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Nach § 89 b des Handelsgesetzbuches (HGB) kann der Vertreter von dem Unternehmer nach Beendigung des Vertragsverhältnisses einen angemessenen Ausgleich verlangen, wenn und soweit
1. der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat und
2. die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, Insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit diesen Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht
Diesen Anspruch hat nur der hauptberufliche Vertreter, und zwar gleichgültig, ob er Einfirmen-vertreter oder Mehrfachvertreter ist, ob er seine Tätigkeit als Einzelkaufmann oder als Gesellschaft ausübt. Auf einen Vertreter Im Nebenberuf ist § 89 b HGB nicht anzuwenden, ebenfalls nicht auf Versicherungsmakler.
Ob ein Vertreter nur als Vertreter Im Nebenberuf tätig ist, bestimmt sich nach der Verkehrsauffassung (§ 92 b Abs. 3 HGB). Ein für das Unternehmen A hauptberuflich tätiger Vertreter übt auch gegenüber den Unternehmen B, C usw. eine hauptberufliche Tätigkeit aus, und zwar auch dann, wenn er für diese Unternehmen nur in geringem Umfang Verträge vermittelt.
Wichtig Ist, dass sich ein Unternehmen auf die Nebenberuflichkeit des Vertreters nur berufen kann, wenn es den Vertreter ausdrücklich als Vertreter im Nebenberuf mit der Vermittlung von Verträgen betraut hat (§ 92 b Abs. 2 HGB).
Der Ausgleichsanspruch besteht nicht, wenn der Vertreter das Vertragsverhältnis kündigt, ohne dass ein Verhalten des Unternehmens hierzu einen begründeten Anlass gegeben hat Das gleiche gilt, wenn das Unternehmen den Vertretungsvertrag gekündigt hat und für die Kündigung ein wichtiger Grund wegen schuldhaften Verhaltens des Vertreters vorlag (§ 89 b Abs. 3 HGB).
Der Vertreter darf also nicht von sich aus den Vertretungsvertrag kündigen, wenn er nicht den Ausgleichsanspruch verlieren will, es sei denn, das Unternehmen hätte ihm einen begründeten Anlass zur Kündigung gegeben. Ob ein solcher begründeter Anlass vorliegt, richtet sich nach den Umstanden des Einzelfalles. Letztlich werden nur die Gerichte darüber entscheiden können, wenn, was wohl die Regel sein dürfte, die Auffassungen des Vertreters und des Unternehmens auseinandergehen. Jedes Verbandsmitglied sollte den Rat des BVK einholen, bevor es sich zu einer Kündigung aus begründetem Anlass entschließt, da dieser Schritt zu erheblichen rechtlichen und finanziellen Nachteilen führen kann.
Unschädlich Ist eine Beendigung des Vertragsverhältnisses im gegenseitigen Einvernehmen, Bietet ein Vertreter seiner Gesellschaft eine derartige Beendigung an, so sollte er gleichzeitig darauf hinweisen, dass er natürlich die Zahlung eines Ausgleichs voraussetzt.
Eine Eigenkündigung des Vertreters löst auch dann den Ausgleichsanspruch aus, wenn er seinen Vertretungsvertrag aus Alters- oder Gesundheitsgründen kündigt. Insbesondere bei Gesundheitsgründen empfiehlt sich der Hinweis, dass die Kündigung nur unter der Bedingung, dass auch der Ausgleichsanspruch gezahlt wird, wirksam sein soll. Denn darüber, ob die Gesundheitsgründe ausreichend sind, kann es durchaus unterschiedliche Auffassungen geben.
Oftmals enthalten Vertreterverträge die Klausel, dass das Vertragsverhältnis automatisch beendet wird, wenn der Vertreter das 65. Lebensjahr vollendet. Auch diese Beendigung löst den Ausgleichsanspruch aus.
Wie der Bundesgerichtshof entschieden hat, wird auch beim Tode des Versicherungsvertreters ein Ausgleichsanspruch begründet. Nach den „Grundsätzen“ steht dieser Ausgleichsanspruch grundsätzlich nur seiner Witwe und seinen Verwandten in gerader Linie, in Härtefällen auch seinen sonstigen Erben zu. Diese Bestimmung wird dahin interpretiert, dass gegenüber „sonstigen Erben“ der Ausgleichsanspruch in der Regel bei einer durch familiäre Bindungen begründeten wirtschaftlichen Abhängigkeit dieser Erben von dem verstorbenen Vertreter anerkannt werden soll. Üb er diese Bestimmung der „Grundsätze“ geht der BGH mit seinem Urteil vom 17.11.1983 (l ZR 139/81, KG) hinaus, in dem er feststellte, dass der Ausgleichsanspruch unbeschränkt vererblich ist.
Der Anspruch kann nicht im Voraus, d. h. z. B. im Vertretervertrag, ausgeschlossen werden. Während des Bestehens des Vertragsverhältnisses kann der Vertreter nicht auf ihn verzichten, wohl aber nach der Beendigung. Er Ist innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Vertretervertrages – bei Beendigung Im Todesfall also Innerhalb eines Jahres nach dem Tode – geltend zu machen. Diese Frist muss unbedingt eingehalten werden, da anderenfalls der Ausgleichsanspruch verwirkt ist! Die Geltendmachung braucht nicht gerichtlich zu erfolgen; es genügt durchaus ein eingeschriebener Brief an das Versicherungs- oder Bausparunternehmen. Der Anspruch braucht hierbei nicht der Höhe nach angegeben werden.
Das HGB sagt nichts über die Höhe des Ausgleichsanspruchs. § 89 b Abs. 2 In Verbindung mit Abs. 5 bestimmt lediglich, dass der Anspruch höchstens drei nach dem Durchschnitt der letzten 5 Jahre der Tätigkeit (bei kürzerer Tätigkeit entsprechend) berechnete Jahresprovisionen oder sonstige Jahresvergütungen beträgt. Hierbei sind sämtliche Vergütungen, die der Vertreter bezogen hat, also sowohl Abschluss- als auch Folgeprovisionen (Inkassoprovisionen, Bestandspflegeprovisionen, usw.), zu berücksichtigen.
Der Ausgleichsanspruch entsteht nach Beendigung des Vertragsverhältnisses. Das Gesetz sagt nicht ausdrücklich, wann der Anspruch fällig wird. Die Abrechnung über den Anspruch und die Zahlung haben aber unverzüglich, d. h. ohne schuldhafte Verzögerungen, zu erfolgen, wobei den Vertreter eine gewisse Mitwirkungspflicht treffen kann. Erfolgt die Zahlung nicht unverzüglich, so hat der Vertreter einen Zinsanspruch gegen das Versicherungsunternehmen.
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Der Bundesgerichtshof entschied, dass Handelsvertreter eines Strukturvertriebes ebenso einen Anspruch auf einen Ausgleich nach Ausscheiden aus dem Vertragsverhältnis haben, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt . Oftmals werden zur Berechnung dieser Ausgleichsansprüche die so genannten Grundsätze herangezogen. Diese wurden von Vertretern der Versicherungswirtschaft ausgearbeitet. Sie bieten eine vereinfachte Formel, um die Höhe des Anspruches errechnen zu können. Der Bundesgerichtshof hatte im letzten Jahr entschieden, dass diese Grundsätze als Schätzungsgrundlage herangezogen werden können, auch wenn diese nicht ausdrücklich vereinbart . Wie die Ausgleichsansprüche berechnet werden und wie die Formel lautet, werde ich in den nächsten Tagen in diesem Blog darstellen.
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Vertrieb muss Buchauszug erteilen und Ausgleichsanspruch zahlen
Am 18.09.2012 entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main, dass ein Vertrieb sowohl einen Buchauszug zu erteilen habe, als auch einen Ausgleichsanspruch in Höhe von mehr als 100.000,00 € zu leisten habe.
Zwischen den Parteien war geregelt, dass Provision nur für eine nachhaltige Betreuung der Kunden gezahlt werden sollte. Darauf kam es jedoch nach Ansicht des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main nicht an. Obgleich dies zwischen den Parteien nicht vereinbart wurde, hatte das Gericht als Maßstab die zwischen den Verbänden der Versicherungswirtschaft vereinbarten Grundsätze nach § 287 Abs. 2 ZPO als Schätzungsgrundlage herangezogen. Daran war das Oberlandesgericht Frankfurt am Main schließlich durch ein Revisionsurteil des Bundesgerichtshofes vom Ende letzten Jahres gebunden.
Die zu berücksichtigenden Provisionszahlungen schließen so genannte Superprovisionen ein, also Provisionen, die der Kläger beanspruchen konnte, weil die Abschlüsse von Vertretern der ihm nachgeordneten Struktur erwirtschaftet wurden.
Provisionen, die der Handelsvertreter während einer Phase der Erkrankung verdient hatte, wurden nicht abgezogen.
Zwischen den Parteien war streitig, ob der Ausgleichsanspruch mit einer aufgebauten Altersversorgung verrechnet werden können. Eine Verrechnung wäre zulässig, wenn die Altersversorgung aus Mitteln des Vertriebes aufgebracht wurde, also wirtschaftlich nicht dem Kläger zuzurechnen ist.
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main meinte, dass die Anrechnungsvoraussetzungen nicht vorliegen. Mithin durfte der Ausgleichsanspruch nicht um die Altersversorgung geschmälert werden. Die Zahlungen in das so genannte Versorgungswerk waren nach Ansicht des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main nämlich Entgeltzahlungen und somit wirtschaftlich dem Handelsvertreter zuzurechnen.
Im Übrigen zahlte der Vertrieb die Versorgungsleistungen nicht freiwillig. Diese waren nämlich Gegenstand einer Zusatzvereinbarung.
Diese Zahlungen sollten auch wirtschaftlich dem Handelsvertreter zuzurechnen sein und Vergütungsbedeutung beimessen. Schließlich hatte der Kläger die Leistungen als Einkünfte zu versteuern, woraufhin er durch die Abrechnungen jeweils hingewiesen wurde.
Darüber hinaus wurde der Vertrieb verpflichtet, einen Buchauszug zu erteilen, der zu enthalten hat:
Name des Versicherungsnehmers und/oder Vertragspartners
Policen- und/oder Versicherungsscheinnummer
Zu Art und Inhalt des Vertrages die Sparte, die Tarifart, die Prämien un/oder provisionsrelevante Sondervereinbarungen
Vertrags- und/oder Versicherungsbeginn
Bei Lebensversicherungensverträgen: Versicherungssumme, Eintrittsalter des Versicherungsnehmers und Laufzeit des Vertrages
Bei Lebensversicherungensverträgen mit Dynamisierung zusätzlich: Erhöhung der Versicherungssumme, Zeitpunkt der Erhöhung und Erhöhung der Jahresprämie
Im Fall von Stornierung: Datum der Stornierung, Gründe der Stornierung und Art der ergriffenen Bestandserhaltungsmaßnahmen
Den Antrag auf Erteilung des Buchauszuges sah das Gericht als zulässig an. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main meinte letztendlich, dass im beantragten Umfang der Buchauszug zu erteilen ist. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hob daraufhin eine bereits früher verkündete Entscheidung auf.
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main meinte auch, dass sich der Buchauszug auch auf die Geschäfte zu erstrecken habe, die seine Untervertreter der Struktur getätigt hätten.
Die Provisionsabrechnungen als Buchauszüge sind von dem Handelsvertreter auch nicht durch Schweigen anerkannt worden. Insofern schloss sich das Oberlandesgericht Frankfurt am Main einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29.11.1995 VIII ZR 293/94 an.
Der Vertrieb wandte Verjährung ein. Mit diesem Einwand konnte er nicht durchdringen. Schließlich war bei Lebensversicherungen die Fälligkeit wegen einer Stornohaftungszeit auf fünf Jahre hinausgeschoben. Danach kam eine Verjährung des ausgeurteilten Zeitraums nicht in Betracht.
Auch einen weiteren Einwand der Beklagten wollte das Gericht nicht gelten lassen, nämlich den, dass das Unternehmen selbst als Vertrieb auch nur Versicherungsvertreter sei.
Auch wenn die monatlichen Abrechnungen als permanente Buchauszüge bezeichnet werden, genügen sie dem Inhalt eines Buchauszuges nicht, weil sie die Geschäftsvorfälle nicht übersichtlich und verständlich darstellen. Auch ersetze der Onlinezugriff den Buchauszug nicht.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.
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Immer wieder tauchen dubiose Rechtsansichten zum Thema Ausgleichsanspruch auf.
Grundsätzlich gilt:
Den Ausgleichsanspruch gibt es nur, wenn das Unternehmen kündigt oder es einen Anlass zur Kündigung gegeben hat (z.B. durch vertragsbrüchiges Verhalten).
Kündigt der Handelsvertreter, gibt es grundsätzlich nichts.
Ausgleichsansprüche müssen innerhalb eines Jahres nach Vertragsende geltend gemacht werden (eine Form dafür ist nicht vorgeschrieben). Es muss auch kein Betrag genannt werden. Die bloße Aufforderung „ich will meinen Ausgleichsanspruch haben“ genügt z.B..
Anwaltskollegen verlangten kürzlich für diese Auskunft einen nicht geringen Betrag, obgleich diese Frist offensichtlich längst abgelaufen war.
Hält man sich diese einfachen Grundsätze vor Augen, erübrigt sich manche Beratung.
Übrigens hatte der BGH kürzlich entschieden, dass auch Handelsvertretern eines Strukturvertriebes ein Ausgleichsanspruch zusteht.
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Man erlebt doch immer wieder Überraschungen.
Einem Mandanten, Handelsvertreter in einem namhaften Strukturvertrieb, wurde von seinem Strukturleiter empfohlen, selbst eine Kündigung auszusprechen, damit seine Ausgleichsansprüche erhalten bleiben.
Umgekehrt ists richtig: Nur dann, wenn das Unternehmen kündigt (und in ein paar anderen wenigen Fällen) hat der Handelsvertreter einen Ausgleichsanspruch. Das gilt auch in Strukturverhältnissen.
Wenn er selbst kündigt, ist der Ausgleichsanspruch regelmäßig weg.
In einem anderen Verfahren erfuhr ich, dass der Versicherungsberater, mit dem ich vor 16 Jahren etwa in Kontakt stand und der mich gern in seine Struktur mit eingebunden hätte, jetzt aus wirtschaftlichen Gründen in seinen alten Handwerksberuf zurückkehren musste.
Die Vermittlungs- und beratungstätigkeit warf dann wohl doch nicht so viel ab.
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Der Bundesgerichtshof fällte kürzlich ein richtungsweisendes und äußerst interesantes Urteil:
Es stritten sich ein Versicherungs- und Bausparkassenvertreter mit seiner ehemaligen Gesellschaft über Ausgleichsansprüche gem. § 89 HGB.
In dem Vertrag waren die sog. Grundsätze, die von den Spitzenverbänden der Versicherungswirtschaft und des Versicherungsaußendienstes ausgearbeitet sind, nicht vereinbart. Diese Grundsätze dienen der schnelleren Erfassung der Höhe der Ausgleichsansprüche, über die ansonsten mit großen Prozessrisiken gestritten wurde.
Der BGH stellte fest, dass diese Grundsätze trotzdem für die richterliche Schätzung herangezogen werden müssen, auch wenn sie nicht vereinbart sind.
Dieses Urteil dürfte richtungsweisend sein, da es bisher sehr umstritten war, ob die Grundsätze auch dann gelten, wenn diese nicht Gegenstand des Handelsvertretervertrages sind. Die Ausgleichsansprüche lassen sich an Hand der Grundsätze nach der aktuellen Entscheidung des BGH leichter ermitteln.
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Auf der Seite der Rechtsanwälte Bach, Langheid und Dallmayr fand ich ein interessantes Urteil zum Handelsvertreterausgleich.
Das Oberlandesgericht München urteilte am 10.11.2010, dass auch ohne ausdrückliche Vereinbarung eine hälftige Anrechnung auf den Ausgleich der vom Unternehmer freiwillig geleisteten Altersversorgung stattfindet – auch wenn dies nicht ausdrücklich vereinbart wurde.
1.
Haben Unternehmer und Handelsvertreter keine Vereinbarung über die Anrechnung der vom Unternehmer freiwillig geleisteten Altersversorgung auf den Handelsvertreterausgleich geschlossen, entspricht eine hälftige Anrechnung der Altersversorgung der Billigkeit im Sinne des § 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB neue Fassung (§ 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB alte Fassung), wenn die Fälligkeitsdifferenz zwischen Ausscheiden des Handelsvertreters und dessen Eintritt in den Ruhestand 9 Jahre und 16 Tage beträgt, die Altersversorgung aus Rechtsgründen weder veräußert oder beliehen noch zurückgekauft werden kann, der Handelsvertreter beim Unternehmer 30 Jahre, davon 29 Jahre im Außendienst, davon wiederum ca. 19 Jahre als selbständiger Handelsvertreter beschäftigt war, er bei Ausscheiden kurz vor Vollendung des 56sten Lebensjahres stand und seine berufliche Wiedereingliederung aufgrund seines beruflichen Lebensweges erheblich erschwert ist.
2.
Steuerliche Vorteile, welche der Unternehmer, hier ein Versicherungsunternehmen, aus der Altersversorgung gezogen hat, bleiben bei der Berücksichtigung des auf den Handelsvertreter Ausgleichs anzurechnenden Betrages außer Betracht (in Übereinstimmung mit BGH NJW 1966, 1964). Entsprechendes gilt für einen etwaigen Gewinn, den das Unternehmen mit der Altersversorgung erwirtschaftet hat.
Oberlandesgericht München Urteil vom 10.11.2010 Aktenzeichen 7 U 3385/10 (nicht rechtskräftig)
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Am 25.06.2010 entschied das Oberlandesgericht Düsseldorf, dass die Berechnung des Ausgleichsanspruches gemäß § 89 b HGB grundsätzlich im Wege einer Prognose vorgenommen werden kann. Es sind die Provisionen zu berücksichtigen, die der Handelsvertreter mit den von ihm geworbenen (Stamm-) Kunden im letzten Vertragsjahr erzielt hat, über die zu erwartenden Verlust nach Vertragsende über einen bestimmten Zeitraum vorgenommen werden.
§ 89 b Abs. 1 HGB wurde kürzlich geändert. Der Europäische Gerichtshof verlangte, dass die Begrenzung des Ausgleichsanspruches auf die vertraglichen Provisionsverluste nicht zulässig sei. Dies berücksichtigt der Deutsche Gesetzgeber in der nunmehr geänderten Fassung des § 89 b Abs. 1 HGB, wonach als Voraussetzung für einen Ausgleichsanspruch der nachvertragliche Unternehmensvorteil unverändert bestehen bleibt.
In den Fällen, in denen der Handelsvertreter früher keinen Ausgleich erhielt (z.B. wenn er nur eine Einmal-Provision erhalten hatte) sind nunmehr Ausgleichsansprüche nicht von vornherein ausgeschlossen, wenn der Unternehmer oft über Jahre hinweg von dem Abschluss solcher Verträge erhebliche Vorteile erzielt. Hier besteht Hoffnung, dass solche Ausgleichsansprüche in Zukunft zur Auszahlung kommen.
Zu bedenken ist jedoch, dass der BGH am 29.03.1990 entschieden hatte, dass gemäß § 287 ZPO eine tatrichterliche Schätzung vorgenommen werden darf, als dass die dem Unternehmer nach Beendigung des Vertragsverhältnisses verbleibenden Vorteile aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, der Höhe nach identisch sind mit den Provisionsverlusten, den der Handelsvertreter in Folge der Beendigung des Vertragsverhältnisses erleidet. Sollte der BGH diese Rechtsprechung aufrechterhalten und weiterhin diese Berechnung als Grundlage heranziehen, könnte dies dazu führen, dass trotz der geänderten Gesetzeslage im Ergebnis keine neuen Entscheidungen zu erwarten sind.
Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 25.06.2010 – Aktenzeichen I – 16 U 191/09
BGH-Urteil vom 29.03.1990 – Aktenzeichen I ZR 2/98 – in WM 1990, 1496
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Der Bundesgerichtshof hat am 6.10.2010 ein Urteil zum Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB gefällt.
Der BGH hat entschieden, dass der Ausgleichsanspruch nicht deswegen ausgeschlossen ist, weil der Vertragshändler nach der Beendigung des Vertragsverhältnisses mit dem Hersteller seinen Geschäftsbetrieb eingestellt hat. Das gilt selbst dann, wenn die Betriebseinstellung auf die Insolvenz des Vertragshändlers zurückzuführen ist. Der Zweck der Regelung des §89 HGB besteht nämlich darin, dem Vertragshändler eine Vergütung für in der Vergangenheit erbrachte Leistungen zu gewähren. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob der Händler auch in Zukunft tatsächlich noch hätte Provisionen erzielen können.
Der BGH äußerte sich auch zu der Änderung des § 89b Abs.1 Satz 1 HGB. Nach dem neuen § 89b HGB sind die dem Hersteller verbleibenden Vorteile höher zu bewerten als etwaige Provisionsverluste. Allerdings hat der Händler in diesem Fall diese nicht geltend gemacht, weshalb der neue § 89b Abs.1 Satz 1 HGB nicht zur Anwendung kam.
Der BGH hat weiter zu der Frage Stellung genommen, ob ein Ausgleichsanspruch unbillig sein könnte, wenn der Unternehmer sowohl Provisionen an den Nachfolger zahlen muss und gleichzeitig den Ausgleichsanspruch. Da dies zwangsläufige Folge des Anspruchssystems des HGB, erläutert der BGH, sei dies nicht unbillig. Beide Ansprüche stehen nämlich nach §§ 87, 87a, 89b HGB nebeneinander. Der Ausgleichsanspruch wird deshalb also nicht ausgeschlossen.
Ohne Erfolg hat sich der Hersteller auch dagegen gewandt, dass der BGH den Ausgleichsanspruch nicht durch Multiplikation der Mehrfachkundenumsätze im letzten Vertragsjahr, sondern anhand der in den letzten fünf Vertragsjahren erzielten Mehrfachkundenumsätze errechnet hat. Zwar sind nach der Rechtsprechung grundsätzlich die innerhalb des letzten Vertragsjahres auf den Listenpreis gewährten Rabatte zu Grunde zu legen. Davon ist nur der Umsatz mit Stammkunden zu berücksichtigen. Hier hatte das letzte Vertragsjahr jedoch einen atypischen Verlauf genommen. Dann kann anders berechnet werden, so der BGH. Und zwar auch, wie im vorliegenden Fall, obwohl beide Parteien des Prozesses anders gerechnet hatten, nämlich mit den Mehrfachkundenumsätzen des letzten Jahres.
Der BGH hat dann seine ständige Rechtsprechung bestätigt, wonach Vergütungen des Herstellers für händlertypische Tätigkeiten nicht berücksichtigt werden können. Ferner hat er erneut unterstrichen, dass die Berechnung nach der Rohertragsmethode zulässig ist. Dabei kommt es für die Einbeziehung von zusätzlichen Vergütungsleistungen in die Ausgleichsberechnung nicht darauf an, ob dem Händler ein vertraglicher Anspruch auf die gewährten Zusatzleistungen zusteht.
Im Einzelnen sind Großabnehmer-, Leasing- und Sonder-Prämienzuschüsse, nicht jedoch eine „Sondervergütung Gebrauchtfahrzeug“ einzubeziehen. Folgerichtig wäre der von dem Händler dem Endverbraucher gewährte Preisnachlass („versteckter Rabatt“) in Abzug zu bringen, weil Rabatte des Händlers in voller Höhe seinen individuellen Rohertrag schmälern. Dieser Abzug war aber nicht erfolgt.
Akzeptiert hat der BGH hingegen, dass der gesamte Rohertrag einschließlich der berücksichtigungsfähigen Zuschüsse um 29 Prozent als händlertypische Bestandteile gekürzt worden sind. Die von dem Händler zu beanspruchenden Zusatzrabatte von 5 Prozent sind ins Verhältnis gesetzt worden mit dem Gesamtrabatt von 17,5 Prozent (12,5 Prozent Grundrabatt plus 5 Prozent Zusatzrabatte).
Anschließend wurden 2,5 Prozent der Unverbindlichen Preisempfehlung zu den Mehrfach-Kunden-Geschäften geschätzt und abgezogen. Dies geschieht für die vermittlungsfremden Tätigkeiten, die ein Händler im Vergleich zu einem Handelsvertreter ausführt. Der Hersteller wollte 3,16 Prozent abgezogen haben, was der BGH abgelehnt hat. Der BGH akzeptiert schließlich einen Billigkeitsabschlag von 25 Prozent wegen der Sogwirkung der Marke Volvo und lehnt einen weiteren Abschlag wegen der Übernahme der Marke Seat ab, weil beide Marken nicht vergleichbar sind.
Entscheidung vom 06.10.2010 (VIII ZR 209/07)
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Der Bundesgerichtshof hat am 16.06.2010 eine wichtige Entscheidung zur Höhe der Verzinsung des Ausgleichsanspruchs eines Handelsvertreters gefällt: Danach ist der Anspruch mit 8 Prozent-Punkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen und nicht nur mit 5 Prozent-Punkten.
Während viele bislang nur eine Verzinsung von 5 Prozent-Punkten über dem Basiszinssatz gewährten, steht nun verbindlich fest, dass es künftig 8 Prozent-Punkte sein müssen. Laut Urteilstenor stellt der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters einen „Entgeltanspruch“ dar, so dass § 288 Abs.2 BGB Anwendung findet. Danach betragen die Verzugszinsen eben 8 Prozent-Punkte über Basiszinssatz.
Urteil vom 16.06.2010, AZ: VIII ZR 259/09

