02
Ein Versicherungsberater, der Versicherungsnehmer (VN) über Tarifwechselmöglichkeiten in der privaten Krankenversicherung gewerblich berät, darf sich nicht als “Verbraucherschützer” oder “unabhängiges Verbraucherschutzportal für private Krankenversicherungen” bezeichnen. LG Hamburg, Urteil vom 22.3.2013 (315 O 76/12).
Ein Urteil, das gern missverstanden wird und nicht bedeutet, dass ein Makler nicht empfehlen darf, einen Tarif zu wechseln….
01
In einer Entscheidung vom 08.05.2015, die noch nicht rechtskräftig ist und im Wege der Berufung angegriffen werden kann, verurteilte das Landgericht Frankfurt am Main einen Vertrieb zur Rückzahlung einer Softwarepauschale.
Der Kläger war für die Beklagte, einem Vertrieb, als Handelsvertreter tätig. Im Vermögensberatervertrag war geregelt, dass der Vertrieb das EDV-Netzwerk kostenlos zur Verfügung stellt und der Handelsvertreter zur Nutzung verpflichtet war. Für zwei Jahre wurde dem Kläger ein Softwarenutzungsentgelt in Rechnung gestellt und von den Provisionen abgezogen.
Das Gericht meinte, der Kläger habe einen Anspruch auf Rückzahlung aus § 812 Abs. 1 Satz 1, erste Alternative BGB. Die einbehaltene Softwarepauschale erfolgt ohne Rechtsgrund.
Das Gericht hatte sich mit der Frage der Verjährung auseinanderzusetzen. Die Frage war, ob die Klage rechtzeitig eingereicht wurde und bei Einreichen bereits entsprechend individualisiert war. Die Klage wurde 2013 eingereicht, im Jahre 2014 konkretisiert. Forderungen aus dem Jahre 2010 waren nach Auffassung des Gerichtes bereits verjährt.
29
Die Vollstreckung aus dem Buchauszug: OLG Karlsruhe Beschluß vom 10.11.2014, 9 W 37/14
Vollstreckung des Handelsvertreters aus einem Urteil auf Buchauszug: Ersatzvornahme durch Erstellung eines neuen Buchauszuges durch einen Wirtschaftsprüfer; Ergänzung eines vorgelegten Buchauszuges durch einen Wirtschaftsprüfer bei vorhandenen Mängeln
Leitsätze
1. Wird der Unternehmer verurteilt, einen Buchauszug zu erteilen, erfolgt die Vollstreckung im Wege der Ersatzvornahme (§ 887 ZPO). Auf Antrag ist der Handelsvertreter zu ermächtigen, den Buchauszug auf Kosten des Unternehmers durch einen Wirtschaftsprüfer erstellen zu lassen.
2. Im Vollstreckungsverfahren ist der Einwand der Erfüllung zu prüfen. Weist der vom Unternehmer vorgelegte Buchauszug Mängel auf, rechtfertigt dies nicht ohne weiteres eine Ersatzvornahme durch Anfertigung eines vollständigen, neuen Buchauszugs. Entscheidend ist, ob der vom Unternehmer erstellte Buchauszug bestimmten formalen Anforderungen im Wesentlichen genügt, und ob er trotz der vorhandenen Mängel (Fehlen bestimmter Angaben und Fehlen eines bestimmten Kreises von Geschäften) prinzipiell als Grundlage für eine eigene Provisionsabrechnung des Handelsvertreters geeignet ist.
3. Wenn im Buchauszug bestimmte Angaben zu den dokumentierten Geschäften fehlen, kann der Handelsvertreter im Vollstreckungsverfahren eine Ergänzung dieser Angaben durch einen Wirtschaftsprüfer auf Kosten des Unternehmers verlangen (hier: Fehlende Angaben zu Kundenzahlungen und zu den Gründen von Stornierungen).
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin und auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss des Landgerichts Konstanz vom 09.09.2014 – 7 O 66/08 KfH – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Gläubigerin wird ermächtigt, den auf Grundlage des vollstreckbaren Teilurteils des Senats vom 08.12.2011 – 9 U 108/10 – erteilten Buchauszug (Anlagen zum Schriftsatz der Schuldnerin vom 06.07.2012, Seite 1 – 44 und gesonderte „Stornoliste“, Seite 1 – 3) auf Kosten der Schuldnerin durch einen von der Gläubigerin zu beauftragenden Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchsachverständigen um folgende Angaben ergänzen zu lassen:
a) Datum des jeweiligen Eingangs und Betrag der Kundenzahlungen,
b) Gründe für Stornierungen und Retouren.
2. Die Schuldnerin hat an die Gläubigerin als Vorschuss auf die voraussichtlichen Kosten des Wirtschaftsprüfers oder vereidigten Buchsachverständigen einen Betrag von 2.000,00 EUR zu zahlen.
3. Die Schuldnerin hat dem von der Gläubigerin beauftragten Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchsachverständigen ungehinderten Zutritt zu ihren Geschäftsräumen, Einsicht in die Geschäftsbücher und die sonstigen Unterlagen und Urkunden zu gewähren, soweit dies zur Fertigung der ergänzenden Angaben erforderlich ist.
Der Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchsachverständige wird ermächtigt, unter Hinzuziehung des zuständigen Gerichtsvollziehers sämtliche Geschäftsräume der Schuldnerin in…, zu durchsuchen zur Auffindung der für die ergänzenden Angaben gemäß Ziffer 1 benötigten Unterlagen und Schriftstücke, einschließlich der in der EDV gespeicherten Daten.
4. Der weitergehende Antrag der Gläubigerin wird zurückgewiesen.
5. Von den Kosten des Vollstreckungsverfahrens vor dem Landgericht tragen die Gläubigerin 4/5 und die Schuldnerin 1/5.
6. Der Gegenstandswert für das Vollstreckungsverfahren vor dem Landgericht wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.
II. Die weitergehende sofortige Beschwerde der Gläubigerin wird zurückgewiesen.
III. Die weitergehende sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird zurückgewiesen.
IV. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Gläubigerin zu 4/5 und die Schuldnerin zu 1/5.
V. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
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Der BGH zum Buchauszug
Handelsvertreter in der Finanzdienstleistung und Vertriebe/Versicherungen streiten sich oft um den Buchauszug. Der Inhalt des Buchauszuges ist oftmals streitig. Oftmals wird eingewendet, dass sich die Inhalte bereits aus der Provisionsabrechnung ergeben.
Der Bundesgerichtshof hat am 21.03.2001 unter dem Aktenzeichen VIII ZR 149/99 entschieden, wie ein Buchauszug auszusehen hat. Dabei heißt es:
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum … einen Buchauszug zu erteilen, der sich auf alle vom Kläger vermittelten Versicherungsverträge, bei welchem in diesem Zeitraum Abschluss, Bestandspflege, Dynamik und sonstige Provisionen fällig geworden sind, erstreckt und er für die einzelnen Verträge folgende Angaben erhält:
- Name des Versicherungsnehmers
- Versicherungsscheinnummer
- Art und Inhalt des Versicherungsvertrages (Sparte, Tarifart, Prämien oder provisionsrelevante Sondervereinbarungen)
- Jahresprämie
- Versicherungsbeginn
- bei Lebensversicherungsverträgen: Versicherungssumme, Eintrittsalter des Versicherungsnehmers und Laufzeit des Vertrages
- bei Lebensversicherungsverträgen mit Dynamisierung zusätzlich: Erhöhung der Versicherungssumme, Zeitpunkt der Erhöhung und Erhöhung der Jahresprämie
- im Falle von Stornierungen: Datum der Stornierung, Gründe der Stornierung und Art der ergriffenen Bestandserhaltungsmaßnahmen
28
Komplexe Entscheidung des OLG Stuttgart
Am 01.04.2014 entschied das Oberlandesgericht Stuttgart, dass eine Berufung eines Vertriebs zurückgewiesen wird. Die Parteien stritten um Auskunftsansprüche im Zusammenhang mit einem Handelsvertretervertrag, um die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung und das Bestehen eines Wettbewerbsverbotes. Gegenstand einer Widerklage waren Provisionsansprüche des Beklagten sowie das Verlangen eines Buchauszuges.
Die Klägerin ist eine Vertriebsorganisation, zu der bundesweit ca. 37.000 haupt- und nebenberufliche Handelsvertreter angehören.
Die Klägerin forderte den Beklagten auf, umfassend über seine Tätigkeit als Handelsvertreter Auskunft zu erteilen. Es bestand der Verdacht, der Beklagte sei für ein Konkurrenzunternehmen tätig, sodann kündigte der Vermögensberater den Vertrag ordentlich. Nach Zugang der Kündigung wurde das Provisionskonto gesperrt, sodass der Beklagte keine Provisionszahlungen mehr erhielt.
Sodann kündigte der Vermögensberater fristlos.
Vorgeworfen wurde dem Berater, er sei an einem Flughafen angetroffen worden und er hätte an einer Incentive-Reise eines Konkurrenzunternehmens, der Firma Finance-Plan+ Finanz-und Versicherungsmakler GmbH teilgenommen.
Sodann beantragte der Vertrieb, zu entscheiden, dass der Beklagte Auskunft geben müsse, die fristlose Kündigung unwirksam sei und er zum Schadensersatz verpflichtet sei.
Der Beklagte beantragte widerklagend den Buchauszug und auf der zweiten Stufe Provisionen. Das Landgericht hatte bereits die Klage abgewiesen und der Widerklage auf Erteilung eines Buchauszuges stattgegeben.
Dem schloss sich das Oberlandesgericht an.
Das Oberlandesgericht meinte zwar, dass eine Nachrichtpflicht des Handelsvertreters grundsätzlich gegeben sei. Es bestehe auch eine Berichtspflicht. In diesem Fall gelte diese jedoch nicht.
Schließlich umfasse diese nicht die erfolglosen Bemühungen des Handelsvertreters. Geht man davon aus, dass der Handelsvertreter jedenfalls bei begründetem Anlass auch Auskunft über den Stand seiner Bemühungen sowie die Aussicht auf Geschäftsabschlüsse zu erteilen hat, so ist der Handelsvertreter doch nicht gehalten, über jeden seiner Schritte und Besuche Bericht zu erstatten (vgl. Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 03.03.1971, 2 U 63/70).
Insofern würden die von der Klägerin geltend gemachten Auskünfte ersichtlich zu weit gehen.
Offen bleiben könne, ob die Auskunftspflicht auf den Vorfall am Flughafen gestützt werden kann. Da der Vorwurf, für ein anderes Unternehmen tätig zu sein, vom Beklagten bereits schriftlich zurückgewiesen wurde, wurde die Frage nach einer aktuell bestehenden Konkurrenztätigkeit hinreichend beantwortet und der Auskunftsanspruch erfüllt.
Nicht beantwortet wurde hingegen die Frage, ob der Beklagte den Wechsel zu einem anderen Unternehmen plane. Eine Mitteilungspflicht des Handelsvertreters bestehe nach Ansicht des Gerichts allerdings nicht, wenn dieser eine erlaubte Konkurrenztätigkeit nach Vertragsende aufnehmen will. Eine solche Frage müsse der Beklagte daher nicht beantworten.
Die weiteren Anträge seien deshalb unbegründet, weil die fristlose Kündigung des Beklagten wirksam war und das Vertragsverhältnis beendet war. Außerdem habe sich der Beklagte vom Wettbewerbsverbot so losgeseilt. Dies ist auch wirksam.
Fristlose Kündigungsgründe lagen vor. Eine solche bestehe darin, dass nach Zugang der ordentlichen Kündigung der Zugang zum EDV Netzwerk und der Mail Account gesperrt wurde. Außerdem gab es eine Provisionssperre, d.h. die vertraglich vorgesehene Vorfinanzierung wurde eingestellt. Dies stelle Vertragsverletzungen dar.
Im Übrigen habe der Vertrieb versprochen, das EDV Netzwerk kostenlos zur Verfügung zu stellen.
Eine Abmahnung war vor Ausspruch der Kündigung ausnahmsweise nicht erforderlich. Insofern komme auf den bestrittenen Zugang der Abmahnung nicht an. Nach einer Gesamtschau aller Umstände war nämlich hier die Abmahnung entbehrlich. Das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien war bereits vor Ausspruch der ordentlichen Kündigung gestört, was sich in dem Auskunftsverlangen ausdrückt. Es war nicht zu erwarten, dass die Abmahnung den Vertrieb zu einem Einlenken bewegt hätte. Deshalb ist die außerordentliche Kündigung des Beklagten wirksam.
Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot wurde insgesamt vom Gericht für unwirksam erklärt. Schließlich handele es sich bei den Klauseln im Vertag um Allgemeine Geschäftsbedingungen gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Ein entschädigungsloses nachvertragliches Wettbewerbsverbot weiche vom wesentlichen Grundgedanken des § 90 a Abs. 1 Satz 3 HGB ab, der gerade eine Entschädigungspflicht normiert, so das seine unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 HGB anzunehmen ist.
Der Vertrieb wurde jedoch gemäß § 87 c Abs. 2 HGB zur Erteilung des Buchauszuges verurteilt. Ein Saldoanerkenntnis liege im Übrigen auch nicht vor. Im Übrigen wäre ein solches Anerkenntnis wegen Verstoßes gegen § 87 c HGB unwirksam (Bundesgerichtshof Urteil vom 20.09.2006 Aktenzeichen VIII ZR 190/05).
Das Urteil des Oberlandesgerichts hatte einen Umfang von 35 Seiten. Der Rechtsstreit ist nunmehr an das Landgericht zurückgegeben, damit der Berater seine Provisionsansprüche errechnen kann.
21
Ein eher salomonisches Urteil fällte das Landgericht Landshut kürzlich.
Die DVAG verlangte Provisionsvorschüsse zurück. Der ausgeschiedene Vermögensberater wollte widerklagend einen Buchauszug, weil er meinte, noch Ansprüche zu haben.
In der ersten Instanz wurde er zur Zahlung verurteilt. In der zweiten Instanz wurde in der mündlichen Verhandlung erörtert, ob dem Berater noch Dynamikprovisionen zustehen würden.
Das Landgericht kam zu dem Ergebnis, dass der Berater erstmals die Provisionen zurückzahlen soll, aber gleichzeitig die DVAG einen Buchauszug zu erteilen habe.
Der Inhalt des Buchauszuges erstreckt sich auch auf Informationen, die zur Vorbereitung der Berechnung von Dynamikprovisionen dienen. Das Landgericht wollte jedoch noch nicht abschließend entscheiden, ob tatsächlich die Ansprüche auf Dynamikprovisionen bestehen. Dies müsste im Streitfall erst in einem weiteren Verfahren klargestellt werden.
07
Das Amtsgericht Waiblingen hatte am 18.03.2014 entschieden, dass ein Rechtsstreit der DVAG gegen einen ehemaligen Vermögensberater von der zuständigen Arbeitsgerichtsbarkeit zu entscheiden sei. Es war wohl die allerletzte gerichtliche Entscheidung über dieses Thema, zumal der Bundesgerichtshof hier bereits eine grundsätzliche Entscheidung gefällt hatte.
Der Bundesgerichtshof hatte die Auffassung vertreten, dass Vermögensberater keine sogenannten Einfirmenvertreter seien und deshalb nicht die Arbeitsgerichte, sondern die Zivilgerichte zuständig seien.
Auch deshalb wurde die Entscheidung des Amtsgerichts Waiblingen vom 18.03.2014 wieder aufgehoben. Nachdem sofortige Beschwerde eingelegt wurde, erklärte sich dann das Amtsgericht Waiblingen für zuständig.
21
Das Landgericht Frankfurt schmeißt Tippgebung und Vermittlung in einen Topf.
Am 18.03.2015 hatte das Landgericht Frankfurt darüber zu entscheiden, ob Vermittlung und Tippgebung identisch ist. Hintergrund war, dass einem Handelsvertreter Fremdvermittlung vorgeworfen wurde. Die Klägerin verlangte Auskunft über die Vermittlung, die Beklagte sagt, nicht anderweitig tätig gewesen zu sein.
Dem Gericht wurde deutlich gemacht, dass sich die Auskunft der Klägerin nur auf die Vermittlung beziehe, nicht auf die Tippgebung.
Nun soll sie die Auskunft eidesstattlich versichern, weil an der Auskunft Zweifel bestehen.
„Bereits ausgehend vom natürlichen Sprachgebraucht stellt sich die im Tippgeber Vertrag beschriebene Tätigkeit der Klägerin als eine Vermittlung dar, worauf sich auch das Auskunftsbegehren bezogen hat. Nach dem natürlichen Sprachgebrauch ist nämlich unter einer Vermittlung allgemein lediglich die Herstellung einer Verbindung zu verstehen. Eine Vermittlung muss daher nicht – und darauf scheint es die Klägerin abzustellen – stets unmittelbar erfolgen, sondern eine Vermittlung kann auch mittelbar der Gestalt erfolgen, dass die Klägerin Kontakte zischen einen potentiellen Versicherungsnehmer und einen Versicherungsvermittler oder einem Versicherungsunternehmer herstellt und sodann im Falle – so der original Wortlaut des Tippgeber Vertrages „für die Vermittlung von Kunden an die Gesellschaft“ eine Provision erhält. Entscheidend ist nach Auffassung der Kammer, dass die Klägerin nach dem Inhalt des Tippgeber Vertrages eine Verbindung zwischen einen Versicherungsvermittler oder einen Versicherungsunternehmen und einen Kunden herstellt, und im Fall des Abschlusses einen Vertrages eine Provision erhält, was nach Auffassung der Kammer als Vermittlung anzusehen ist… Soweit die Klägerin darauf abstellt, dass nach aufsichtsrechtlichen Vorschriften und insbesondere nach der Auffassung der BAFIN eine Tippgeber Vereinbarung keine Vermittlung im Sinne des $ 34 d Gewerbeordnung darstelle, ist dies für das streitgegenständliche Auskunftsbegehren der Beklagten ohne Belang. Die Kammer legt den Begriff des Vermittelns nicht an ausschließlich rechtliches Verständnis, sondern den üblichen Sprachgebrauch zu Grunde.“
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Das Landgericht Hamburg hat heute in einem noch nicht rechtskräftigen Urteil den ExChef des WölbernInvest, Heinrich Maria Schulte, zu 8 1/2 Jahren Haft verurteilt. So schreibt es das Manager Magazin.
Im Firmengeflecht der Wölbern Invest soll er in großem Stil gewerbsmäßige Untreue begangen haben. Nach Überzeugung des Gerichts hat der 61-jährige Arzt und Unternehmer in 327 Fällen mehr als 147 Millionen Euro aus dem Vermögen zahlreicher Fonds abgeschöpft und zweckentfremdet.
Von den 147 Millionen Euro soll Schulte nach Darstellung des Vorsitzenden Richters 50 Millionen Euro privat vereinnahmt haben. Den Rest habe er in Gesellschaften umgeleitet, an denen er selbst beteiligt oder deren Geschäftsführer er gewesen sei. Verschwunden sind den Angaben zufolge 115 Millionen Euro. Betroffen sind rund 35.000 Anleger, die etwa 1,1 Milliarden Euro investiert haben.
Das Manager Magazin stellt auch gleich einen Vergleich an: Gegen Uli Hoeneß ging es vor etwa einem Jahr um Steuerhinterziehung in Höhe von etwa 28,5 Millionen Euro (3 1/2 Jahre Haft). Bei Ex-Topmanager Thomas Middelhoff standen Ende 2014 Untreuevorwürfe im Volumen von nicht einmal einer Million Euro im Raum (3 Jahre Haft).
26
Das Amtsgericht Frankenberg verkündete am 12.02.2015 ein überraschendes Urteil.
Ich hatte bereits darüber berichtet, dass es hier eine Zeugenvernehmung gegeben hat, die in sich völlig unterschiedliche Bewertungen zuließ.
In dieser Entscheidung wurde ein Vermögensberater verurteilt, einen Provisionsvorschuss zurückzuzahlen.
Vertrieb und Vermögensberater hatten einen Handelsvertretervertrag geschlossen, und anschließend einen Aufhebungsvertrag. Das Gericht ging davon aus, dass sich die Parteien der Regelungen des Vermögensberatervertrages weiter bedienen wollten, soweit sich aus ihnen die Abwicklungsmodalitäten ablesen lassen.
Der Aufhebungsvertrag sollte dem Vermögensberater „zum Verhängnis“ werden. Das Gericht meinte, dass bei der Beurteilung der Nachvollziehbarkeit, Vollständigkeit und Richtigkeit der Abrechnungen zu berücksichtigen war, dass die Parteien in der Vergangenheit ihr Vertragsverhältnis dahingehend gelebt haben, dass die Abrechnungen akzeptiert und vom Beklagten nicht in Zweifel gezogen, sondern vielmehr zur Grundlage des Aufhebungsvertrags gemacht wurden.
Mithin sind Zweifel, die aktuell behoben wurden, ausgeschlossen.
Schließlich habe der Vermögensberater gemäß Vertrag unverzüglich die Abrechnungen binnen 3 Wochen zu prüfen. Hier meinte das Gericht, er habe die Abrechnungen nicht innerhalb der Frist beanstandet.
Hier begeht das Gericht einen erheblichen Gedankenfehler: Die herrschende Rechtsprechung ist der Rechtsauffassung, dass das Schweigen, nachdem man eine Provisionsabrechnung erhalten hat, kein Anerkenntnis darstellt.
Das Gericht meinte weiter: „Darüber hinaus dürfte sich die einseitige Änderung des Multiplikationsfaktors zur Berechnung der Provision im Verhältnis zum Wert des abgeschlossenen Vertrages, auf die zum Soll gestellten Forderungen der Klägerin nicht unmittelbar ausgewirkt haben, weil insoweit sowohl die Auszahlungen als auch die Rückstellungen ebenfalls auf dem niedrigeren Faktor beruhen dürften.
Zweiter Fehler des Gerichts: Das Gericht stellt hier auf eine Provisionskürzung von 24 Promille auf 22 Promille für die Vermittlung von Lebensversicherungen ab ohne dass man den Satz des Gerichtes verstehen könne, meinte es, dass es im Ergebnis egal wäre, ob dem Berater 24 Promille oder 22 Promille zustehen würden.
Hier beweist das Gericht, dass es die Abrechnungsmodalitäten nicht verstanden hat.
Im Übrigen meinte, dass Gericht, dass die Provisionsänderungen dem Beklagten zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages bekannt war. Auch hier bringt das Gericht einiges durcheinander.
In Anschluss daran hat sich das Gericht mit den Pflichten der Nachbearbeitung notleidender Versicherungsverträge auseinandergesetzt. Das Gericht meint, dass die Klägerin hier alles erforderliche getan hätte. Das Gericht meint zu all den Anforderungen, dass diese in doppelter Weise genügt wurden, indem sowohl durch die Aachen Münchener Versicherung Schreiben an die Versicherungsnehmer versandt wurden, als auch durch sie Stornogefahrmitteilungen an die Nachfolger des Beklagten.
Nächster Fehler des Gerichts: Der BGH wies ausdrücklich darauf hin, dass man sich nicht darauf verlassen dürfe, dass ein Bestandsnachfolger sich um die Rettung der Verträge bemühe, wenn er einfach nur durch eine E-Mail informiert würde.
Das Gericht meinte jedoch, dass es nicht einmal darauf ankomme, ob die Klägerin tatsächlich den Anforderungen an die Bestandserhaltungsmaßnahmen genügt habe, weil nach einer Beweisaufnahme sich herausgestellt habe, dass diese zu keinem Erfolg hätten führen können.
Im Übrigen meinte das Gericht, dass bei sogenannten Kleinstprovisionen (das Gericht ging von 100 € aus) überhaupt keine Nachbearbeitung erforderlich wäre.
Ferner meinte das Gericht, dass Nachbearbeitungen sinnlos wären, in denen es den Versicherungsnehmern um eine persönliche Bindung an den Versicherungsnehmer ginge. Dies galt auch für eine Kundin, die Aussagte, ihr sei bei ihren Entscheidungen die Verwandtschaft zum Beklagten wichtig und die besseren Angebote.
Warum „die besseren Angebote“ nicht auch von der Klägerin hätten kommen können, verriet das Gericht nicht.
Eine weitere Kundin sagte, dass ihr das Vertrauen in den Beklagten so wichtig gewesen sei, dass sie deshalb nicht an den von der Klägerin vermittelten Verträgen habe festhalten wollen.
Ein weiterer Kunde sagte, dass er deshalb gewechselt habe, weil er ein besseres Angebot eines anderen Anbieters erhalten habe.
Warum das Gericht hier es nicht für erforderlich hielt, eine Nachbearbeitung vorzunehmen, um Vertrauen aufzubauen und um Angebote evtl. nachzubessern, verriet das Gericht nicht. Gerade deshalb ist doch eine Nachbearbeitung erforderlich!
Alles in allem eine sehr zweifelhafte Entscheidung.
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„Alte“ Deutsche Regelung zum Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters europarechtswidrig
Bei Beendigung des Vertragsverhältnisses verliert ein Handelsvertreter den von ihm aufgebauten Kundenstamm an den Unternehmer, ohne dass er für neu abgeschlossene Geschäfte eine Provision erhält. Als Ausgleich für die im Aufbau eines Kundenstamms liegende Leistung des Handelsvertreters, die nach Vertragsbeendigung zugunsten des Unternehmers weiterwirkt, sieht § 89b HGB eine zusätzliche Vergütung vor. Um den Anspruch erfolgreich geltend machen zu können, müssen für den Unternehmer erhebliche Vorteile entstehen, die aus einer Geschäftsbeziehung zu Kunden resultieren, die der Handelsvertreter während seiner Vertragszeit neu geworben oder deren Geschäftsbeziehung er wesentlich erweitert hat.
Als Kehrseite der Vorteile für den Unternehmer entstehen dem Handelsvertreter Provisionsverluste. Der Umfang der Provisionsverluste richtet sich danach, was dem Handelsvertreter ohne Vertragsbeendigung zugestanden hätte. Der Ausgleichsanspruch konnte nach bisherigem Deutschen Recht nicht höher sein als die Vorteile des Unternehmers oder der Provisionsverlust für den Handelsvertreter.
Der EuGH hatte sich mit der Frage zu befassen, ob die deutschen Regelungen des HGB zum Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters bei Beendigung des Vertragsverhältnisses (§ 89b Abs. 1 Nr. 2 HGB) gegen europäisches Recht verstoßen (hier die Europäische Handelsvertreter-Richtlinie (Richtlinie 86/653/EWG zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter vom 18.12.1986).
Der EuGH kam zu dem Ergebnis, dass der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters entgegen dem Wortlaut des § 89b Abs. 1 Nr. 2 HGB nicht von vornherein durch die Höhe der Provisionsverluste begrenzt werden darf, auch wenn die dem Unternehmer verbleibenden Vorteile höher zu bewerten sind.
Nach Ansicht des EuGH führt die deutsche Regelung dazu, dass der Ausgleichsanspruch an die Höhe des Provisionsverlusts gekoppelt und somit im Zweifel nach unten angepasst wird. Dies widerspricht jedoch dem von der Richtlinie bezweckten Schutz des Handelsvertreters. Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters kann daher nicht von vornherein durch die Höhe der Provisionsverluste begrenzt werden, auch wenn die dem Unternehmer verbleibenden Vorteile höher zu bewerten sind.
Das bisherige deutsche Recht verstößt daher gegen die europäischen Vorgaben und muss angepasst werden. Außerdem wird sich die deutsche Rechtsprechung anpassen müssen. Die Möglichkeit, eine Ausgleichszahlung zu bekommen, dürfte in manchen Fällen wahrscheinlicher werden.
Die Entscheidung des EuGH im Volltext
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 17 der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechts-vorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter (ABl. L 382, S. 17, im Folgenden: Richtlinie).
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Semen, Pächter einer Tankstelle, und der Deutschen Tamoil GmbH (im Folgenden: Deutsche Tamoil) über die Höhe des Ausgleichs wegen Beendigung des Vertragsverhältnisses, den dieses Unternehmen Herrn Semen aufgrund der Kündigung seines Vertrags schuldet.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3 Art. 17 der Richtlinie bestimmt:
„(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen dafür, dass der Handelsvertreter nach Beendigung des Vertragsverhältnisses Anspruch auf Ausgleich nach Absatz 2 oder Schadensersatz nach Absatz 3 hat.
(2) a) Der Handelsvertreter hat Anspruch auf einen Ausgleich, wenn und soweit
– er für den Unternehmer neue Kunden geworben oder die Geschäftsverbindungen mit vorhandenen Kunden wesentlich erweitert hat und der Unternehmer aus den Geschäften mit diesen Kunden noch erhebliche Vorteile zieht und
– die Zahlung eines solchen Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit diesen Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht. Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass zu diesen Umständen auch die Anwendung oder Nichtanwendung einer Wettbewerbsabrede im Sinne des Artikels 20 gehört.
b) Der Ausgleich darf einen Betrag nicht überschreiten, der einem jährlichen Aus-gleich entspricht, der aus dem Jahresdurchschnittsbetrag der Vergütungen, die der Handelsvertreter während der letzten fünf Jahre erhalten hat, errechnet wird; ist der Vertrag vor weniger als fünf Jahren geschlossen worden, wird der Ausgleich nach dem Durchschnittsbetrag des entsprechenden Zeitraums ermittelt.
c) Die Gewährung dieses Ausgleichs schließt nicht das Recht des Handelsvertreters aus, Schadensersatzansprüche geltend zu machen.
…“
Nationales Recht
4 § 89b Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs in der zum maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Fassung setzt Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie in das nationale Recht um. Er lautet:
„Der Handelsvertreter kann von dem Unternehmer nach Beendigung des Vertrags-verhältnisses einen angemessenen Ausgleich verlangen, wenn und soweit
1. der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat,
2. der Handelsvertreter infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses Ansprüche auf Provision verliert, die er bei Fortsetzung desselben aus bereits abgeschlossenen oder künftig zustande kommenden Geschäften mit den von ihm geworbenen Kunden hätte, und
3. die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände der Billigkeit entspricht.
Der Werbung eines neuen Kunden steht es gleich, wenn der Handelsvertreter die Geschäftsverbindung mit einem Kunden so wesentlich erweitert hat, dass dies wirtschaftlich der Werbung eines neuen Kunden entspricht.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
5 Herr Semen war vom 1. November 2001 bis zum 31. Dezember 2005 Pächter einer Tankstelle der Deutschen Tamoil in Berlin. Dort verkaufte er im Namen und für Rechnung dieses Unternehmens vor allem Kraftstoffe und Schmierstoffe, aber auch Telefonkarten unterschiedlicher Netzbetreiber, die es ihm zur Verfügung stellte.
6 Die Deutsche Tamoil gehört zur staatlichen libyschen Oilinvestgruppe, die in Deutschland ein Tankstellennetz von etwa 250 Stationen, sowohl unter der A-Marke „Tamoil“, ihrer Firma, als auch unter der – preisgünstigeren – B-Marke „HEM“, be-treibt.
7 Die Tankstelle von Herrn Semen war eine „HEM“-Station. Seine Provision bemaß sich bei Kraftstoffen nach der verkauften Menge („Literprovision“), bei Ölen nach dem Umsatz. Tankten Besitzer von Tankkarten, denen die Deutsche Tamoil Nachlässe gewährte, stand Herrn Semen nur eine geringere Provision zu.
8 Das Landgericht Hamburg wurde zur Entscheidung über den Herrn Semen zu zahlenden Ausgleich nach Beendigung seines Vertragsverhältnisses mit der Deutschen Tamoil angerufen.
9 Nach der deutschen Rechtsprechung haben die drei Tatbestandselemente des § 89b Abs. 1 HGB kumulativen Charakter und begrenzen einander. Der Ausgleich kann daher nicht höher als der niedrigste Betrag sein, der sich unter einer der drei Nummern ergibt.
10 Gestützt auf diese Rechtsprechung neigt das Landgericht dazu, Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie dahin auszulegen, dass diese Bestimmung, nach der Provisionsverluste des Handelsvertreters nur ein Element im Rahmen der Billigkeitsprüfung darstellen, auch zulässt, die dem Handelsvertreter entgehenden Provisionen als Obergrenze des Ausgleichs zu betrachten.
11 Da das Landgericht Hamburg im Hinblick auf diese Auslegung des Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie jedoch Zweifel hat, hat es das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist es mit Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie vereinbar, dass der Ausgleichs-anspruch des Handelsvertreters durch seine Provisionsverluste infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses begrenzt wird, auch wenn die dem Unternehmer verbleibenden Vorteile höher zu bewerten sind?
2. Gehören hierzu bei einem Konzern, dem der Unternehmer angehört, auch die den Konzerngesellschaften zufließenden Vorteile?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
12 Mit seiner ersten Frage möchte das nationale Gericht wissen, ob Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er es nicht erlaubt, dass der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters von vornherein durch seine Provisionsverluste infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses begrenzt wird, auch wenn die dem Unternehmer verbleibenden Vorteile höher zu bewerten sind.
13 Hierzu ist einleitend festzustellen, dass Art. 17 der Richtlinie mit dem Blick auf die Ziele dieser Richtlinie und das damit eingeführte System auszulegen ist (vgl. Ur-teil vom 23. März 2006, Honyvem Informazioni Commerciali, C-465/04, Slg. 2006, I-2879, Randnr. 17).
14 Weiter steht fest, dass die Richtlinie die Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien eines Handelsvertretervertrags zum Ziel hat. So soll sie insbesondere die Interessen der Handelsvertreter gegenüber den Unternehmern schützen und legt zu diesem Zweck u. a. in den Art. 13 bis 20 Regeln über Abschluss und Beendigung des Handelsvertreter-vertrags fest (Urteil Honyvem Informazioni Commerciali, Randnrn. 18 und 19).
15 Was die Beendigung des Vertrags betrifft, wird mit Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie ein System geschaffen, das den Mitgliedstaaten ermöglicht, zwischen zwei Lösungen zu wählen. Sie haben nämlich die erforderlichen Maßnahmen dafür zu ergreifen, dass der Handelsvertreter nach Beendigung des Vertrags entweder Anspruch auf einen nach den Kriterien des Art. 17 Abs. 2 bestimmten Ausgleich oder auf nach den Kriterien des Art. 17 Abs. 3 bestimmten Schadensersatz hat.
16 Die Bundesrepublik Deutschland hat sich für die in Art. 17 Abs. 2 vorgesehene Lösung entschieden.
17 Nach ständiger Rechtsprechung ist das mit Art. 17 der Richtlinie geschaffene System, insbesondere was den Schutz des Handelsvertreters nach Vertragsbeendigung betrifft, zwingendes Recht (Urteil vom 9. November 2000, Ingmar, C-381/98, Slg. 2000, I-9305, Randnr. 21, und Honyvem Informazioni Commerciali, Randnr. 22).
18 Daher haben die Mitgliedstaaten, was den Ausgleich wegen Beendigung des Vertragsverhältnisses betrifft, nur innerhalb des durch die Art. 17 und 18 der Richtli-nie festgelegten Rahmens einen Gestaltungsspielraum bei der Wahl der Methoden zur Berechnung des Ausgleichs (Urteil Ingmar, Randnr. 21, und Urteil Honyvem In-formazioni Commerciali, Randnr. 35).
19 Das in Art. 17 der Richtlinie geregelte Verfahren läuft in drei Stufen ab. Auf der ersten geht es zunächst um die Quantifizierung der Vorteile des Unternehmers aus den Geschäften mit den vom Handelsvertreter geworbenen Kunden gemäß Art. 17 Abs. 2 Buchst. a erster Gedankenstrich der Richtlinie. Auf der zweiten Stufe wird dann nach Art. 17 Abs. 2 Buchst. a zweiter Gedankenstrich geprüft, ob der Betrag, der sich auf der Grundlage der genannten Kriterien ergeben hat, unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der dem Handelsvertreter entgangenen Provisionen, der Billigkeit entspricht. Schließlich wird auf der dritten Stufe der Ausgleichsbetrag an der in Art. 17 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie festgelegten Höchstgrenze gemessen, die nur dann relevant ist, wenn der sich aus den vorstehenden beiden Berechnungsstufen ergebende Ausgleichsbetrag sie übersteigt.
20 Da die Provisionsverluste demnach nur einen von mehreren Gesichtspunkten darstellen, die im Rahmen der Billigkeitsprüfung relevant sind, ist es Sache des nationalen Gerichts, auf der zweiten Stufe seiner Bewertung zu prüfen, ob der dem Handelsvertreter gewährte Ausgleich letztlich billig erscheint und ob und gegebenenfalls inwieweit er unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls anzupassen ist.
21 In Anbetracht des in Randnr. 14 des vorliegenden Urteils dargelegten Ziels der Richtlinie ergibt sich aus diesem System, dass eine Auslegung von Art. 17 der Richt-linie, wie sie das nationale Gericht vertritt, nur zulässig ist, wenn sich ausschließen lässt, dass sie sich für den Handelsvertreter als nachteilig erweist.
22 In diesem Zusammenhang ist außerdem festzustellen, dass der Gerichtshof bereits auf den Bericht über die Anwendung von Art. 17 der Richtlinie (KOM[96] 364 endg.) Bezug genommen hat, den die Kommission am 23. Juli 1996 vorgelegt hat. Dieser Bericht enthält detaillierte Angaben über die tatsächliche Berechnung des Ausgleichs und soll eine einheitlichere Auslegung dieser Vorschrift erleichtern (vgl. Urteil Honyvem Informazioni Commerciali, Randnr. 35). So werden in diesem Bericht verschiedene Faktoren angeführt, die bei der Billigkeitsprüfung in der Praxis zu be-rücksichtigen sind und von denen einige für einen höheren Ausgleich sprechen.
23 Im Licht dieser Erwägungen ist daher festzustellen, dass der Gestaltungsspiel-raum, über den die Mitgliedstaaten verfügen, um den dem Handelsvertreter bei Vertragsbeendigung zustehenden Ausgleich aus Billigkeitsgründen gegebenenfalls an-zupassen, nicht dahin ausgelegt werden kann, dass dieser Ausgleich ausschließlich nach unten angepasst werden darf. Denn eine solche Auslegung von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a zweiter Gedankenstrich der Richtlinie, die es ermöglichte, jede Erhöhung dieses Ausgleichs von vornherein auszuschließen, wäre eine Auslegung zum Nach-teil des Handelsvertreters, dessen Vertrag endet.
24 Daraus folgt, dass die in Randnr. 9 des vorliegenden Urteils dargelegte deutsche Rechtsprechung, die es von vornherein ausschließt, dass der Ausgleich im Rahmen der Anwendung des Billigkeitskriteriums bis zur Höhe der in Art. 17 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie festgelegten Obergrenze erhöht wird, wenn die dem Unternehmer verbleibenden Vorteile höher sind als die geschätzten Provisionsverluste des Handelsvertreters, fehlgeht.
25 Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er nicht erlaubt, dass der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters von vornherein durch seine Provisionsverluste infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses begrenzt wird, auch wenn die dem Unter-nehmer verbleibenden Vorteile höher zu bewerten sind.
Zur zweiten Frage
26 Mit seiner zweiten Frage möchte das nationale Gericht wissen, ob Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie dahin auszulegen ist, dass, falls der Unternehmer einem Konzern angehört, auch die den Konzerngesellschaften zufließenden Vorteile zu den Vorteilen des Unternehmers gehören und damit bei der Berechnung des Ausgleichs-anspruchs des Handelsvertreters zu berücksichtigen sind.
27 Für die Auslegung von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a erster Gedankenstrich der Richt-linie ist zunächst auf den Wortlaut der Bestimmung abzustellen.
28 Insoweit ist festzustellen, dass sich diese Bestimmung ausschließlich auf die Vertragsbeziehungen „Kunden/Unternehmer“ und die Vorteile des „Unternehmers“ aus den Geschäften mit diesen Kunden bezieht. Die am Wortlaut von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a erster Gedankenstrich der Richtlinie orientierte Auslegung führt daher zu der Schlussfolgerung, dass nach dieser Bestimmung Vorteile Dritter bei der Berechnung der „Vorteile des Unternehmers“ nicht berücksichtigt werden dürfen.
29 Diese Auslegung – ausschließlich die Beziehung zwischen dem Unternehmer und dem Handelsvertreter zu berücksichtigen – wird durch die systematische Auslegung dieser Bestimmung bestätigt.
30 Die in Art. 17 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie vorgesehene Obergrenze des Ausgleichsbetrags wird nämlich anhand der vom Handelsvertreter erhaltenen Vergütungen berechnet. Wie die italienische Regierung vorgetragen hat, werden die Vergütungen, auch wenn der Unternehmer einem Konzern angehört, stets ausschließlich vom Unternehmer und nicht von den anderen Konzerngesellschaften bezahlt.
31 Schließlich ist festzustellen, dass die Richtlinie nach ihrem zweiten Erwägungs-grund die Sicherheit des Handelsverkehrs und damit die Rechtssicherheit auf dem Gebiet der Handelsvertretung fördern soll. Dieses Ziel schließt es grundsätzlich aus, Vorteile Dritter zu berücksichtigen, wenn das Vertragsverhältnis zwischen dem Unternehmer und dem Handelsvertreter dies nicht vorsieht. Es ist Sache des nationalen Gerichts, den Handelsvertretervertrag insoweit nach dem anwendbaren nationalen Recht zu beurteilen.
32 Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie dahin auszulegen ist, dass, falls der Unternehmer einem Konzern angehört, die den Konzerngesellschaften zufließenden Vorteile grundsätzlich nicht zu den Vorteilen des Unternehmers gehören und damit bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters nicht notwendig zu berücksichtigen sind.
Kosten
33 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:
1. Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter ist dahin auszulegen, dass er nicht erlaubt, dass der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters von vornherein durch seine Provisions-verluste infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses begrenzt wird, auch wenn die dem Unternehmer verbleibenden Vorteile höher zu bewerten sind.
2. Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie ist dahin auszulegen, dass, falls der Unter-nehmer einem Konzern angehört, die den Konzerngesellschaften zufließenden Vor-teile grundsätzlich nicht zu den Vorteilen des Unternehmers gehören und damit bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters nicht notwendig zu berücksichtigen sind.