

  • wenn der Unternehmer kurzfristig den Verkauf der Produktschiene einstellt,
  • wenn der Unternehmer plötzlich qualitativ schlechte Produkte anbietet,
  • wenn der Unternehmer eine schlechte Software anbietet, mit der der Verkauf des Produkts erheblich erschwert wird.

Der BGH und die Nachbearbeitungspflichten

Der Bundesgerichtshof hat immer wieder entschieden, dass im Falle der Stornierung das Versicherungsunternehmen verpflichtet ist, in dem gebotenen Umfang nachzuarbeiten. Das Unternehmen hat also Nachbearbeitungsverpflichtungen (Urteil Bundesgerichtshof 12.11.1987 Aktenzeichen I ZR 3/86).

Dazu ein paar grundliegende Zusammenfassungen:

Bundesgerichtshof 12.11.1987 Aktenzeichen I ZR 3/86:

Der Anspruch auf Provision entfällt erst dann, wenn das Versicherungsunternehmen die Ausführung des Geschäftes ohne dessen Verschulden unmöglich oder unzumutbar wird. Die Darlegungs- und Beweislast trifft den Versicherer. Ihm obliegt es, notleidende Verträge nachzuarbeiten. Art und Umfang bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalles (Bundesgerichtshof Versicherungsrecht 1983, 371).

Bundesgerichtshof 25.05.2005 Aktenzeichen VIII ZR 237/04:

Das Versicherungsunternehmen kann entweder eigene Maßnahmen zur Stornoabwehr ergreifen, die dann nach Art und Umfang ausreichend sein müssen, was im Streitfall von ihm darzulegen und zu beweisen ist, oder sich darauf beschränken, dem Versicherungsvertreter durch eine Stornogefahrmitteilung Gelegenheit zu geben, den notleidend gewordenen Vertrag selbst nachzuarbeiten (Bundesgerichtshof Urteil vom 12.11.1987)

Bundesgerichtshof Urteil 19.11.1982 Aktenzeichen I ZR 125/80:

Der Anspruch auf Provision entfällt, wenn feststeht, dass der Dritte nicht leistet (§ 87 a HGB) Diese Regelung ist nicht anwendbar, wenn noch vor der Leistung des Unternehmers der Versicherungsnehmer die Leistung ablehnt, die Zahlung der Prämie verweigert oder sich sonst vom Vertrag lossagt. Die bloße Zahlungsverweigerung begründet allein noch nicht die Feststellung, dass der Dritte nicht gemäß § 87 a Abs. 2 HGB leistet.

Wenn der Versicherungsnehmer die Prämie nicht leistet, entfällt der Provisionsanspruch nach der Maßgabe des § 87a Abs. 3 Satz 2 HGB, wenn dem Versicherer die Ausführung des Geschäftes ohne Verschulden unmöglich oder nicht zumutbar ist. Der Versicherer trägt die Darlegungs- und Beweislast.

Die Nachbearbeitung ist unzumutbar, wenn es sich um Kleinstprovisionen von 10 DM und 20 DM handelt. Das Schweigen auf den Erhalt der Abrechnung ist jedenfalls kein Anerkenntnis.

Urteil Bundesgerichtshof vom 28.06.2012 Aktenzeichen VII ZR 130/11:

Entscheidet sich der Versicherer für die Versendung von Stornoabwehrmitteilungen, müssen diese mit Rücksicht auf das Provisionsinteresse so rechtzeitig versandt werden, dass der Vertreter sich sinnvoll und mit Aussicht auf Erfolg um eine Rettung der Verträge kümmern kann. Als Zeitraum für ein rechtzeitiges Übersenden werden zwei Wochen genannt.

Führt der Versicherer die Stornobekämpfung selbst durch, muss er darlegen und beweisen, ausreichende Maßnahmen ergriffen zu haben. Die bloße Versendung einer Stornogefahrmitteilung an den Bestandsnachfolger ist keine ordnungsgemäße Nachbearbeitung notleidender Versicherungsverträge. Denn der Bestandsnachfolger verfolgt hauptsächlich sein eigenes Provisionsinteresse.

Bundesgerichtshof Urteil vom 01.12.2010 Aktenzeichen VIII ZR 310/09:

Der Versicherer ist nicht verpflichtet darzulegen und zu beweisen, dass der Versicherungsvertreter die Stornogefahrmitteilungen tatsächlich erhalten hat.

Ein bloßes Mahnschreiben des Versicherungsunternehmens an den Versicherungsnehmer genügt grundsätzlich nicht als ausreichende Nachbearbeitung. Es ist erforderlich, den Versicherungsnehmer zur Erfüllung seiner Vertragspflicht ernsthaft und nachdrücklich anzuhalten. Es genügt jedenfalls nicht, ein Mahnschreiben zu übersenden und in diesem eindringlich auf die Vorteile der abgeschlossenen Versicherung hinzuweisen („Bedenken Sie die Vorteile einer Lebens- bzw. Rentenversicherung: Versicherungsschutz für den Bezugsberechtigten, steuerliche Vergünstigungen für die gezahlten Beiträge, Beteiligungen an den Überschüssen. Sollten Sie Fragen zu Ihrer Versicherung haben, wenden Sie sich an uns. Wir sind gern bereit, Sie zu beraten und Ihnen Vorschläge zu unterbreiten“.)

Offengelassen hat der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung, ob der Versicherer nach den Gründen für die Nichtzahlung zu forschen hat und gemeinsam mit dem Prämienschuldner eine Lösung suchen muss (so Oberlandesgericht Brandenburg Urteil 07.10.2010 Aktenzeichen 12 U 96/09, Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss vom 21.02.2007 Aktenzeichen I -16 W 70/06) Dafür ist eine regelmäßige Rücksprache mit den Schuldner nach Oberlandesgericht Brandenburg und Oberlandesgericht Düsseldorf erforderlich. Der Bundesgerichtshof hat diese Frage offen gelassen.

Der Bundesgerichtshof ließ in dieser Entscheidung offen, ob ein Versicherungsmakler  wie beim Versicherungsvertreter § 87 a Abs.  3 HGB anzuwenden ist. Auf den Meinungsstreit kommt es nach dem BGH nicht an, da sich eine Schutzbedürftigkeit für den Makler bereits aus Treu und Glauben ergibt.

Oberlandesgericht Köln vom 09.09.2005 Aktenzeichen 19 U 147/04:

Maßstab für die Nachbearbeitungspflicht ist der Aufwand, den der Versicherungsvertreter selbst betreiben würde.

In Bezug auf gefährdete Verträge stellen versandten Mahnschreiben keine ausreichende Nachbearbeitungsmaßnahme dar. Schließlich würde der Versicherungsvertreter es nicht bei standardisierten Mahnschreiben belassen, sondern durch persönliche oder telefonische Kontaktaufnahme die Versicherungsnehmer ernsthaft und nachdrücklich auf die für die Negativfolgen einer  Vertragsbeendigung hinweisen und auf seine Vertragsfortsetzung hinwirken (so auch Oberlandesgericht Zweibrücken Urteil vom 24.05.2011 Aktenzeichen 8 U 858/08, mehrere Mahnschreiben könnten genügen, so Oberlandesgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 04.03.2011 Aktenzeichen 14 U 86/10)

Bundesarbeitsgericht Urteil vom 21.01.2015 Aktenzeichen 10 AZR 84/14

Auch gegenüber dem angestellten Versicherungsvertreter muss die ordnungsgemäße Nachbearbeitung gemäß § 87 a Abs. 3 Satz 2 HGB erfolgen. Die Anwendbarkeit des § 87 a Abs. 3 HGB gilt auch für Arbeitnehmer gemäß § 65 HGB, somit auch für den angestellten Makler.

Ansonsten schließt sich das Bundesarbeitsgericht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes an.