Urteile vorgestellt von RA Kai Behrens

Haftet der Makler oder der Maklerpool?

Jeder Versicherungsmakler ist gesetzlich verpflichtet, eine Haftpflichtversicherung zu unterhalten. Diese soll notfalls einspringen, wenn der Versicherungsmakler falsch berät und ein Schaden entstanden ist.

Ohne den Nachweis einer solchen Haftpflichtversicherung erhält der Versicherungsmakler keine Zulassung gem. § 34d Abs. 1 GewO und kann folglich nicht beraten und vermitteln.

Was ist aber, wenn der Versicherungsmakler später, nachdem er die Zulassung erhalten hat, die Haftpflichtversicherung kündigt oder diese aus anderen Gründen storniert wird?

Verliert der Versicherungsmakler dann seine Zulassung oder wird dies von der jeweiligen Industrie- und Handelskammer nicht bemerkt?

Nach Auskunft der IHK Nord Westfalen vom 11.12.2025 wurde mitgeteilt, dass die jeweiligen Haftpflichtversicherer im Falle der Stornierung eine entsprechende Benachrichtigung an die IHK senden.

Diese werden dann aktiv, fordern den Versicherungsmakler unter Fristsetzung zur Herstellung einer Haftpflichtversicherung auf und Entziehen gegebenenfalls die gewerbliche Zulassung.

Damit sollte gewährleistet sein, dass jeder Versicherungsmakler über eine Haftpflichtversicherung verfügt.

Aus der Furcht heraus, dass ein haftender Versicherungsmakler wegen einer Falschberatung in Anspruch genommen wird und nicht über eine Haftpflichtversicherung verfügt, könnte man auf die Idee kommen, den Maklerpool in Anspruch zu nehmen, bei dem der Makler angeschlossen ist.

Es ist jedoch fraglich, ob so ein Versicherungspool gem. § 63 VVG überhaupt haftet.

In einer Entscheidung vom 09.03.2022 unter dem Aktenzeichen 2 O 7331/20 hat das OLG Nürnberg dies kategorisch ausgeschlossen.

Ein Maklerpool ist eine Servicegesellschaft, die akquirierte Verträge bündeln und für ihre Vertragspartner, den Versicherungsmaklern, die organisatorische Abwicklung sowie insbesondere die Provisionsabrechnung mit den Versicherungsgesellschaften übernehmen. In der Regel haben diese Pools keinen Kontakt zum Endkunden.

Folglich hat ein solcher Pool auch keine Aufklärungs- oder Beratungspflichten gegenüber dem Kunden. Er hat nur die Pflicht gegenüber dem Makler, den Versicherungsantrag beim Versicherer einzureichen und die vereinbarte Provision auszuzahlen. So argumentierte das Gericht.

Skandalurteil: Versicherungsmakler dürfen sich nicht unabhängig nennen

Nun ist es amtlich: Versicherungsmakler sind nicht unabhängig.

Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichtes Dresden vom 28. Oktober 2025 unter dem Aktenzeichen 14 U 1740/24 dürfen sich Versicherungsmakler künftig nicht mehr unabhängig nennen.

Dabei fing alles noch so gut an. Erstinstanzlich mit Urteil vom 04.12.2024 unter dem Aktenzeichen 05 O 1092/24 hatte das Landgericht Leipzig wurde der  Versicherungsmakler noch als unabhängig angesehen. Hier im Blog wurde darüber berichtet.

Klägerin war die Verbraucherzentrale Bundesverband, die meinte, ein Versicherungsmakler sei nicht unabhängig, da er nicht von Versicherungsnehmern vergütet würde, sondern von Versicherern Provisionen erhalten würde.

Während sich das Landgericht Leipzig auf die Seite des Versicherungsmakler stellte und diesen als unabhängig ansah, sah dies das Landgericht Köln in einer Entscheidung vom 06.03.2025 unter dem Az. 33 O 219/24 übrigens anders. Dieses sah den Makler, wie auch das OLG Dresden, als abhängig an.

Dabei wussten die Richter des OLG Dresden, was die Verbraucher zu der Frage der Unabhängigkeit denken. Sie waren schließlich selbst Versicherungsnehmer:

„Maßgeblich hierfür ist zunächst, welchen Gesamteindruck die jeweilige geschäftliche Handlung bei dem angesprochenen Verkehrskreises hervorruft (….)… Dabei kommt es auf die Auffassung des durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers an, der einer Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt (….) Der angesprochenen Verkehrskreises besteht hier in den (potentiellen) Kunden von Versicherungen, d. h. den Versicherungsinteressenten und Versicherungsnehmern. Zu den am Abschluss sowie der Änderung oder Beendigung eines Versicherungsvertrages interessierten, vom Antrag allein erfassten Verbrauchern gehören mögliche Neukunden ebenso wie Altkunden dies erstreckt sich auch auf die an Finanzdienstleistungen interessierte Marktteilnehmer. Die Mitglieder des Senats sind Teil dieses angesprochenen Verkehrskreises. Sie können daher aufgrund eigener Sachkunde entscheiden (…). Die Einholung eines demoskopischen Sachverständigengutachtens zur Verkehrsbefragung war nicht erforderlich.“

Ob die Richter eine richtige Wahrnehmung hatten, ist fraglich. Das Urteil stößt auf heftige Kritik.

Teilweise wird es sogar für skandalös gehalten, weil die Richter die Entscheidung lediglich auf ihre eigene Wahrnehmung gestützt haben und sich dies auf die gesamte Branche auswirken könnte. Es ist den Maklern zu empfehlen, um eine Abmahnung nicht zu riskieren, die Werbung mit Unabhängigkeit zu unterlassen.

Inzwischen wurde bekannt, dass gegen die Entscheidung des OLG Dresden kein Rechtsmittel eingelegt werden soll. Dieses Urteil wird demnach rechtskräftig.

Kracher-Urteil! Vertrieb muss nach BGH-Urteil Umdeckungen offenlegen

Das Urteil ist ein Kracher. BGH gibt Handelsvertretern erweitertes Auskunftsrecht über Umdeckungen!

Der Hintergrund:

Immer wieder gibt es Streit darüber, ob Provisionsvorschüsse zurückgezahlt werden müssen. Rechtlich stellt sich dabei die Frage, wer Stornierungen zu vertreten hat, wenn ein Handelsvertreter aus dem Unternehmen ausscheidet.

Gem. § 87a Abs. 3 S. 2 HGB bleiben Provisionsansprüche erhalten, wenn der Unternehmer Stornierungen zu vertreten hat. Kümmert sich der Unternehmer nicht darum, die Verträge zu retten, hat er keinen Anspruch darauf, Provisionsvorschüsse zurückzuverlangen. Das Unternehmen hat die Wahl, die Nachbearbeitung stornogefährdeter Verträge entweder selbst im Hause durch Bestandsnachfolger oder aber durch den ausgeschiedenen Handelsvertreter vornehmen zu lassen.

Und immer wieder tauchen in diesem Zusammenhang die gegenseitgien Vorwürfe auf, der ausgeschiedene Handelsvertreter habe die Verträge umgedeckt, bzw. andersherum, der Bestandsnachfolger habe im Unternehmen die Verträge umgedeckt, um selbst neue Provisionen zu erlangen.

Vertriebe, wie zum Beispiel die DVAG, setzen für die Nachbearbeitung eigene Bestandsnachfolger ein. Die OVB dagegen zum Beispiel erwartet von dem ausgeschiedenen Vermögensberater, dass er die Nachbearbeitung vornehmen soll.

Unabhängig davon steht immer der gegenseitige Vorwurf im Raum, dass die Verträge aus eigenem Provisionsinteresse umgedeckt wurden und es deshalb zur Stornierung des ursprünglichen Vertrages gekommen ist. Oftmals werden Bestandsnachfolger in dem gerichtlichen Rechtsstreit um Provisionen als Zeugen herangezogen. Diese berichten mitunter davon, dass man sich doch um die Kunden bemüht habe und diese nicht habe davon abbringen können, den Vertrag zu stornieren.

Darüber, dass der Kunde gleichermaßen einen neuen Vertrag bei dem Nachfolger abgeschlossen hat, berichtet dieser natürlich nicht.

Das aktuelle Urteil:

Der BGH hat in einer fast schon sensationellen Entscheidung den Vertrieb dazu verurteilt, dem Versicherungsvertreter Auskunft darüber zu erteilen, welche ursprünglich von ihm an den Versicherer vermittelte Verträge nach der Beendigung des Versicherungsvertretervertrages in der Stornohaftungszeit durch die Kunden gekündigt oder in der Beitragszahlung eingeschränkt worden sind, bei denen der jeweilige Kunde im Anschluss an die Kündigung oder Beitragseinschränkung einen Ersatz- oder Ergänzungsvertrag über das gleiche versicherte Risiko oder Produkt bei den Gesellschaften der Versicherungsgruppe des Versicherers abgeschlossen hat (BGH Urteil vom 24.07.2025 Az:: VII ZR 176/24).

Dieser Anspruch geht über den Anspruch auf den Buchauszug hinaus, der sich aus § 87c Abs. 2 HGB ergibt. Der BGH leitet den Anspruch aus § 87c Abs. 3 HGB her, da dem Handelsvertreter eine Information zusteht, der den Provisionsanspruch betrifft.

Dem Handelsvertreter stehen diese Informationen neben dem Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges zu.

Dieses Urteil ist deshalb von erheblicher Bedeutung, da nunmehr der ausgeschiedene Handelsvertreter einen unmittelbaren Anspruch gegen das Unternehmen/den Vertrieb darauf hat, zu erfahren, ob es tatsächlich Umdeckungen durch den Bestandsnachfolger gegeben hat.

OLG Düsseldorf verurteilt Tippgeber zur Nachbearbeitung

Am 04.11.2025 verurteilte das Oberlandesgericht Düsseldorf einen Tippgeber / Empfehlungsgeber zur Nachbearbeitung.

Um nebenberuflich noch etwas Geld zu verdienen, wurde der Beklagte dieses Verfahrens angesprochen. Er sollte bei Gelegenheit den Tipp weiterleiten, wenn er von einem Kunden erfährt, der Interesse an dem Abschluss von Versicherungsverträgen hat.

Der Beklagte wurde dann als Tippgeber tätig und erhielt für jede Empfehlung eine Provision. Die Vermittlung wurde dann von anderen Personen durchgeführt, die für diesen Vertrieb als Handelsvertreter tätig waren.

Einige Verträge gerieten ohne Verschulden den Tippgebers im Storno. Der Vertrieb verlangte dann die Rückzahlung.

Der Tippgeber wandte ein, dass der Vertrieb keine genügende Stornobekämpfung begangen habe. Gemäß § 87a Abs. 3 S. 2 HGB ist der Vertrieb gegenüber dem Handelsvertreter zur Stornobekämpfung verpflichtet. Begeht er keine Stornobekämpfung, gilt die Provision als verdient.

Diese Regelung gilt in direkter Anwendung nicht für den Tippgeber. Das Oberlandesgericht wollte auch keine analoge Anwendung zulassen.

In den vertraglichen Regelungen war geregelt, dass der Tippgeber im Fall einer Stornierung einen Besuchsauftrag erhält, den Kunden dann besuchen soll und ihn nach den Gründen der Stornierung befragen soll. Diesem kam der Tippgeber jedoch nicht nach.

Aus diesem Grunde meinte das Oberlandesgericht Düsseldorf, der Tippgeber müsse den stornierten Betrag zurückzahlen. Das OLG meint in seiner Entscheidung, dass der Vertrieb durch den Versicherungsvermittler selbst keine Stornonachbearbeitung hat durchführen müssen. Für die Rückzahlungsverpflichtung genüge es, dass der Tippgeber die Kunden nicht gefragt hat (Beschluss des OLG Düsseldorf vom 04.11.2025, Az.: I-10U 58/25).

Machtmissbrauch im Vertrieb und im Arbeitsleben Teil 1

Es ist leider immer wieder ein Thema, das anstößt – Machtmissbrauch im Vertrieb. Von Grenzüberschreitungen ist leider oft die Rede, wenn im Vertrieb schlecht ausgebildete Führungskräfte ihre scheinbare Macht nutzen, um Druck auf die Mitarbeiter auszuüben und diese zu mehr Abschlüssen zu bringen- Manchen ist jedes Mittel Recht.

Ein Landesarbeitsgericht hatte kürzlich in einem arbeitsgerichtlichen Fall einen Arbeitgeber verurteilt und diesen wegen des Machtmissbrauchs zu einer hohen Abfindung von fast 70.000 € verurteilt (Urteil vom 9.7.25 LAG Köln 4 SLa 97/25).

Damit hat es dem grenzüberschreitenden Ansinnen des Arbeitgebers, der bei der Kleidung „rockmäßig“ und „dekolteemäßig“ – „die Herren würden auch rote Nägel und High Heels schätzen“ – rechtliche Grenzen gesetzt.

Dieses Urteil setzt ein Zeichen gegen Machtmissbrauch im Arbeitnehmer-Arbeitgeber Verhältnis.

Die Klägerin war seit 2019 angestellt. Es bestand eine rein freundschaftliche Beziehung zwischen ihr und dem Geschäftsführer der Beklagten. Private Kommunikation hatte regelmäßig über WhatsApp stattgefunden.

Am 19.02.2024 forderte der Geschäftsführer die Klägerin über WhatsApp auf, zu einem bevorstehenden Geschäftstermin etwas, nach seinem Geschmack, Aufreizendes anzuziehen. Später tat er diese Aufforderungen als Witz ab. Nach der Aufforderung des Geschäftsherrn, die Klägerin solle ihn „Schatz“ nennen und sie dieser nicht nachkam, reagierte er äußerst aggressiv, bedrohlich, herabwürdigend und beleidigend.

Wenige Tage nach diesem Ausbruch forderte er sie auf, ins Büro zu kommen. Er forderte sie auf, sämtliche Geschenke, die er ihr gemacht hatte, zurückzugeben. Zudem teilte er ihr mit, dass er ihr Gehalt um 5.500,00€ brutto reduzieren würde. Zudem müsse sie den Firmenwagen und die dazugehörige Tankkarte zurückgeben. Letztlich befahl er ihr, dass sie ihn nicht begrüßen dürfe.

Trotz vorheriger Erniedrigungen lud er sie als Entschuldigung zu einem gemeinsamen Wellness-Ausflug ein, welches sie ablehnte.

Nachdem die Klägerin alle Geschenke zurückgab, erklärte der Geschäftsführer die Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Daraufhin reichte die Klägerin eine Kündigungsschutzklage ein, in der sie einen Weiterbeschäftigungsantrag stellte.

Im erstinstanzlichen Verfahren forderte die Beklagte die Klägerin auf, ihre Arbeit wieder aufzunehmen. Daraufhin stellte die Klägerin einen Auflösungsantrag nach § 9 KSchG, mit der Begründung, die Weiterbeschäftigung sei unzumutbar.

Die Beklagte hielt fest, dass durch die Option vom Home-Office die Weiterbeschäftigung gleichwohl zumutbar sei. Zudem hätte sich die Klägerin ja der privaten Kommunikation durch Blockieren der Nummer entziehen können. Dadurch sei die Klägerin kein Opfer, vielmehr Täterin selbst.

Das Arebeitsgericht hatte die Weiterbeschäftigung als unzumutbar festgestellt und sprach der Klägerin eine Abfindung in Höhe von 70.000,00€ brutto zu.

Das Landesarbeitsgericht Köln stimmte dem Arbeitsgericht zu. Ein Weiterbeschäftigungsantrag steht dem Auflösungsantrag nicht entgegen.

Die freundschaftliche private Kommunikation zwischen der Klägerin und dem Geschäftsführer sei nur dann relevant, wenn diese Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis hatte. Vor dem 19.02. war dies nicht der Fall, nach diesem Zeitpunkt bestand allerdings ein eindeutiger Missbrauch der Stellung des Geschäftsführers gegenüber der Klägerin.

Selbst nach dem Ausbruch an diesem Tag und drohenden arbeitsrechtlichen Konsequenzen folgten weitere sexuelle Verhaltensweisen (Einladung und Entschuldigung).

Die Beklagte versuchte eine Mitverantwortung der Klägerin zu begründen, sie sei also selbst Täterin. Allerdings zeigt die Darlegung der Beklagten, dass sie den Gehalt der Aussagen des Geschäftsführers und die Auswirkungen der Reaktion der Klägerin nicht richtig einstuft. Die Beklagte verkennt offensichtlich die Abhängigkeit im Arbeitsverhältnis.

Die Abfindung dient auch als Präventionsmaßnahme und finanzielle Konsequenz für das Unternehmen selbst. So sei die Summe der Abfindung allenfalls gerechtfertigt.

Das LAG Köln hat durch das Urteil hervorgehoben, dass Machtmissbrauch ein durchaus präsentes Thema im Arbeitsrecht ist. Dadurch symbolisiert das Urteil die gesellschaftspolitische Bedeutung als Führungskraft, die vor allem Verantwortung verlangt. Es wird deutlich, dass betriebliche Präventionsmaßnahmen maßgeblich sind, um solche Fälle zu vermeiden.

Vorsicht bei der Zustellung einer Kündigung

Die Zustellung von Dokumenten und Schreiben, insbesondere aber auch von Abmahnungen und Kündigungen, wirft seit vielen Jahren viele Fragen auf.

Immer wieder geht es darum, dass eine Antwort danach gesucht wird, wie man sicher zustellen kann, sodass dies auch von Gerichten akzeptiert wird.

Auch die Rechtsprechung steht hier immer wieder vor neuen Herausforderungen, da sich die technischen Möglichkeiten einer Zustellung immer wieder anpassen.

Eine solche Anpassung

Auch eine die gesetzlichen Regelungen passen sich – leider nur sehr zeitversetzt – an.

Die strenge Form des § 126 BGB verlangt beispielsweise, dass Urkunden, wie zum Beispiel Kündigungen, handschriftlich unterzeichnet werden müssen. Der neuere § 126a BGB sieht dagegen vor, dass die gesetzlich vorgeschriebene schriftliche Form durch eine elektronische Form ersetzt werden kann. Dies setzt eine qualifizierte elektronische Signatur voraus.

Auch die Post hat sich den neuen digitalen Anforderungen angepasst. Sie bietet nunmehr ein digitales Einwurfeinschreiben an.

Ein Arbeitgeber, dessen Arbeitnehmer ein Abfalldienstleister, dessen Arbeitnehmer zwischen 2020 und 2023 mindestens dreißigmal krank war, sollte zu einem betrieblichen Eingliederungmanagement (beM) eingeladen werden. Für die Zusendung bediente sich der Arbeitgeber diesem neuen Einwurfeinschreiben.

Der Arbeitnehmer erschien nicht. Daraufhin wurde die Kündigung ausgesprochen.

Laut einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamburg mit Urteil vom 14.07.2025 unter dem Aktenzeichen 4 SLa 26/24 konnte der Arbeitgeber nicht beweisen, dass er zur betrieblichen Eingliederung eingeladen hatte. Das neue digitale Einwurfeinschreiben genügt für einen solchen Anscheinsbeweis nicht.

Deshalb war die Kündigung, die wohl unstreitig dem Arbeitnehmer zuging, unwirksam. Ohne betriebliche Eingliederung hätte der Arbeitgeber nicht kündigen dürfen.

Die einzige sichere Form, dass Schreiben zugehen, ist das Einschreiben mit Rückschein. Dort bekommt der Absender einen Beleg, dass das Dokument ausgeliefert wurde. Aktuell (Oktober 2025) kostet dies 5,80€.

Das Oberlandesgericht Frankfurt hat kürzlich die Übersendung einer Kündigung eines Vermögenberatervertrages per E-Mail (die E-Mail kam von der Atlas Vertriebsservice GmbH) für wirksam erklärt. In dem Fall reagierte der gekündigte Vermögensberater per E-Mail sofort, sodass dadurch der Zugang der E-Mail an ihn nachgewiesen war. Sodass der Zugang der Kündigung feststand.

Etwas anderes wäre es gewesen, wenn der Vermögensberater behauptet hätte, die E-Mail mit der Kündigung nicht erhalten zu haben. In dem Fall, wie in dem Fall vor dem Landesarbeitsgericht Hamburg, hätte dann der Zugang nicht nachgewiesen werden können.

Zusammenfassend kann nur empfohlen werden, um die wirksame Zustellung zu erreichen, ein Einschreiben mit Rückschein zu versenden oder aber mittels eines Boten die Zustellung sicherzustellen.

Landgericht Frankfurt bestätigt fristlose Kündigung der DVAG

Eine fristlose Kündigung der DVAG wurde kürzlich vom Landgericht Frankfurt bestätigt.

Ein Vermögensberater klagte gegen die DVAG auf Feststellung, dass eine fristlose Kündigung unwirksam sei und verlor.

Die DVAG setzt für ihre Tätigkeiten Handelsvertreter ein. Diese müssen eine gewisse „Zuverlässigkeit“ aufweisen.

Gemäß Vermögensberatervertrag verpflichten sich die Vermögensberater, sämtliche Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Beruf zu unterlassen, welche diesem oder dem Ansehen der DVAG schaden.

Der Berater befand sich im Jahre 2020 für mehrere Wochen in Untersuchungshaft. Danach wurde er wegen Beihilfe zum unerlaubtem Handeltreiben mit einem Betäubungsmittel (Marihuana) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Diese Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt, so dass der Berater weiterarbeiten konnte.

Die DVAG reichte am 04.10.2022 die fristlose Kündigung ein. Der Kläger hatte keine Gelegenheit hierzu Stellung zu nehmen und wurde nicht abgemahnt.

Der Berater rügte vor Gericht den langen Zeitablauf und den Umstand, dass in der Struktur die U-Haft bekannt gewesen sei. Außerdem sei das Ansehen der DVAG nicht geschädigt worden, weil man das Strafverfahren über fast 2 Jahre nicht bemerkt habe.

Der Kläger habe außerdem sämtliche gewerbliche Zulassungen behalten. Von Seiten der IHK soll an seiner Zuverlässigkeit auch weiterhin kein Zweifel bestehen.

Die DVAG wandte u.a. ein, der Vorfall sei jedoch geeignet gewesen, das Ansehen der Beklagten zu gefährden und man habe erst kurz vor der fristlosen Kündigung von dem Vorfall erfahren.

Das Landgericht Frankfurt entschied, das Vertragsverhältnis könne ohne Berücksichtigung der Frist fristlos beendet werden, da ein wichtiger Grund bestehe. Dies sei regelmäßig unter den Umständen des Einzelfalls zu entscheiden. Durch die Straftat des Klägers soll das Vertrauensverhältnis zwischen Unternehmer und Handelsvertreter zerstört worden sein. Somit liege ein wichtiger Grund vor.

Bis kurz vor der Kündigung habe niemand von der Untersuchungshaft des Beraters gewusst haben.

Darauf, dass in der Struktur die U Haft bekannt gewesen seil soll, komme es nicht an. Das Gericht befasste sich mit den unterschiedlichen Karrierestufen und einer fehlenden Weisungsbefugnis von Vermögensberatern gegenüber untergeordneten Handelsvertretern. Die Kenntnis in der Struktur sei der DVAG deshalb nicht zuzurechnen.

Das Gericht war außerdem nicht einmal davon überzeugt, dass der Berater die Struktur oder für die DVAG tätigen Personen aktiv über seine Straftat aufgeklärt hat. Dies war nach einer Beweisaufnahme nach Ansicht des Gerichts nicht ersichtlich.

Somit hat die unterlassene Aufklärung den Vertrauensverlust aufgrund der Verurteilung sogar noch verstärkt. Der Kläger soll nach der Entscheidung des Gerichts gegen interne Richtlinien verstoßen haben. Es sei eine schwere Vertragsverletzung zu erkennen.

Zusammenfassend hat also der Berater nach Ansicht des Landgerichts Frankfurt das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und der DVAG dermaßen verletzt, dass die fristlose Kündigung ihrerseits berechtigt war.

Wüstenrot verliert gegen Handelsvertreter vor dem LG Stuttgart

Am 27.05.2025 weist das Landgericht Stuttgart eine fristlose Kündigung der Wüstenrot Bausparkasse AG als unbegründet zurück.

Ein Handelsvertreter hatte bei der Wüstenrot die Position eines Bezirksdirektors inne. Er war insbesondere für Coaching-Maßnahmen verantwortlich, jedoch auch dafür, selbst Verträge zu vermitteln.

Dann erkrankte der Handelsvertreter. Nachdem er versuchte, beruflich wieder etwas zu machen, kündigt die Bausparkasse fristlos, hilfsweise fristgemäß.

Sie fühlte sich getäuscht.

Im Nachhinein stellte sich heraus, dass der Handelsvertreter sogar berufsunfähig war.

Dann meinte die Württembergische, es stände ihr wegen der Berufsunfähigkeit das Recht zur fristlosen Kündigung zu.

Das Landgericht sah in dem Verhalten des Handelsvertreters keine Täuschung. Da der Vertrieb in der Zwischenzeit sogar vorübergehend einen Ersatz einstellen könnte, sah es das Landgericht auch nicht als unzumutbar an, die normale Kündigungsfrist abzuwarten.

Das Landgericht meinte, der Handelsvertreter habe über seine Erkrankung nicht getäuscht. Er habe auch nicht getäuscht, wenn er mitgeteilt habe, dass er bereit sei, seine Arbeitskraft nach Genesung wieder zur Verfügung zu stellen. Im Übrigen hatte der Handelsvertreter belegen können, dass er wirklich erkrankt war. Eine Täuschung kam deshalb nach Ansicht des Gerichts nicht in Betracht.

Auch die Erkrankung selbst stellt keinen Kündigungsgrund dar. Grundsätzlich könne zwar der Unternehmer aufgrund einer unverschuldeten Unmöglichkeit der Erfüllung wesentlicher Vertragspflichten durch den Handelsvertreter, zum Beispiel wegen einer unerwarteten Krankheit von unabsehbarer Dauer, oder einer Berufsunfähigkeit zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung berechtigt sein. Auch hier muss jedoch eine Abwägung aller Umstände des Einzelfalles stattfinden. Solche ergeben sich jedoch auch nicht daraus, dass der Handelsvertreter eine Kündigungsfrist von 6 Monaten hatte. Dieses, so das Gericht, sei dann hinzunehmen.

Im Übrigen hatte das Unternehmen bereits Ersatz eingestellt. Wirtschaftlich war damit das Ausscheiden des Handelsvertreters wegen seiner Erkrankung aufgefangen.

Es wurde festgestellt, dass die fristlose Kündigung unwirksam ist und die Beklagte zum Schadensersatz verpflichtet ist.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

OLG Köln: Zuschüsse müssen nicht zurückgezahlt werden

Am 23.09.2024 wies das Oberlandesgericht Köln einen Anspruch einer Versicherung gegen einen Handelsvertreter zurück, der Zuschüsse zurückzahlen sollte.

Vorweg zum besseren Verständnis: Hier ging es um Zuschüsse, nicht um Provisionsvorschüsse, um die häufig vor Gericht gestritten wird.

In dem Handelsvertretervertrag war geregelt, dass der Handelsvertreter der Versicherung 44.000 € im Falle der Kündigung zurückzahlen sollte. Der Handelsvertreter hatte den Vertrag aus wichtigen gründen fristlos gekündigt und wurde anschließend verklagt.

Das Oberlandesgericht sah in dieser Rückzahlungsklausel einen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 307 BGB. Die Klausel hätte dem Handelsvertreter auch dann zur Rückzahlung verpflichtet, wenn die Kündigung auf ein pflichtwidriges Verhalten der Versicherung zurückzuführen gewesen wäre. Es fehlte mithin eine Differenzierung in der Klausel danach, wer das Vertragsende zu verantworten hätte.

Bereits das Landgericht Köln hatte unter dem Aktenzeichen 2-O 273/22 die Klage der Versicherung abgewiesen.

Da die Klausel unwirksam war, kommt es auch nicht einmal mehr darauf an, ob die fristlose Kündigung des Handelsvertreters zurecht ausgesprochen wurde.

Zudem meinte das Oberlandesgericht, dass die Klausel auch gegen das Verbot der Kündigungserschwernis gemäß § 89a Abs. 1 S. 2 verstoße.

OLG Frankfurt: Coronamittelverkäufer ist Handelsvertreter

Corona beschäftigt auch heute noch die Gerichte.

So ist mit Urteil vom 8.7.2025 vom Oberlandesgericht Frankfurt ein Vertriebspartner eines Herstellers von Corona-Schnelltests als Handelsvertreter angesehen worden.

Der ursprüngliche Vertrag hieß nicht Handelsvertretervertrag, sondern Kooperationsvertrag.

Der Vertriebler machte im Wege einer Stufenklage unter anderem Ansprüche auf Provisionszahlung, Handelsvertreterausgleich und Erteilung eines Buchauszuges geltend. Man stritt um Provisionen wegen eines Großauftrages des VW Konzerns aus dem Jahre 2021.

Das Landgericht Marburg wies zunächst die Klage ab, weil angeblich kein Handelsvertretervertrag vorliegen würde.

Das Oberlandesgericht Frankfurt sah dies anders. Das OLG stellte klar, dass ein Handelsvertretervertrag auch dann vorliegt, wenn der Vertrag als „Kooperationsvertrag“ bezeichnet wurde – entscheidend sei die tatsächliche Ausgestaltung. Die Klägerin sei schließlich „ständig damit betraut“ gewesen, Geschäfte zu vermitteln und teilweise auch abzuschließen (§ 84 HGB).

Dabei stellte das Oberlandesgericht auf folgende Merkmale ab:

  • Eingliederung in die Vertriebsstruktur,
  • Abschlussvollmacht,
  • ein Pflichtenprogramm im Vertrag,
  • und die Möglichkeit zur Einschaltung von Unterhandelsvertretern

Diese Merkmale würden hier vorliegen. Das Oberlandesgericht stellte mithin nicht auf die formale Vertragsbeziehung ab, sondern auf die gelebte Realität. Regelmäßig handelt es sich um einen Handelsvertreter, wenn eine entsprechende Eingliederung in die Absatzorganisation vorliegt, dieser einer ständigen Tätigkeitspflicht unterliegt, eher zum Abschluss von Verträgen bevollmächtigt ist, eine gewisse Weisungsbindung vorliegt und die Vergütung sich an Provisionen orientiert.

Allerdings wurde ein Provisionsanspruch für das VW- Geschäft verneint, weil dies nicht mit der Beklagten, sondern mit einem anderen Unternehmen abgeschlossen wurde.

Das Gericht verurteilte die Beklagte allerdings zur Erteilung eines Buchauszugs für alle während des Vertragsverhältnisses abgeschlossenen provisionspflichtigen Geschäfte.

Urteil des OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 08.07.2025 – 14 U 193/23

Die DVAG und der Ausgleichsanspruch

Vermögensberater, die Ihre Tätigkeit bei der Deutschen Vermögensberatung DVAG beenden, haben zuweilen einen Ausgleichsanspruch gemäß § 89b HGB.

Um diesen darzustellen, sind teilweise sehr komplexe Berechnungen notwendig.

Etwas einfacher ist dies mit den sogenannten „Grundsätzen zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs„, über die hier in diesem Blog schon oft berichtet wurde.

Der Bundesgerichtshof durfte grundsätzlich zwei Mal zu der Frage Stellung nehmen, ob und wie ein Vermögensberater Ausgleichsansprüche geltend machen kann.

In beiden Fällen hatte ein Vermögensberater nach den sogenannten Grundsätzen den Ausgleichsanspruch berechnet, obgleich der Vermögensberatervertrag eine solche Berechnung gar nicht vorgesehen hat.

Am 23.11.2011 entschied der Bundesgerichtshof unter dem Aktenzeichen VIII ZR 203/10, dass auch dann, wenn der Vermögensberatervertrag es nicht ausdrücklich regelt, eine Berechnung des Ausgleichsanspruchs über die sogenannten Grundsätze stattfinden kann. Diese Entscheidung stellte sich bereits als erhebliche Vereinfachung dar.

Derselbe Vermögensberater, der diese Entscheidung zu Gunsten seiner Kollegen durchsetzen konnte, musste dann jedoch noch ein weiteres Mal wegen des Ausgleichsanspruchs beim Bundesgerichtshof vorstellig werden. In diesem weiteren Verfahren hatte dann der Bundesgerichtshof darüber zu entscheiden, ob das Versorgungswerk, dass ab einem bestimmten Ermittlungserfolg für Vermögensberater eingerichtet wird, auf die Höhe des Ausgleichsanspruchs angerechnet wird. Die DVAG hatte den Wert des Versorgungswerkes von der Ausgleichszahlung in Abzug bringen wollen.

Am 18.05.2014 unter dem Aktenzeichen VII ZR 282/12 bejahte der Bundesgerichtshof, dass ein solcher Abzug im Wege einer einzelfallbezogenen Billigkeitsabwägung gemäß § 89 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 HGB. Der Bundesgerichtshof sah es mithin als erlaubt an, den Wert des Versorgungswerkes von der Höhe des auszuzahlenden Ausgleichsanspruches in Abzug zu bringen.

Der BGH führte dies in der mündlichen Verhandlung lapidar aus, dass man auch die Nachteile der Grundsätze (die eine Anrechnung eines Versorgungswerks bejahen) in Kauf nehmen muss, wenn man die Vorteile (vereinfachte Abrechnung) in Anspruch nehmen will.

Dies ist dann auch heute noch gelebte Praxis im Hause der DVAG.

Ein weiterer Vermögensberater versuchte noch, gegen die Entscheidung des BGH anzugehen und den BGH zu einer anderen Entscheidung zu bewegen.

Der Bundesgerichtshof wies jedoch mit Beschluss vom 16.04.2025 eine darauf gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof zurück. Der Vermögensberater musste auch hier akzeptieren, dass sich der Ausgleichsanspruch um den Wert des Versorgungswerkes reduziert.