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Am 23.09.2024 wies das Oberlandesgericht Köln einen Anspruch einer Versicherung gegen einen Handelsvertreter zurück, der Zuschüsse zurückzahlen sollte.
Vorweg zum besseren Verständnis: Hier ging es um Zuschüsse, nicht um Provisionsvorschüsse, um die häufig vor Gericht gestritten wird.
In dem Handelsvertretervertrag war geregelt, dass der Handelsvertreter der Versicherung 44.000 € im Falle der Kündigung zurückzahlen sollte. Der Handelsvertreter hatte den Vertrag aus wichtigen gründen fristlos gekündigt und wurde anschließend verklagt.
Das Oberlandesgericht sah in dieser Rückzahlungsklausel einen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 307 BGB. Die Klausel hätte dem Handelsvertreter auch dann zur Rückzahlung verpflichtet, wenn die Kündigung auf ein pflichtwidriges Verhalten der Versicherung zurückzuführen gewesen wäre. Es fehlte mithin eine Differenzierung in der Klausel danach, wer das Vertragsende zu verantworten hätte.
Bereits das Landgericht Köln hatte unter dem Aktenzeichen 2-O 273/22 die Klage der Versicherung abgewiesen.
Da die Klausel unwirksam war, kommt es auch nicht einmal mehr darauf an, ob die fristlose Kündigung des Handelsvertreters zurecht ausgesprochen wurde.
Zudem meinte das Oberlandesgericht, dass die Klausel auch gegen das Verbot der Kündigungserschwernis gemäß § 89a Abs. 1 S. 2 verstoße.
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Corona beschäftigt auch heute noch die Gerichte.
So ist mit Urteil vom 8.7.2025 vom Oberlandesgericht Frankfurt ein Vertriebspartner eines Herstellers von Corona-Schnelltests als Handelsvertreter angesehen worden.
Der ursprüngliche Vertrag hieß nicht Handelsvertretervertrag, sondern Kooperationsvertrag.
Der Vertriebler machte im Wege einer Stufenklage unter anderem Ansprüche auf Provisionszahlung, Handelsvertreterausgleich und Erteilung eines Buchauszuges geltend. Man stritt um Provisionen wegen eines Großauftrages des VW Konzerns aus dem Jahre 2021.
Das Landgericht Marburg wies zunächst die Klage ab, weil angeblich kein Handelsvertretervertrag vorliegen würde.
Das Oberlandesgericht Frankfurt sah dies anders. Das OLG stellte klar, dass ein Handelsvertretervertrag auch dann vorliegt, wenn der Vertrag als „Kooperationsvertrag“ bezeichnet wurde – entscheidend sei die tatsächliche Ausgestaltung. Die Klägerin sei schließlich „ständig damit betraut“ gewesen, Geschäfte zu vermitteln und teilweise auch abzuschließen (§ 84 HGB).
Dabei stellte das Oberlandesgericht auf folgende Merkmale ab:
- Eingliederung in die Vertriebsstruktur,
- Abschlussvollmacht,
- ein Pflichtenprogramm im Vertrag,
- und die Möglichkeit zur Einschaltung von Unterhandelsvertretern
Diese Merkmale würden hier vorliegen. Das Oberlandesgericht stellte mithin nicht auf die formale Vertragsbeziehung ab, sondern auf die gelebte Realität. Regelmäßig handelt es sich um einen Handelsvertreter, wenn eine entsprechende Eingliederung in die Absatzorganisation vorliegt, dieser einer ständigen Tätigkeitspflicht unterliegt, eher zum Abschluss von Verträgen bevollmächtigt ist, eine gewisse Weisungsbindung vorliegt und die Vergütung sich an Provisionen orientiert.
Allerdings wurde ein Provisionsanspruch für das VW- Geschäft verneint, weil dies nicht mit der Beklagten, sondern mit einem anderen Unternehmen abgeschlossen wurde.
Das Gericht verurteilte die Beklagte allerdings zur Erteilung eines Buchauszugs für alle während des Vertragsverhältnisses abgeschlossenen provisionspflichtigen Geschäfte.
Urteil des OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 08.07.2025 – 14 U 193/23
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Die DVAG und der Ausgleichsanspruch
Vermögensberater, die Ihre Tätigkeit bei der Deutschen Vermögensberatung DVAG beenden, haben zuweilen einen Ausgleichsanspruch gemäß § 89b HGB.
Um diesen darzustellen, sind teilweise sehr komplexe Berechnungen notwendig.
Etwas einfacher ist dies mit den sogenannten „Grundsätzen zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs„, über die hier in diesem Blog schon oft berichtet wurde.
Der Bundesgerichtshof durfte grundsätzlich zwei Mal zu der Frage Stellung nehmen, ob und wie ein Vermögensberater Ausgleichsansprüche geltend machen kann.
In beiden Fällen hatte ein Vermögensberater nach den sogenannten Grundsätzen den Ausgleichsanspruch berechnet, obgleich der Vermögensberatervertrag eine solche Berechnung gar nicht vorgesehen hat.
Am 23.11.2011 entschied der Bundesgerichtshof unter dem Aktenzeichen VIII ZR 203/10, dass auch dann, wenn der Vermögensberatervertrag es nicht ausdrücklich regelt, eine Berechnung des Ausgleichsanspruchs über die sogenannten Grundsätze stattfinden kann. Diese Entscheidung stellte sich bereits als erhebliche Vereinfachung dar.
Derselbe Vermögensberater, der diese Entscheidung zu Gunsten seiner Kollegen durchsetzen konnte, musste dann jedoch noch ein weiteres Mal wegen des Ausgleichsanspruchs beim Bundesgerichtshof vorstellig werden. In diesem weiteren Verfahren hatte dann der Bundesgerichtshof darüber zu entscheiden, ob das Versorgungswerk, dass ab einem bestimmten Ermittlungserfolg für Vermögensberater eingerichtet wird, auf die Höhe des Ausgleichsanspruchs angerechnet wird. Die DVAG hatte den Wert des Versorgungswerkes von der Ausgleichszahlung in Abzug bringen wollen.
Am 18.05.2014 unter dem Aktenzeichen VII ZR 282/12 bejahte der Bundesgerichtshof, dass ein solcher Abzug im Wege einer einzelfallbezogenen Billigkeitsabwägung gemäß § 89 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 HGB. Der Bundesgerichtshof sah es mithin als erlaubt an, den Wert des Versorgungswerkes von der Höhe des auszuzahlenden Ausgleichsanspruches in Abzug zu bringen.
Der BGH führte dies in der mündlichen Verhandlung lapidar aus, dass man auch die Nachteile der Grundsätze (die eine Anrechnung eines Versorgungswerks bejahen) in Kauf nehmen muss, wenn man die Vorteile (vereinfachte Abrechnung) in Anspruch nehmen will.
Dies ist dann auch heute noch gelebte Praxis im Hause der DVAG.
Ein weiterer Vermögensberater versuchte noch, gegen die Entscheidung des BGH anzugehen und den BGH zu einer anderen Entscheidung zu bewegen.
Der Bundesgerichtshof wies jedoch mit Beschluss vom 16.04.2025 eine darauf gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof zurück. Der Vermögensberater musste auch hier akzeptieren, dass sich der Ausgleichsanspruch um den Wert des Versorgungswerkes reduziert.
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Das Arbeitsgericht ist bei Streitigkeiten mit Handelsvertretern manchmal zuständig. Dafür darf ein Handelsvertreter in den letzten 6 Monaten des Vertrages nicht mehr als 1000 € Provisionen im Durchschnitt monatlich verdient haben.
Zu diesem Thema wurde hier im Blog ausführlich berichtet.
Wer muss jedoch darlegen und beweisen, dass die Provisionsgrenze nicht überschritten wurde?
Die gezahlten Provsionen sind auch häufig Gegenstand der Klage, so dass man dann von doppelrelevanten Tatsachen spricht.
Der BGH entschied am 27.10. 2009 unter dem Aktenzeichen VIII ZB 42/ 08:
a)
bei der Prüfung der Rechtswegzuständigkeit nach § 17 a GVG dürfen die zuständigkeitsbegründenden Tatsachen dann keines Beweises, wenn sie gleichzeitig notwendige Tatbestandsmerkmale des Anspruchs selbst sind (doppelrelevante Tatsachen). Dann ist für die Zuständigkeitsfrage die Richtigkeit des Klagevortrages zu unterstellen.
b)
handelt es sich nicht um doppelrelevante Tatsachen, so ist er nicht allein der Sachvortrag der klagenden Partei Grundlage der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs. Vielmehr hat der Kläger die für die Begründung der Rechtswegzuständigkeit maßgeblichen Tatsachen zu beweisen, sofern der Beklagte diese bestreitet.
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Das Landgericht Berlin hat kürzlich eine Klage der MLP auf Rückzahlung von Provisionsvorschüssen zurückgewiesen.
Es hatte zu Grunde gelegt, dass MLP als Maklerin tätig war, während der Beklagte Handelsvertreter war.
Ein Saldo nach Vertragsende machte sie mit der Klage geltend.
Das Gericht konnte jedoch die Höhe der Klage nicht nachvollziehen. Es meinte, der Klägerin stände kein vertraglicher oder gesetzlicher Anspruch auf Ausgleich des von ihr errechneten negativen Saldos in Höhe der Klageforderung zu.
Schließlich hätte sie für jeden einzelnen Rückforderungsanspruch dessen konkrete Gründe darlegen, was auch die textliche Erläuterung der Provisionsabrechnungen, soweit deren Inhalt nicht selbsterklärend ist, erfordert. Denn anderenfalls kann die sachliche und rechnerische Richtigkeit der erhobenen Forderung durch das Gericht nicht überprüft werden (vgl. OLG Hamm NJW-RR 2004 1266f.; OLG Brandenburg Beck Rücksprache 2009, 142615 Tz. 28, Landgericht Bonn Beck Rücksprache 2018, 44885 Tz. 34).
Das Gericht meinte, dass die eingereichten Unterlagen nicht selbsterklärend seien. Insbesondere würden sie nicht erkennen lassen, welcher Provisionsbetrag tatsächlich auf den einzelnen Vertrag an den Beklagten wann ursprünglich werden sein sollte.
Dann setzte sich das Gericht noch mit den Kürzeln auf der Provisionsabrechnung auseinander. Es meinte, dass Provisionszahlungen nur mittelbar hergeleitet werden könnten und dass dies den Anforderungen an einen substantiierten Vortrag nicht genügen würde.
Auch die Nachbearbeitung sei nicht hinreichend vorgetragen. Insofern nahm das Gericht Bezug auf § 87a Abs. 3 S. 2 HGB. MLP sei nach Ansicht des Gerichts in vollem Umfang darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass eine ordnungsgemäße Nachbearbeitung des notleidenden Versicherungsvertrages vorgenommen wurde. Der Vortrag dazu sei jedoch nach Ansicht des Landgerichts zu allgemein geblieben. Die Angabe eines persönlichen Gespräches würde dazu nicht genügen. Es reicht auch nicht aus, das Ergebnis der Nachbearbeitungsbemühungen darzustellen (vgl. Oberlandesgericht Karlsruhe ZVertriebsR 2017, 377, 380f.).
Dem Vortrag der Klägerin sei nicht zu entnehmen, wie der jeweilige Bestandsnachfolger einen jeweiligen Kunden einwirkte.
Vor diesem Hintergrund wurde die Klage in vollem Umfang abgewiesen.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
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Versicherungsmakler abhängig?
Versicherungsvertreter arbeiten bekanntlich für eine Versicherung oder für deren Vertrieb. Sie sind also an das Unternehmen gebunden und stehen auf dessen Seite.
Im Gegensatz dazu steht der Versicherungsmakler grundsätzlich auf der Seite des Kunden. Ihm steht gewöhnlich die gesamte Bandbreite aller Versicherungsangebote aller Versicherungsunternehmen zu. Weil er auf der Seite des Kunden steht, ist er verpflichtet, im Sinne der Kunden die geeigneten Produkte anzubieten.
Dieses vorangestellt könnte schnell die Meinung entstehen, dass der Versicherungsmakler frei und unabhängig gegenüber Versicherungsunternehmen arbeitet und lediglich dem Kunden gegenüber verpflichtet ist.
Deshalb haben sich einige Versicherungsmakler die Unabhängigkeit werbend auf die Fahne geschrieben.
Nunmehr ist ein Streit darüber entfacht, ob Versicherungsmakler tatsächlich unabhängig sind und ob sie sich tatsächlich unabhängig nennen dürfen.
Mit Urteil vom 04.12.2024 unter dem Aktenzeichen 05 O 1092/24 hatte das Landgericht Leipzig den Versicherungsmakler als unabhängig angesehen. Klägerin war die Verbraucherzentrale Bundesverband, die meinte, ein Versicherungsmakler sei nicht unabhängig, da er nicht von Versicherungsnehmern vergütet würde, sondern von Versicherern Provisionen erhalten würde. Diese Entscheidung soll wohl nicht rechtskräftig sein.
Diesem Argument wurde entgegengebracht, dass ein Versicherungsmakler auch Nettopolicen vermitteln könne, die unabhängig von Provisionen von Versicherungen sind.
Während sich das Landgericht Leipzig auf die Seite des Versicherungsmakler stellte und diesen als unabhängig ansah, sah dies nunmehr das Landgericht Köln in einer neuen Entscheidung vom 06.03.2025 unter dem Az. 33 O 219/24 anders. Das Landgericht Köln verbot dem Versicherungsmakler, sich weiterhin als „unabhängiger Versicherungsmakler“ zu bezeichnen.
In der Bezeichnung sah das Landgericht Köln einen Verstoß gegen das UWG, insbesondere gegen die dortigen § 8 Abs. 1, 3 Nr. 3, §§ 3, 5 Abs. 1, 2 Nr. 1, 3. Die angegriffene Werbung sei nach Ansicht des Gerichts irreführend. Dabei komme es darauf an, welchen Gesamteindruck eine geschäftliche Handlung bei den maßgeblichen Verkehrskreisen hervorruft. Eine solche Handlung ist irreführend, wenn das Verständnis, dass sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen erweckt, mit den tatsächlichen Verhältnissen übereinstimmt (BGH, Urteil vom 05.02.2015 Aktenzeichen I ZR 136/13).
Dabei kommt es auf das Verständnis eines aufmerksamen, durchschnittlichen informierten und vollständigen Mitglieds des angesprochenen Verkehrskreises an.
Erstaunlicherweise glaubt sowohl das Landgericht Leipzig als auch das Landgericht Köln, was dieser Verkehrskreis denkt und wann er in die Irre geführt wird.
Kernaussage der Kölner Entscheidung ist, dass zu diesen Verkehrskreisen eben auch die Richter der zur Entscheidung berufenen Kammer gehören, sodass die Kammer die Verkehrsauffassung selbst beurteilen kann.
Abgegrenzt wurde dann auch das Berufsbild des Versicherungsmakler von dem des Versicherungsberaters, dessen Tätigkeit nicht auf eine provisionsgestützte Vermittlung oder Beratung gerichtet ist.
Diese dürfte sich nach Auffassung des Landgerichts Köln – im Gegensatz zum Versicherungsmakler – unabhängig nennen.
Ob die Entscheidung bestandskräftig ist, ist hier nicht bekannt.
Das Oberlandesgericht München hatte mit Urteil vom 16.1.2020 unter dem Az 29 U 1834/18 über eine ähnliche Angelegenheit zu entscheiden. Dort ging es um die Tochterfirma einer Versicherung, die als Maklerin arbeitete und sich als unabhängig bezeichnete. Als Maklerin arbeiten durfte sie, sich als unabhängig bezeichnen durfte sie nicht. Konkret ging es wohl um die WWK Versicherungsgruppe und die 1:1 Assekuranzservice AG, wie sich aus teilen des Urteils ergeben könnte.
In der Branche streitet man sich schon lange über den Begriff „unabhängig“. Die DVAG konnte schon 2009 gerichtlich durchsetzen, dass sich der AWD (heute Swiss Life Select) nicht mehr als unabhängig bezeichnen darf.
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Das Wichtigste zum Buchauszug
Der Buchauszug dient dazu, Klarheit über die Provisionsansprüche zu verschaffen und eine Nachprüfung der Provisionsabrechnungen zu ermöglichen (BGH-Urteil vom 21.03.2001 Aktenzeichen: VIII ZR 149/99, Urteil vom 03.08.2017 Aktenzeichen: VII ZR 32/17).
Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Abrechnung sind nicht notwendig für ein Buchauszugsverlangen. Neben dem Buchauszug gibt es den Anspruch auf Bucheinsicht, wenn der Buchauszug nicht erfüllt wird (BGH-Urteil vom 31.03.1979 Aktenzeichen I ZR 8/77, Urteil vom 03.08.2017 Aktenzeichen VII ZR 32/17).
Der Buchauszug muss die im Zeitpunkt seiner Ausstellung für die Berechnung, die Höhe und die Fälligkeit der Provisionen relevanten Geschäftsverhältnisse vollständig widerspiegeln.
Das Datenschutzrecht steht dem Buchauszugsanspruch nicht entgegen (OLG München Urteil vom 31.07.2019 Aktenzeichen 7 U 4012/17).
Der Buchauszug ist keine Vorwegnahme der Entscheidung darüber, ob ein bestimmtes Geschäft provisionspflichtig ist (BGH-Urteil vom 23.02.1989, Aktenzeichen I ZR 203/87).
Wenn ein Provisionsanspruch streitig ist, ist dieses Geschäft im Buchauszug aufzuführen (OLG München, Urteil vom 04.05.2006, Aktenzeichen 23 U 5886/05).
Der Anspruch auf Buchauszug besteht neben dem Anspruch auf Provisionsabrechnung.
Der Buchauszug ist Sache des Vertriebes und von diesem auf eigene Kosten zu überbringen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.05.1996 Aktenzeichen 16 U 172/95).
Eine Online-Anbindung an System und Datenbanken des Vertriebes/Versicherers entbindet diesen nicht von der Erstellung und Überlassung eines Buchauszuges (OLG Köln Urteil vom 19.03.1999 Aktenzeichen 4 U 42/98, OLG München Urteil vom 31.07.2019 Aktenzeichen 7 U 4012/17).
Der Buchauszug kann nicht mit einem Zurückbehaltungsrecht wegen angeblicher Gegenansprüche verweigert werden (OLG München Urteil vom 17.04.2019, Aktenzeichen 7 U 2711/18 und BGH mit Urteil vom 03.08.2017 Aktenzeichen VII ZR 32/17).
Der Buchauszug ist in Form einer geordneten Zusammenstellung der geschuldeten Angaben zu erstellen. Sollte er unvollständig erteilt werden, so hat der Handelsvertreter Anspruch auf Ergänzung bzw. im Fall einer Unbrauchbarkeit des Auszuges Anspruch auf Erteilung eines neuen fehlerhaften Auszuges.
Wendet der Unternehmer ein, entsprechende Informationen für den Buchauszug seien nicht bei ihm, sondern bei einem Dritten, etwa einer Konzerngesellschaft, vorhanden, kann er damit nicht gehört werden. Er muss sich die Informationen von seiner Partnergesellschaft beschaffen (BGH-Urteil vom 18.12.2008).
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Ausgleichsanspruch trotz Anfechtung und Kündigung
Die Anfechtung des Handelsvertretervertrages durch den Unternehmer wegen arglistiger Täuschung steht einem Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nach § 89 b HGB nicht entgegen. Ist das Handelsvertreterverhältnis durch Kündigung des Handelsvertreters wegen Erkrankung wirksam beendet worden, ist der Ausgleichsanspruch auch dann nicht ausgeschlossen, wenn der Unternehmer seinerseits zur Kündigung des Vertrages aus wichtigem Grund wegen schuldhaften Verhaltens des Handelsvertreters berechtigt gewesen wäre; der Kündigungsgrund ist allerdings bei der Entscheidung über den Ausgleichsanspruch im Rahmen der Billigkeitserwägungen zu berücksichtigen (BGH, Urt. v. 3. 5. 1995 – VIII ZR 95/94).
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Fehlt das Beratungsprotokoll oder wurde der Verzicht nicht ordnungsgemäß erklärt, kann das im Streitfall zu einer Umkehr der Beweislast führen.
Die Nichtbeachtung der Dokumentationspflicht des Versicherungsvermittlers nach § 61 Abs. 1 Satz 2, § 62 VVG kann zu Beweiserleichterung zu Gunsten des Versicherungsnehmers bis hin zu einer Beweislastumkehr führen. Ist ein erforderlicher Hinweis von wesentlicher Bedeutung nicht, auch nicht im Ansatz, dokumentiert worden, so muss grundsätzlich der Versicherungsvermittler beweisen, dass dieser Hinweis erteilt worden ist (amtlicher Leitsatz).” Urteil des BGH vom 13.11.2014
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Gemäß § 61 VVG hat der Versicherungsvermittler den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder in der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Er hat dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrages nach § 62 zu dokumentieren.
Gemäß Abs. 2 kann der Versicherungsnehmer auf die Beratung oder die Dokumentation nach Abs. 1 durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, der vom Versicherungsvermittler ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich ein Verzicht nachteilig auf die Möglichkeit des Versicherungsnehmers auswirken kann, gegen den Versicherungsvermittler einen Schadensersatzanspruch nach § 63 geltend zu machen.
Handelt es sich um einen Vertrag im Fernabsatz im Sinne des § 312 c BGB, so kann der Versicherungsnehmer in Textform verzichten.
Das Gesetz unterscheidet also zwischen der Dokumentation und der Beratung. Auf beides kann bei Vorliegen der Voraussetzungen verzichtet werden.
Sehr umstritten ist, wie ein solcher Verzicht erklärt werden kann.
Das Oberlandesgericht Nürnberg hat in einem Hinweisbeschluss vom 9.1.2025 unter dem Aktenzeichen 8U 1684/24 entschieden, dass zwar eine gesonderte schriftliche Erklärung erforderlich sei, diese jedoch nicht zwingend voraussetze, dass sie in einer vom Antragsformular körperlich losgelösten eigenen Urkunde erfolgt. Es sei ausreichend, wenn sich die Erklärung und die hierauf bezogene Unterschrift des Versicherungsnehmers deutlich vom übrigen Text des Antrages abhebt Absatz das OLG Nürnberg hatte über ein 45-minütiges Beratungsgespräch über eine formgebundene Rürup-Renten zu entscheiden und über eine Option im Antragsformular “Ich verzichte auf die Beratung“.
Dieser Beratungsverzicht wurde eigenhändig unterschrieben.
Laut dem OLG Nürnberg sei die Verzichtserklärung eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärungen, sodass eine sogenannte HGB-Kontrolle auch mit Blick auf § 307 Abs. 2 Ziffer 1 BGB nicht in Betracht kommt. Nach dieser Vorschrift wären Formularklauseln unwirksam, die mit dem wesentlichen Grundgedanken der verbraucherschützenden Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) unvereinbar wären. Dies wäre jedoch nur bei einem standardmäßigen Beratungs-, und Dokumentationsverzicht der Fall.
Möglicherweise käme auch eine Unwirksamkeit des Beratungsverzichts gemäß § 138 Abs. 1 BGB in Betracht, wenn im Einzelfall ein Ungleichgewicht zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer bestehen. Und dies deshalb sittenwidrig sei. Dafür wäre allerdings der Versicherungsnehmer darlegungs- und beweisbelastet.
Das Landgericht Osnabrück hatte im Juni 2024 ein Urteil gefällt und einen Beratungsverzicht für unwirksam erklärt.
Dieses hatte einen Verzicht gemäß § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nummer 2 BGB wegen einer unangemessenen Benachteiligung für unwirksam erklärt. Der Verzicht sei erkennbar auf einer vorformulierten Erklärung enthalten. Die Pflichten des Vermittlers, eine umfassende Betreuung und Beratung des Kunden durchzuführen, wurden hierdurch in einer den Vertragszweck gefährdenden Weise eingeschränkt. Das Gericht hatte vorher erklärt, dass der Versicherungsnehmer doch gar nicht wisse, was er unreschreibe.
Das Oberlandesgericht Oldenburg vertritt aktuell in Hinblick auf den Beratungsverzicht und den Dokumentationsverzicht eine gleichermaßen strenge Auffassung. Eine formularmäßige Beratungsverzicht sei ohnehin unwirksam. Ob auf eine formularmäßige Dokumentation verzichtet werden kann, sei streitig. Eine Erklärung in Textform in Hinblick auf einen Verzicht auf eine Beratung oder Dokumentation genügt nicht, wenn kein Fernabsatzgeschäft vorliegt. Hier war der Vertrag elektronisch geschlossen worden.
Also Vorsicht bei der Erklärung über den Verzicht einer Dokumentation oder einer Beratung per iPad oder Ähnlichem!
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Die Rechtsprechung und auch das Gesetz unterscheiden grob zwischen Schriftform und Textform. Näheres findet man unter § 126 BGB ff.
Was bedeutet Schriftform und was bedeutet Textform?
Schriftform bedeutet eigenhändige Unterschrift einer Urkunde. Ist das noch zeitgemäß?
Viele Handeslvertreterverträge erfordern eben diese Schriftform, z.B. bei einer Kündigung.
Gerade in Zeiten, in denen Verträge auf über ein Ipad oder Mousepad vermittelt werden, fragt sich, inwieweit die schriftliche Form eine eigenhändige Namensunterschrift benötigt.
Dazu hat das Oberlandesgericht München mit Urteil vom 26.1. 2012 unter dem Aktenzeichen 23 U 3798/11 umfangreiche Ausführungen gemacht.
Diese Entscheidung betrifft einen Fall, in dem die Kündigung eines Handelsvertretervertrages schriftlich zu erfolgen hatte. Das Gericht wies darauf hin, dass gemäß § 127 Abs. 2 BGB zur Wahrung der durch Rechtsgeschäft bestimmten schriftlichen Form auch die telekommunikative Übermittlung genüge, soweit kein anderer Wille der Parteien anzunehmen ist.
Das Oberlandesgericht München hat danach grundsätzlich auch eine Erklärung per E-Mail genügen lassen, sofern aus der Erklärung erkennbar ist, von wem sie abgegeben wurde.
Schließlich war erklärtes Ziel des Gesetzgebers, dem modernen technischen Standard unter verbreiteten Praxis Rechnung zu tragen. Zugelassen werden sollten daher auch moderne Möglichkeiten der Telekommunikation zur Übermittlung von Nachrichten, die Telegramm oder Telefax ganz oder teilweise verdrängt haben, wie etwa E-Mail oder Computer Fax.
Diese Auffassung will sich in einem aktuellen Fall wohl auch das Oberlandesgericht Frankfurt anschließen. Auch dort soll die Kündigung eines Vermögensberatervertrages der DVAG per Mail von der Form her genügen