DVAG

Wenn der Finanzberater klingelt – Der falsche Traum vom großen Geld

Gestern ging es auf eine Art Betriebsausflug zu Kollege Behrens:

Zur Einstimmung gab es um 20.15 Uhr den am Badenia-Skandal angelehnten ZDF-Film mit dem RTLigen Titel Bis über den Tod hinaus. Dort geht es um Schrottimmobilien und entsprechende Kreditvermittlung, deren gekoppelte Vermittlung durch einen Finanzvertrieb besorgt wurde. Auch, wenn es im Film manchmal etwas plakativ dargestellt wurde, haben die Autoren kaum übertrieben. Während der Bösewicht hier eher ein mittelständischer Unternehmer war, wäre es nicht falsch gewesen, hier diese Massenorganisationen wie die Strukturvertriebe zu thematisieren, bei denen gruppendynamischer Druck aufgebaut wird.

Die Hauptperson entschließt sich, undercover so eine Strukkibude aufzuklären. Ich musste schmunzeln, denn als ich vor vier Jahren zu diesem Thema zu recherchieren begann, hatte ich auch mit dem Gedanken gespielt, spaßeshalber eine entsprechende „Grundausbildung“ zu absolvieren und dann im Stil von Günther Wallraff drüber zu berichten …

Danach kam dann die WDR-Doku über die DVAG mit einem Schuss AWD. Wir, die Handelsvertreter-Blogger, hatten dieses Produktion vor und hinter den Kulissen mitbetreut. Sofort nach der Sendung setzte dann auch gleich der übliche Abwehrzauber im Internet ein:

„Einzelfälle!“,“Einseitig!“, „Schwarze Schafe gibt es überall!“, „Persönlich Gescheiterte“ usw.

Unfug.

Die beiden letztlich vom WDR ausgewählten Ex-Handelsvertreter waren absolut repräsentativ, die Fälle sogar eher unspektakulär. Beide waren über 5 bzw. 19 Jahre dabei gewesen, was schon recht lange ist, denn in Finanzstrukturvertrieben hält es ein Großteil keine 12 Monate aus. Wie nahezu alle derartigen Aussteiger, die bei uns aufschlagen, nahmen auch die beiden portraitierten Leute ihre Unternehmen als Familie war und glaubten an die gefeierten Firmenpatriarchen. Es ist absolut typisch für die DVAG, dass Handelsvertreter, die plötzlich in finanzielle Nöte kommen, sich in einer für Außenstehende naiv wirkenden Weise mit persönlichen Briefen an den als eine Art Weihnachtsmann empfundenen „Doktor“ wenden – und dann keine Antwort bekommen.

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Bundesarbeitsgericht stellt Regeln zum Betriebsübergang auf

Wenn ein Betrieb oder Teile eines Betriebes verkauft werden, gehen die Arbeitsverträge auf den neuen Inhaber über. So ist es grundsätzlich in §613a BGB geregelt.

Voraussetzung ist, dass der Übergang dem Arbeitnehmer ordnungsgemäß (mit allen notwendigen Informationen) angezeigt wird. Dann hat der Arbeitnehmer einen Monat Zeit, um dem Wechsel zu widerprechen. Das Bundesarbeitsgericht hatte bereits im Jahre 2008 entschieden, dass der Arbeitnehmer über die konkrete Identität des neuen Arbeitgebers informiert werden muss.

In einer aktuellen Entscheidung vom 23.7.09 hatte das BAG diese strengen Regeln grundsätzlich bestätigt (Az. 8 AZR 357/08). Dennoch ging hier der Kläger (Arbeitnehmer) leer aus, da ihm vorgehalten wurde, er hätte durch einen Aufhebungsvertrag das neue Arbeitsverhältnis akzeptiert.

Wir sind nun gespannt, inwiefern sich diese Entscheidung auf die Handelsvertreterverhältnisse übertragen lässt. Wir berichteten bereits darüber, dass angeblich (wir wissen es nicht) die AachenMünchener ihren ganzen Außenvertrieb an die DVAG Allfinanz verkauft hätte.

Zur Zeit läuft ein Musterprozess, in dem diese Frage nach einem wirksamen Übergang geklärt wird.

Der BGH zum Inhalt des Abschiedsschreibens

Nicht nur die DVAG verlangt mitunter – sozusagen als Gegenleistung für den Abschluss eines Aufhebungsvertrages – ein Abschiedsschreiben. Die Kunden sollen allesamt angeschrieben werden und der neue Betreuer vorgestellt werden.

Was aber, wenn dieses Abschiedsschreiben einen anderen Wortlaut hat. Der BGH hatte darüber in einem Fall zu entscheiden und gesagt, wie man es nicht machen sollte:

Dazu im einzelnen Textauszüge aus dem Urteil BGH vom 22. 4. 2004 – I ZR 303/01 :

„Das vom Beklagten an die von ihm betreuten Mitglieder des Klägers versandte Schreiben zielte auf deren Abwerbung. Gegen die Sicht, es sei nur ein Abschiedsschreiben, spricht die Angabe der privaten Anschrift und der Telefonnummer des Beklagten zu 2. Es kommt hinzu, daß sich der Beklagte zu 2 in dem Schreiben für das „bisherige … Vertrauen“ bedankt. Diese Formulierung sollte es den Adressaten ersichtlich nahelegen zu erwägen, mit dem Beklagten zu 2 auch nach dessen Ausscheiden beim Kläger weiterhin vertrauensvoll zusammenzuarbeiten. Ein ernstlich gemeintes und als solches dann auch im Interesse des Klägers liegendes Verabschiedungsschreiben hätte zudem Angaben zu der die Adressaten insbesondere interessierenden Frage enthalten, wie und, falls dies schon feststand, durch wen deren weitere steuerliche Beratung beim Kläger erfolgen würde. Alles in allem genommen war das Schreiben vom 19. Dezember 1998 daher darauf ausgerichtet, die vom Beklagten zu 2 seinerzeit betreuten Mitglieder zu veranlassen, sich auch weiterhin von diesem beraten zu lassen und sich hinsichtlich eines Wechsels der Mitgliedschaft in einem Lohnsteuerhilfeverein an den Beklagten zu 2 zu wenden.

Der Beklagte zu 2 verhielt sich schon deshalb unlauter i. S. des § 1 UWG, weil er zu dem Zeitpunkt, zu dem er das Rundschreiben versandte , noch in einem Arbeitsverhältnis zum Kläger stand und sich daher diesem gegenüber loyal zu verhalten hatte (vgl. RG GRUR 1939, 728, 731; BAG AP Nr. 5 zu § 60 HGB = BB 1970, 1095; Baumbach/ Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., § 1 UWG Rdn. 601; Großkomm. HGB/ Konzen/ Weber, 4. Aufl., § 60 Rdn. 17). Das galt zumal im Hinblick darauf, daß er als – teilweise langjähriger – steuerlicher Betreuer der Mitglieder des Klägers diesen gegenüber eine Vertrauensstellung innehatte und deshalb auch noch nach seinem Ausscheiden beim Kläger immerhin in einem gewissen Umfang auf dessen Interessen Rücksicht nehmen mußte (vgl. Großkomm. UWG/ Brandner/ Bergmann, § 1 Rdn. A 240). Die Wettbewerbswidrigkeit der Verhaltensweise des Beklagten zu 2 folgt zudem daraus, daß dieser das ihm vom Kläger anvertraute wertvolle Adressenmaterial zweckwidrig und zielgerichtet für sein Unternehmen, beim Kläger noch während des dort bestehenden Beschäftigungsverhältnisses eine erhebliche Anzahl von Mitgliedern abzuwerben, zum Einsatz brachte.“

AWD-Maschmeyer kapert MLP

Die Wieslocher MLP AG galt bis 2002 als der Edelste unter den Finanzvertrieben. Man stellte als Vertriebspersonal möglichst ausschließlich Akademiker ein, die mit der bevorzugten akademischen Klientel auf einer Wellenlinie lagen. Um sich von den klassischen Versicherungsvertretern abzugrenzen, aber auch um Akademiker bereits auf der Uni abzufischen und den Studierenden die Identifikation zu erleichtern, verzichtete man auf Krawatte und ähnliche Anachronismen. Stattdessen herrschte bei MLP eine „Jeans-Philosophie“. Mehr noch: Alle MLPler hatten sich zu Duzen, inklusive Vorgesetzte und so weiter.

MLP-Gründer Manfred Lautenschläger ließ es sich nicht nehmen, die Welt mit einer nicht anders als peinlich zu bezeichnenden Biographie mit dem „bescheidenen“ Titel „Mythos MLP“ zu beglücken. In seinem Buch wettterte Lautenschläger nach Kräften gegen seine Konkurrenten, die Strukturvertriebe. Namentlich nannte er Carsten Maschmeyers AWD und die DVAG, an der er kein gutes Haar ließ.  Vom Mythos blieb nach dem MLP-Skandal von 2002 nur der auf 10% zusammengesackte Börsenwert übrig.

Bereits damals ließ MLP die Öffentlichkeit wissen, hinter der schlechten Presse stecke eine Intrige einer englischen Investmentbank, die eine feindliche Übernahme einstiele. Die Geschichte, die von vielen Fachleuten als durchsichtige Abwehr-PR gedeutet wird, bleibt bis heute rätselhaft. So soll eine englische Bankerin einen verheirateten MLP-Vorstand verführt und dann erpresst haben. Im Büro des damaligen MLP-Chefs will man eine Wanze gefunden haben, was den Verdacht auf Insidergeschäfte hätte entkräften können – trotzdem gab es keine Freisprüche.

Letztes Jahr führten MLP und AWD ausgedehnte Verhandlungen über eine Fusion. Eine zwielichtige Rolle spielte dabei MLP-Finanzvorstand Nils Frowein, der zuvor für den AWD gearbeitet hatte. Nach den gescheiterten Übernahmeverhandlungen beendete er unter geheimnisvollen Umständen seine Vorstandstätigkeit abrupt. Schon kurze Zeit später ward er wieder in den Diensten des AWD gesehen. Nicht wenige halten Frowein daher für ein „U-Boot“.

Nun griff Maschmeyer erneut nach MLP. Durch den Verkauf seiner AWD-Aktien an den Versicherer Swiss Life war Maschmeyer liquide genug, über Nacht ca. 27% der MLP-Aktien zu erwerben. Dies fiel nicht auf, da zur Tarnung unter anderem eine Bank dazwischengeschaltet war, und weil Maschmeyer als gewiefter Geschäftsmann die Kunst des Schweigens beherrscht: Es hat den Anschein, dass Maschmeyer den Deal nicht mit Swiss Life abgestimmt und diese ihn heute leicht zurückgepfiffen hat. Jedenfalls die Börse hielt nichts von dem MLP-Abenteuer und reduzierte den Aktienkurs von Swiss Life um 10%. Angesichts der schwachen Zahlen, die MLP gegenwärtig vermeldet, darf man Zweifel anmelden, ob der Kaufentscheidung rationale Argumente zugrunde lagen.

Maschmeyer begründet seinen Deal mit seiner Vision, die Nummer 1 der Finanzvertriebe werden zu wollen – weltweit. Die Nummer 2 in Deutschland ist bereits sein AWD, dem er noch immer vorsitzt. Personell ungleich größer ist nach wie vor die DVAG. Die interessanteste Klientel bedient aber nun einmal MLP, da Akademiker typischerweise die höheren Einkommen haben. Allerdings sind bei MLP die guten Zeiten unübersehbar vorbei, die Stimmung tendiert in Richtung Nullpunkt, die besten Leute wandern seit langem ab.

Für kündigende MLPler, die an den Flair ihres „elitären“ Unternehmens geglaubt haben, bricht in dem Moment eine kleine Welt zusammen, in dem sie erstmals ein Anschreiben erhalten, in dem sie gesietzt werden: Sie gehören nicht mehr zur Familie, sind Abtrünnige. Für Aussteiger zeigt man in Wiesloch wenig Verständnis. Im Umgang mit Ehemaligen nehmen sich die ganzen Finanzvertriebe wenig. Zu verschenken hat man nichts, weder in Wiesloch, Hannover oder Frankfurt. Handelsvertreter, die glauben, sie hätten Ansprüche auf ausstehende Provisionen, mögen Recht behalten – aber nicht ohne weiteres bekommen.

Siehe auch: Die MLP AG und die Meinungsfreiheit